Fabeln der Aufklärung: Unterschied zwischen den Versionen

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== Fabeln der Aufklärung ==
== Gottlieb Konrad Pfeffel (1736-1809) ==
===Der Affe und der Löwe - Der Affe am  Hofe===
<div class="grid" style="font-family: times, serif; font-size:1.2em: line-height:1.2em;">
<div class="width-1-2“>
'''Der Affe und der Löwe''' <ref>Gottlieb Konrad Pfeffel, Biographie eines Pudels und andere Satiren. Auswahl, Anmerkungen und Nachwort von Walter Ernst Schäfer.  Badische Buchreihe, herausgegeben von der Badischen Bibliotheksgesellschaft e.V. Karlsruhe, Band 2, 1987, Verlag Langewiesche-Brandt KG, ISBN 3-7846-0134-0, S. 68</ref>
<pre>  Der Löwe brach ein Bein. Man rief
  Den Doktor Fuchs ihn zu kurieren,
  Doch alles drehen, schindeln, schmieren
  Half nichts; das Bein blieb lahm und schief.
5  Um dem Monarchen zu hofieren,
  Erschien sein erster Hofpoet,
  Ein Affe, der gar schlau sich dünkte,
  Einst in der Residenz, und hinkte
  So arg als seine Majestät.


=== GOTTLIEB KONRAD PFEFFEL (1736-1809) ===
10 Wie? Sprach der Fürst ergrimmt zum Gecken
  Ich glaube gar, du willst mich necken.
  Ich? Lallte Matz, behüt uns Gott!
  Mich treibt die schönste meiner Pflichten,
  Als treuer Knecht, als Patriot,
15 Nach deinem Vorbild mich zu richten.
  Geh, Schelm, fiel ihm der König ein,
  Statt meinen Fehler nachzuahmen,
  So hink in deinem eignen Namen.
  Er sprachs, und brach ihm knacks ein Bein.


==== Der Affe und der Löwe ====
20 Die Lehre könnte sanfter sein,
<poem>  
  Doch wäre sie den Herrn mit Orden
Der Löwe brach ein Bein. Man rief
  Und Schlüsseln heilsam, wie mich dünkt.
Den Doktor Fuchs ihn zu kurieren,
  Wer heut mit seinem Fürsten hinkt,
Doch alles drehen, schindeln, schmieren
  Wird morgen ihm zu Ehren morden.</pre>
Half nichts; das Bein blieb lahm und schief.
<br>
Um dem Monarchen zu hofieren,
</div>
Erschien sein erster Hofpoet,
<div class="width-1-2">
Ein Affe, der gar schlau sich dünkte,
'''Der Affe am Hofe''' <ref>Gottlieb Konrad Pfeffel, Biographie eines Pudels und andere Satiren. Auswahl, Anmerkungen und Nachwort von Walter Ernst Schäfer.  Badische Buchreihe, herausgegeben von der Badischen Bibliotheksgesellschaft e.V. Karlsruhe, Band 2, 1987, Verlag Langewiesche-Brandt KG, ISBN 3-7846-0134-0, S. 83 f</ref>
Einst in der Residenz, und hinkte
<pre>  Ein Affe machte so viel Streiche
So arg als seine Majestät.
  So manche feine Schelmerei;
Wie? Sprach der Fürst ergrimmt zum Gecken
  Daß in dem ganzen Königreiche
Ich glaube gar, du willst mich necken.
  Sein Ruhm erscholl und selbst der Leu,
Ich? Lallte Matz, behüt uns Gott!
5  Ein Freund der Künste, zween Emiren
Mich treib die schönste meiner Pflichten,
  Befahl, ihn auf die Burg zu führen.
Als treuer Knecht, als Patriot,
 
Nach deinem Vorbild mich zu richten.
  Der Großherr wollte fast zerplatzen,
Geh, Schelm, fiel ihm der König ein,
  Als unser Gaukler vor ihn trat;
Statt meinen Fehler nachzuahmen,
  Durch tausend Schwänke, tausend Fratzen
So hink in deinem eignen Namen.
10 Erhielt er gleich den Rang als Rat;
Er sprachs, und brach ihm knacks ein Bein.
  Und bald hernach durch Brief und Siegel
Die Lehre könnte sanfter sein,
  Den Titel: Ritter Eulenspiegel.
Doch wäre sie den Herrn mit Orden
 
Und Schlüsseln heilsam, wie mich dünkt.
  Im Anfang trafen seine Possen
Wer heut mit seinem Fürsten hinkt,
  Den Schöps, den Esel und das Rind,
Wird morgen ihm zu Ehren morden.</poem>
15 Ein Kleeblatt, dem des Spötters Glossen
  Von Alters her gewidmet sind.
  Allein sie schwiegen, oder machten
  Gar Choro mit, wenn andre lachten.
 
  Der Beifall, der ihn warnen sollte,
20 Des Königs Gunst, berauschten ihn,
  Indem er mehr noch glänzen wollte
  Vergaß sich unser Harlekin,
  Und übte seine Neckereien
  Am Tiger, Wolf und andern Beien.


==== Der Affe am Hofe ====
25 Nach einer Zeit von sieben Tagen
  War Meister Affe so beherzt,
  Sich and den Leuen selbst zu wagen,
  Und nun war seine Gunst verscherzt.
  Die Majestät, anstatt zu lachen,
30 befahl ihm den Prozeß zu machen.


<poem>Ein Affe machte so viel Streiche
  Bei Niedern, die dem Spotte weichen,
  Ist er verblümte Tyrannei:
  Bei denen, die an Stand sich gleichen,
  Ist er ein Quell der Zänkerei:
35 Bei Großen ist er ein Verbrechen,
  Das sie mit ihren Blitzen rächen.</pre>
</div>
</div>


So manche feine Schelmerei;
=== Der Prinz und sein Hofmeister<ref>Gottlieb Konrad Pfeffel, Biographie eines Pudels und andere Satiren. Auswahl, Anmerkungen und Nachwort von Walter Ernst Schäfer. Badische Buchreihe, herausgegeben von der Badischen Bibliotheksgesellschaft e.V. Karlsruhe, Band 2, 1987, Verlag Langewiesche-Brandt KG, ISBN 3-7846-0134-0, S. 69</ref> ===
 
<div class="grid">
Daß in dem ganzen Königreiche
<div class="width-1-2">
 
<pre>  
Sein Ruhm erscholl und selbst der Leu,
  Im kühlen Park saß Prinz Porphyr
 
  Mit seinem Mentor einst nach Tische
Ein Freund der Künste, zween Emiren
  Und gähnte recht nach Standsgebühr;
 
  Als aus dem duftenden Gebüsche
Befahl, ihn auf die Burg zu führen.
Das Lied der Nachtigall erscholl.
 
  Itzt wacht er auf. Entzückungsvoll
Der Großherr wollte fast zerplatzen,
  beschleichet er die dunklen Hecken,
 
  Um hinterrücks das arme Tier
Als unser Gaukler vor ihn trat;
  Zu haschen und es einzustecken.
 
10 Es ist sultanische Manier
Durch tausend Schwänke, tausend Fratzen
  Mit andrer Freiheit so zu spaßen,
 
  Doch diesmal mußte sich Porphyr
Erhielt er gleich den Rang als Rat;
  Den Appetit vergehen lassen.</pre>
 
</div><div class="width-1-2">
Und bald hernach durch Brief und Siegel
<pre>  Sein erster Schritt verriet ihn schon
 
15 Und der geschreckte Vogel machte
Den Titel: Ritter Eulenspiegel.
  Mit schnellen Schwingen sich davon.
 
  Die Hoheit stampft und wandert sachte
Im Anfang trafen seine Possen
  Dem Mentor zu. Der Mentor lachte;
 
  Beschämt fragt ihn der Königssohn,
Den Schöps, den Esel und das Rind,
20 Der wohl des Tags auch einmal dachte:
 
  Wie kömmt's, daß man in unserm Schloß
Ein Kleeblatt, dem des Spötters Glossen
  Nicht eine Philomele findet;
 
  Indes ein ungeheurer Troß
Von Alters her gewidmet sind.
  Von Spatzen uns die Ohren schindet?
 
25 Mein Prinz! Dies ist der Höfe Lauf,
Allein sie schwiegen, oder machten
  Versetzt der Mann; wie Fliegenschwärme
 
  Drängt sich das Heer der Toren auf:
Gar Choro mit, wenn andre lachten.
  Doch das Verdienst lebt fern vom Lärme.
 
  Verscheucht und gleichsam auf der Flucht,
Der Beifall, der ihn warnen sollte,
30 Nur der entdeckt es, der es sucht.</pre>
 
</div></div>
Des Königs Gunst, berauschten ihn,
 
Indem er mehr noch glänzen wollte
 
Vergaß sich unser Harlekin,
 
Und übte seine Neckereien
 
Am Tiger, Wolf und andern Beien.
 
Nach einer Zeit von sieben Tagen
 
War Meister Affe so beherzt,
 
Sich and den Leuen selbst zu wagen,
 
Und nun war seine Gunst verscherzt.
 
Die Majestät, anstatt zu lachen,
 
befahl ihm den Prozeß zu machen.
 
Bei Niedern, die dem Spotte weichen,
 
Ist er verblümte Tyrannei:
 
Bei denen, die an Stand sich gleichen,
 
Ist er ein Quell der Zänkerei:
 
Bei Großen ist er ein Verbrechen,
 
Das sie mit ihren Blitzen rächen.</poem>
 
==== Der Prinz und sein Hofmeister ====
 
<poem>Im kühlen Park saß Prinz Porphyr
 
Mit seinem Mentor einst nach Tische
 
Und gähnte recht nach Standsgebühr;
 
Als aus dem duftenden Gebüsche
 
Das Lied der Nachtigall erscholl.
 
Itzt wacht er auf. Entzückungsvoll
 
beschleichet er die dunklen Hecken,
 
Um hinterrücks das arme Tier
 
Zu haschen und es einzustecken.
 
Es ist sultanische Manier
 
Mit andrer Freiheit so zu spaßen,
 
Doch diesmal mußte sich Porphyr
 
Den Appetit vergehen lassen.
 
Sein erster Schritt veriet ihn schon
 
Und der geschreckte Vogel machte
 
Mit schnellen Schwingen sich davon.
 
Die Hoheit stampft und wandert sachte
 
Dem Mentor zu. Der Mentor lachte;
 
Beschämt fragt ihn der Königssohn,
 
Der wohl des Tags auch einmal dachte:
 
Wie kömmt's, daß man in unserm Schloß
 
Nicht eine Philomele findet;
 
Indes ein ungeheurer Troß
 
Von Spatzen uns die Ohren schindet?
 
Mein Prinz! Dies ist der Höfe Lauf,
 
Versetzt der Mann; wie Fliegenschwärme
 
Drängt sich das Heer der Toren auf:
 
Doch das Verdienst lebt fern vom Lärme.
 
Verscheucht und gleichsam auf der Flucht,
 
Nur der entdeckt es, der es sucht.
</poem>
 
== Drei Fabeln zum Motiv "Tanzbär" ==
 
=== CHRISTIAN FÜRCHTEGOTT GELLERT (1715-1769) ===
 
==== Der Tanzbär ====
 
<poem>Ein Bär, der lange Zeit sein Brot ertanzen müssen,


== Drei Fabeln zum Motiv „Tanzbär" ==
<div class="grid" style="font-family: times, serif; font-size:1.2em: line-height:1.2em;">
<div class="width-1-2">
'''Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769): Der Tanzbär'''<ref>Fabeln. Für die Sekundarstufe herausgegeben von Therese Poser, Philipp Reclam jun. Stuttgart 1975, Universal-Bibliothek Nr. 9519 (Reihe Arbeitstexte für den Unterricht), ISBN 978-3-15-009519-5, S. 23 f</ref>
<pre>Ein Bär, der lange Zeit sein Brot ertanzen müssen,
Entrann und wählte sich den ersten Aufenthalt.
Entrann und wählte sich den ersten Aufenthalt.
Die Bären grüßten ihn mit brüderlichen Küssen
Die Bären grüßten ihn mit brüderlichen Küssen
Und brummten freudig durch den Wald,
Und brummten freudig durch den Wald,
Und wo ein Bär den andern sah,
Und wo ein Bär den andern sah,
So hieß es: "Petz ist wieder da!"
So hieß es: "Petz ist wieder da!"
Der Bär erzählte drauf, was er in fremden Landen
Der Bär erzählte drauf, was er in fremden Landen
Für Abenteuer ausgestanden,
Für Abenteuer ausgestanden,
Was er gesehn, gehört, getan.
Was er gesehn, gehört, getan.
Und fing, da er vom Tanzen red'te.
Und fing, da er vom Tanzen red'te.
Als ging er noch an seiner Kette,
Als ging er noch an seiner Kette,
Auf polnisch schön zu tanzen an.
Auf polnisch schön zu tanzen an.
Die Brüder, die ihn tanzen sahn,
Die Brüder, die ihn tanzen sahn,
bewunderten die Wendung seiner Glieder,
bewunderten die Wendung seiner Glieder,
Und gleich versuchten es die Brüder;
Und gleich versuchten es die Brüder;
Allein anstatt, wie er, zu gehn,
Allein anstatt, wie er, zu gehn,
So konnten sie kaum aufrecht stehn,
So konnten sie kaum aufrecht stehn,
Und mancher fiel die Länge lang darnieder.
Und mancher fiel die Länge lang darnieder.
Um desto mehr ließ sich der Tänzer sehn;
Um desto mehr ließ sich der Tänzer sehn;
Doch seine Kunst verdroß den ganzen Haufen.
Doch seine Kunst verdroß den ganzen Haufen.
"Fort", schrien alle, "fort mit dir!
"Fort", schrien alle, "fort mit dir!
Du Narr willst klüger sein als wir?"
Du Narr willst klüger sein als wir?"
Man zwang den Petz, davonzulaufen.
Man zwang den Petz, davonzulaufen.
Sei nicht geschickt, man wird dich wenig hassen,
Sei nicht geschickt, man wird dich wenig hassen,
Weil dir dann jeder ähnlich ist;
Weil dir dann jeder ähnlich ist;
Doch je geschickter du vor vielen andern bist,
Doch je geschickter du vor vielen andern bist,
Je mehr nimm dich in acht, dich prahlend sehn zu lassen.
Je mehr nimm dich in acht, dich prahlend sehn zu lassen.
Wahr ist's, man wird auf kurze Zeit
Wahr ist's, man wird auf kurze Zeit
Von deinen Künsten rühmlich sprechen;
Von deinen Künsten rühmlich sprechen;
Doch traue nicht, bald folgt der Neid
Doch traue nicht, bald folgt der Neid
Und macht aus der Geschicklichkeit
Und macht aus der Geschicklichkeit
Ein unvergebliches Verbrechen.</pre>
<br>
</div>
<div class="width-1-2">


Ein unvergebliches Verbrechen.</poem>
'''Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781): Der Tanzbär'''<ref>Fabeln. Für die Sekundarstufe herausgegeben von Therese Poser, Philipp Reclam jun. Stuttgart 1975, Universal-Bibliothek Nr. 9519 (Reihe Arbeitstexte für den Unterricht), ISBN 978-3-15-009519-5, S. 28</ref>
 
=== GOTTHOLD EPHRAIM LESSING (1729-1781) ===
 
==== Der Tanzbär ====
 
<poem>Ein Tanzbär war der Kett' entrissen,


<pre>
Ein Tanzbär war der Kett' entrissen,
Kam wieder in den Wald zurück,
Kam wieder in den Wald zurück,
Und tanzte seiner Schar ein Meisterstück
Und tanzte seiner Schar ein Meisterstück
Auf den gewohnten Hinterfüßen.
Auf den gewohnten Hinterfüßen.


"Seht", schrie er, "das ist Kunst; das lernt man in der Welt.
„Seht", schrie er, „das ist Kunst; das lernt man in der Welt.
 
Tut es mir nach, wenn's euch gefällt,
Tut es mir nach, wenn's euch gefällt,
 
Und wenn ihr könnt!" - „Geh", brummt ein alter Bär,
Und wenn ihr könnt!" - "Geh", brummt ein alter Bär,
„Dergleichen Kunst, sie sei so schwer,
 
"Dergleichen Kunst, sie sei so schwer,
 
Sie sei so rar sie sei,
Sie sei so rar sie sei,
Zeigt deinen niedern Geist und deine Sklaverei."
Zeigt deinen niedern Geist und deine Sklaverei."


Ein großer Hofmann sein,
Ein großer Hofmann sein,
Ein Mann, dem Schmeichelei und List
Ein Mann, dem Schmeichelei und List
Statt Witz und Tugend ist;
Statt Witz und Tugend ist;
Der durch Kabalen steigt, des Fürsten Gunst erstiehlt,
Der durch Kabalen steigt, des Fürsten Gunst erstiehlt,
Mit Wort und Schwur als Komplimenten spielt,
Mit Wort und Schwur als Komplimenten spielt,
Ein solcher Mann, ein großer Hofmann sein,
Ein solcher Mann, ein großer Hofmann sein,
 
Schließt das Lob oder Tadel ein?</pre>
Schließt das Lob oder Tadel ein?
</div></div>
</poem>
<div class="grid" style="font-family: times, serif; font-size:1.2em: line-height:1.2em;">
=== GOTTLIEB KONRAD PFEFFEL (1736-1809) ===
<div class="width-1-2">
 
'''Gottlieb Konrad Pfeffel (1736-1809): Der Tanzbär'''<ref>Fabeln. Für die Sekundarstufe herausgegeben von Therese Poser, Philipp Reclam jun. Stuttgart 1975, Universal-Bibliothek Nr. 9519 (Reihe Arbeitstexte für den Unterricht), ISBN 978-3-15-009519-5, S. 32 f</ref>
==== Der Tanzbär ====
<pre>
 
Ein Gauner an dem Weichselstrand,
<poem>Ein Gauner an dem Weichselstrand,
 
Wo man nichts kennet als Despoten
Wo man nichts kennet als Despoten
Mit ehrnen Zeptern und Heloten
Mit ehrnen Zeptern und Heloten
In Lumpen, zog mit kecker Hand
In Lumpen, zog mit kecker Hand
Ein Bärchen aus der Mutter Pfoten,
Ein Bärchen aus der Mutter Pfoten,
Die durch ihn fiel. Der Sieger hing
Die durch ihn fiel. Der Sieger hing
Flugs einen Korb dem armen Waisen
Flugs einen Korb dem armen Waisen
Ums rauhe Kinn; ein dichter Ring
Ums rauhe Kinn; ein dichter Ring
Mit einem Gängelband aus Eisen
Mit einem Gängelband aus Eisen
Würgt ihm den Hals, und überdies
Würgt ihm den Hals, und überdies
Stumpft er, um sich vor seinem Biß
Stumpft er, um sich vor seinem Biß
Zu schützen, ihm die jungen Zähne.
Zu schützen, ihm die jungen Zähne.
Da half kein Heulen, keine Träne.
Da half kein Heulen, keine Träne.
Noch mehr: er zwang den armen Wicht,
Noch mehr: er zwang den armen Wicht,
 
Mit aufgerecktem Kopf und Ranzen,
Mit aufgrecktem Kopf und Ranzen,
 
Er mochte wollen oder nicht,
Er mochte wollen oder nicht,
Nach seinem Dudelsack zu tanzen
Nach seinem Dudelsack zu tanzen
Und seinen Affen Favorit,
Und seinen Affen Favorit,
Der, taub gleich ihm, bei Petzens Klagen,
Der, taub gleich ihm, bei Petzens Klagen,
Wenn dieser seufzte, Fratzen schnitt,
Wenn dieser seufzte, Fratzen schnitt,
Als Reitpferd durch die Welt zu tragen.
Als Reitpferd durch die Welt zu tragen.
Wenn ihn der Unmut überwand,
Wenn ihn der Unmut überwand,
So büßten seinen Widerstand
So büßten seinen Widerstand
Bald seine Knochen, bald sein Magen.
Bald seine Knochen, bald sein Magen.
So strich ihm unter tausend Plagen
So strich ihm unter tausend Plagen
bereits das dritte Jahr vorbei,
bereits das dritte Jahr vorbei,
Als einst, im Sturm der Schwelgerei,
Als einst, im Sturm der Schwelgerei,
 
Sein Herr vergaß, ihn anzuschließen.</pre>
Sein Herr vergaß, ihn anzuschließen.
</div>
 
<div class="width-1-2">
<pre>
Die Freiheit winkt; mit schnellen Füßen
Die Freiheit winkt; mit schnellen Füßen
 
Verläßt er seine faule Streu
verläßt er seine faule Streu
 
Und fliehet, vor den Finsternissen
Und fliehet, vor den Finsternissen
Der Nacht bedeckt, durch Busch und Moor
Der Nacht bedeckt, durch Busch und Moor
Ins nahe Holz. Mit frohen Küssen
Ins nahe Holz. Mit frohen Küssen
Empfängt ihn seiner Brüder Chor.
Empfängt ihn seiner Brüder Chor.
Der eine reicht ihm leckre Speisen,
Der eine reicht ihm leckre Speisen,
Der andre hilft ihm, vor dem Eisen
Der andre hilft ihm, vor dem Eisen
An Hals und Schnauze sich befrein.
An Hals und Schnauze sich befrein.
Der Hetmann eilet voll Entzücken,
Der Hetmann eilet voll Entzücken,
 
Den Gast mit Eichenlaub zu schmücken,
Den Gast mit Eichelaub zu schmücken,
 
Und weihet ihn zum Bürger ein.
Und weihet ihn zum Bürger ein.
Kaum konnte Petz sein Glück ermessen,
Kaum konnte Petz sein Glück ermessen,
Doch lernt er eher Honig fressen
Doch lernt er eher Honig fressen
Und nur sich selbst gehorsam sein
Und nur sich selbst gehorsam sein
Als seines Henkers Wut vergessen.
Als seines Henkers Wut vergessen.
Einst sah er ihn den dunklen Hain
Einst sah er ihn den dunklen Hain
Durchwandeln; gleich dem Höllendrachen
Durchwandeln; gleich dem Höllendrachen
Stürzt er mit aufgesperrtem Rachen
Stürzt er mit aufgesperrtem Rachen
Sich über ihn. "Ha, Wüterich!"
Sich über ihn. "Ha, Wüterich!"
Brüllt er. "Nun kommt der Tanz an dich."
Brüllt er. "Nun kommt der Tanz an dich."
Jetzt packt er ihn mit seinen Tatzen
Jetzt packt er ihn mit seinen Tatzen
Und presset ihn mit wilder Lust
Und presset ihn mit wilder Lust
So fest an seine Felsenbrust,
So fest an seine Felsenbrust,
Daß alle Rippen ihm zerplatzen.
Daß alle Rippen ihm zerplatzen.
Ihr Zwingherrn, bebt! Es kömmt ein Tag,
Ihr Zwingherrn, bebt! Es kömmt ein Tag,
An dem der Sklave seine Ketten
An dem der Sklave seine Ketten
Zerbrechen wird, und dann vermag
Zerbrechen wird, und dann vermag
Euch nichts vor seiner Wut zu retten.
</pre></div></div>


Euch nichts vor seiner Wut zu retten.
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Aktuelle Version vom 26. März 2023, 16:38 Uhr

Gottlieb Konrad Pfeffel (1736-1809)

Der Affe und der Löwe - Der Affe am Hofe

Der Affe und der Löwe [1]

   Der Löwe brach ein Bein. Man rief
   Den Doktor Fuchs ihn zu kurieren,
   Doch alles drehen, schindeln, schmieren
   Half nichts; das Bein blieb lahm und schief.
5  Um dem Monarchen zu hofieren,
   Erschien sein erster Hofpoet,
   Ein Affe, der gar schlau sich dünkte,
   Einst in der Residenz, und hinkte
   So arg als seine Majestät.

10 Wie? Sprach der Fürst ergrimmt zum Gecken
   Ich glaube gar, du willst mich necken.
   Ich? Lallte Matz, behüt uns Gott!
   Mich treibt die schönste meiner Pflichten,
   Als treuer Knecht, als Patriot,
15 Nach deinem Vorbild mich zu richten.
   Geh, Schelm, fiel ihm der König ein,
   Statt meinen Fehler nachzuahmen,
   So hink in deinem eignen Namen.
   Er sprachs, und brach ihm knacks ein Bein.

20 Die Lehre könnte sanfter sein,
   Doch wäre sie den Herrn mit Orden
   Und Schlüsseln heilsam, wie mich dünkt.
   Wer heut mit seinem Fürsten hinkt,
   Wird morgen ihm zu Ehren morden.


Der Affe am Hofe [2]

   Ein Affe machte so viel Streiche
   So manche feine Schelmerei;
   Daß in dem ganzen Königreiche
   Sein Ruhm erscholl und selbst der Leu,
5  Ein Freund der Künste, zween Emiren
   Befahl, ihn auf die Burg zu führen.
  
   Der Großherr wollte fast zerplatzen,
   Als unser Gaukler vor ihn trat;
   Durch tausend Schwänke, tausend Fratzen
10 Erhielt er gleich den Rang als Rat;
   Und bald hernach durch Brief und Siegel
   Den Titel: Ritter Eulenspiegel.
  
   Im Anfang trafen seine Possen
   Den Schöps, den Esel und das Rind,
15 Ein Kleeblatt, dem des Spötters Glossen
   Von Alters her gewidmet sind.
   Allein sie schwiegen, oder machten
   Gar Choro mit, wenn andre lachten.
   
   Der Beifall, der ihn warnen sollte,
20 Des Königs Gunst, berauschten ihn,
   Indem er mehr noch glänzen wollte
   Vergaß sich unser Harlekin,
   Und übte seine Neckereien
   Am Tiger, Wolf und andern Beien.

25 Nach einer Zeit von sieben Tagen
   War Meister Affe so beherzt,
   Sich and den Leuen selbst zu wagen,
   Und nun war seine Gunst verscherzt.
   Die Majestät, anstatt zu lachen,
30 befahl ihm den Prozeß zu machen.

   Bei Niedern, die dem Spotte weichen,
   Ist er verblümte Tyrannei:
   Bei denen, die an Stand sich gleichen,
   Ist er ein Quell der Zänkerei:
35 Bei Großen ist er ein Verbrechen,
   Das sie mit ihren Blitzen rächen.

Der Prinz und sein Hofmeister[3]

   
   Im kühlen Park saß Prinz Porphyr
   Mit seinem Mentor einst nach Tische
   Und gähnte recht nach Standsgebühr;
   Als aus dem duftenden Gebüsche
5  Das Lied der Nachtigall erscholl.
   Itzt wacht er auf. Entzückungsvoll
   beschleichet er die dunklen Hecken,
   Um hinterrücks das arme Tier
   Zu haschen und es einzustecken.
10 Es ist sultanische Manier
   Mit andrer Freiheit so zu spaßen,
   Doch diesmal mußte sich Porphyr
   Den Appetit vergehen lassen.
   Sein erster Schritt verriet ihn schon
15 Und der geschreckte Vogel machte
   Mit schnellen Schwingen sich davon.
   Die Hoheit stampft und wandert sachte
   Dem Mentor zu. Der Mentor lachte;
   Beschämt fragt ihn der Königssohn,
20 Der wohl des Tags auch einmal dachte:
   Wie kömmt's, daß man in unserm Schloß
   Nicht eine Philomele findet;
   Indes ein ungeheurer Troß
   Von Spatzen uns die Ohren schindet?
25 Mein Prinz! Dies ist der Höfe Lauf,
   Versetzt der Mann; wie Fliegenschwärme
   Drängt sich das Heer der Toren auf:
   Doch das Verdienst lebt fern vom Lärme.
   Verscheucht und gleichsam auf der Flucht,
30 Nur der entdeckt es, der es sucht.

Drei Fabeln zum Motiv „Tanzbär"

Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769): Der Tanzbär[4]

Ein Bär, der lange Zeit sein Brot ertanzen müssen,
Entrann und wählte sich den ersten Aufenthalt.
Die Bären grüßten ihn mit brüderlichen Küssen
Und brummten freudig durch den Wald,
Und wo ein Bär den andern sah,
So hieß es: "Petz ist wieder da!"
Der Bär erzählte drauf, was er in fremden Landen
Für Abenteuer ausgestanden,
Was er gesehn, gehört, getan.
Und fing, da er vom Tanzen red'te.
Als ging er noch an seiner Kette,
Auf polnisch schön zu tanzen an.
Die Brüder, die ihn tanzen sahn,
bewunderten die Wendung seiner Glieder,
Und gleich versuchten es die Brüder;
Allein anstatt, wie er, zu gehn,
So konnten sie kaum aufrecht stehn,
Und mancher fiel die Länge lang darnieder.
Um desto mehr ließ sich der Tänzer sehn;
Doch seine Kunst verdroß den ganzen Haufen.
"Fort", schrien alle, "fort mit dir!
Du Narr willst klüger sein als wir?"
Man zwang den Petz, davonzulaufen.
Sei nicht geschickt, man wird dich wenig hassen,
Weil dir dann jeder ähnlich ist;
Doch je geschickter du vor vielen andern bist,
Je mehr nimm dich in acht, dich prahlend sehn zu lassen.
Wahr ist's, man wird auf kurze Zeit
Von deinen Künsten rühmlich sprechen;
Doch traue nicht, bald folgt der Neid
Und macht aus der Geschicklichkeit
Ein unvergebliches Verbrechen.


Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781): Der Tanzbär[5]

Ein Tanzbär war der Kett' entrissen,
Kam wieder in den Wald zurück,
Und tanzte seiner Schar ein Meisterstück
Auf den gewohnten Hinterfüßen.

„Seht", schrie er, „das ist Kunst; das lernt man in der Welt.
Tut es mir nach, wenn's euch gefällt,
Und wenn ihr könnt!" - „Geh", brummt ein alter Bär,
„Dergleichen Kunst, sie sei so schwer,
Sie sei so rar sie sei,
Zeigt deinen niedern Geist und deine Sklaverei."

Ein großer Hofmann sein,
Ein Mann, dem Schmeichelei und List
Statt Witz und Tugend ist;
Der durch Kabalen steigt, des Fürsten Gunst erstiehlt,
Mit Wort und Schwur als Komplimenten spielt,
Ein solcher Mann, ein großer Hofmann sein,
Schließt das Lob oder Tadel ein?

Gottlieb Konrad Pfeffel (1736-1809): Der Tanzbär[6]

Ein Gauner an dem Weichselstrand,
Wo man nichts kennet als Despoten
Mit ehrnen Zeptern und Heloten
In Lumpen, zog mit kecker Hand
Ein Bärchen aus der Mutter Pfoten,
Die durch ihn fiel. Der Sieger hing
Flugs einen Korb dem armen Waisen
Ums rauhe Kinn; ein dichter Ring
Mit einem Gängelband aus Eisen
Würgt ihm den Hals, und überdies
Stumpft er, um sich vor seinem Biß
Zu schützen, ihm die jungen Zähne.
Da half kein Heulen, keine Träne.
Noch mehr: er zwang den armen Wicht,
Mit aufgerecktem Kopf und Ranzen,
Er mochte wollen oder nicht,
Nach seinem Dudelsack zu tanzen
Und seinen Affen Favorit,
Der, taub gleich ihm, bei Petzens Klagen,
Wenn dieser seufzte, Fratzen schnitt,
Als Reitpferd durch die Welt zu tragen.
Wenn ihn der Unmut überwand,
So büßten seinen Widerstand
Bald seine Knochen, bald sein Magen.
So strich ihm unter tausend Plagen
bereits das dritte Jahr vorbei,
Als einst, im Sturm der Schwelgerei,
Sein Herr vergaß, ihn anzuschließen.
Die Freiheit winkt; mit schnellen Füßen
Verläßt er seine faule Streu
Und fliehet, vor den Finsternissen
Der Nacht bedeckt, durch Busch und Moor
Ins nahe Holz. Mit frohen Küssen
Empfängt ihn seiner Brüder Chor.
Der eine reicht ihm leckre Speisen,
Der andre hilft ihm, vor dem Eisen
An Hals und Schnauze sich befrein.
Der Hetmann eilet voll Entzücken,
Den Gast mit Eichenlaub zu schmücken,
Und weihet ihn zum Bürger ein.
Kaum konnte Petz sein Glück ermessen,
Doch lernt er eher Honig fressen
Und nur sich selbst gehorsam sein
Als seines Henkers Wut vergessen.
Einst sah er ihn den dunklen Hain
Durchwandeln; gleich dem Höllendrachen
Stürzt er mit aufgesperrtem Rachen
Sich über ihn. "Ha, Wüterich!"
Brüllt er. "Nun kommt der Tanz an dich."
Jetzt packt er ihn mit seinen Tatzen
Und presset ihn mit wilder Lust
So fest an seine Felsenbrust,
Daß alle Rippen ihm zerplatzen.
Ihr Zwingherrn, bebt! Es kömmt ein Tag,
An dem der Sklave seine Ketten
Zerbrechen wird, und dann vermag
Euch nichts vor seiner Wut zu retten.

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Siehe auch

  1. Gottlieb Konrad Pfeffel, Biographie eines Pudels und andere Satiren. Auswahl, Anmerkungen und Nachwort von Walter Ernst Schäfer. Badische Buchreihe, herausgegeben von der Badischen Bibliotheksgesellschaft e.V. Karlsruhe, Band 2, 1987, Verlag Langewiesche-Brandt KG, ISBN 3-7846-0134-0, S. 68
  2. Gottlieb Konrad Pfeffel, Biographie eines Pudels und andere Satiren. Auswahl, Anmerkungen und Nachwort von Walter Ernst Schäfer. Badische Buchreihe, herausgegeben von der Badischen Bibliotheksgesellschaft e.V. Karlsruhe, Band 2, 1987, Verlag Langewiesche-Brandt KG, ISBN 3-7846-0134-0, S. 83 f
  3. Gottlieb Konrad Pfeffel, Biographie eines Pudels und andere Satiren. Auswahl, Anmerkungen und Nachwort von Walter Ernst Schäfer. Badische Buchreihe, herausgegeben von der Badischen Bibliotheksgesellschaft e.V. Karlsruhe, Band 2, 1987, Verlag Langewiesche-Brandt KG, ISBN 3-7846-0134-0, S. 69
  4. Fabeln. Für die Sekundarstufe herausgegeben von Therese Poser, Philipp Reclam jun. Stuttgart 1975, Universal-Bibliothek Nr. 9519 (Reihe Arbeitstexte für den Unterricht), ISBN 978-3-15-009519-5, S. 23 f
  5. Fabeln. Für die Sekundarstufe herausgegeben von Therese Poser, Philipp Reclam jun. Stuttgart 1975, Universal-Bibliothek Nr. 9519 (Reihe Arbeitstexte für den Unterricht), ISBN 978-3-15-009519-5, S. 28
  6. Fabeln. Für die Sekundarstufe herausgegeben von Therese Poser, Philipp Reclam jun. Stuttgart 1975, Universal-Bibliothek Nr. 9519 (Reihe Arbeitstexte für den Unterricht), ISBN 978-3-15-009519-5, S. 32 f