Lyrik des Barock
Historisches und Allgemeines
Epochaler Zeitraum: ca 1600-1720
Der Name „Barock“ stammt vom portugiesischen Wort „barocco“ oder „barocca“ was in etwa mit „seltsam geformte Perle“ oder „schiefrunde Perle“ bzw. „schiefrunde Muschel“ übersetzt werden könnte. Der Begriff wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts offiziell zum Epochenbegriff, allerdings wurde er bereits im 18. Jh. in Frankreich als Bezeichnung ("baroque") für Kunstformen gebraucht, die dem klassizistischen Geschmack der Franzosen nicht entsprachen; der Begriff war also ursprünglich abwertend gemeint.
Historischer Hintergrund: Mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) erlebte das Deutsche Reich einen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verfall. Etwa ein Drittel des deutschen Volkes kam durch die Folgen des Krieges um. Doch waren nicht hohe Kriegsverluste dafür verantwortlich, sondern das Wüten der Pest in fast allen großen und kleinen Städten.
Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges bildete sich in Deutschland der Territorialabsolutismus heraus. Die Einflussnahme des Staates griff auf alle Lebensbereiche, von Erziehung, Bildung, Wirtschaft und Religion und machte klare Vorgaben. So war selbst die Autonomie der Kirche nicht mehr gewährleistet und sorgte immerwieder für Konflikte zwischen dem Vatikan und den Fürsten. Das Leben an den absolutistischen Fürstenhöfen hatte den französischen Absolutismus in Versailles zum Vorbild. Luxuriöse Bauten wurden errichtet und ein verschwenderisches Leben geführt.
Der Barock war die erste Epoche, die in Deutschland zur Folge hatte, dass Gedichte von nun an nichtmehr auf Latein, sondern erstmals auf Deutsch veröffentlicht wurden.Für die Literaturreform an sich steht Martin Opitz mit seinem Werk „Buch von der Deutschen Poeterey“ (1624), in dem er klare Vorgaben zum strengen Aufbau aller möglicher Textarten gibt. Die penible Einhaltung der formalen Vorgaben des Gedichtes steht in der Epoche des Barock eindeutig vor der Vermittlung einer Botschaft bzw. auch vor der Aussagekraft des Inhalts.
Formale und literarische Aspekte
Grundmotive
Die entscheidende Botschaft der sonst eher formal bemerkenswerten Gedichte des Barock war die Vermittlung der drei Grundmotive, von denen sich mindestens eins in eigentlich allen Werken des Barock finden lässt:
- „Memento Mori“: (lat. = „Erinnere dich des Moments / Bedenke, dass du sterben musst“) Das memento mori-Motiv drückt ein erdrückendes Todesbewusstsein aus. Dazu zählt die häufig wiederholte Erinnerung an den (nahen) Tod (vgl: Historischer Hintergrund). Es bezieht sich mehr auf den Tod und das Sterben als auf das Leben und bildet so (ganz im antithetischen Charakter des Barock) den Kontrast zum im folgenden erklärten Motiv des „Carpe Diem“
- „Carpe Diem“: (lat. = „ergreife / nütze / pflücke / (genieße) / Nutze den Tag“). Dieses Motiv ruft dazu auf, fröhlich zu sein, den Tag bewusst zu erleben und zu genießen und die Gedanken an die Vergänglichkeit nicht allzu schwer auf sich lasten zu lassen. Das Carpe Diem-Motiv orientiert sich an den Freuden des Lebens und kaum auf den Tod ein und steht so im Kontrast zum memento mori-Motiv.
- „Vanitas“: (lat. = „Vergänglichkeit“, „Eitelkeit“, „Nichtigkeit“, „Misserfolg“, oder im weiteren Sinne auch „Vergänglichkeit der Welt“). Das Vanitas-Motiv ist dem Lebensgefühl des memento mori ähnlich, da sie sich beide mit dem Tod und der Vergänglichkeit beschäftigen anstatt das noch bevorstehende Leben zu preisen. Hierbei steht nicht der Tod an sich, sondern die Vergänglichkeit und Nichtigkeit des Menschen im Vordergrund. Dies ist auch in Zusammenhang zu sehen mit der hohen Bedeutung der Transzendenz d.h. des christlichen Glaubens an ein besseres Leben im Jenseits verbunden und förderte das Gefühl der eigenen Vergänglichkeit. Allerdings ist das Resultat nicht immer ein negatives, da die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod das Todesmotiv des memento mori übersteigt und so in ein positives Gefühl umkehren kann.
Die Intention der drei Motive lässt sich vor allem in einem Punkt verknüpfen: Der Abkehr vom weltlichen und vom Materialismus und der Zuwendung zum christlichen Glauben.
Sonett und Alexandriner
Eine besondere, zur Zeit des Barock bevorzugte, Form der Lyrik bildet das sogenannte Sonett. Das Sonett besteht aus 2 Quartetten zu Beginn und 2 Terzetten zur Abrundung des Gedichtes. Das gängigste Versmaß zur Zeit des Barock ist der sogenannte Alexandriner: Es handelt sich um einen jambischen Vers mit insgesamt 6 Hebungen und der Zäsur nach der dritten Hebung.
Antithetik
Wie bereits angedeutet ist ein weiteres entscheidendes Motiv des Barock die Antithese. So werden Themen häufig innerhalb der Sonette kontrastiert. Hier einige Beispiele für häufige Antithesen:
Diesseits | Jenseits |
Ewigkeit | Zeit |
Schein | Sein |
Spiel | Ernst |
Lebensgier | Todesbewusstsein |
Aufbau | Zerstörung |
Blüte | Verfall |
carpe diem | in memento mori |
Erotik, Wollust | Tugend, Askese |
Wohlstand | Armut |
Gesundheit | Krankheit |
Ein häufig verwendeter Begriff zur Beschreibung des lyrischen Stils des Barock ist der Begriff des „barocken Manierismus“, also frei Übersetzt die barocke Übertreibung, die sich z.B. in Metaphernreichtum, Wiederholung/Aufzählung von ähnlichen Motiven, Allegorien und vielen anderen rhetorischen Figuren manifestiert. Ziel des Autoren war es also, ein möglichst kunstvoll gestaltetes Werk zu schaffen, bei dem die Einhaltung der literarischen Normen entscheidender war als die Korrektheit oder auch logische Anordnung des Inhalts.
=> Das Ziel des klaren, strengen Aufbau der Lyrik war dementsprechend die Schaffung einer Gattung der Literatur, die als Gegenstück zur Vergänglichkeit und des Todes bis in alle Ewigkeit bestehen sollte. Die Dichter des Barock wollten also die Vergänglichkeit mit Werken für die Ewigkeit übergehen. Der Dichter wollte also vor seinem Tod garantieren nicht in Vergessenheit zu geraten.
Literarische Formen
Themen
Liebe
Christian Hofmann von Hofmannswaldau
Sonnet.
Vergänglichkeit der Schönheit.
ES wird der bleiche tod mit seiner kalten hand
Dir endlich mit der zeit umb deine brüste streichen /
Der liebliche corall der lippen wird verbleichen;
Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand /
Der augen süsser blitz / die kräffte deiner hand /
Für welchen solches fällt / die werden zeitlich weichen /
Das haar / das itzund kan des goldes glantz erreichen /
Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band.
Der wohlgesetzte fuß / die lieblichen gebärden /
Die werden theils zu staub / theils nichts und nichtig werden /
Denn opffert keiner mehr der gottheit deiner pracht.
Diß und noch mehr als diß muß endlich untergehen /
Dein hertze kan allein zu aller zeit bestehen /
Dieweil es die natur aus diamant gemacht.
Zitiert nach Projekt Gutenberg-DE
Bei näherer Betrachtung des Gedichts fallen einige der oben bereits erwähnten Punkte besonders schnell auf. Wir finden sowohl ein „Vanitas“ als auch ein „memento mori“-Motiv, der Autor arbeitet mit vielen rhetorischen Figuren und einer antithetischen Struktur. Eine tiefgründige Interpretation ist deshalb unnötig, weil der Autor sie uns bereits vorweg nimmt, insbesondere bei Betrachtung des zweiten Terzetts. Weitere Punkte (so zum Beispiel das Versmaß) müssen zwar erst gefunden werden, deuten allerdings ebenfalls auf die Epoche des literarischen Barock hin.
Über barocke Liebeslyrik
- Die barocke Lyrik (Adolf-Weber-Gymnasium München) Mit einem Absatz: "Barocke Liebeslyrik":
Zur Form: Die barocke Liebeslyrik, die den inneren Zwiespalt zwischen der Vergänglichkeit mit dem übersinnlichen Unendlichen aufzeigt, ist überwiegend in der Sonettform ( 2 Vierzeiler und 2 Dreizeiler) geschrieben worden. Und zwar deshalb, weil das Sonett sich besonders dazu eignet, in spitzfindigen antithetischen Beschreibungen zur prägnanten, belehrenden Pointe am Schluss zu gelangen.
Die barocke Lyrik (Adolf-Weber-Gymnasium München); 14.08.2008
- Biographie von Sibylla Schwarz
- Gedanken zu Sibylla Schwarz´ Sonett „Ist Lieb ein Feur“ - mit dem Text des Gedichtes
- mit interessanten Folgeseiten zur Adaptation des Gedichtes
- Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, "Sonnet. Vergänglichkeit der Schönheit" - Interpretation (Adolf-Weber-Gymnasium München)
- mit dem Text des Gedichtes
- Nichts Neues auf dieser Welt! - Georg Greflingers „Die er geliebet hat“ von 1644 und Lou Begas „Mambo No.5“ von 1999 (Adolf-Weber-Gymnasium München)
- mit dem Text des Gedichtes
Über die Abwesenheit eines Gefühls in der Lyrik des Barock
Ingo Stöckmann: Liebe und Kultur - Über die Abwesenheit eines Gefühls in der Lyrik des Barock.
„Wer der barocken Liebeslyrik im Zeichen ... erlebnishermeneutischer Kategorien begegnet, wird die irritierende Erfahrung machen, sich historisch nachhaltig verzettelt zu haben. Liebe ist in der Lyrik des 17. Jahrhunderts kein Gefühl. … Anders als in den lyrischen Texten späterer Jahrhunderte offenbart sich Lesern in den barocken Textexempeln … kein Versprechen, einer unmittelbaren Erlebnisfülle begegnen zu können. (…) Barocke Literatur ist rhetorisches Sprechen, also generalisierte und auf Generalisierung zielende, repräsentierende Rede, zu deren kunstvoll produzierten, affektiven Bewegungen eine authentische Individualität sich ebenso störend wie missverständlich verhalten würde. (…) Als lyrischer Text ist Liebe keine emotionale Grundbefindlichkeit menschlicher Existenz, sondern ein regelnhaftes Ausdrucksverhalten, das (nicht allein) im 17. Jahrhundert von Kulturellen Codes gesteuert wird. Liebe ist, anders formuliert, … eine Textfigur, die die Art und Weise der Sinnproduktion und Bedeutungserzeugung im Text festlegt. (…) Weil Poeten immer in die Gefahr verstrickt sind, keine Einfälle zu haben und damit der „Blödigkeit“ ausgeliefert sind, benötigt das Barock spezifische Verstärkungen der poetischen Erfindung. Die „Liebessachen“ (Opitz) bilden hierauf die prominenteste Antwort des Barock.“
Ingo Stöckmann: Liebe und Kultur - Über die Abwesenheit eines Gefühls in der Lyrik des Barock. Der Deutschunterricht 6/2003 (S.23/24)
Literaturwissenschaft-online
- Deutsche Liebeslyrik des 17. Jahrhunderts - Zusammenfassung (Albert Meier, Literaturwissenschaft-online)
- Liebesdichtung des 17. Jahrhunderts - Folien (Albert Meier, 17.06.2003, Literaturwissenschaft-online)
Materialien
- Merkmale der Barocklyrik (Dr. Baptist Deinlein; deutsch-digital.de)
- Die barocke Lyrik (Adolf-Weber-Gymnasium München)
- Barock 1600 - 1720 (Gesprochene deutsche Lyrik) - mit drei Gedichten (Text und Ton)
- Barock 1600 - 1720: Lyrik (teachSam.de)
Gedichtinterpretationen
- Barocklyrik - Kontrastiv Exemplarische, thematisch orientierte Gedichtinterpretationen und Vergleiche
- Ursula Friedrich: Liebesgedichte: Martin Opitz: "Ach Liebste laß vns eilen" und Johann Wolfgang von Goethe: "Es schlug mein Herz..."
- Karin Rädle: "Schwanen-Schnee und Haar aus Gold": Petrarkistischer Schönheitspreis bei Pietro Bembo und Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau.
- Thorsten Preuß: Gedichte auf Sachen: Martin Opitz: Vom Wolffesbrunnen bey Heidelberg. - Conrad Ferdinand Meyer: Der römische Brunnen. - Rainer Maria Rilke: Römische Fontäne. Borghese.
- Liane Manseicher: Psalmendichtung: Andreas Gryphius: REiß Erde! reiß entzwey. - Georg Trakl: Psalm.
- Barbara Glökler: Figurengedichte: Catharina Regina von Greiffenberg: 'Kreuzgedicht'. - André Thomkins: lunds wandlungen.
- Dirk Rühaak: Naturgedichte II : Barthold Heinrich Brockes: "Die Heide" - Wilhelm Lehmann: "Signale"
Texte
- Gedichte des Barock (Zusammengestellt von Donat Schmidt)
Literatur
- Peter Bekes, Barock: Lyrik. Textausgabe mit Materialien. Schroedel. ISBN 978-3-507-47039-2, Preis: 6.95 EUR 12.75 CHF
- Gudrun Blecken, Lyrik des Barock. Königs Erläuterungen Spezial. Hollfeld: C. Bange Verlag 2008, ISBN 978-3-8044-3022-8.