Industrielle Revolution/Lebenswelten: Unterschied zwischen den Versionen

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{{Lernpfad Industrialisierung}}
Wärend der '''Industrialisierung''' hinkte der Ausbau von Wohnraum der enormen Bevölkerungsexplosion hinterher. Neuankömmlinge suchten Unterschlupf bei Bekannten und mussten oft ...
... Diese Seite ist noch im Entstehen ...
Berlin galt als ''übelriechendste Hauptstadt Europas, deren Einwohner man schon am Geruch ihrer Kleidung erkennen konnte.''


[[Datei:Kaisergalerie, Berlin 1900.jpg|300px|right]]
{{Aufgabe|
# Öffne die Bilder in einem neuen Tab und beschreibe die Lebensverhältnisse der Arbeiter
# Finde die Textstelle, ab wann eine Wohnung auch offiziell als überfüllt galt.
# Erkläre, was man unter einem Schlafgänger versteht.
# Überlege, welche Vorteile Familien hatten, die einen Schläfgänger aufnehmen.
# Überlege, welche Nachteile durch die drangvolle Enge entstehen konnten.  
# Überlege, was Heinrich Zille meinte, wenn er sagt, dass man ''"mit einer Wohnung einen Menschen genau so gut töten [könnte] wie mit einer Axt."''
}}


== Die Lebensbedingungen der Arbeiter ==
[[Datei:Slum in Glasgow, 1871.jpg|300px|right]]
* [http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/images/Arbeiterquartiere1.jpg Bild eines Arbeiterquartiers]
* [http://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/ba009477/index.html Weiteres Bild eines Arbeiterquartiers]
* [http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/sub_image.cfm?image_id=1635&language=germanl Unter Großmutters Aufsicht]


Die Industrialisierung in Deutschland ging Hand in Hand mit der Urbanisierung. Sowohl Alleinstehende als auch ganze Familien zogen vom Land in die Städte, um dort Arbeit zu suchen. Infolge der fortschreitenden Verstädterung und Industrialisierung war bereits in den 1890er Jahren ein grundlegender Wandel in den Lebensumständen der Deutschen bemerkbar. Die Bevölkerung wuchs zwischen 1871 und 1911 um mehr als ein Drittel. Immer mehr Deutsche lebten in Ballungsgebieten, wobei nicht nur die absolute Zahl der Stadtbewohner stieg, sondern auch deren prozentualer Anteil an der Gesamtbevölkerung. Berlin als bei weitem größte Stadt des Landes und wichtiger Industriestandort verzeichnete zwischen 1871 und 1890 einen Bevölkerungsanstieg um 150,7 Prozent – eine für den Wandel in der Bevölkerungsstruktur bezeichnende Entwicklung. Zahlreiche kleinere Städte, vor allem in den Industrieregionen im Ruhrgebiet (Westfalen), am Oberrhein, im Neckartal und in Sachsen, vergrößerten sich um ein Drei- oder gar Vierfaches.
{{Zitat|Wer würde es glauben, daß eine ganze Anzahl von Menschen bei uns heutigentags in "Wohnungen" kampiert, die überhaupt kein heizbares Zimmer haben? Und doch belehrt uns die Statistik, daß es deren in Berlin über 15.000, in Barmen über 8.000 gibt usw. Aber das sind nur Ausnahmen, und es wird sich in der großen Mehrzahl der Fälle um Einzelpersonen handeln. Dagegen schwillt die Zahl derjenigen Personen, die in Wohnungen mit 1 Zimmer wohnen sofort unheimlich an. Ja, in den meisten deutschen Großstädten wohnt, wie ich schon sagte, die Hälfte oder annähernd die Hälfte aller Menschen in Wohnungen, die nicht mehr als ein Zimmer umfassen. Von tausend Bewohnern nämlich in Barmen 490, in Berlin 430, in Breslau 409, in Chemnitz 551, in Dresden 374, in Görlitz 462, in Halle a. S. 429, in Königsberg i. Pr. 505, in Magdeburg 454, in Plauen i. V. 641. Mehr wie 2 Zimmer, darf man annehmen, bewohnt nur ein verschwindend geringer Prozentsatz der arbeitenden Bevölkerung.
"überbevölkert" nennt die Statistik eine Wohnung, wenn 6 Personen und mehr in 1 Zimmer, 11 Personen und mehr in 2 Zimmern hausen. Und selbst davon gibt es eine erkleckliche Anzahl: in Berlin nahezu 30.000, in Breslau 7.000, in Chemnitz 5.000, in Plauen i. V. 3.000 usw. Man denke: 6 Personen und mehr in 1 Raume, 11 und mehr in 2 Räumen!


;Urbanisierung
Was nun aber das Wohnungselend der ärmeren Bevölkerung, wenigstens aber in den Großstädten, auf das Höchste steigert, ist der Umstand, daß selbst in den engen Behausungen, die nicht mehr den Namen Wohnung verdienen, noch nicht einmal immer die Familie allein lebt, sondern noch fremde Personen, die Schlafgänger, dazwischen kampieren. Dieser jammervolle Zustand findet sich beispielsweise in Berlin bei 391 von 1.000 einzimmrigen Wohnungen, in Breslau bei 370, in Plauen i. V. bei 596, in München bei 572 aller ein- und zweizimmrigen Wohnungen usw. In München, über das wir durch eine Studie des Dr. Cahn besonders gut unterrichtet sind, beherbergen etwa 12.000 oder 15 % aller Wohnungen Schlafgänger, von denen über ein Viertel Weiber sind. Von diesen 12.000 Wohnungen waren 3.918 überfüllt im offiziellen Sinne und hatten nur 858 mehr als ein heizbares Zimmer.| Sombart, W., Das Proletariat. Frankfurt a. M. 1906, S. 23f.}}
 
[[Datei:Berlin Dusableau 1737.jpg|350px]]
[[Datei:Map de berlin 1789.jpg|350px]]
[[Datei:Berlin Karte Stahlstich 1860.jpg|350px]]
[[Datei:Meyers b2 s0752a.jpg|350px]]
 
 
[[Datei:Berlin Alexanderplatz 1903.JPG|300px|]]
[[Datei:Potsdamerplatz3.jpg|300px]]


=== Schlafgänger ===
[[File:Zille_Der-spaete-Schlafbursche_GDR-73-100-6.jpg|thumb|400px|Der späte Schlafbursche von {{wpde|Heinrich Zille}}]]


Textauszug: Beschreibung des Stadtlebens
Als '''Schlafgänger''' (auch Bettgeher oder Schlafbursche) wurden Personen bezeichnet, die gegen ein geringes Entgelt ein Bett nur für einige Stunden am Tag mieteten. So konnten beispielsweise Schichtarbeiter während des Tages gegen ein geringes Entgelt schlafen, während der reguläre Wohnungsinhaber seiner Arbeit nachging. Der Grund dafür war der zur Zeit der Industrialisierung sehr knappe und daher teure Wohnraum, der nicht alle Landflüchtlinge aufnehmen konnte.
- Wie gestaltet sich heute das Leben in der Stadt (Vor-/Nachteile)


Schlafgänger hatten normalerweise keinen Familienanschluss, durften die restlichen Räumlichkeiten, wie die Küche oder die „Gute Stube“, nicht nutzen und erhielten im Gegensatz zu Untermietern kein Frühstück.


;Die Lebensbedingungen der Arbeiter
=== Hygiene und Verantwortung ===
[[Datei:Slum in Glasgow, 1871.jpg|300px|right]]
{{Zitat|»Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genau so gut töten wie mit einer Axt.« |Heinrich Zille}}
[http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/images/Arbeiterquartiere1.jpg Bild eines Arbeiterquartiers]
[http://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/ba009477/index.html Weiteres Bild eines Arbeiterquartiers]
[http://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/ba009477/index.html Unter Großmutters Aufsicht]
 
{{Zitat|Wer würde es glauben, daß eine ganze Anzahl von Menschen bei uns heutigentags in "Wohnungen" kampiert, die überhaupt kein heizbares Zimmer haben? Und doch belehrt uns die Statistik, daß es deren in Berlin über 15.000, in Barmen über 8.000 gibt usw. Aber das sind nur Ausnahmen, und es wird sich in der großen Mehrzahl der Fälle um Einzelpersonen handeln. Dagegen schwillt die Zahl derjenigen Personen, die in Wohnungen mit 1 Zimmer wohnen sofort unheimlich an. Ja, in den meisten deutschen Großstädten wohnt, wie ich schon sagte, die Hälfte oder annähernd die Hälfte aller Menschen in Wohnungen, die nicht mehr als ein Zimmer umfassen. Von tausend Bewohnern nämlich in Barmen 490, in Berlin 430, in Breslau 409, in Chemnitz 551, in Dresden 374, in Görlitz 462, in Halle a. S. 429, in Königsberg i. Pr. 505, in Magdeburg 454, in Plauen i. V. 641. Mehr wie 2 Zimmer, darf man annehmen, bewohnt nur ein verschwindend geringer Prozentsatz der arbeitenden Bevölkerung.
"überbevölkert" nennt die Statistik eine Wohnung, wenn 6 Personen und mehr in 1 Zimmer, 11 Personen und mehr in 2 Zimmern hausen. Und selbst davon gibt es eine erkleckliche Anzahl: in Berlin nahezu 30.000, in Breslau 7.000, in Chemnitz 5.000, in Plauen i. V. 3.000 usw. Man denke: 6 Personen und mehr in 1 Raume, 11 und mehr in 2 Räumen!
 
Was nun aber das Wohnungselend der ärmeren Bevölkerung, wenigstens aber in den Großstädten, auf das Höchste steigert, ist der Umstand, daß selbst in den engen Behausungen, die nicht mehr den Namen Wohnung verdienen, noch nicht einmal immer die Familie allein lebt, sondern noch fremde Personen, die Schlafgänger, dazwischen kampieren. Dieser jammervolle Zustand findet sich beispielsweise in Berlin bei 391 von 1.000 einzimmrigen Wohnungen, in Breslau bei 370, in Plauen i. V. bei 596, in München bei 572 aller ein- und zweizimmrigen Wohnungen usw. In München, über das wir durch eine Studie des Dr. Cahn besonders gut unterrichtet sind, beherbergen etwa 12.000 oder 15 % aller Wohnungen Schlafgänger, von denen über ein Viertel Weiber sind. Von diesen 12.000 Wohnungen waren 3.918 überfüllt im offiziellen Sinne und hatten nur 858 mehr als ein heizbares Zimmer.| Sombart, W., Das Proletariat. Frankfurt a. M. 1906, S. 23f.}}


{{Zitat|„[…] In den niedrigeren Logierhäusern schlafen zehn, zwölf, ja zuweilen zwanzig Personen von beiden Geschlechtern und jedem Alter in verschiedenen Abstufungen der Nacktheit auf dem Fußboden durcheinander. Diese Wohnstätten sind gewöhnlich […] so schmutzig, feucht und verfallen, dass kein Mensch sein Pferd darin unterbringen möchte.“|J. C. Symons: Arts and Artizans at Home and Abroad. Edinburgh 1839. S. 116f. Zit. in: Engels, 1845: S. 270.}}
{{Zitat|„[…] In den niedrigeren Logierhäusern schlafen zehn, zwölf, ja zuweilen zwanzig Personen von beiden Geschlechtern und jedem Alter in verschiedenen Abstufungen der Nacktheit auf dem Fußboden durcheinander. Diese Wohnstätten sind gewöhnlich […] so schmutzig, feucht und verfallen, dass kein Mensch sein Pferd darin unterbringen möchte.“|J. C. Symons: Arts and Artizans at Home and Abroad. Edinburgh 1839. S. 116f. Zit. in: Engels, 1845: S. 270.}}


{{Zitat|„Man gibt ihnen feuchte Wohnungen, Kellerlöcher, die von unten, oder Dachkammern, die von oben nicht wasserdicht sind. Man baut ihre Häuser so, daß die dumpfige Luft nicht abziehen kann. Man gibt ihnen schlechte, zerlumpte oder zerlumpende Kleider und schlechte, verfälschte und schwerverdauliche Nahrungsmittel. Man setzt sie den aufregendsten Stimmungswechseln […] aus – man hetzt sie ab wie das Wild und läßt sie nicht zur Ruhe und zum ruhigen Lebensgenuß kommen. Man entzieht ihnen alle Genüsse außer dem Geschlechtsgenuß und dem Trunk, arbeitet sie dagegen täglich bis zur gänzlichen Abspannung aller geistigen und physischen Kräfte ab.“|Friedrich Engels: Lage der arbeitenden Klasse in England. 1845, MEW. Dietz, Berlin 1972. Band 2. S.326f.}}
{{Zitat|„Man gibt ihnen feuchte Wohnungen, Kellerlöcher, die von unten, oder Dachkammern, die von oben nicht wasserdicht sind. Man baut ihre Häuser so, daß die dumpfige Luft nicht abziehen kann. Man gibt ihnen schlechte, zerlumpte oder zerlumpende Kleider und schlechte, verfälschte und schwerverdauliche Nahrungsmittel. Man setzt sie den aufregendsten Stimmungswechseln […] aus – man hetzt sie ab wie das Wild und läßt sie nicht zur Ruhe und zum ruhigen Lebensgenuß kommen. Man entzieht ihnen alle Genüsse außer dem Geschlechtsgenuß und dem Trunk, arbeitet sie dagegen täglich bis zur gänzlichen Abspannung aller geistigen und physischen Kräfte ab.“|Friedrich Engels: Lage der arbeitenden Klasse in England. 1845, MEW. Dietz, Berlin 1972. Band 2. S.326f.}}


== Interaktive Aufgaben ==
So, die ersten drei Kapitel sind geschafft. In diesem Quiz kannst Du überprüfen, ob Du soweit alles verstanden hast.


=== Wohnverhältnisse ===
Ordne die Satzhälften passend zu.


<div class="lueckentext-quiz">
a. Eine Wohnung galt erst als überfüllt, ''wenn mehr als 6 Personen pro Raum dort wohnten.''


;Ausprägung industrieller Lebensräume: städtische Ballungszentren
b. Durch den Mangel an Lüftungsmöglichkeiten ''litten viele Wohnungen unter Feuchtigkeit''.
 
* Einzug der technischen Zivilisation, Verkehrsgetümmel, schneller Lebensrhythmus


* Verstädterungs- und Urbanisierungsprozess (Definition!!!!)
c. Viele Menschen hatten nicht genug Geld, ein eigenes Zimmer zu mieten, und ''mussten als Schlafgänger mit einem Bett für wenige Stunden zurechtkommen.''


* Leben in Mietswohnung wurde in Städten zu generell üblichen Wohnform
d. Durch die Neuankömmlinge herrschte große Wohnungsnot, ''so dass auch Keller und Schuppen bewohnt wurden.''


Problem: Ausbau hinkte der enormen Bevölkerungsexplosion hinterher
e. Da Wohnraum maximal ausgenutzt wurde, ''hatten nicht alle Wohnungen Fenster.''
</div>


(Berlin: ''übelriechendste Hauptstadt Europas, deren Einwohner man schon am Geruch ihrer Kleidung erkennen konnte'')




;Unterschiede zwischen Stadt und Land
{{Industrielle Revolution}}

Aktuelle Version vom 3. August 2023, 15:22 Uhr

Wärend der Industrialisierung hinkte der Ausbau von Wohnraum der enormen Bevölkerungsexplosion hinterher. Neuankömmlinge suchten Unterschlupf bei Bekannten und mussten oft ... Berlin galt als übelriechendste Hauptstadt Europas, deren Einwohner man schon am Geruch ihrer Kleidung erkennen konnte.

Aufgabe
  1. Öffne die Bilder in einem neuen Tab und beschreibe die Lebensverhältnisse der Arbeiter
  2. Finde die Textstelle, ab wann eine Wohnung auch offiziell als überfüllt galt.
  3. Erkläre, was man unter einem Schlafgänger versteht.
  4. Überlege, welche Vorteile Familien hatten, die einen Schläfgänger aufnehmen.
  5. Überlege, welche Nachteile durch die drangvolle Enge entstehen konnten.
  6. Überlege, was Heinrich Zille meinte, wenn er sagt, dass man "mit einer Wohnung einen Menschen genau so gut töten [könnte] wie mit einer Axt."

Die Lebensbedingungen der Arbeiter

Slum in Glasgow, 1871.jpg

Wer würde es glauben, daß eine ganze Anzahl von Menschen bei uns heutigentags in "Wohnungen" kampiert, die überhaupt kein heizbares Zimmer haben? Und doch belehrt uns die Statistik, daß es deren in Berlin über 15.000, in Barmen über 8.000 gibt usw. Aber das sind nur Ausnahmen, und es wird sich in der großen Mehrzahl der Fälle um Einzelpersonen handeln. Dagegen schwillt die Zahl derjenigen Personen, die in Wohnungen mit 1 Zimmer wohnen sofort unheimlich an. Ja, in den meisten deutschen Großstädten wohnt, wie ich schon sagte, die Hälfte oder annähernd die Hälfte aller Menschen in Wohnungen, die nicht mehr als ein Zimmer umfassen. Von tausend Bewohnern nämlich in Barmen 490, in Berlin 430, in Breslau 409, in Chemnitz 551, in Dresden 374, in Görlitz 462, in Halle a. S. 429, in Königsberg i. Pr. 505, in Magdeburg 454, in Plauen i. V. 641. Mehr wie 2 Zimmer, darf man annehmen, bewohnt nur ein verschwindend geringer Prozentsatz der arbeitenden Bevölkerung.

"überbevölkert" nennt die Statistik eine Wohnung, wenn 6 Personen und mehr in 1 Zimmer, 11 Personen und mehr in 2 Zimmern hausen. Und selbst davon gibt es eine erkleckliche Anzahl: in Berlin nahezu 30.000, in Breslau 7.000, in Chemnitz 5.000, in Plauen i. V. 3.000 usw. Man denke: 6 Personen und mehr in 1 Raume, 11 und mehr in 2 Räumen!

Was nun aber das Wohnungselend der ärmeren Bevölkerung, wenigstens aber in den Großstädten, auf das Höchste steigert, ist der Umstand, daß selbst in den engen Behausungen, die nicht mehr den Namen Wohnung verdienen, noch nicht einmal immer die Familie allein lebt, sondern noch fremde Personen, die Schlafgänger, dazwischen kampieren. Dieser jammervolle Zustand findet sich beispielsweise in Berlin bei 391 von 1.000 einzimmrigen Wohnungen, in Breslau bei 370, in Plauen i. V. bei 596, in München bei 572 aller ein- und zweizimmrigen Wohnungen usw. In München, über das wir durch eine Studie des Dr. Cahn besonders gut unterrichtet sind, beherbergen etwa 12.000 oder 15 % aller Wohnungen Schlafgänger, von denen über ein Viertel Weiber sind. Von diesen 12.000 Wohnungen waren 3.918 überfüllt im offiziellen Sinne und hatten nur 858 mehr als ein heizbares Zimmer.
Sombart, W., Das Proletariat. Frankfurt a. M. 1906, S. 23f.

Schlafgänger

Der späte Schlafbursche von Heinrich ZilleWikipedia-logo.png

Als Schlafgänger (auch Bettgeher oder Schlafbursche) wurden Personen bezeichnet, die gegen ein geringes Entgelt ein Bett nur für einige Stunden am Tag mieteten. So konnten beispielsweise Schichtarbeiter während des Tages gegen ein geringes Entgelt schlafen, während der reguläre Wohnungsinhaber seiner Arbeit nachging. Der Grund dafür war der zur Zeit der Industrialisierung sehr knappe und daher teure Wohnraum, der nicht alle Landflüchtlinge aufnehmen konnte.

Schlafgänger hatten normalerweise keinen Familienanschluss, durften die restlichen Räumlichkeiten, wie die Küche oder die „Gute Stube“, nicht nutzen und erhielten im Gegensatz zu Untermietern kein Frühstück.

Hygiene und Verantwortung

»Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genau so gut töten wie mit einer Axt.« 
Heinrich Zille

„[…] In den niedrigeren Logierhäusern schlafen zehn, zwölf, ja zuweilen zwanzig Personen von beiden Geschlechtern und jedem Alter in verschiedenen Abstufungen der Nacktheit auf dem Fußboden durcheinander. Diese Wohnstätten sind gewöhnlich […] so schmutzig, feucht und verfallen, dass kein Mensch sein Pferd darin unterbringen möchte.“
J. C. Symons: Arts and Artizans at Home and Abroad. Edinburgh 1839. S. 116f. Zit. in: Engels, 1845: S. 270.

„Man gibt ihnen feuchte Wohnungen, Kellerlöcher, die von unten, oder Dachkammern, die von oben nicht wasserdicht sind. Man baut ihre Häuser so, daß die dumpfige Luft nicht abziehen kann. Man gibt ihnen schlechte, zerlumpte oder zerlumpende Kleider und schlechte, verfälschte und schwerverdauliche Nahrungsmittel. Man setzt sie den aufregendsten Stimmungswechseln […] aus – man hetzt sie ab wie das Wild und läßt sie nicht zur Ruhe und zum ruhigen Lebensgenuß kommen. Man entzieht ihnen alle Genüsse außer dem Geschlechtsgenuß und dem Trunk, arbeitet sie dagegen täglich bis zur gänzlichen Abspannung aller geistigen und physischen Kräfte ab.“
Friedrich Engels: Lage der arbeitenden Klasse in England. 1845, MEW. Dietz, Berlin 1972. Band 2. S.326f.

Interaktive Aufgaben

So, die ersten drei Kapitel sind geschafft. In diesem Quiz kannst Du überprüfen, ob Du soweit alles verstanden hast.

Wohnverhältnisse

Ordne die Satzhälften passend zu.

a. Eine Wohnung galt erst als überfüllt, wenn mehr als 6 Personen pro Raum dort wohnten.

b. Durch den Mangel an Lüftungsmöglichkeiten litten viele Wohnungen unter Feuchtigkeit.

c. Viele Menschen hatten nicht genug Geld, ein eigenes Zimmer zu mieten, und mussten als Schlafgänger mit einem Bett für wenige Stunden zurechtkommen.

d. Durch die Neuankömmlinge herrschte große Wohnungsnot, so dass auch Keller und Schuppen bewohnt wurden.

e. Da Wohnraum maximal ausgenutzt wurde, hatten nicht alle Wohnungen Fenster.