Bodenhistorie/Der Umgang mit dem Boden im 18. Jahrhundert

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Einige Ansichten des Professsor Wallerius über den Boden

Johan Gottschalk Wallerius

Einige Ansichten des Chemikers Wallerius (18. Jahrhundert) sind für uns "fortschrittliche Menschen" des beginnenden 21. Jahrhunderts einerseits altertümlich amüsant, zugleich aber auch aktuell. Dabei sind einige Erfahrungsgrundsätze bis in die heutige Zeit hinein gültig, was sich auch an einigen Redewendungen demonstrieren lässt. Wallerius'[1] Ausführungen sind ein Beispiel für frühe Versuche eines Wissenschaftlers, den Boden zu erforschen. Zwischen den traditionellen Ansichten, orientiert an antiken Vorbildern, und den neuen naturwissenschaftlichen Ansätzen nehmen die Betrachtungen des schwedischen Professors eine Mittelstellung ein.

Wallerius beginnt sein Buch mit Anmerkungen im traditionellen Stil seiner Zeit, indem er Cicero und Cato zitiert:

“Daß der Ackerbau eine Kunst sey, welche mit dem Acker dergestalt umzugehen lehret, daß selbiger Korn und Wucher hervorbringe, ist eine allgemein bekannte Sache. Man weiß auch zur Genüge, daß derselbe von Gott befohlene, auch an und vor sich selbst eine höchst nothwendige Kunst sey, und als die Mutter der übrigen Künste angesehen werden müsse, indem die übrigen Künste ohne das Brod nur sehr schwach getrieben werden können...“
Johann Gottschalk Wallerius: Agriculturæ fundamenta chemica, 1761 / Chemische Grundsätze des Ackerbaues aus dem Lateinischen übersetzt und mit Anmerkungen erläutert von. Jo.G. Krünitz, Berlin. Verlegt von Arnold Wever, 1764

Wissenschaftlichkeit zeichnet sich durch die Reproduzierbarkeit von Versuchsergebnissen aus. Professor Wallerius war vom Sinn und Nutzen von Versuchsanstellungen noch nicht so ganz überzeugt. Er meinte:

“Man hat viele, welche ihre Gedanken von dem Ackerbau und desselben Verbesserung bekannt gemacht haben. Sie sind insgesamt der Meinung, daß sich der Ackerbau auf lauter Versuchen gründen müsse, und durch selbige einzig und allein befördert werden könne. Ich halte dagegen, auch wenn Hippocrates es nicht gesagt hätte, daß eine jede Erfahrung trüge, und daß ohne gehörige Vernunftschlüsse angestellte Versuche nicht von dem geringsten Nutzen seyn, gleich auch ohne Erfahrung von keinem besonderlichen Werth sind.... Meines Erachtens muß der Ackerbau auf beiderlei Art, sowohl durch Vernunftschlüsse, als auch durch Versuche behandelt werden.“
Wallerius, Agriculturæ fundamenta chemica, 1761

Wir würden heute sagen, nur durch Theorie und Praxis können neue Erkenntnisse gewonnen werden. Das war zu Wallerius' Zeit im 19. Jahrhundert noch keineswegs selbstverständlich, weil die Wissenschaftler recht häufig Thesen aufstellten, ohne ihre Behauptungen durch Beobachtungen oder Versuche abzusichern.

Wallerius beschäftigte sich dann mit der in seiner Zeit aktuellen Erdtheorie, nach der vermutet wurde, dass die Pflanze den Boden direkt als Nahrung aufnehmen sollte. Seine Meinung:

Krünitz 1764.jpg

“Daß keine mineralische Erde in die Gewächse mitübergeht, erhellet sich meines Erachtens zur Genüge aus der verschiedenen Natur der Gewächse und der Erde. Weil jede mineralische Erde gar sehr unterschiedlich ist und weil die Erde in Wasser unauflöslich ist, ohne welche Auflösung doch die Erde weder in Bewegung gebracht werden kann, noch weniger in die einzelnen Gefäße ein treten kann.“
Wallerius,Agriculturæ fundamenta chemica, 1761

[[Datei:Ferdinand Collmann - J. G. Krünitz.png|thumb|200 px |Krünitz]]Wikipedia-logo.png

Er lehnte die Theorie von der Erdnahrung ab, worin er durch den Übersetzer und Fachmann für Ackerbau Johann Georg Krünitz unterstützt wurde, der diese Theorie ebenfalls als überholt ablehnte.

“Hierdurch (durch die Ausführungen des Professors) fällt der erste und vornehmste Lehrsatz des Jethro Tull, in gleichem des Duhamel MonceauWikipedia-logo.png[2] und anderer über den Haufen, welche dafür halten, daß die Erde die vornehmste Nahrung der Gewächse sey. Der Wahrheit gemäßer dagegen wird die Meynung des Baco Verulaminis befunden, der nämlich behauptet, daß die Erde der Pflanze bloß zur Stütze diene und vor Hitze und Frost beschütze. Es weis anjetzt ein jeder, daß die Gewächse sowohl durch die Blätter, zu deren Gefäße doch keine Erde gelangen kann, als auch durch die Wurzeln ihre Nahrung erhalten.“

Wallerius, Johan G: Herrn Joh. Gottschalk Wallerius Chymische Grundsätze des Ackerbaus. (Quelle:

Agriculturae fundamenta chemica. Akerbrukets Chemiska Grunder. Praes. JO. GOTTSCH. WALLERIUS, Resp. Gust. Ad. Gyllenbarg. Vps. 1761, 4. Schwed. und Lat. 1 A. 17 B.

Jus Deutsche von mir übers. u. d. T. Hrn. Wallerius chymische Grundsätze des Ackerbaues. Berl. 1764, 8. 16 B. st. auch im 2 Th. des gemeinnütz. Natur= und Kunstmagaz. Berl. 1764, 8. S. 577--829.

Franz. übers. u. d. T. Elemens d' agriculture physique & chymique, à Yverdon, 1766,

Die Erfindung des Mikroskops war die Voraussetzung dafür, die Pflanzen in ihrem Aufbau näher unter die Lupe zu nehmen. Wallerius war nicht nur Theoretiker, sondern er wandte sich direkt an die Landwirte mit guten Ratschlägen, um “Ungemächlichkeiten“ vom Boden abzuwenden. Ein Auszug:

“Die vornehmsten Ungemächlichkeiten, welche die Nahrung und das Wachsthum der Pflanzen aufhalten oder zu schwächen pflegen und welche durch menschlichen Fleiß abgewendet werden können, sind Wald, Wasser, Schnee, große und kleine Steine auf dem Acker oder auch Thiere. Bäume hindern durch ihren Schatten die Sonnenstrahlen in das Erdreich hinein zu dringen; hiernächst halten sie auch Winde und damit zugleich die Luftfettigkeit ab. Darüberhinaus pflegen Wälder den Schnee und den Frost über die gewöhnliche Zeit in sich zu halten, und es wird in waldigen Gegenden allemal eine größere Kälte bemerkt. Auch ist daselbst eine größere Menge Ausdünstungen anzutreffen. Deshalb müssen demnach notwenigerweise die Äcker, soviel als möglich, von den Wäldern entfernt liegen und die Wälder neben den Äckern ausgerottet werden. Der Schnee ist schädlich, indem er auf nicht gefrorenen Acker fällt, die Kälte von den Wurzeln und der Erde abhält und nachher, wenn er schmilzt, die Wurzel ausreißt. Er ist schädlich, indem er im Frühjahr zerschmilzt und die Menge des Wassers auf dem Äcker vermehrt. Hieraus erhellet, daß im Winter der Schnee von dem Acker hinweggebracht werden müsse, welches durch den sog. Schneepflug geschehen kann ...“
Wallerius; Agriculturæ fundamenta chemica, 1761

Ob ein Bauer tatsächlich im Winter den Schnee von seinen Feldern abgeräumt hat?

Die Wassertheorie

Was ist die Ursache für das Pflanzenwachstum und für die Fruchtbarkeit des Bodens? Die Suche nach dem Vegetationsprinzip brachte Mitte des 18. Jahrhunderts französische Botaniker und Agronomen auf die Idee, Wasser sei die alleinige Ursache des Wachstums. Beobachtungen im Mittelmeerraum mögen dabei eine Rolle gespielt haben, denn dort wachsen die Pflanzen häufig direkt auf dem Muttergestein, wenn nur genügend Wasser vorhanden ist oder bereitgestellt wird. Eine enge Beziehung zwischen Wasserangebot und Wachstum ist daher auffällig und auch begründet.[3] Dabei ist in typischen Mittelmeergebieten die Bodenkrume allgemein nur vergleichsweise schwach ausgebildet und beträgt etwa 1 bis 2 Gewichtsprozent.

Zurück zur Wassertheorie. Johan Baptista van Helmont (1577 - 1644)Wikipedia-logo.png führte einen berühmt gewordenen Versuch in Brüssel durch:

Pflanzenversuch des Universalwissenschaftler van Helmont
van Helmont

“Ich nahm einen irdenen Kessel, in welchen ich 200 Pfund in einem Ofen getrockneten Boden hineintat; dann befeuchtete ich ihn mit Regenwasser und drückte einen Weidenschößling von fünf Pfund Gewicht fest hinein. Nach genau fünf Jahren wog der daraus erwachsene Baum 169 Pfund und nahezu drei Unzen. Das Gefäß hatte jedoch niemals etwas anderes erhalten als Regenwasser oder destilliertes Wasser, um den Boden, wenn nötig, zu befeuchten. Auch blieb er voll von Erde, welche noch fest gepackt war. Und damit nicht etwaiger Staub von außen in die Erde gelangen konnte, war das Gefäß mit einem verzinnten eisernen Deckel bedeckt worden, der mit vielen Löchern versehen war. Ich habe das Gewicht der Blätter, die im Herbst ab-fielen, nicht festgestellt. Am Ende meines Versuches trocknete ich die Erde wieder und erhielt wiederum dieselben 200 Pfund mit denen ich den Versuch begonnen hatte, weniger ungefähr zwei Unzen. Daher stammten die 164 Pfund Holz, Rinde und Wurzeln lediglich aus dem Wasser.
van Helmont. Zit. nach E. J. Russel/ Schriftenreihe Boden und Pflanze 1914

Hatte Helmont richtig beobachtet? Die Kritik gilt zunächst einmal der Versuchsanstellung, die im Freien durchgeführt wurde. Trotz der Vorkehrung, den Staub abzuhalten, war der Versuch doch recht grobschlächtig, was auch für die Beurteilung der kleinen Gewichtsdifferenz gilt, die als unbedeutend abgetan wurde. Wir müssen dem Experimentator wohl zugute halten, dass der allgemeine wissenschaftliche Kenntnisstand jener Zeit noch recht niedrig war, denn es gab noch keine Grundlagenkenntnisse über die Zusammensetzung der Luft oder über die Photosynthese. Vergegenwärtigen wir uns, dass die PhlogistontheorieWikipedia-logo.png[4] Georg Ernst StahlWikipedia-logo.png[5] stellte die Hypothese auf, dass alle Körper einen besonderen Stoff enthalten, der brennbar ist und der bei der Verbrennung aus dem Körper austritt. Diese Anschauung wurde Ende des 18. Jahrhunderts durch LavoisierWikipedia-logo.png[6] und seine Oxidationstheorie widerlegt, die erst ein Jahrhundert später aufgestellt wurde.

Bei der Bodenbewirtschaftung hat die Wassertheorie kaum Spuren hinterlassen. Weil es recht offensichtlich war, dass im mitteleuropäischen Klima Regenwasser allein nicht ausreichte, um ein gutes Pflanzenwachstum zu ermöglichen, blieben die Bauern bei der organischen Düngung. Die Erfahrung sprach gegen die simple Theorie.[7]

Die Humustheorie und die Humuswirtschaft

Der Pastor Johan Heinrich Denffer[8] war wohl der erste Theoretiker und auch Praktiker, welcher der schwarzen Erde, dem Moder, das, was wir heute Humus nennen, seine besondere Aufmerksamkeit widmete. In vier Gruppen teilte er den Boden ein: Modererde; Lehm; Ton; Sand. Er sprach sich für eine ausschließliche Düngung des Bodens mit Stallmist und Kompost aus, denn: "Diejenigen, welche sich träumen lassen, eine andere und bessere Düngung als die vom Vieh auszufinden, sind völlig auf dem Weg des Irrthums ..."

Landwirtschaft im frühen 18.Jahrhundert

[9]

Der Streit um den Nutzen des Humus für die Bodenfruchtbarkeit sollte noch lange dauern. Er reicht bis in die heutige Zeit, wo die Ansichten der Landwirte, Bodenkundler und Ökologen über den Bodenbestandteil durchaus unterschiedlich ausfallen. Ein Zeitgenosse Denffers vermutete im Humus eher geheimnisvolle Kräfte.

"Schwarze Felderde (humus ruralis) ist von der Gartenerde durch nichts weiter als etwas gröber anzufühlen beschieden. Die schwarze Erde ist ein natürlicher Reichthum, dessen sich nur wenige Gegenden zu rühmen haben. Ihre Fruchtbarkeit rührt von den daselbst beständig durch die Kraft des Feuers aufsteigenden Dünste und einer daher in der Erde unterhaltenen einförmigen Bewegung her. Dauert diese in einem Grade fort, so braucht man ein solches Feld nicht zu düngen, zu brachen oder zu verbessern, denn die fruchtbaren Kräfte würden sich darin zu sehr häufen und die Pflanzen übertreiben.
Quelle:C. Fraas: Geschichte der Landbau- und Fortstwirtschaft, München 1866, Seite 179 ff.[10]

Alte Bauernregeln

Terra nera fa buon fruaento
(Schwarze Erde macht guten Weizen)
Bauernregel im Tessin
Schwarze Erd traft gute Frucht, aber rote ist nichts.
Bauernregel aus der Schweiz (1824)

Humose Schwarzerde

Schwarzerde hier:Histosol

In der Regel trägt der Humus im Boden zu dessen natürlicher Fruchtbarkeit bei. Es gibt aber auch Ausnahmen. Gerade die besonders humusreichen Schwarzerdeböden in Osteuropa eignen sich als Kulturböden nur bedingt. Wo es keine ausreichende Menge Wasser gibt, da können keine Pflanzen gedeihen. Der Wassermangel verhinderte den Abbau der organischen Substanz durch das Bodenleben. Dadurch entstand die Humusschicht.

Unter anderen Vorzeichen entstanden die humusreichen Podsolböden Norddeutschlands. Durch Kalkauswaschung versauerten die Böden, das Bodenleben stagnierte und es konnte sich eine Humusschicht bilden. Die Hochmoore sind ein Zeugnis stagnierender Bakterientätigkeit und gut sichtbarer Humusanreicherung.

Literatur und Fußnoten

  1. Johann Gottschalk Wallerius, Chemische Grundsätze des Ackerbaues, aus dem Lateinischen übersetzt und mit Anmerkungen erläutert von D. Jo. G. Krünitz, Berlin. Verlegt von Arnold Werner, 1764. - Als Besitzer eines Landgutes bei Alsike, in der heutigen Gemeinde Knivsta, beschäftigte er sich intensiv mit Landwirtschaft. Sein statistisches Werk Observationer vid åkerbruket gjorda i 30 år ("Beobachtungen bei der Landwirtschaft durchgeführt über 30 Jahre", 1747-1777) mit Tabellen zur Aussaatzeit, Erntezeit und Ertrag erklärte seine Erfolge, obwohl einige Höfe der Umgebung gleichzeitig Missernten verzeichneten.
  2. Henri Louis Duhamel du Monceau (* 20. Juli 1700 in Pithiviers[1]; † 22. August 1782 ebenda) war ein französischer Botaniker und Ingenieur. Er gilt als Begründer der Forstbotanik, der Forstbenutzung und der biologischen Holzforschung.
  3. G. Hausmann, Probleme der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit in Italien und in anderen Mittelmeerländern. Schriftenreihe der landwirtschaftlichen Fakultät Kiel 1964
  4. phlox = Flamme;phlogistos = brennbar. Im 17. Jahrhundert gab es noch keine hinreichende Erklärung für Verbrennungsprozesse.
  5. Georg Ernst Stahl (* 22. Oktober 1659 in Ansbach; † 14. Mai 1734 in Berlin) war Chemiker, Mediziner und Metallurge.
  6. Antoine Laurent de Lavoisier (* 26. August 1743 in Paris; † 8. Mai 1794 ebenda) war ein französischer Chemiker und gilt als einer der Väter der modernen Chemie.
  7. Johan Baptista van Helmont (* 12. Januar 1580 (nach gregorianischem Kalender) in Brüssel; † 30. Dezember 1644 in Vilvoorde bei Brüssel) war ein flämischer Universalwissenschaftler. Er beschäftigte sich als Arzt, Naturforscher und Chemiker.
  8. Johan Heinrich Denffer, Prediger zu Frauenburg im Kurland, schrieb 1740 einen “vernunft- und erfahrungsmäßigen Discurs, darin überhaupt die wahre Ursache der Fruchtbarkeit, wie auch die Scheinursache der Unfruchtbarkeit der Erde abgehandelt sind, um die gute Sache des göttlichen Segens wider die Ankläger derselben zu vertheidigen.“ Zit. nach C. Fraas/ Geschichte der Landbau - und Forstwissenschaft Seite 179 ff. J. G. Cottasche Buchhandlung München 1865
  9. Ansicht des Dorfes Höverhof in der Senne Ansichten aus dem Paderborner Land mit Darstellungen landwirtschaftlicher Tätigkeiten (darunter Bullerborn, das Sintfeld mit Wünnenberg und Fürstenberg, Elsen, Boke, die Paderquelle, Brunsberg, Driburg) Kupferstiche von Romeyn de Hooghe respektive Christian Andreas Fleischmann nach Johann Georg Rudolphi, aus: Ferdinand von Fürstenberg, Monumenta Paderbornensia, 3. Aufl., Amsterdam 1713, S. 208
  10. Fraas zitiert Johann Heinrich Denffer; Denffer zitiert Johann Rudolph Glauber : Pharmacopaeae Spagyricae Oder Gründlicher Beschreibung/ Wie man aus den Vegetabilien, Animalien und Mineralien, auff eine besondere und leichtere Weise/ gute/ kräfftige und durchdringende Artzneyen zurichten und bereiten soll ... / Glauber, Johann Rudolph. - Nürnberg : Endter, 1654 Glauber 1654