Benutzerin:Sabine Häcker/Sprachbildung/sprachsensiblerUnterricht/Scaffolding
Ein Gerüst zum langfristigen Sprachaufbau - das Scaffoldingprinzip
“Das Rezipieren und Produzieren von mündlichen und schriftlichen Texten setzt das Verstehen und Verwenden bestimmter (...) grammatischer Strukturen und ein breites Repertoire an passivem und aktivem (Fach-)Wortschatz voraus. In einem sprachsensiblen Fachunterricht sollten daher unter Berücksichtigung der fachlichen und sprachlichen Lernvoraussetzungen der SuS entsprechend dem Scaffolding-Prinzip gestufte Aufgaben zum langfristigen Aufbau des (Fach-)Wortschatzes und typischer grammatischer Strukturen der Fachsprache angeboten werden.” (Oleschko, 2017, S. 124)
Wie kann das gelingen und was ist das empfohlene “scaffolding-Prinzip”? Darum geht es in diesem Arbeitsangebot. Um dir den Input und die Beispiele zu erarbeiten sowie es auf ein Beispiel für deinen Unterricht zu übertragen musst du ungefähr 2 Stunden rechnen (Einzelarbeit).
Was ist Scaffolding? Input 1
Hier findest du zwei Texte von Prof. Dr. Gabriele Kniffka über Scaffolding. Der 1. ist etwas kürzer, der 2. ist vertiefend.
- Mache dir Notizen zu der Frage: Was ist Scaffolding und was kann es leisten?
- ) G. Kniffka: Scaffolding (2019). https://epub.ub.uni-muenchen.de/61965/1/Kniffka_Scaffolding.pdf
- ) G. Kniffka: Scaffolding (2010) https://www.uni-due.de/imperia/md/content/prodaz/scaffolding.pdf
Unterrichtsplanung (Makroscaffolding)
Bei der Antwort auf die Frage “Wie gehe ich als Lehrerin vor, um solch ein Unterstützungssystem zu planen?” macht G. Kniffka in dem Interview folgende Aussage zu wichtigen Planungsüberlegungen:
“Um den Unterricht zu planen, analysiert die Lehrkraft zuerst das einzusetzende Material: Was ist das Thema? Welche Sprachhandlungen, Strukturen oder Wörter werden von den Schülern gefordert? Diese Anforderungen werden mit deren Sprach- und Wissenstand abgeglichen. Auf dieser Basis legt die Lehrkraft die fachlichen und sprachlichen Lernziele der Unterrichtsstunde oder einer Unterrichtsreihe fest und verknüpft so sprachliche und fachliche Ziele miteinander. Man überlegt dann, welche Hilfen die Schüler aktuell benötigen, um diese Ziele zu ereichen.”
- Lege eine kleine Tabelle / Übersicht an, in der dieser Planungsschritt, nämlich der Abgleich der sprachlichen Anforderungen eines Fachthemas mit den Sprachständen der Schülerinnen und Schüler, übersichtlich erstellt werden kann! Anders ausgedrückt: Welche Sprache braucht das Thema und wieviel dieser benötigten Sprache bringen meine Schüler bereits mit? Und wie kann ich mir das bei der Unterrichtsplanung übersichtlich bewusst machen?
Tipp: Aus meiner Sicht bietet es sich an, die Sprachlichen Anforderungen zu strukturieren in die 3 Bereiche Wortebene, Satzebene und Textebene (als Minimum).
Es gibt hier kein richtig oder falsch: Wichtig ist nur, dir eine Übersicht anzulegen, auf der zwischen den sprachlichen Anforderungen des Themas und den sprachlichen Kompetenzen der Schüler abgeglichen werden, die für dich brauchbar und praxistauglich ist!
Anwendung der Übersicht: sprachliche Anforderungen eines Themas (Beispiel: Ausbildungsvertrag)
Anbei findest du einen Unterrichtsmaterial aus dem Lehrwerk “Starke Seiten 3 - Berufsorientierung” von KLETT. (2012, S. 44) Stell dir vor, du würdest mit diesem Ausbildungsvertrag im Unterricht arbeiten wollen – wie würdest du sprachlichen Anforderungen des Themas analysieren? (Den Abgleich mit den sprachlichen Ausgangskompetenzen möglicher Schüler/innen lassen wir an dieser Stelle aus, weil mir deine Lerngruppe unbekannt ist.)
- Nimm deine eben erstellte und nutze sie, um die sprachlichen Anforderungen an das Thema “Ausbildungsvertrag” übersichtich darzustellen: Welche Worte sind Fachsprache und vermutlich (zumindest manchen Schülern) unbekannt? Welche Satzstrukturen sind typisches “Vertragsdeutsch” und notwendig zu verstehen? Gibt es besondere Grammatikstrukturen? Was ist typisch für die Textsorte “Vertrag”? usw. usw. ...
Abgleich
- Vergleiche deine Analyse mit meiner! Evtl. kann dir der Vergleich noch Anregungen geben.
“(...) Die Lehrkraft (legt) die fachlichen und sprachlichen Lernziele der Unterrichtsstunde oder einer Unterrichtsreihe fest und verknüpft so sprachliche und fachliche Ziele miteinander.”, sagte Frau Kniffka in dem Interview, das du anfangs gelesen hast. Das wäre dann der nächste Schritt, nachdem du die sprachlichen Anforderungen des Themas mit den sprachlichen Ausgangskompetenzen deriner Schülerinnen und Schüler verglichen hast. (Auf die Festlegung von sprachlichen Zielkompetenzen möchte ich an dieser Stelle aber nicht näher eingehen.)
Vertiefung: Input 2
Nachdem du dich nun bereits in das sog. “Makro-Scaffolding” eingearbeitet hast, möchte ich dir noch einmal einen weiteren Input anbieten, um dein Verständnis des Scaffolding-Prinzip zu vertiefen.
Lumers und Winter betonen: Scaffolding...
- ist ein Unterstützungssystem ("Gerüst") im sprachsensiblen Fachunterricht, um fachliche und sprachliche Lernziele sowie Textverstehenskompetenzen, die über dem bestehenden Lernstand liegen, erreichen zu können. (vgl. Pauline Gibbons 2002)
- stellt nur eine vorübergehende Hilfestellung dar, die abgebaut wird, wenn die Schüler in der Lage sind, die fachliche bzw. sprachliche Handlung selbtständig durchzuführen. (vgl. Kniffka, 2010)
- richtet sich nicht nur an DaZ-Schüler, sondern kommt allen Schülern zu Gute.
Die Visualisierung veranschaulicht rechts das Prinzip noch einmal am Beispiel "Momentangeschwindigkeit".
Bitte lies auch, wie Ruth Beckmann das Scaffolding beschreibt und mit Beispielen konkretisiert:
Scaffolding
Als Einstieg soll das Scaffolding beschrieben werden: Pauline Gibbons verwendet die Metapher des Scaffolding (engl. Baugerüst), um ein Unterstützungssystem im Fachunterricht zu bezeichnen. Das Scaffolding setzt sich aus vier Bausteinen zusammen: aus der Bedarfsanalyse, der Lernstandsanalyse, der Unterrichtsplanung und der Unterrichtsinteraktion. Zunächst ist im Rahmen der Bedarfsanalyse ein Sprachbedarf für einen Unterrichtsinhalt aus sprachlicher Sicht zu ermitteln. Komplementär dazu wird in der Lernstandsanalyse der Sprachstand der Schüler erhoben und mit den sprachlichen Anforderungen verglichen. Dies bildet den Ausgangspunkt für die Planung des Fachunterrichtes. Für den letzten Baustein, die Unterrichtsinteraktion, sollen folgende Prinzipien umgesetzt werden: eine Verlangsamung der Lehrer-Schüler-Interaktion, eine Gewährung von mehr Planungszeit für Schüler, eine Variation der Interaktionsmuster, ein aktives Zuhören durch den Lehrer, eine Re-Kodierung von Schüleräußerungen durch den Lehrer und eine Einbettung von Schüleräußerungen in größere konzeptuelle Zusammenhänge. Durch die Methode des Scaffolding11 werden Schüler durch eine systematische Veränderung der Unterrichtssituation und mithilfe des Lehrers in die Lage versetzt, sich bildungssprachliche Formulierungen anzueignen. Im Unterricht könnte dies folgendermaßen umgesetzt werden:
I Sprache beim Experimentieren
Die Schüler besprechen untereinander, was passiert, ohne dass der Lehrer Einfluss nimmt. Die Schüler verwenden ihr alltagssprachliches Register, das im Normalfall wenig Nomen auf weist, dafür bruchstückhafte Äußerungen und Satzellipsen. … die kippt …, da der Stein … geht hoch … und das runter …
II Anschließendes Gespräch über den Versuch
Die Schüler berichten den anderen, was sie während des Experimentierens beobachtet haben. Hier unterstützt der Lehrer mit Fachvokabular, das bereits in die Beschreibung integriert werden soll. Er bietet Wortlisten oder beschriftete Zeichnungen etc. an. Da die Dinge „beim Namen genannt“ werden müssen, steigt die Nomendichte der Äußerungen. An der Waage hängt auf der einen Seite ein Stein. Auf der anderen Seite hängt ein Gewicht. Dann tauchst du den Stein …
IIII Schreibaufgabe
Wenn die Schüler ihre Beobachtungen zum Experiment schriftlich fixieren, werden Sätze gebildet und es entsteht ein zusammenhängender Text. Schüler benötigen Satzstrukturen und Formulierungshilfen – ggf. als differenziertes Material. Mit unserem Experiment sollten wir herausfinden, was passiert, wenn der Stein langsam ins Wasser getaucht wird.
IV Leseaufgabe
Abschließend lesen die Schüler einen Schulbuchtext, einen Ausschnitt aus einem Lexikon artikel oder einen Fachtext zum Thema. Sie festigen ihre neu erlernten Formulierungen und vertiefen ihr Textverständnis, indem sie sich mit einem fachsprachlichen Text auseinandersetzen. Es hat den Anschein, dass ein Gegenstand im Wasser leichter ist. Die Masse eines Körpers bleibt jedoch unverändert. Dieser Eindruck entsteht, da ...
Näheres kann man noch einmal nachlesen in der Dokumentation zur Fachtagung
„Bilanz und Perspektiven von FörMig Sachsen“ vom 10. September 2009 in Dresden12.
Die einzelnen Schritte eines gezielt eingesetzten Scaffoldings führen dazu, dass Schüler mit den verschiedenen Sprachregistern umzugehen lernen, derer sie sich im Fachunterricht bedienen sollen, die sie aber auch in den Schulbüchern vorfinden. Können sie diese Register unterscheiden, haben sie Strategien zur Verfügung, sich Zusammenhängen eigenständig oder mit Unterstützung zu nähern. Es gibt keine spezielle „Sprache“ des Fachunterrichtes, sondern die geschriebene und gesprochene Sprache zeigt sich im Fachunterricht auf verschiedenen Abstraktions- bzw. Darstellungsebenen sowie in verschiedenen Darstellungs- und Sprachformen.
Scaffolding für deinen eigenen Unterricht planen
Literatur
Beckmann, Ruth (Hrsg.: Senatorin für Bildung und Wissenschaft): Handreichung zum Sprachbildungskonzept der Sek. 1. Bremen 2013.
Hofmann, Heike, Padberg, Meinolf und Woltereck, Helgard: Starke Seiten 3 - Berufsorientierung (KLETT). 2012.
Kniffka, Gabriele: Scaffolding. 2010. https://www.uni-due.de/imperia/md/content/prodaz/scaffolding.pdf
Kniffka, Gabriele: Scaffolding. 2019. https://epub.ub.uni-muenchen.de/61965/1/Kniffka_Scaffolding.pdf
Lumer, Jutta und Winter, Katja: Sprachsensibles Unterrichten fördern: Das Scaffolding-Prinzip. Westfälische Wilhems-Universität Münster. (o. J.)
Oleschko, Sven (Hrsg.): Sprachsensibles Unterrichten fördern. Angebote für den Vorbereitungsdienst. 2017.
