Arbeit mit Quellen/Kartenarbeit im Geschichtsunterricht

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Eine Geschichtskarte:
Der Deutsche Bund 1815-1866

Karten sind im Geschichtsunterricht eine wichtige Informationsquelle. Geschichtskarten bieten dem kundigen Leser im wahrsten Sinn des Wortes "auf einen Blick" eine Fülle von Informationen. Die Analyse und Interpretation von Karten muss jedoch geübt werden.[1]

Bei Karten im Geschichtsunterricht sind Historische Karten und Geschichtskarten zu unterscheiden:

Historische Karten sind in der Vergangenheit entstandene Karten, die nicht unbedingt historische Themen behandeln müssen.“ [2]

Geschichtskarten dagegen sind heutige Darstellungen der Verhältnisse in vergangener Zeit.“ Michael Sauer 2008.[3] Zu beachten ist, dass Geschichtskarten mit der Zeit selber wieder zu Quellen werden.

Historische Karten

Weltkarte des Theatrum Orbis Terrarum von 1570

Historische Karten gelten als wichtige Informationsquellen und lassen sich den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft zuordnen. Eisenbahnkarten, Reisekarten, Bergbaukarten, aber auch Stadtpläne oder Ähnliches werden als Historische Karte bezeichnet.

Historische Karten greifen vergangenes Raumwissen und Wahrnehmungsmuster damaliger Gesellschaftsgruppen auf und liefern somit durch die verschiedenen Vorstellungen der dargestellten Weltausschnitte ein Abbild des jeweiligen historischen Raumes. Hinter einer Historischen Karte steckt zugleich immer eine gewisse Intention des Kartenmachers, was für den Kartenleser wiederum einen mehr oder minder großen Interpretationsraum offen lässt.[4]

„Historische Karten sind in der Vergangenheit entstandene Karten, die nicht unbedingt historische Themen behandeln müssen.“[5]

Für die Bearbeitung von historischen Karten werden drei Schritte empfohlen:

  • Genaues Betrachten und Beschreiben
  • Symbole und Beschriftungen deuten
  • Rückschlüsse auf die Vorstellungen und Kenntnisse der Menschen ziehen


Idealisierte Karlsruher Stadtansicht, Kupferstich von Heinrich Schwarz 1721
Historische Karte: Karsruhe, 1876



Geschichtskarten

Geschichtskarte: Vertrag von Verdun 843

Geschichtskarten hingegen sind sehr abstrakt gehalten und locken durch ihre Anschaulichkeit. Ihr großer Vorteil ist, dass sie Rauminformationen viel komplexer und komprimierter als jedes andere Medium vermitteln können.[6] Sie dienen dem Überblick und der Orientierung im Raum. Da Geschichtskarten nicht unübersichtlich werden sollen, kommt es automatisch zu einer optischen Begrenzung, welche wiederum zur Reduktion und Beschränkung von Informationen beim Kartenleser führen.

Geschichtskarten sind keine Quellen im strengen Sinne, denn sie sind - mit Ausnahme historischer Karten - Endprodukte eines Forschungsprozesses und einer gezielten Mitteilungsabsicht des Kartenautors, d.h. verdeckt oder offen liegen der Karte die Erkenntnisinteressen oder die Sichtweise des Autors zugrunde. Sie können auf diese Weise leicht die Sicht des Kartenlesers lenken, zumal die optische Begrenzung zur Reduktion und Beschränkung von Informationen zwingt, wenn die Karte nicht unübersichtlich werden soll.

Die in Karten übliche Symbolsprache hat den Vorzug der Anschaulichkeit, kann aber auch verdeckt Wertungen hervorrufen. So können Grenzsignaturen Grenzen unterschiedlicher Qualität (völkerrechtliche Grenzen, Sprachgrenzen, Glaubensgrenzen, Wirtschaftsgrenzen etc.) wiedergeben; Pfeile, Kreise und Sterne können zwar Bewegungen spiegeln, sagen jedoch nichts über die Art der Bewegung (Flucht, Wanderung etc.) aus; Farbgebungen können durch weiche oder eher aggressive Farben eine indirekte Wertung vornehmen usw.

Zu unterscheiden sind verschiedene Kartentypen:

  1. einfache Karten geben Wechselbeziehungen zwischen geographischen Bedingungen und Informationen über historische Zustände/Vorgänge an.
  2. komplexe Karten schichten verschiedenartige Informationen in einer geographischen Karte übereinander, um eine Verbindung zwischen diesen Informationen und den geographischen Bedingungen herzustellen.
  3. statische Karten zeigen einen historischen und/oder politischen Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. in einem bestimmten Zeitabschnitt. Sie können auch verschiedene Zustände in einer einzigen Karte darstellen.
  4. dynamische Karten zeigen die Art einer Entwicklung in den Phasen zwischen Zuständen. Man erkennt sie in der Regel an den Pfeil- oder Kreissymbolen.
  5. historische Karten präsentieren nicht den aktuellen Kenntnisstand, sondern stammen selbst aus der Vergangenheit, können also als Quellen dienen. Außer den direkten Informationen geben sie Auskunft über den Kenntnisstand, das Weltbild, das Erkenntnisinteresse und die Informationsabsichten der Entstehungszeit.

„Die Grenzen zwischen Geschichtskarten und historischen Karten überschneiden sich, denn eine Geschichtskarte kann auch zu einer historischen Karte werden oder als solche gesehen werden.“ [7]

Geschichtskarten interpretieren

Nach Sauer sind folgende Fragen an eine Karte zu stellen:

  • Welches Thema hat die Karte?
  • Welcher Raum ist dargestellt?
  • Welche Zeit wird behandelt?
  • Welche Bedeutung haben besondere Zeichen?
  • Welche Informationen kann ich aus der Karte (im Hinblick auf die Fragestellung) entnehmen?
  • Welche Erkenntnisse ergeben sich, wenn ich diese Informationen mit meinen Vorkenntnissen und den Aussagen anderer Materialien verbinde?
  • Welche Auskünfte, die für das Thema wichtig sind, erhalte ich aus der Karte nicht?

Orientierung:

  • Welcher Gegenstand wird für welche Zeit und welchen Raum dargestellt?
  • Studium der Legende: Welches Zeichen hat welche Bedeutung?
  • Ggf.: Aus welchen Kartenschichten besteht die Karte?
  • Ggf.: Müssen die geographischen Angaben aus einer anderen Karte beschafft werden?

Befunderhebung und Analyse:

  • Was ist für welchen geografischen Raum dargestellt?
  • Was ist für welchen Zeitpunkt oder Zeitraum dargestellt?
  • Was ist wie verteilt (quantitativ, qualitativ)?

Karteninterpretation und -beurteilung:

  • Welche Ursachen, welche Entwicklungen und welche Folgen lassen sich aus den Einzelbefunden ablesen? Welche Rolle spielen dabei Raumstrukturen und Entfernungen? Welchen Zusammenhang gibt es zwischen den einzelnen Kartenschichten der Karte?
  • Wo liegen die Grenzen der Aussagefähigkeit der Karte? Welche thematische, quantitative, chronologische und räumliche Aspekte fehlen?
  • Welche weitergehenden Schlüsse (Hypothesen) lassen sich aus der Kartenanalyse ziehen?
  • Welche Fragen beantwortet die Karte nicht? Welche weitergehenden Fragen ergeben sich aus der Karte?
  • Mit welchen Hilfsmitteln (Sekundärliteratur, Lexika usw.) können die Fragen beantwortet bzw. Hypothesen verifiziert/falsifiziert werden?[8]

Handlungsorientierte Verfahren

Beim Einsatz von Geschichtskarten sind handlungsorientierte Verfahren denkbar.[9] Dazu zählen:

Arbeit mit bestehenden Karten:

  • Thematische Reduktion (d. h. Abzeichnung der Karte auf Folie oder Transparentpapier unter Verzicht auf einzelne Informationsschichten)
  • Räumliche Reduktion (Nur einen Teil der Karte beachten, Vergrößerung eines Ausschnitts durch Kopie oder Umzeichnung)
  • Zeitliche Reduktion (bei dynamischen Karten => Zustandskarten)
  • Transformation einer Karte in eine statistische Darstellungsform (Karte => Tabelle oder Diagramm)
  • Transformation einer Karte in eine sprachliche Darstellungsform (Karte => Text)

Erstellung neuer Karten:

  • Informationen aus Texten oder statistischen Darstellungen angemessen kartografisch umsetzen.
  • Bildkarten erstellen (Bild/Zeichnung, Text und Karte kombinieren)

Karten und Texte

  • sich mittels Texten auf Karten orientieren bzw. Texte über Karten nachvollziehen

Arbeit mit Karten

Arbeitsfelder der Kartennutzung



Ziel bei den in der oben angeführten Skizze angesprochenen Kompetenzen ist, dass diese bei den Schülern im Laufe der Zeit ausgebildet und verinnerlicht werden. Wichtig ist auch, dass sie im Laufe der Zeit eine Raumvorstellung für historische Sachverhalte entwickeln.[10] Da ein nachhaltiger Lernerfolg bei den Schülern erzielt werden soll, wäre die Speicherung der jeweiligen Informationen in Gedächtniskarten optimal. Hierbei entstehen im Kopf anschauliche Raumbilder und dienen als innere Karte unseres Geschichtsbewusstsein .[11]

Bei den einzelnen Komponenten gibt es keine fixierte Lernabfolge. Vielmehr ist es ein permanenter Lernprozess in allen Komponenten mit mehr oder minder starker Betonung und diversen Vor- und Rückgriffen.[12]

Kartentyp Merkmal Vorzüge Nachteile
Zeitpunktkarte Informationen werden auf einen Zeitpunkt oder stark begrenzten Zeitraum fixiert Einfach strukturierte konkrete Aussage, überschaubares, gut lesbares Kartenbild Genese nicht erkennbar, kartografische Momentaufnahmen sind eine theoretische Konstruktion
Kartenfolge Generalthema wird in verschiedenen Zeitebenen präsentiert; Darstellungsraum und Kartengestaltung gleich oder ähnlich Gute Lesbarkeit und Vergleichbarkeit Vergleichsarbeit ist zeitaufwendig, großer Platzbedarf in Publikationen
Mehrphasenkarte Mehrere Zeitschnitte bilden ein komplexes, stark strukturiertes Kartenbild; Zeitaussagen werden durch spezifische Farben. Zeichen und Schrift ausgedrückt Auf kleinen Raum wird eine hohe Informationsdichte geboten Zeitphasen sind aufwendig konkretisierbar und schwer vorstellbar
Diagrammkarte Aussagen zu zeitlichen Veränderungen erfolgen durch quantitative raumbezogene Diagramme Quantitative oder qualitative Entwicklungen von Raumstrukturen werden visualisiert Lokalisierung ungenau
Vektorenkarte Pfeile und Linien symbolisieren Ortsveränderungen, maßstabs- oder richtungsorientiert Anschaulich, einprägsam Hohe Abstraktion, Anfangs- und Endpunkte und Verlauf oft verabsolutiert oder fragwürdig, Tendenz zu suggestiver Wirkung
Kartenfilm (gut als besondere Form der Kartenfolge) Schnelle Bildfolgen, raum-zeitliche Bewegung historischer Phänomene Historische Dynamik wird visualisiert Hoher technischer und materieller Aufwand bei Erstellung und Rezeption
Computerkarte Universell kombinierbare Möglichkeiten der Zeitdarstellung Vielfalt and Zeitgestaltungsvarianten, interaktive Nutzung, unbegrenzte Informationserweiterung durch andere kartografische und nichtkartografische Angebote Hoher Entwicklungs- und Ausstattungsaufwand


Animierte Karten

Animierte digitale Karten können Veränderungen über längere Zeiträume leicht nachvollziehbar und prägnant verdeutlichen.

Expansion und Zerfall des Römischen Reiches
Heiliges Römisches Reich, territoriale Entwicklung



Beispiel: Entwicklung der Eisenbahn in Deutschland im 19. Jahrhundert

Ein gutes Beispiel einer animierten Karte ist "Eisenbahnen in Deutschland 1835-1885":

Eisenbahnen in Deutschland 1835-1885
Quelle: Eisenbahnen in Deutschland 1835-1885

Auf IEG-MAPS · Server für digitale historische Karten - Serie A-K: Animierte Karten finden sich auch Animationen für die Entwicklung der Eisenbahnen in Deutschland in kleinere Zeitabschnitte desselben Zeitraums


Google Earth für Geschichte

Google Earth bietet einige Erweiterungen, die direkt für den Geschichtsunterricht genutzt werden können.[13]

"Nicht nur aktuelle Geschehnisse kann man auf dem 3D-Globus nachverfolgen. Viele kostenlose Plug-ins zeigen geschichtliche Karten und historische Bauten, wie die Berliner Mauer."


Historische Karten überlagern Google Maps

So was lässt die Herzen von Mapfreaks höher schlagen: Die David Rumsey Kartensammlung überlagert Google Maps und Google Earth mit über 120 ihrer insgesamt 150.000 historischen Karten. Mit Schiebereglern kann man die Transparenz der Layer einstellen, und ein "more"-Link im kurzen Begleittext über der Karte führt zur ausführlichen Beschreibung auf der Webseite der David Rumsey Map Collection.

Weblinks

Eigentlich deckt Wikimedia Commons mittlerweile alles ab. Trotzdem noch einige Links:

Anmerkungen

  1. Arbeit mit Karten sehr ausführlicher Artikel der ph Karlsruhe
  2. Sauer, Michael: Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik. Seelze-Velber 2005, S. 246.
  3. Michael Sauer 2008, S. 246.
  4. Mayer, Ulrich/Pandel, Hans-Jürgen/Schneider, Gerhard: Handbuch Methoden im Geschichtsunterricht. Schwalbach: Wochenschau Verlag 2007, S.249
  5. Sauer 72008, S. 246.
  6. vgl. Mayer/Pandel/Schneider 2007, 225
  7. “Fritz, Gerhard (Hrsg.):“ Fachwissenschaft Geschichte. Ein Studienbuch für Studierende Grund-, Haupt- und Realschule. Stuttgart: Kohlhammer 2011
  8. Ammermann, Dorothee: Analyse und Interpretation von Geschichtskarten, 2012
  9. Sauer 72008, S. 251-252
  10. vgl. Mayer/Pandel/Schneider 2007, 228
  11. vgl. Mayer/Pandel/Schneider 2007, 225
  12. vgl. Mayer/Pandel/Schneider 2007, 228
  13. Michael Sauer: Geschichtskarten. In: Ders.: Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik. Seelze-Velber: Kallmeyer Verlag 72008, S. 246-254.


  • Lernmodule für den Geschichtsunterricht der Sek I - Segu.png  Suchbegriff: Karten


Siehe auch