Parteien vor dem Ersten Weltkrieg

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Die Geschichte des Parteiensystems in Deutschland reicht bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück, wo mit der Gründung der Deutschen FortschrittsparteiWikipedia-logo.png im Jahr 1861 der erste formale Gründungsakt vollzogen wurde.

Seit den späten 1840er-Jahren gab es im Umfeld der Revolution von 1848 in Deutschland ein Mehrparteiensystem [1], das die vier bzw. fünf grundlegenden politischen Strömungen abbildete:

Hauptströmungen des Parteiensystems vor 1914[2]
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Was sie beschäftigte, war vor allem die Diskussion um die Ideen der Französischen Revolution von 1789 und wie es mit der in so viele kleinere und größere Staaten zersplitterten deutschen Nation weitergehen sollte. Man gründete dazu politische Vereine, gab politische Zeitschriften und Bücher heraus und arbeitete, wo dies möglich war, in Parlamenten einzelner Staaten des Deutschen Bundes mit. Das war vor allem im Südwesten Deutschlands möglich.

Der Höhepunkt dieser Entwicklung war die Wahl zur verfassunggebenden NationalversammlungWikipedia-logo.png in der Frankfurter Paulskirche 1848/49, wo man nach der Wahl verschiedene Gruppierungen bildete: demokratische Linke, linksliberale Mitte, rechtsliberale Mitte und konservative Rechte.[3][4]

Nach dem Scheitern der Paulskirchen-Bewegung verlief die weitere Entwicklung der Parteien längere Zeit im Sande, nahm aber nach 1860 erneut Fahrt auf, als eine Reihe von politischen Streitfragen und die soziale Entwicklung die Öffentlichkeit wieder stark politisierten.

Neuen Auftrieb fand die Parteienentwicklung dann nach der Reichsgründung 1871Wikipedia-logo.png. Die Einführung des schon bei der Wahl zur Nationalversammlung 1848/49 praktizierten gleichen und allgemeinen (Männer-)Wahlrechts - die Frauen durften erst ab 1918 wählen (!) - für den Reichstag förderte auch die Bildung von landesweiten Parteien. Aber, auch wenn die Parteien damit eine "politische Bühne" erhielten,[5] hatten sie im Scheinkonstitutionalismus des Kaiserreichs kaum Einfluss auf Regierung und Regierungshandeln. Dennoch wurden sie in einem Staat, in dem der Reichskanzler und die Minister vom Kaiser berufen und das Parlament nur sehr beschränkte Befugnisse besaß, zentrale Artikulations- und Vermittlungsinstitutionen, die das politische Leben bestimmten und prägten. [6]

Gesellschaftliche Konfliktlinien nach Lipset und Rokkan (1967)

Die politischen Parteien vor 1914 sind zunächst "ideenpolitisch orientiert" und verstehen sich auch als "Weltanschauungsparteien", die zu Wahlkämpfen mit "politische(n) Glaubensbekenntnisse(n)" antreten.

Je mehr sich indessen die alten Konfliktlinien zwischen den Kräften, die für die Nationalstaatsbildung eingetreten waren, und ihren Gegnern abschwächten (Konfliktlinie Zentrum vs. Peripherie, vgl. Cleavage-TheorieWikipedia-logo.png), desto deutlicher traten andere sozialen Konflikten und Spannungen hervor, die die Parteien und ihre Beziehung zu ihren Anhängern und Wählern und auch das gesamte Parteiensystem veränderten (Konfliktlinie Kapital vs. Arbeit, Klassenkonflikt).

Die älteren "Elite- und Honoratiorenparteien", die vor der Einführung des allgemeinen Wahlrechts 1867/71 ihrem Anspruch nach als "natürliche" Autoritäten agierten, mussten sich entweder grundlegend wandeln oder allmählich von der Bildfläche verschwinden.

Entlang der Konfliktlinie zwischen Kapital und Arbeit fanden die Parteien "ihre Basis in ganz bestimmten sozialkulturellen, sozialmoralischen Milieus [...] - dem katholischen, dem proletarischen, dem agrarisch-protestantisch-ostelbischen, dem (protestantisch-)städtischen-bürgerlichen. Diese Milieus waren nach ökonomisch-sozialen Gegensätzen - nach Klassen, Land/Stadt, vormodern/modern - geschieden und nach kulturell-religiösen." [7]

Und: Weil "Weltanschauung und soziales Milieu" auf diese Art und Weise aneinander gekoppelt blieben, tendierte das Parteiensystem zur Lagerbildung.

Die Milieus gewannen, auch wenn sie zunächst "noch nicht so entschieden und undurchlässig wie später" waren, "an parteiformierender und -strukturierender Kraft. Schließlich definierten frühere Positionen und Kompromisse, Kombinationen von Prinzipien, Interessen, Milieuelementen, Strategien, die Stellung zur Regierung und die Stellung im Parteienspektrum, was eine Partei in den Jahrzehnten des Reichs ausmachte. Aber Weltanschauung und Milieu blieben charakteristische Elemente."

Quellen

Bei diesem Artikel handelt es sich um eine überabeitete Textübernahme aus: Das deutsche Parteiensystem vor dem Ersten Weltkrieg von Gert Egle

  1. (vgl. Nipperdey, Thomas (1992): Deutsche Geschichte 1866-1918, Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie, München: Verlag C. H. Beck 1992, S.312)
  2. Parteien in der Weimarer Republik Das deutsche Parteiensystem vor dem Ersten Weltkrieg (teachSam.de)
  3. Rohe, Karl (1997): Entwicklung der politischen Parteien und Parteiensysteme in Deutschland bis zum Jahr 1933, in: Gabriel/Niedermayer/Stöss (Hg.) (1997), S.213-229
  4. Alemann, Ulrich von (2001): Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Opladen: Leske+Budrich 2001, S. 14
  5. Detterbeck, Klaus (2011): Parteien und Parteiensystem, Konstanz: UVK 2011(=UTB 3575), S.35
  6. vgl. Nipperdey, Thomas (1992): Deutsche Geschichte 1866-1918, Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie, München: Verlag C. H. Beck 1992, S.311)
  7. Nipperdey, Thomas (1992): Deutsche Geschichte 1866-1918, Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie, München: Verlag C. H. Beck 1992, S.312)