Fremd in Franken/Landjudentum in Franken: Unterschied zwischen den Versionen

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Seit 1800 Jahren gibt es jüdisches Leben in Deutschland. In Franken hatte das Landjudentum einige Schwerpunkte und seine Blütezeit im 18. Jahrhundert.


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{{zitat|„Reichsfrei Hochwohlgebohrener FreiHerr, Gnädig Hochgebietender Herr!<br>
{{zitat|„Reichsfrei Hochwohlgebohrener FreiHerr, Gnädig Hochgebietender Herr!<br>
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Da ich aber durch die Vermehrung meines Haußhaltens weder Gnädiger Herrschaft, noch dem hiesigen Ort lästig fallen werde, indeme ich meine Handelschaft von wollenen Tüchern, ... und linnenen gestreiften Zeuchens mehrentheils in die benachbarten Orte verkauffe, und deswegen einen guten Anfang hierzu habe, wird Inhalts des anbei anliegenden auf Teutsch übersezten Heirathsberichts nicht nur meine Braut 500 fl. ... bekomt, sondern auch ich 300 fl. fränckisch im Vermögen habe.
Da ich aber durch die Vermehrung meines Haußhaltens weder Gnädiger Herrschaft, noch dem hiesigen Ort lästig fallen werde, indeme ich meine Handelschaft von wollenen Tüchern, ... und linnenen gestreiften Zeuchens mehrentheils in die benachbarten Orte verkauffe, und deswegen einen guten Anfang hierzu habe, wird Inhalts des anbei anliegenden auf Teutsch übersezten Heirathsberichts nicht nur meine Braut 500 fl. ... bekomt, sondern auch ich 300 fl. fränckisch im Vermögen habe.
<br>So wage ich hierdurch nochmalen Euer Hochfreiherrl. Exzellenz fußfälligst zu bitten, mir den Schuzz allhier in Gnaden angedeihen, und den SchuzzBrief gegen Bezahlung gewohnlichen Kosten ''clementest'' ausfertigen zu laßen.<br>
<br>So wage ich hierdurch nochmalen Euer Hochfreiherrl. Exzellenz fußfälligst zu bitten, mir den Schuzz allhier in Gnaden angedeihen, und den SchuzzBrief gegen Bezahlung gewohnlichen Kosten ''clementest'' ausfertigen zu laßen.<br>
Bin ich hier gebobren und erzogen worden, maßen mein Vatter 40. Jahre unter denn Hoch herrschaftl äußeren Schloßes Schuzz gestanden, und daher ist es fast ohnmög-lich+ unter einer fremden Herrschaft den Schuzz zu erhalten, und zu deme, wenn ich ja das seltene Glück hätte anderwärts angenomen zu werden, würde es mir — bis ich mich bekannt mache — anfangs in meiner Nahrung einen großen Schaden thun, hingegen hier, ich mich wegen meiner in der ganzen Gegend herum gemachten Kundschaft wohl zu ernähren getraue. So sind dermalen nicht mehr als nur Sieben Juden welche unter des Hochfreiherrl äußeres Schloßes Schuzz dahier stehen, und davon ist einer schon im 70ten Jahren.
Bin ich hier gebobren und erzogen worden, maßen mein Vatter 40. Jahre unter denn Hoch herrschaftl äußeren Schloßes Schuzz gestanden, und daher ist es fast ohnmöglich unter einer fremden Herrschaft den Schuzz zu erhalten, und zu deme, wenn ich ja das seltene Glück hätte anderwärts angenomen zu werden, würde es mir — bis ich mich bekannt mache — anfangs in meiner Nahrung einen großen Schaden thun, hingegen hier, ich mich wegen meiner in der ganzen Gegend herum gemachten Kundschaft wohl zu ernähren getraue. So sind dermalen nicht mehr als nur Sieben Juden welche unter des Hochfreiherrl äußeres Schloßes Schuzz dahier stehen, und davon ist einer schon im 70ten Jahren.
<br>An Euer Hochfreiherrl. Exzellenz hohen und gnädigen Willfahr, bei so benanndten Umständen zweifele ich nicht und ersterbe in tiefster Verehrung<br>
<br>An Euer Hochfreiherrl. Exzellenz hohen und gnädigen Willfahr, bei so benanndten Umständen zweifele ich nicht und ersterbe in tiefster Verehrung<br>
Euer Hochfreiherrl. Exzellenz demüthiger Knecht
Euer Hochfreiherrl. Exzellenz demüthiger Knecht
<br>Götz Simon» Jud|}}
<br>Götz Simon, Jud|aus: Jüdische Landgemeinden im 18./19. Jahrhundert von Hartmut Heller <ref>Staatsarchiv Nürnberg, Herschaft Sugenheim[, Akten 123 und 127<br>[http://frankenland.franconica.uni-wuerzburg.de/login/data/19782_1.pdf Jüdische Landgemeinden im 18./19. Jahrhundert] von Hartmut Heller (franconia.frankenland.uni-weuerzburg.de)</ref>}}




Dieses Gesuch — 1792 gerichtet an den Freiherrn Friedrich Carl v, Seckendorf zu Markt Sugenheim — ist in vielen Punkten symptomatisch für die Lage der ländlichen Judenschaft in Franken im 18./19. Jahrhundert. Es zeigt den Israeliten in der Rolle des ewigen Bittstellers, der nicht fordern, sondern nur argumentieren und hoffen konnte. Auf der anderen Seite steht der Landesherr» der das Niederlassungs- und Wohnrecht als eine Gnade je nach Gusto gewähren oder verweigern konnte.
Dieses Gesuch — 1792 gerichtet an den Freiherrn Friedrich Carl v. Seckendorf zu Markt Sugenheim — ist in vielen Punkten symptomatisch für die Lage der ländlichen Judenschaft in Franken im 18./19. Jahrhundert. Es zeigt den Israeliten in der Rolle des ewigen Bittstellers, der nicht fordern, sondern nur argumentieren und hoffen konnte. Auf der anderen Seite steht der Landesherr» der das Niederlassungs- und Wohnrecht als eine Gnade je nach Gusto gewähren oder verweigern konnte.


Um kein falsches Bild entstehen zu lassen, sollte freilich vorausgeschickt werden, daß zumindest seit der zweiren Hälfte des 18. Jahrhunderts die Masse der Bevölkerung ähnlichen Einschränkungen der Freizügigkeit unterlag. Seitdem die Menschenverluste des 30jährigen Krieges ausgeglichen waren, kam in vielen Territorien die Angst vor drohender Übervölkerung hoch:  
Um kein falsches Bild entstehen zu lassen, sollte freilich vorausgeschickt werden, dass die Masse der Bevölkerung ähnlichen Einschränkungen der Freizügigkeit unterlag. Seitdem die Menschenverluste des 30jährigen Krieges ausgeglichen waren, kam in vielen Territorien die Angst vor drohender Übervölkerung hoch:  


„So gewiß eine Klasse Menschen seyn muß, die blos als Dienstleute
{{Zitat|„So gewiß eine Klasse Menschen seyn muß, die blos als Dienstleute oder Taglohner dem Hof oder Güterbesitzer an die Hand arbeitet, so schädlich wird diese Klasse, wenn sie übersetzt... ist. Betteln, Streunen, Stehlen und was immer noch Wirkun­gen des Mangels und der Noth sind, ist hievon die natürlichste Folge", |Benignus PFEUFER im selben Jahr 1792, ebenda<ref>Benignus PFEUFER im selben Jahr 1792, ebenda</ref>}}


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Version vom 11. November 2022, 04:31 Uhr

Seit 1800 Jahren gibt es jüdisches Leben in Deutschland. In Franken hatte das Landjudentum einige Schwerpunkte und seine Blütezeit im 18. Jahrhundert.


Aufgabe


Zitat
„Reichsfrei Hochwohlgebohrener FreiHerr, Gnädig Hochgebietender Herr!


Es ist mir im vorigen Monat von dem wohl löblichen äußeren Schloßes Amt dahier, der Herrschaftl. Gnädige Befehl, auf meine — bei Euer Hoch freiherrl. Exzellenz wegen Schuz Aufnahme überreichte Supplik[1] zu meiner größten Betrübnis publicirt worden, daß da dermahlen der hiesige Ort mit der Judenschaft zu starck besetzt seie, ich mit meinem Gesuch abgewiesen werden sollte.
Da ich aber durch die Vermehrung meines Haußhaltens weder Gnädiger Herrschaft, noch dem hiesigen Ort lästig fallen werde, indeme ich meine Handelschaft von wollenen Tüchern, ... und linnenen gestreiften Zeuchens mehrentheils in die benachbarten Orte verkauffe, und deswegen einen guten Anfang hierzu habe, wird Inhalts des anbei anliegenden auf Teutsch übersezten Heirathsberichts nicht nur meine Braut 500 fl. ... bekomt, sondern auch ich 300 fl. fränckisch im Vermögen habe.
So wage ich hierdurch nochmalen Euer Hochfreiherrl. Exzellenz fußfälligst zu bitten, mir den Schuzz allhier in Gnaden angedeihen, und den SchuzzBrief gegen Bezahlung gewohnlichen Kosten clementest ausfertigen zu laßen.
Bin ich hier gebobren und erzogen worden, maßen mein Vatter 40. Jahre unter denn Hoch herrschaftl äußeren Schloßes Schuzz gestanden, und daher ist es fast ohnmöglich unter einer fremden Herrschaft den Schuzz zu erhalten, und zu deme, wenn ich ja das seltene Glück hätte anderwärts angenomen zu werden, würde es mir — bis ich mich bekannt mache — anfangs in meiner Nahrung einen großen Schaden thun, hingegen hier, ich mich wegen meiner in der ganzen Gegend herum gemachten Kundschaft wohl zu ernähren getraue. So sind dermalen nicht mehr als nur Sieben Juden welche unter des Hochfreiherrl äußeres Schloßes Schuzz dahier stehen, und davon ist einer schon im 70ten Jahren.
An Euer Hochfreiherrl. Exzellenz hohen und gnädigen Willfahr, bei so benanndten Umständen zweifele ich nicht und ersterbe in tiefster Verehrung
Euer Hochfreiherrl. Exzellenz demüthiger Knecht


Götz Simon, Jud
aus: Jüdische Landgemeinden im 18./19. Jahrhundert von Hartmut Heller [2]


Dieses Gesuch — 1792 gerichtet an den Freiherrn Friedrich Carl v. Seckendorf zu Markt Sugenheim — ist in vielen Punkten symptomatisch für die Lage der ländlichen Judenschaft in Franken im 18./19. Jahrhundert. Es zeigt den Israeliten in der Rolle des ewigen Bittstellers, der nicht fordern, sondern nur argumentieren und hoffen konnte. Auf der anderen Seite steht der Landesherr» der das Niederlassungs- und Wohnrecht als eine Gnade je nach Gusto gewähren oder verweigern konnte.

Um kein falsches Bild entstehen zu lassen, sollte freilich vorausgeschickt werden, dass die Masse der Bevölkerung ähnlichen Einschränkungen der Freizügigkeit unterlag. Seitdem die Menschenverluste des 30jährigen Krieges ausgeglichen waren, kam in vielen Territorien die Angst vor drohender Übervölkerung hoch:

Zitat
„So gewiß eine Klasse Menschen seyn muß, die blos als Dienstleute oder Taglohner dem Hof oder Güterbesitzer an die Hand arbeitet, so schädlich wird diese Klasse, wenn sie übersetzt... ist. Betteln, Streunen, Stehlen und was immer noch Wirkun­gen des Mangels und der Noth sind, ist hievon die natürlichste Folge",
Benignus PFEUFER im selben Jahr 1792, ebenda[3]
Frankenrechen.svg

Fremd in Franken

  1. Die Exulanten
    1. Exulanten im Nürnberger Land
  2. Die Hugenotten
  3. Beutetürken
  4. Landjudentum in Franken

Weblinks

  1. SupplikWikipedia-logo.png = Bitte
  2. Staatsarchiv Nürnberg, Herschaft Sugenheim[, Akten 123 und 127
    Jüdische Landgemeinden im 18./19. Jahrhundert von Hartmut Heller (franconia.frankenland.uni-weuerzburg.de)
  3. Benignus PFEUFER im selben Jahr 1792, ebenda