Fremd in Franken/Beutetürken: Unterschied zwischen den Versionen
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[[Datei:Türken-Tauff-Hussin.png|thumb|left| | [[Datei:Türken-Tauff-Hussin.png|thumb|left|400px|'''Eigentlicher Verlauff einer zu Rückersdorff verrichteten Türken-Tauff'''<br>Welche Anno 1694. den 1. Maji an Walpurgis-Tag ... empfangen Hussin/ Ein ... geborner Türck und gewesner Türckischer Sorbazi oder Hauptmann/ etc. Deren erbettene Zeugen und Paten gewesen Die ... Herren/ Herr Wolffgang Friderich Pömer/ etc. Herr Carl Benedict Nützel/ etc. Herr Jobst Wilhelm Ebner/ etc. Herr Johann Friderich Behaim/ etc. deß Innern geheimen Raths ... Nürnberg ... Kriegs-Räthe und Herren etc. Der Tauffer aber war M. Tobias Gabriel Ruprecht/ Diener Christi zu obged. Rückersdorff ...<br>(Druckschrift)<ref>[https://vd17.gbv.de/vd/vd17/75:690977X Eigentlicher Verlauff einer zu Rückersdorff verrichteten Türken-Tauff]<br> Druckschrift zur Taufe des Janitscharenhauptmanns Hussin in Rückersdorf 1.5.1694<br>Stadtbibliothek Nürnberg Will II, 1230 ([https://kxp.k10plus.de/DB=1.28/CMD?ACT=SRCHA&IKT=8079&TRM=%2775:690977X%27&COOKIE=U999,K999,D1.28,Eb503721c-3,I0,B9994++++++,SY,QDEF,A,H12,,73,,76-78,,88-90,NGAST,R77.7.112.218,FN Katalogverzeichnis])</ref>]] | ||
{{Zitat|'''Hussin''', Abkömmling eines vornehmen türkischen Geschlechts aus der Gegend von Constantinopel, selbst allerdings in Budapest geboren, war Janitscharenhauptrnann und auch 1686, 20jährig, vor Ofen in Gefangenschaft geraten.<br>Mit einem Bayreuther Leutnant, der ihn vor der drohenden Enthauptung durch Loskauf gerettet hatte, kam er nach Bamberg. Dort erwarb ihn um 45 Reichsthaler Frhr. Christoph v. Wiesenthal, bei dem er, wie wir lesen, sechs Jahre lang durchaus nicht als Leibeigener, sondern wie ein Freier „tractiret“ worden. Als Herr v. Wiesenthal selbst in den Krieg zog, blieb Hussin als Knecht bei einem Wachtmeister Deinhartstein zurück und wechselte von da auf eigenen Wunsch in die Dienste des uns schon bekannten Dragonerhauptmanns Gottlieb Tucher v. Simmelsdorf, der in Rückersdorf bei Nürnberg ansässig war. <br>Erst hier hören wir von Bemühungen um sein christliches Seelenheil. Die Taufe am 1. Mai 1694 wurde zu einem festlichen, sogar druckschriftlich publizierten Ereignis des Nürnberger Patriziats. Mitglieder der hochedlen Familien Pömer, Ebner, Nützel und Behaim übernahmen die Gevatterrolle. Nachkommen Hussins, der jetzt Friedrich Carl Wilhelm und mit Nachnamen Benedict hieß, lassen sich bis in unser Jahrhundert verfolgen. 1695 hatte er in Lauf a. d. Pegnitz die Tochter eines Branntweinbrenners geheiratet und danach in Schwaig selbst dieses Gewerbe ausgeübt. Einer der Söhne war Paternostermacher in Nürnberg, ein Enkel zugleich Ringleindreher|[http://frankenland.franconica.uni-wuerzburg.de/login/data/1987_174.pdf Türkentaufen um 1700 - ein vergessenes Kapitel der fränkischen Bevölkerungsgeschichte] (frankenland-frankonia.uni-wuerzburg.de)<ref>[http://frankenland.franconica.uni-wuerzburg.de/login/data/1987_174.pdf Türkentaufen um 1700 - ein vergessenes Kapitel der fränkischen Bevölkerungsgeschichte] von Hartmut Heller<br>(frankenland-frankonia.uni-wuerzburg.de)</ref>}} | {{Zitat|'''Hussin''', Abkömmling eines vornehmen türkischen Geschlechts aus der Gegend von Constantinopel, selbst allerdings in Budapest geboren, war Janitscharenhauptrnann und auch 1686, 20jährig, vor Ofen in Gefangenschaft geraten.<br>Mit einem Bayreuther Leutnant, der ihn vor der drohenden Enthauptung durch Loskauf gerettet hatte, kam er nach Bamberg. Dort erwarb ihn um 45 Reichsthaler Frhr. Christoph v. Wiesenthal, bei dem er, wie wir lesen, sechs Jahre lang durchaus nicht als Leibeigener, sondern wie ein Freier „tractiret“ worden. Als Herr v. Wiesenthal selbst in den Krieg zog, blieb Hussin als Knecht bei einem Wachtmeister Deinhartstein zurück und wechselte von da auf eigenen Wunsch in die Dienste des uns schon bekannten Dragonerhauptmanns Gottlieb Tucher v. Simmelsdorf, der in Rückersdorf bei Nürnberg ansässig war. <br>Erst hier hören wir von Bemühungen um sein christliches Seelenheil. Die Taufe am 1. Mai 1694 wurde zu einem festlichen, sogar druckschriftlich publizierten Ereignis des Nürnberger Patriziats. Mitglieder der hochedlen Familien Pömer, Ebner, Nützel und Behaim übernahmen die Gevatterrolle. Nachkommen Hussins, der jetzt Friedrich Carl Wilhelm und mit Nachnamen Benedict hieß, lassen sich bis in unser Jahrhundert verfolgen. 1695 hatte er in Lauf a. d. Pegnitz die Tochter eines Branntweinbrenners geheiratet und danach in Schwaig selbst dieses Gewerbe ausgeübt. Einer der Söhne war Paternostermacher in Nürnberg, ein Enkel zugleich Ringleindreher|[http://frankenland.franconica.uni-wuerzburg.de/login/data/1987_174.pdf Türkentaufen um 1700 - ein vergessenes Kapitel der fränkischen Bevölkerungsgeschichte] (frankenland-frankonia.uni-wuerzburg.de)<ref>[http://frankenland.franconica.uni-wuerzburg.de/login/data/1987_174.pdf Türkentaufen um 1700 - ein vergessenes Kapitel der fränkischen Bevölkerungsgeschichte] von Hartmut Heller<br>(frankenland-frankonia.uni-wuerzburg.de)</ref>}} |
Version vom 10. November 2022, 19:16 Uhr
Im Gefolge der Türkenkriege wurden vom 16. bis ins 18. Jahrhundert zahlreiche Türken oder, genauer gesagt, Muslime aus dem Osmanischen Reich als „Beute“ in die Krieg führenden europäischen Länder verschleppt. Für Deutschland wurden bislang knapp 600 dieser „Beutetürken“ nachgewiesen, etwa die Hälfte davon Kinder unter 16 Jahren.
- Erkläre den Begriff „Beutetürke“.
- Beschreibe Alter, Herkunft und Religion der „Beutetürken“. Finde Unterschiede und Gemeinsamkeiten.
- Überlege, ob der Vorwurf der Sklaverei zutrifft.
- Erkläre, welche Bedeutung die „Türkentaufen“ hatte.
- Beschreibe, welche Schritte unternommen werden mussten.
- Beschreibe, wie sich die weiteren Lebensläufe gestalteten
- Überlege und bewerte, welche Stellung die „Beutetürken“ in der Gesellschaft erlangt hatten.
Einzelschicksale
Ibrahim → Johannes Gottlieb Christian
Hussin → Friedrich Carl Wilhelm Benedict
Eine »Türkentaufe« wurde unverkennbar zum Repräsentationsereignis. Als 1694 in Rückersdorf, einem Herrensitz des Nürnberger Patriziergeschlechtes Tucher, der nunmehr 28jährige Hussin getauft wurde, erschien dazu sogar eine festliche Druckschrift. Der Nürnberger Rat sah dem bei Türkentaufen üblich gewordenen Pomp 1690 mit deutlichem Unbehagen zu (STAN Rep. 29 c, Landpflegamt Altdorf S I L 311, Nr. 13).[8]
Die Möhrin-Tauf zu Altdorf
Möhrin-Tauf zu Altdorf 20.2.1688
Landeskirchl. Archiv Nürnberg BKG 2990
Einzigartig ist, dass solch eine „Türkentaufe“ bildlich belegt ist, wie im Fall der 1602 vollzogenen Taufe eines Knaben in dem bei Bamberg gelegenen Ort Lahm im Itzgrund. Die Taufe erfolgte auf Anordnung des Adligen Wolf von Lichtenstein, der den Jungen - eines türkischen »Pascha« Sohn, so die Bildunterschrift - hatte gefangen nehmen lassen. Das Gemälde zeigt im geschmückten Kirchenraum drei zeitlich aufeinander folgende Szenen in simultaner Darstellung.
Zunächst wird der Täufling vom Pfarrer in der christlichen Glaubenslehre examiniert, dann vom bereits erwähnten Wolf von Lichtenstein zum Taufbecken geleitet.
Abschließend ist im oberen Bildfeld die Taufe selbst festgehalten. Assistiert von einem Gehilfen, der die Taufagenda liest, sowie von einem weiteren Helfer, der ein Handtuch bereithält, tauft der Pfarrer den Knaben auf den Namen Wolff Christof. Als Namensgeber fungierte Wolff Christof Truchseß von und zu Pommersfelden. Er und der zweite Taufpate Martin von Lichtenstein sind im Gemälde zusammen mit dem vorgenannten Wolf von Lichtenstein dargestellt.
Fünfzehn Jahre nach dem Ereignis wurde das Gemälde von der Familie Lichtenstein 1617 in Auftrag gegeben und von ihr 1677 restauriert sowie um eine aufwendige Bildumschrift ergänzt. Über die weitere Lebensgeschichte Wolff Christofs wissen wir nichts.
Brauereiverwalter Christian Gustav Philipp Artelshöfer
Die Nürnberger Adelsfamilie Tetzel hatte 1601 das Dorf Artelshofen gekauft und besaß dort das Braurecht. 1699 … wurde Christian Gustav Philipp Artelshöfer als Brauereiverwalter bestallt.
Wer war nun Christian Gustav Philipp Artelshöfer, der zu Walpurgis (1. Mai) 1699 erstmals als Brauereiverwalter in Artelshofen eingesetzt wurde? Aus den Kirchenbüchern der Nachbargemeinde Vorra, ebenfalls im Besitz der Tetzel, geht hervor, dass er ein gebürtiger Türke war und am 2. Juni 1689 in der Kirche in Vorra evangelisch getauft wurde. Sein türkischer Name ist leider nicht überliefert, seine Eltern waren Sinan Retschepalli (wohl: Recep Ali), Schneider zu Groß-Zara, und Hebibe. Der in Groß-Zara (wohl Groß-Saros, ungarisch Nagy Säros in Oberungarn, das heutige Vel'ky Saris in der Ostslowakei) Geborene war im Türkenkrieg bei der Belagerung von Ofen 1686 gefangen genommen und Gustav Philipp Tetzel, dem Besitzer von Arteishofen und Vorra, geschenkt worden. Dieser und sein Sohn Gustav Georg (1660-1728), dem sein Vater 1689 den Tetzelschen Besitz zu Vorra überschrieben hatte, traten als Artelshöfers Taufpaten auf. Dessen erster Vorname deutet auf die Konversion vom Islam zum Christentum hin, die beiden weiteren Vornamen sind diejenigen des Vornehmeren seiner Taufpaten.
Christian Gustav Philipp Artelshöfer assimilierte sich sehr schnell. Bereits zehn Jahre nach der Taufe wurde er Brauereiverwalter in Artelshofen, ein Gewerbe, das er bis zu seinem Tode 1716 ausübte. Zugteich war er für Fischerei und Vogelfang zuständig und hielt sich Schafe. Als 1702 im Spanischen Erbfolgekrieg, in dem das Kurfürstentum Bayern auf der Seite Frankreichs stehend den Fränkischen Reichskreis bedrängte, das reichsstädtische Pflegamt Hersbruck die wehrfähigen Männer in Artelshofen bewaffnete, erhielt selbstverständlich auch der gebürtige Türke Artelshöfer, der im unteren Dorf wohnte, eine Muskete (StadtAH E 49/11 Nr. 1549).
1701 wird erstmals Artelshöfers Frau Anna erwähnt, eine Wirtstochter aus Artelshofen, die nach seinem Tod sein halbes Jahresgehalt (3 Gulden) gnadenhalber weiterbeziehen durfte.[11].
Warum ?
Weblinks
- ↑ Carl Osman und das Türkenmariandl Schon Jahrhunderte bevor die ersten Arbeitsimmigranten kamen, wurden hierzulande aus Türken Deutsche (gemacht)
Hartmut Heller in: Die Zeit Nr. 37, 2003 (Bezahlschranke) - ↑ Protokoll der Türkentaufe in Rückersdorf 7.3.1689
Stadtbibliothek Nürnberg Nor H 50 - ↑ Sipahi
- ↑ "Fornikanten" = unverheiratete, die des vorehelichen Geschlechtsverkehrs überführt und per Gerichtsbeschluss zur Heirat gezwungen wurden
- ↑ Türkentaufen um 1700 - ein vergessenes Kapitel der fränkischen Bevölkerungsgeschichte von Hartmut Heller
(frankenland-frankonia.uni-wuerzburg.de) - ↑ Eigentlicher Verlauff einer zu Rückersdorff verrichteten Türken-Tauff
Druckschrift zur Taufe des Janitscharenhauptmanns Hussin in Rückersdorf 1.5.1694
Stadtbibliothek Nürnberg Will II, 1230 (Katalogverzeichnis) - ↑ Türkentaufen um 1700 - ein vergessenes Kapitel der fränkischen Bevölkerungsgeschichte von Hartmut Heller
(frankenland-frankonia.uni-wuerzburg.de) - ↑ »Christian Lorenz, Sohn des Ibraim, weiland Amurath genannt« - Zur Assimilierung türkischer Kriegsgefangener nach 1683
Hartmut Heller (Nürnberg) in Matreier Gespräche (1989) - ↑ Türkentaufen um 1700 - ein vergessenes Kapitel der fränkischen Bevölkerungsgeschichte von Hartmut Heller
(frankenland-frankonia.uni-wuerzburg.de) - ↑
Migrationen 1500–2005: Zuwanderungsland Deutschland
Ausstellung Deutsches Historisches Museum, Berlin, Ausstellungshalle von I. M. Pei, 22. Oktober 2005 bis 12. Februar 2006
ISBN 3-86102-136-6 (Museumsausgabe) / 3-938832-02-9 (Buchhandelsausgabe)
Wolfratshausen 2005, 383 Seiten: zahlr. Ill., Kt., Ed. Minerva
ISBN 3-86102-136-6 - ↑ Schätze aus dem Stadtarchiv
Michael Diefenbacher: Integration um 1700: Bestallungen des Brauereiverwalters Christian Gustav Philipp Artelshöfer
(Stadtarchiv Nürnberg E 49/II Nr. 1321))