Sokrates
Sokrates war einer der für das Abendland bedeutendsten griechischen Philosophen der Antike. Die folgenden Unterrichtsbausteine sind für die Klassenstufen 10 oder 11 konzipiert.
- Hinführungen zum Thema Sokrates
- Die Sophisten
- Sokrates als Person & Grundbegriffe
- Analyse eines sokratischen Dialogs: Lysis (zum Thema Freundschaft) und Kriton (Verteidigungsrede)
- Abschluss - ist Sokrates heute noch aktuell?
Einleitung
1. Schaut euch das folgende Musikvideo an:
2. Haltet eine Standpunktrede zu einer der folgenden Fragen.
- Was kann ich wissen?
- Was wollen wir wissen?
- Was wollen wir nicht wissen?
- Was dürfen wir wissen wollen?
- Belastet Wissen?
- Was ist uns ein reines Gewissen wert?
Stell dir vor, auf dem Markplatz steht ein Mann und spricht mit den Leuten. Die unten stehenden Zitate sind Sätze, die dabei fallen. Lies die Zitate und suche dir das aus, was dich spontan am meisten anspricht. Begründe deine Auswahl.
- Ich weiß, dass ich nichts weiß.
- Es lohnt sich nicht, ein nicht hinterfragtes Leben zu leben.
- Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten soll. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.
- Schönheit übt eine kurzlebige Tyrannei aus.
- Wie zahlreich sind doch die Dinge, derer ich nicht bedarf.
- Wo es kein Gespräch mehr gibt, beginnt die Gewalt.
- Wir sollten nie tun, was moralisch falsch ist, egal wie vorteilhaft die Konsequenzen sein mögen.
- Ich halte es immer so, dass ich nichts anderem in mir folge als dem Gedanken/Satz, der sich mir beim Nachdenken als der beste erweist.
- Bei der Frage nach Richtig und Falsch/Recht und Unrecht sollten nicht Gefühle und nicht die Meinung der Meisten entscheiden, sondern Vernunftgründe und eigenes Denken.
- Nicht dies ist schwierig: die Vermeidung des Todes, sondern noch weit mehr die der Schlechtigkeit; die kann nämlich schneller laufen als der Tod.
Erarbeitung
Sokrates als Person
- Höre den Podcast über Sokrates.
- Woher wissen wir etwas über Sokrates und welche Fakten kennen wir?
- Wie lautete die Anklage gegen Sokrates? War sie berechtigt?
- Wer sind die Naturforscher und wie stehen die Athener zu ihnen?
- Wer sind die Sophisten und wie stehen die Athener zu ihnen?
- Was war die eigentliche Leistung des Sokrates, die ihn teils auch so verhasst gemacht hat?
- Was macht Sokrates auch heute noch als Vorbild?
Sophisten
In Athen trafen die rationale (vernunftbestimmte) Tradition der ionischen Naturphilosophie und die ebenfalls rationale Entwicklung der Demokratie aufeinander, die mit der Idee des demokratischen Individuums und des freien Bürgers einherging. Der Vollbürger von Athen erhob Anspruch auf politische Freiheit und war gewohnt, Entscheidungen im Widerstreit gegensätzlicher Ideen und Meinungen zu treffen. Dies setzte ein hohes Maß an Meinungs- und Geistesfreiheit voraus.
Mit den Sophisten brach nun die griechische Aufklärung an. Hauptvertreter waren Protagoras (490 - 410 v.Chr.), Gorgias (um 480 - nach 380 v.Chr.) sowie Prodikos (465 oder 450 v. Chr. - nach 399 v. Chr.). Traditionen wurden kritisch beleuchtet und erschüttert, die Sprache untersucht, die Redekunst (Rhetorik) entwickelt. Die neue Denkrichtung wurde auch in der Jugenderziehung praktisch angewandt, man wollte freie, vielseitig gebildete und redegewandte Bürger, denen der Erfolg, vor allem auch in der Politik, sicher sein sollte. Überhaupt waren die Sophisten Praktiker.
Skepsis gegen alles Religiöse und Mythische, Skepsis aber auch als generelle Haltung und als moralischer Relativismus: das zerstörte die Grundlagen des Staates und schien das Zusammenleben der Menschen in der Gesellschaft zu bedrohen. Privat wie staatlich opferten die Athener ihren Göttern und erwarteten dafür konkrete Gegenleistungen. Wer die Götter leugnete, wer nicht an die Wirksamkeit der Opfer glaubte, schien dem Staat zu schaden.
Die Sophistik ist ein neuer Bildungstypus, der viele altüberlieferte Anschauungen und Werte in Frage stellt, relativiert. Um sie zu verstehen, muss hier kurz die Entwicklung Athens berührt werden. Athen wird nach den Perserkriegen (500-479) zur führenden wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Macht im großgriechischen Raum. Nach der vollständigen Zerstörung Milets durch die Perser (494) verlagert sich der wirtschaftliche Schwerpunkt von lonien vor allem nach Athen und Städten wie Korinth und Ägina; ablesbar ist dies etwa an der schnellen Durchsetzung der athenischen Eulenmünzen als allgemein anerkannter Währung im griechischen Handelsraum. Durch seine Führung im delisch-attischen Seebund (gegründet 477) und dessen Umwandlung in ein »Attisches Reich« (448) wird Athen zur Vormacht, die über einen großen Reichtum verfügt, aber auch alle Kräfte anspannen muss, um ihrer Rolle gerecht zu werden. Die Einführung der Demokratie durch die »Reform« des Kleisthenes in den Jahren 509 bis 507 stellt eine revolutionäre Veränderung dar, da sie den Einzelnen aus der Bindung an Stamm und Geschlecht löst und die politische Ordnung der Polis jetzt auf einem rational ausgeklügelten System der Gleichheit beruht. Mit der alten Stammesordnung hat dieses System nur noch den Namen gemeinsam. Und mit der Zulassung der dritten Klasse zum Archontat, dem höchsten Staatsamt (458), wird die Demokratie in Athen insofern vollendet, als sich erstmals in der Geschichte jeder, der das volle Bürgerrecht besitzt, an der Führung der Staatsgeschäfte beteiligen kann.
Der Zeitraum nach den Perserkriegen bis in den Peloponnesischen Krieg hinein (431-404) wird im allgemeinen als Blüte Athens bezeichnet, vor allem die Zeit unter der Führung des Perikles (443-429), dem sog. Perikleischen Zeitalter. Und in der Tat finden wir hier ein neues gemeinschaftliches und persönliches Bewusstsein; neue Fähigkeiten und Kräfte, die sich auf alle Gebiete erstrecken: etwa die schöpferische Bautätigkeit in Athen; die Plastiken eines Phidias; die Tragödien des Aischylos, Sophokles und Euripides-, die attische Komödie; die Geschichtsschreibung des Thukydides; der rationalere Zugang zum Menschen in der griechischen Medizin bei Hippokrates. Diese Blüte erwächst aber - und das wird gerne vergessen über der Pracht - auf der Grundlage einer labilen, in ständiger Veränderung begriffenen, durch Besitz- und Rechtsverhältnisse in Klassen gespaltenen Gesellschaft. Ein englischer Historiker hat das einmal folgendermaßen ausgedrückt: »Der Zivilisation gehört alle Größe und Schönheit an, die dem Menschen bekannt war; aber auch der Riss im Herzen der menschlichen Gesellschaft.«. In Athen, der fortgeschrittensten Polis der alten Welt, sind diese Widersprüche für die Zeitgenossen am deutlichsten spürbar gewesen, zu Bewusstsein gekommen und zum Ausdruck gebracht worden. Die Blüte der Philosophie in Athen gehört, wie alle kulturellen Leistungen, in diesen Zusammenhang: als Ausdruck eines geschichtlich Neuen und als Versuch, die Probleme, die dieses Neue mit sich bringt, zu bewältigen
"Die Leugnung objektiver Maßstäbe für Wahrheit und Gerechtigkeit, in Verbindung mit der Tatsache, dass die Sophisten für ihren Unterhalt eine nicht zu geringe Bezahlung zu nehmen pflegten (während den Griechen die dem Erwerb dienende Arbeit an sich als verächtlich galt), führte zu dem etwas zweifelhaften Beigeschmack, den der Name Sophisten bald erhielt [...]" (Störig, a.a.O., S. 145).
Das rief religiöse und konservative Kräfte auf den Plan, die mit einer Reihe von Gottlosigkeitsprozessen reagierten. Der Naturphilosoph Anaxagoras, aus Kleinasien nach Athen gekommen, wurde zum Tode verurteilt, konnte sich aber der Vollstreckung durch Flucht entziehen, ebenso floh Protagoras.
Störig sieht die Bedeutung der Sophisten in drei Leistungen: "Die Sophisten haben zum ersten Mal in der griechischen Philosophie den Blick von der Natur weg und in vollem Umfang auf den gelenkt. Sie haben zweitens das selbst zum ersten Mal zum Gegenstand des Denkens gemacht und mit einer Kritik seiner Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen begonnen. Sie haben endlich auch die Wertmaßstäbe einer ganz vernunftgemäßen Betrachtung unterzogen und damit die Möglichkeit eröffnet, die Ethik wissenschaftlich zu behandeln und in ein philosophisches System folgerichtig einzubauen. Daneben haben die Sophisten aufgrund ihrer eingehenden Beschäftigung mit Stilkunde und Beredsamkeit auch Sprachwissenschaft und Grammatik beträchtlich vorangebracht" (Störig, a.a.O., S. 147). [1]
- Erkläre, wie es zum etwas zweifelhaften Ruf der Sophisten kam und dazu, dass berühmten Sophisten der Prozess gemacht wurde.
- Erläutere, worin die Bedeutung der Sophisten liegt.
- Siehst du Parallelen in unserer Zeit oder ist die Situation in der die Sophisten nach Antworten suchten, deiner Meinung nach historisch vergangen?
Grundbegriffe bei Sokrates
- Sokratisches Gespräch
- Mäeutik: so wie die Hebamme der Mutter bei der Geburt des Kindes hilft, so hilft Sokrates den Menschen bei der Erlangung von Erkenntnis. Diese Erkenntnis ist bereits im Menschen vorhanden, muss jedoch ans Licht gebracht werden. Bei Sokrates geschieht dies durch das Gespräch.
- Dialektik: Dialog zwischen verschiedenen Parteien (auch innerer Dialog), zielgerichtet auf Erkenntnis
- Sokratische Ironie: Sokrates gibt vor, unwissend zu sein. Er stellt seine Fragen so, dass der Gesprächspartner zum Nachdenken gezwungen wird. In seinen Fragen liegt jedoch die Antwort bereits verborgen.
Lysis
Einstieg
Placemat: Was ist Freundschaft?
Erarbeitung
- Analysiere den Dialog.
- Notiere die Etappen des Gesprächs neben die entsprechenden Abschnitte.
(nach Platon: Lysis 212 a-d)
Sokrates: Sage mir also, wenn einer einen anderen gern hat, wer ist der Freund, der eine, der den anderen gern hat oder der eine, der von dem anderen gern gehabt wird? Oder ist das kein Unterschied?
Menexenos: Mir wenigstens scheint es kein Unterschied zu sein.
Sokrates:Wie kann das sein? Sie sind beide Freunde, auch wenn nur einer von beiden den anderen gern hat?
Menexenos: Mir scheint es so.
Sokrates: Wie denn? Könnte es nicht geschehen, dass z.B. Alfred Kevin gern hat, obwohl Alfred von Kevin gehasst wird?
Menexenos: Das wäre möglich.
Sokrates: Wer ist dann der Freund – Alfred, der KEvin gern hat, aber von ihm gehasst wird, oder Kevin, der von Alfred gern gehabt wird, aber ihn hasst? Oder beide? Oder ist keiner von beiden ein Freund?
Menexenos: Ich habe jetzt meine Meinung geändert. Freundschaft ist gegenseitig. Keiner von beiden ist ein Freund. Man ist Freund von einem anderen nur dann, wenn man den anderen gern hat und auch von ihm gern gehabt wird.
Sokrates: Jetzt bist du also der Meinung, dass das Gernhaben völlig gegenseitig sein müsste. Sonst gäbe es keine Freundschaft. Wie ist es dann aber mit Philosophen (philos – Freund; sophia – Weisheit)? Gibt es denn keine Freunde der Weisheit, also keine Philosophen, oder meinetwegen Freunde der Natur? Menschen können sicher die Weisheit gern haben, oder die Natur, aber umgekehrt geht es nicht. Weder die Weisheit noch die Natur kann Menschen gern haben.
Ergebnissicherung
Kriton
Siehe auch
- ↑ Text ergänzt nach Station 1: Vorsokratiker und Sophisten, Ausgangsmaterialien des Landesbildungsservers Baden-Württemberg am Landesinstitut für Schulentwicklung unter http://www.schule-bw.de/faecher-und-schularten/gesellschaftswissenschaftliche-und-philosophische-faecher/geschichte/unterrichtsmaterialien/sekundarstufe-II/antike-sekii/griechenland-philosophie/vorsokratiker.html, CC-by-SA 4.0