Bodenhistorie/Der Umgang mit dem Boden im 19. Jahrhundert: Unterschied zwischen den Versionen

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Durch die von Liebig entdeckte Mineralstoffernährung der Pflanzen wurde dann aber doch recht bald der “Schleier der Isis“ etwas gelüftet und das Geheimnis der Bodenfruchtbarkeit ein weiteres Stück preisgegeben.
Durch die von Liebig entdeckte Mineralstoffernährung der Pflanzen wurde dann aber doch recht bald der “Schleier der Isis“ etwas gelüftet und das Geheimnis der Bodenfruchtbarkeit ein weiteres Stück preisgegeben.
==Versuchsanstellung nach Priestley==
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Priestley schloß eine krause Minze in ein Gefäß mit “fixer Luft“ ein. Die “fixe Luft“ nennen wir heute “Kohlenstoffdioxidatmosphäre.“ Er stellte fest, daß die Minze die Luft “reiner“ machte. Wir würden heute sagen, die Pflanze produzierte Sauerstoff und verbrauchte Kohlenstoffdioxid. Seiner Ansicht nach war also nicht der Humus des Bodens, sondern der “Kohlensäuregehalt“ der Luft die Quelle der Pf lanzennahrung. <ref>Quelle: '''Günter Bugge'''/Das große Buch der Chemiker/Chemie-Verlag 1974</ref>

Version vom 14. Mai 2009, 13:18 Uhr


DER UMGANG MIT DEM BODEN IN 19. JAHRHUNDERT


Ein Jahrhundert lang Kohlenstofftheorie

Probieren geht über studieren! Diese banale Weisheit brachte die Erforschung des Bodens im 18. und 19. Jahrhundert weiter voran. Wenn man organische Substanz verbrennt, dann bleibt schwarzer Ruß übrig, der sog. Kohlenstoff. Auch im Boden befindet sich bekanntlich organische Substanz; stöchiometrische Berechnungen ergaben, dass sich eine ganz erhebliche Menge Kohlenstoff im Boden befinden musste. Gleichzeitig studierten die Wissenschaftler Priestley,[1] Ingenhousz[2], Sennebier[3] und Saussure[4] das Pflanzenwachstum. Sie fanden heraus, daß die Pflanzen “Kohlensäure“ aufnahmen und Sauerstoff abgaben. Das brachte sie darauf, daß der Kohlenstoff ja irgendwo herkommen mußte, nämlich aus der Luft oder aus dem Humusgehalt des Bodens. “Alles Wachsthum hängt vorn Kohlenstoff ab.“ Damit war die Kohlenstofftheorie geboren. Der Humusextrakt des Bodens, der organische Mist und die Pflanzenreste galten jetzt als die Universalstoffe, die das Pflanzenwachstum förderten. Ober die “Gärung“, d.h. die Verwesung, sollte die Kohlenstoffbildung erfolgen. Ein Verlust an organischer Substanz machte dementsprechend die Böden unfruchtbar, während ein Humuszuwachs die Bodenfruchtbarkeit fördern sollte. Auch der berühmte Landwirtschaftsforscher Albrecht Thaer[5] (Anfang des 19. Jahrhunderts) war noch ein Anhänger der Humustheorie. Seiner Ansicht nach war der Humus das Produkt des aufgelösten Lebens und der Verwesung, welches zwar selbst kein Leben enthielt, aber die Nahrung und die Materie des Lebens schon vorbereitet in sich verbarg. Thaer meinte, der Humus “sey wohl eigentlich die Hauptnahrung der Pflanzen nächst dem Wasser und sein Hauptbestandtheil sey nicht eigentlich Erde, sondern dasjenige Prinzipium, welches man in der neueren Chemie Kohlenstoff nennt. “ Bis zum Aufkommen der Mineralstofftheorie war die Kohlenstoff - Humustheorie für ein Jahrhundert für die Wissenschaft und die landwirtschaftliche Praxis die ultima ratio.

Justus von Liebig (1803-1873 hier: um 1860

Einen grundsätzlich neuen Ansatz erfand erst der ChemikerJustus von Liebig[6], der Begründer der neuen Agrikulturchemie. Durch verbesserte Ananly— senmethoden konnte er eindeutig nachweisen, daß außer dem Kohlenstoffgehalt der Pflanzen auch noch andere Elemente für die Ernährung der Pflanzen berücksichtigt werden müssen. Weiterhin konnte er nachweisen, daß der Kohlenstoffgehalt in der Pflanze prozentual über dem der Böden lag. Er folgerte daraus, daß in der Pflanze eine Anreicherung stattgefunden haben müsse. Das Problem wird auch in einem Brief deutlich, den Liebig an den Chemiker Berzelius[7] schrieb:

Zitat
“Während Du nur die Culturpflanzen ins Auge faBest, habe ich nur die wildwachsenden Pflanzen, die denn doch den größten Teil ausmachen, meinen Betrachtungen unterworfen. Diese bekommen keinen Dünger von den Menschen, und doch enthalten sie Bestandtheile der Culturpflanzen. Sieh Dir den Wald an oder die Wiese und sage mir, wo auf dem Sandboden, der keine Spur Humus enthält, nach 100 Jahren der Kohlenstoff hergekommen ist, den Du als Holz hinwegnehmen kannst?“
Quelle: Justus von Liebig/Chemie in ihrer Anwendung auf Agrikultur und Physiologie/7.Auflage Seite 111/ 1863

Berzelius wußte es nicht und auch nicht der Agrarwissenschaftler Johan Nepomuk Schwerz,[8] der niederschrieb:

Zitat
“Die Wirkungen des organischen Düngers sind wunderbar und unbegreiflich ...“ und, bezogen auf die Wirkung des Kohlenstoffs, “es ist der unlösbare gordische Knoten, das ist die Grenze der Naturwissenschaft, über die hinaus die Isis den Schleier des Geheimnisses deckt.“
Johan Nepomuk Schwerz, Beschreibung der Landwirtschaft in Westfalen und Rheinpreußen/Erster Teil/Vöhden im Münsterland/S.22/ Hoffmannsche Verlagsbuchhandlung 1836

Durch die von Liebig entdeckte Mineralstoffernährung der Pflanzen wurde dann aber doch recht bald der “Schleier der Isis“ etwas gelüftet und das Geheimnis der Bodenfruchtbarkeit ein weiteres Stück preisgegeben.

Versuchsanstellung nach Priestley

Josef Priestley


Priestley schloß eine krause Minze in ein Gefäß mit “fixer Luft“ ein. Die “fixe Luft“ nennen wir heute “Kohlenstoffdioxidatmosphäre.“ Er stellte fest, daß die Minze die Luft “reiner“ machte. Wir würden heute sagen, die Pflanze produzierte Sauerstoff und verbrauchte Kohlenstoffdioxid. Seiner Ansicht nach war also nicht der Humus des Bodens, sondern der “Kohlensäuregehalt“ der Luft die Quelle der Pf lanzennahrung. [9]

  1. Joseph Priestley wurde am 13. März 1733 in Yorksbire geboren. Er gilt als der Entdecker des Sauerstoffs, den er entphlogistonisierte Luft nannte. Priestley führte zahlreiche Versuche u.a. mit Pflanzen und Tieren durch.
  2. Jan Ingenhousz wurde 1730 in Breda in Holland geboren. Er war Arztund Botaniker .Ingenhousz starb 1799 in Bowood bei London.
  3. Jean Sennebier (1742—1809) war Prediger und später Oberbibliothekar in Genf.
  4. Nicolas-Théodore de Saussure (* 14. Oktober 1767 in Genf; † 18. April 1845 in Genf) war ein Schweizer Naturforscher.
  5. Albrecht Thaer (1752 1828) Er war zunächst als Arzt tätig, wandte sich dann aber der Landwirtschaft zu und wurde Leiter eines Versuchs— und Forschungsinstitutes in Celle, später Möglin. Thaer förderte die Anwendung der Wissenschaft in der Landwirtschaft, insbesondere durch die Einführung neuer Verfahren in der Landtechnik, durch die Einführung des Ackerfutterbaues in die Fruchtfolge und durch die Einführung eines ökonomischen Bodenbewertungsverfahrens.
  6. Justus von Liebig.Er wurde 1803 in Darmstadt geboren, studierte bei Prof. Kastner in Bonn und wurde 1824 Mitarbeiter von Gay - Lussac in Paris. Er lernte dort auch Alexander von Humboldt kennen, der den Großherzog Ludwig 1. bat, Liebig auf eine Professur zu berufen. 1825 wurde Liebig außerordentlicher Professor in Gießen, wo er sich ein Laboratorium einrichten konnte. Seine bekanntesten Forschungen erzielte Liebig auf dem Gebiet der Agrikulturchemie. Später folgten dann weitere zahlreiche praxisorientierte Arbeiten, z.B. die Herstellung von Fleischextrakt, Säuglingsnahrung, Backpulver und Kaffeextrakt.
  7. Jöns Jakob Berzelius (* 20. August 1779 im Socken Väversunda, Östergötland; † 7. August 1848 in Stockholm) war ein schwedischer Chemiker. Er gilt als Vater der modernen Chemie.
  8. Johann Nepomuk Hubert von Schwerz (* 11. Juni 1759 in Koblenz; † 11. Dezember 1844 in Koblenz) war ein deutscher Agrarwissenschaftler. Im Auftrag des Königs von Württemberg gründete er 1818 eine staatliche landwirtschaftliche Lehranstalt in Hohenheim
  9. Quelle: Günter Bugge/Das große Buch der Chemiker/Chemie-Verlag 1974