Benutzerin:Sabine Häcker/Weihnachtswissen/EpocheAufklärung/FriedrichSchleiermacher1806/Geschenke und Besinnlichkeit: Weihnachten feiert die Ideale der Aufklärung
Warum entsteht um 1800 die häusliche, private Weihnachtsfeier? (für Jhg. 10-12)
Autorin: © Sabine Häcker
Ende des 18. Jahrhunderts entsteht in den aufklärerisch gebildeten und wohlhabenden Schichten ein neuer Brauch, nämlich eine private Weihnachtsfeier - die Weihnachtsfeier mit Geschenken und Weihnachtsbaum, die heute noch am 24. Dezember gefeiert wird. Mit dieser neuen Art Weihnachten zu feiern wollte man sich von dem abergläubischen Mummenschanz, der damals zu Weihnachten üblich war, abgrenzen. Das Fest wurde schnell sehr beliebt, denn es setzte die neuen Werte der neuen Epoche um.
Wir sind dieses Weihnachtsfest so gewöhnt, dass uns gar nicht bewusst ist, dass sich darin der Zeitgeist der Aufklärung spiegelt. Inwiefern? Das soll in dieser Unterrichtssequenz herausgefunden werden.
Die Epoche der Aufklärung: Mit welchen Idealen machte sich der neue Zeitgeist im Leben der Menschen bemerkbar?
Als die Naturwissenschaften die Welt immer besser erklären konnten und damit einhergehend das humanistische Menschenbild erklärte, dass jeder Mensch lern- und entwicklungsfähig ist, führte das dazu, dass viele Menschen das politische und gesellschaftliche System in Frage stellten. Das bisherige politische System war gekennzeichnet von einem Herrscher mit absoluter Macht und einer Ständegesellschaft, in der jeder mit seiner Geburt einen festen Platz zugewiesen bekam, an dem er zu bleiben hatte. Die Menschen nahmen dieses System nun nicht mehr als "gottgewollt" hin, sondern insbesondere das Bürgertum kämpfte für gleiche Rechte. Erfolg sollte durch Leistung bedingt sein, nicht durch Geburt und Familienherkunft. Politisch führte das zu einer Demokratie in den USA (1776) und zu einer Revolution in Frankreich (1789) - sensationelle Ereignisse, die alles bisherige in Frage stellten.
„Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Diese Forderung von Immanuel Kant 1784 wurde zum Leitspruch der Aufklärung. Die Intellektuellen und auch die Herrscher machten sich Gedanken über die Umsetzung der neuen Werte der Aufklärung. Aberglauben wurde bekämpft und verboten. Kirche und Staat sollten getrennt sein, und die Macht sollte beim Staat und seinen Institutionen liegen. Man war für religilöse Toleranz, Religion sollte eine Privatangelegenheit sein, die jeder selbst entscheidet. 1740 sagte der Preußenkönig Friedrich der Große: "Jeder soll nach seiner Façon selig werden!" Aufgrund der neuen wissenschaftlichen Sichtweise wurden die Geschichten in der Bibel nun nicht mehr wörtlich geglaubt, sondern im Kontext ihrer Entstehung verstanden. Eine Frage der Zeit war, wie sich die Wissenschaften mit der Religion verbinden lassen können; es brauchte dafür ein neues Religionsverständnis. Für die Erklärung der Welt war Religion immer weniger notwendig, denn das tat die Wissenschaft. Auch Fragen der Moral wollte man nicht mehr der Religion oder den Traditionen überlassen, sondern durchdenken und mit Vernunft beantworten. Vernunft und Gefühl wurden zwei bewusste, getrennte Kategorien.
Die bürgerliche Familie lebte nicht mehr in Haushalts- und Produktionsgemeinschaften, sondern in städtischen Kleinfamilien. So bekam Familie und Freundschaft einen neuen Wert und es entstand die Frage, wie man innerhalb der Familie und auch in Geselligkeit mit anderen umgehen wollte, denn man wollte keinesfalls so steif und unauthentisch sein wie der Adel, bei dem es stets vor allem um Etiquette und das zur-Schau-stellen von Äußerlichkeiten ging. Beziehungen sollten von Zuneigung geprägt sein, Liebe und Freundschaft bekam einen hohen Wert. Man wollte persönliche Freiheit, und das hieß: keine starren gesellschaftlichen Strukturen und die Möglichkeit, die eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Es galt als Errungenschaft, dass die Frauen sich nicht um das Geldverdienen kümmern mussten, sondern sich ganz auf die Kinder und das Familienleben konzentrieren konnten. Das galt als wichtige Aufgabe und als gleich viel wert wie das Geldverdienen. Der Ehemann ging einer Erwerbsarbeit außerhalb des Hauses nach, Arbeit und Wohnen waren dadurch getrennt. Mann und Frau wurden als zwei gleichwertige Teile einer Einheit gesehen, die zwar sehr unterschiedlich sind, sich durch ihre unterschiedlichen Talente aber ergänzen. Man hatte die Bedeutung einer starken Mutter-Kind-Beziehung erkannt und wollte Kinder nicht mehr nur den Dienstboten überlassen. Und Kinder sollten um ihrer selbst geliebt werden, und das brachte vor allem für Mädchen einen neuen Stand. (Früher hatten oft die Jungen als Erben und Nachfolger, die bei der Familie blieben, im Vordergrund gestanden; und weil die Mädchen mit der Heirat die Familie verlassen und Teil einer anderen Familie wurden, waren sie oft zweitrangig gewesen.) Kinder sollten liebevoll im geborgenen Rahmen der Familie aufwachsen. Es war erkannt worden, welchen prägenden Einfluss die Kindheit auf die Persönlichkeitsentwicklung hat. Bildung wurde wichtig, schließlich verlief das Leben nicht mehr in tradierten, vorbestimmten Bahnen, sondern jeder sollte seinen Weg suchen und sein Glück machen. Und Bildung war für Jungen und Mädchen wichtig, denn Mann und Frau können nur dann gleichwertige Partner in der Ehe sein, wenn beide gebildet sind. Glück war ebenfalls ein neues Ziel, man wollte im irdischen Leben glücklich werden und sich nicht mehr auf das Jenseits nach dem Tode vertrösten lassen. Dazu gehörte auch, dass man aus Liebe heiraten wollte - ebenfalls ein neues Konzept des 18. Jahrhunderts, dass so überzeugend war, dass es seitdem in unzähligen Liebesromanen und Liebesliedern transportiert wird.
(Copyright Text: Sabine Häcker)
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Das neue Bibelverständnis der Aufklärung
In der Aufklärung begann man, sich auch mit der Bibel wissenschaftlich auseinanderzusetzen. Man verstand, dass die Texte in der Bibel ein Produkt ihrer jeweiligen Zeit waren. Das heißt, dass es Wissen über die damalige soziale und politische Welt braucht, um die Texte zu verstehen. Innerhalb der Bibel gibt es Interpretationen und Veränderungen: Frühere Schriften werden in späteren Schriften kommentiert oder weiterentwickelt; die biblischen Texte sind kein unantastbares Gotteswort. Das zeigen auch die vielen Widersprüche in der Bibel. Ein gutes Beispiel dafür sind die widersprüchlichen Geschichten über Jesu Geburt: Weihnachtswissen/Bibel/zwei unterschiedliche Weihnachtsgeschichten.
Dieses Bibelverständnis nennt man "historisch-kritische" Bibelforschung. "Kritisch" heißt dabei nicht, die biblischen Texte ablehnend hinterfragen zu wollen, sondern "kritisch" meint hier, die Texte unvoreingenommen nach wissenschaftlichen Methoden zu erforschen.
- Informiere dich noch genauer über das historisch-kritische Bibelverständnis!
Wie spiegelten sich diese Ideale in dem neu entstandenen privaten Weihnachtsfest wider?
-> Dazu untersuchen wir eine Quelle aus dem Jahr 1806: Das Buch "Die Weihnachtsfeier" von Friedrich Schleiermacher!
Friedrich Schleiermacher und sein Buch "Die Weihnachtsfeier" (1806)
Friedrich Schleiermacher (1768-1834) war ein evangelischer Theologe, Philosoph, Staatstheoretiker und Kirchenpolitiker. Er war im 19. Jahrhundert eine sehr einflussreiche Persönlichkeit.
Schleiermacher machte sich Gedanken über die Themen seiner Zeit und hatte ein starkes Sendungsbewusstsein. Er war sehr religiös, hielt es aber für grundfalsch und einfältig, die Bibel wortwörtlich zu verstehen. Religion und Glauben ist für ihn vor allem ein Gefühl. Religion ist Freude im Leben und zeigt sich in dem andächtigen Gefühl, dass einen überkommt, wenn man nachts in den unendlichen Sternenhimmel schaut. Man solle alles "mit Religion", aber nicht "aus Religion" tun, schrieb er 1799. In der Bibel erzählen Menschen davon, wie sie Gott und ihren Glauben verstehen, aber sie ist gibt keine Antworten auf die Fragen des Lebens. Auch lehnte er das Konzept der Sünde und der Hölle ab, mit dem die Kirche ihre Gläubigen im Mittelalter gehorsam gemacht hatte.
Er dachte darüber nach, welche Rolle für den Glauben eigentlich die Institution Kirche spielen solle. Die Kirche soll keine legislative, exekutive oder judikative Macht haben; sie soll Gemeinschaft sein, aber ohne starre Lehren und geistlose Riten. Das häusliche Weihnachtsfest ist ein Beispiel dafür: Es wird privat gefeiert, von jedem "nach seiner Façon" und in Gemeinschaft, einen institutionellen Rahmen der Kirche braucht es nicht dafür.
Zu Schleiermacher Zeit entstand die häusliche Weihnachtsfeier. Er war offensichtlich sehr angetan von dieser neuen Mode und schrieb ein Buch darüber, wie und warum dieses neue Fest gefeiert wird. Sein Buch prägte die Art, wie das Bildungsbürgertum Weihnachten feierte - und wie es noch heute in vielen Familien gefeiert wird. Denn so wie viele Ideen der Aufklärung derart überzeugend waren, dass sie bis heute die Grundlage unserer Lebensweise bilden, ist auch die Weihnachtsfeier aus dieser Zeit in vielen Familien Teil ihrer Kultur.
In seinem Buch beschreibt Schleiermacher, wie eine Gruppe von Freunden miteinander den Heiligabend feiert. Gastgeber sind Ernestine und Eduard mit ihrer Tochter Sophie. Zu Besuch sind die schwangere Agnes mit ihrem Mann Ernst und den beiden Söhnen sowie Friederike, Caroline und Leonhardt. Sie alle gehören zum Bildungsbürgertum.
Zusammenfassung des Buches "Die Weihnachtsfeier" von F. Schleiermacher
(Hinweis: Formulierungen im Originalwortlaut sind kursiv notiert.)
Der freundliche Saal ist festlich geschmückt. Alle Blumen aus dem ganzen Haus sind geholt worden und die Vorhänge sind offen, damit der hereinleuchtende Schnee an die Jahreszeit erinnert. Die Flammen der zahlreichen Lampen verbreiten ein feierliches Licht.
Ernestine, die Gastgeberin, hat zur Bescherung alles hübsch arrangiert: Die Geschenke liegen für jeden an einem Platz, hübsch mit Efeu dekoriert und in weißen oder bunten Tüchern verhüllt. Die kleinen Gaben liegen auf dem Tisch, die größeren stehen unter der Tafel. An den Namensschildchen sind essbare Süßigkeiten angebracht.
Die Gesellschaft, die ein eng verbundener Kreis, wartet ungeduldig nebenan. Dann öffnet Ernestine die Tür und schaut auf ihre Familie und Freunde. Sofie umfasst ihre Mutter liebevoll, ihr Mann Eduard küsst sie auf das Augenlid und alle bedanken sich herzlich, dass sie es dieses Jahr übernommen hatte, die Feier auszurichten. (S. 3 ff.)
Die Bescherung beginnt und jeder muss bei seinem Geschenk raten, wer es wohl ausgesucht hat und warum. Die Frauen können treffsicher den jeweiligen Geber ausmachen, die Männer irren sich oft. „So ist es wohl“, sagt Leonhardt, „dass die Frauen uns in diesen kleinen Dingen an Scharfsinn übertreffen.“ Friederike entgegnet, dass den Frauen dabei eine gewisse Ungeschicktkeit von Männern in die Hände spiele. „Ihr liebt die geraden Wege und könnt weniger gut um die Ecke denken.“ „Beides ist notwendig und ergänzt sich!“, fügt Caroline hinzu. (S. 5 f.)
Sofie widmet sich zuerst den süßen, gebackenen Namenszeichen und erbettelt sie von den anderen, denn sie liebt Süßigkeiten. Am meisten freut das Mädchen sich über die Klaviernoten, die sie von ihren Eltern geschenkt bekommen hat. Es sind religiöse Kompositionen über Weihnachten und sie läuft begeistert zum Vater hin, um in leidenschaftlicher Dankbarkeit ihn mit Küssen zu überdecken.
Sofie hatte befürchtet, Muster zum Stricken und Sticken zu bekommen, denn sie hat eine Abneigung gegen weibliche Arbeiten – Musik hingegen liebt sie, und ganz besonders Musik im Kirchenstil. Wie nun Weihnachten eigentlich das Kinderfest ist, so konnte ihr kein lieberes Geschenk scheinen als dieses.
Dann ruft sie die anderen, um ihnen das Spielwerk zu zeigen, welches sie gereinigt und in Stand gesetzt und in ihrer Kammer aufgestellt hat. Der Mechanismus setzt Figuren in Gang, was Anton seinem jüngeren Bruder mit pathetischer Eitelkeit erklärt, und es sind Geschichten aus dem Christentum dargestellt. Ein kleines verborgenes Licht bestrahlt die Heilige Familie mit dem Jesuskind. (S. 6 ff.)
Da wendet Sofie sich von der Krippenszene zu ihrer Mutter und fragt innig bewegt: „O Mutter, ist es nicht wegen des göttlichen Kindleins, dass die Mütter Knaben lieber haben?“ Die Mutter hebt sie auf und küsst sie. (S. 10 f.) Etwas später sagt Ernestine zu dieser Frage, dass dem nicht so sei, weil sie in der Tochter die gleiche Offenbarung des Göttlichen verehren könne wie Maria in dem Sohn. (S. 13)
Auf Sofies Drängen hin werden sodann einige Choräle am Klavier gesungen. Die Musik bewirkt eine stille Befriedigung und Zurückgezogenheit des Gemüts. Es gab einige stumme Augenblicke, in denen aber alle wussten, dass eines jeden Gemüts liebend auf die übrigen und auf etwas noch Höheres gerichtet war. (S. 11)
Die Gesellschaft versammelte sich zum Tee. Ernst spricht darüber, wie dankbar er ist, dass er und Agnes ein drittes Kind erwarten und sagt zu seiner Frau: „Ich schließe dich aufs Neue wie ein Geschenk des heutigen Tags in meine Arme, du Geliebte!“ Ernst spricht über die Liebe und meint, dass die Liebe, wie jede echte Begeisterung, nie veraltet. Er verweist auf Ernestines Gefühl gegenüber Sofie. Ernestine gesteht, wie sehr sie ihre Tochter liebt: Sie fühle sich überschüttet mit der Fülle des Schönen und Liebenswürdigem. (S. 11 ff.)
Die Freundesgruppe kommt nun auf Kindererziehung zu sprechen und ist sich einig darin, dass man mit Kindern liebevoll und zärtlich umgehen soll. Betont wird, dass die Mütter eine engere Bindung zu Kindern haben. Kritisiert wird, dass die Väter oft mehr auf Tapferkeit und Tüchtigkeit, besonders bei den Jungen, achten, verbunden mit Anstrengung und Versagung; sie können sich aber an dem mütterlichen Tun fleißig orientieren, um eine unrichtige Ansicht zu korrigieren. Eduard betont anerkennend, dass die Aufgabe der Mütter ein heiliger Dienst sei. (S. 14)
Leonhardt, der sich bewusst ist, dass die anderen ihn als Ungläubigen verspotten, kommt nun auf die religiöse Erziehung von Kindern zu sprechen und sagt, dass ihn Sofies kindliche Frömmigkeit rührt und besorgt. Man ist sich einig, dass Frömmigkeit positiv zu sehen ist, Frömmlinge jedoch werden kritisch gesehen. Denn Religion solle nichts Förmliches sein, kein Gebet zu bestimmten Zeiten, keine festen Andachtsstunden – sondern dem Gefühl folgen, wenn es jemandem so zu Mute ist. Frömmigkeit muss ein Innerliches sein, kein kaltes Formelwesen mit leeren Worten und eingedorrten Gebräuchen. In Bezug auf Sofies Beziehung zur Religion beruhigt Eduard Leonhardt mit dem Argument, dass das Mädchen gar nicht gern zur Kirche geht. (S. 14–20)
Leonhardt ist nicht überzeugt und kritisiert, dass die Eltern ihrer Tochter sogar die Bibel zu lesen geben: Wunderlich verworrene Bilder (S. 20) könnten sich festsetzen und das Mirakulöse könnte den Aberglauben nähren. Die Bibel den Kindern in die Hände zu geben, für welche sie niemals gemacht war, dies ist das Ärgste, meint Leonhardt. Wieder beruhigt Eduard ihn und erzählt, dass Sofie die Weihnachtsgeschichte wie ein Märchen sieht und die Bibelgeschichten keinesfalls buchstäblich glaubt.
Caroline fügt hinzu, dass Sofie gern malt, von Kunst im Protestantismus aber oft nicht viel gehalten wird. Ein Kunstverständnis fehle im Protestantismus leider, wird beklagt. Dem Katholizismus wird zu Gute gehalten, dass dort die Künste auf die Religion angewendet werden. (S. 20–22) Zum Thema Kunst vertritt Leonhardt eine andere Meinung: Die Künste sollen unabhängig für sich leben, sich ihre eigene Welt bildend. „Ich bin als Christ sehr unkünstlerisch, und als Künstler sehr unchristlich.“, erklärt er. (S. 23)
Eduard kommt auf Weihnachten zu sprechen: „Was ist die schöne Sitte der Wechselgeschenke wohl anderes als reine Darstellung der religiösen Freude?“ Der Weihnachtsabend erzeuge das Zurückgehen in das Gefühl der Kindheit, die heitere Freude an der neuen Welt, die wir dem gefeierten Kinde verdanken. Der Wert der Geschenke liege darin, dass die Absicht zu erfreuen darin liegt, bestätigt Caroline. Das religiöse Gefühl könne nicht durch Worte erzeugt werden, sondern durch das Erlebnis reiner Heiterkeit. (S. 25) Agnes erzählt gerührt von der Geburt und Taufe eines Kindes am Weihnachtsfest, an der viele Menschen Anteil genommen und Geschenke gebracht haben, und dass es ein besonderes Erlebnis gewesen sei. Sie meint, dass jede heitere Freude Religion ist. (S. 39 ff.)
Die religiöse Freude, so Eduard und thematisiert nun die Musik, kann am besten mit Musik ausgedrückt werden. Musik macht, sehr viel besser als Worte, Religion erlebbar. Und Musik braucht keine Worte, um verstanden zu werden. Es ist auch gewiss wahr, was jemand gesagt hat, dass die Kirchenmusik nicht des Gesanges, wohl aber der Worte entbehren könnte. Sie ist verständlich genug durch ihren Charakter. (S. 23–26) Friederike beteiligt sich weniger mit Worten an dem Gespräch, sondern begleitet die Erzählungen gekonnt improvisierend auf dem Klavier. (S. 38, 44)
Das reine Gefühl, wie es Kindersinn ist, lässt den Menschen in das Reich Gottes kommen, kommt Caroline wieder auf die Religion zu sprechen. Wer in der Kindheit unbefangene Freude erlebt hat, wird sie auch später erleben können. (S. 31 f.)
Die Frauen und Mädchen werden als die Seele von Festen wie Weihnachten bezeichnet, denn sie halten die Tradition hoch. (S. 35) Es wird von der besonderen Mutterliebe und dem besonderen Mutterschmerz gesprochen. Caroline erzählt die berührende Geschichte von einer Freundin, deren Kind an Weihnachten sterbenskrank war und welchen Trost die tief religiöse Mutter in dem Glauben fand, dass ihr kleiner Sohn in den Himmel kommen würde. (S. 43-47)
Das Gespräch wird unterbrochen, als einige Bekannte vorbeischauen, die sich als Weihnachtsknechte verkleidet habe. Sie bringen Kleinigkeiten für die Kinder, bekommen von Sophie deren Spielwerk gezeigt und dann einen kleinen Imbiss. (S. 48)
Nun wird der Vorschlag gemacht, dass, nachdem zuvor die Frauen Situationen von vergangenen Weihnachtsfesten erzählt haben, jetzt die Männer sprechen, und zwar über das Weihnachtsfest. „Hat das Fest doch so viele Seiten, dass jeder es verherrlichen kann, wie er am liebsten will.“, meint Friederike. (S. 49)
Leonhardt stellt in seiner Rede über das Fest heraus, dass durch gewisse zu bestimmten Zeiten wiederkehrende Handlungen und Gebräuche das Andenken großer Begebenheiten gesichert und erhalten werde. Das Andenken an die Geburt Christi werde durch das Fest besser erhalten als durch die Schrift. Ein Fest kann sinnlich erlebt werden und stärkt den Glauben mehr als die Bibelworte, denn die Handlung ist kräftiger als das Wort. Leonhardt spricht von Zweifeln an der Auferstehung Jesu und dass es eine Verschiedenheit der Meinungen dazu gäbe. Ein Fest wie Weihnachten hingegen sei der Grund für einen gleichmäßig erhaltenden Glauben, weil durch solche Gebräuche nämlich bisweilen die Geschichte erst gemacht wird. (S. 50-55)
Ernst entgegnet Leonhardt, dass er über die Funktion des Festes, des Andenkens, gesprochen habe, nicht aber, welchem Andenken das Fest gewidmet sei. Es würde nämlich nur dann ein Fest entstehen, wenn etwas oder jemand eine Gemütsstimmung und Gesinnung ausgelöst hat. Die Stimmung aber, welche das Weihnachtsfest hervorbringen soll, ist die Freude; und dass es diese weit verbreitet und lebhaft anregt, liegt so klar vor Augen, dass nicht darüber zu sagen wäre, als was jeder selbst sieht. (S. 58) Man könne zwar entgegnen, dass nicht das Wesentliche, die Geburt Jesu, diese Wirkung hat, sondern die Geschenke. Aber das sei falsch, meint er und vergleicht die Geschenke, die ein Kind zum Geburtstag bekommt, mit den Geschenken, die es zu Weihnachten bekommt: Niemand wird leugnen, dass die Geburtstagsfreude einen ganz anderen Charakter hat als die Weihnachtsfreude: jene Innigkeit eines Gefühls. Nicht die Geschenke seien das Erfreuende, sondern wegen dem Erfreuenden werde geschenkt. Und so geht die Weihnachtsfreude auf die Geschenke über. Deshalb ist jeder mit dem Zubereiten eines Geschenkes beschäftigt, und in diesem Bewusstsein liegt der Zauber. Und dass alle sich überall gleichzeitig beschenken, das gibt den Gaben ihren eigentümlichen Wert. Dass alle das Gleiche tun, hat einen inneren Grund, und der ist, dass die Erscheinung des Erlösers die Quelle aller Freude in der christlichen Welt ist. Der Glauben, so Ernst, feiere das Leben – jede Geburt, jedes neue Leben. Durch die Anschauung der Welt lässt sich das wunderbare Gefühl der Freude auslösen, durch die aufgehende wiederkehrende Sonne, den Frühling des Geistes, den König eines besseren Reiches, den Götterboten, den Friedensfürst. Die Welt verdankt Christus sowohl ihre Gestaltung als auch die Wissenschaften und das Fest feiert die Erfahrung des gesteigerten Daseins. (S. 58-61)
Nun ist Eduard an der Reihe. Er meint, dass es nicht darum gehe, wo und wie das Jesuskind geboren wurde, sondern um das Erkennen des Göttlichen in der menschlichen Natur. Was ist der Mensch an sich anderes als der Erdgeist selbst, das Erkennen der Erde in seinem ewigen Sein und in seinem wechselnden Werden? (S. 64) Nur wenn der einzelne die Menschheit als eine lebendige Gemeinschaft der einzelnen anschaut und erbaut, ihren Geist in sich trägt, hat er das höhere Leben und den Frieden Gottes in sich. Und die Gemeinschaft sei die Kirche. Zu dieser Gemeinschaft gehöre jeder, der den Frieden Gottes findet. (S. 64-66)
Während die Männer ihre Meinung zur Diskussion gestellt haben, ist noch ein weiterer Gast gekommen, Josef. Ernst fordert ihn auf, auch eine Rede über das Weihnachtsfest zu halten. „Keineswegs“, sagt Josef, „lasst uns heiter sein“. Josef setzt dem Debattieren ein Ende, denn seine Meinung zu Weihnachten ist kurz knapp diese: „Ich bin nicht gekommen Reden zu halten, sondern mich zu freuen mit euch.“ (S. 67 f.)'(Copyright dieser Zusammenfassung: Sabine Häcker)
Aufgaben zum Text "Die Weihnachtsfeier" von F. Schleiermacher
- Unterstreiche in dem Text in verschiedenen Farben die Textstellen, die diese Themen behandeln:
- gelb: die Gestaltung der Feier
- orange: den Geschenketradition
- grün: Kindererziehung und Beziehung zwischen Eltern und Kindern
- dunkelblau: Rollen, Aufgaben und Eigenschaften von Männern und Frauen
- hellblau: Gestaltung von Liebebeziehungen und Ehe
- rot: Bibel, Glaube und Religionsverständnis
- grau: Sinn und Zweck der Weihnachtsfeier
- Vergleiche mit deiner Nachbarin oder deinem Nachbarn, tauscht euch über eure Einschätzungen aus und kommt über den Text ins Gespräch!
- Besprecht eure Ergebnisse danach gemeinsam im Plenum und mit eurem Lehrer und diskutiert auch diese Fragen:
- Gibt es Textpassagen, denen ihr gar nicht zustimmt? Warum?
- Welchen Passagen stimmt ihr zu und denkt, dass Schleiermacher gut daran tat, dies vermitteln zu wollen?
- Was für unterschiedliche Arten zu glauben und religiös zu sein werden hier an Hand der verschiedenen Personen vorgestellt?
Fazit
- Diskutiert im Plenum die Frage: Inwieweit war die neue Weihnachtsfeier im privaten Rahmen ein Fest, dass die Werte der Aufklärung umsetzte?
- Was bedeutet dieses neue Wissen für deine Sicht auf Weihnachten?
Hinweise für Lehrerinnen und Lehrer
Ziele dieser Unterrichtssequenz
Weihnachten ist nicht nur das christliche Gedenken der Geburt Jesu, sondern ein äußerst vielschichtiges Fest. Diese Vielschichtigkeit offen zu legen und zu einem gesellschaftlichen Wissen zu machen, ist in unserer von Diversität geprägten Gesellschaft überfällig. Weihnachten ist ein Fest, dass keineswegs exklusiv christlich, sondern ein Traditionsknäuel mit mannigfaltigen Fäden ist - und das Fest ist für jeden, der an einem dieser Fäden anknüpfen möchte.
Ein Faden ist die große geistige Revolution namens Aufklärung, die im 17. Jahrhundert ihren Anfang nahm. Dass die Geschenkefeier im häuslichen Kontext entstand, um die Werte der Aufklärung umzusetzen, soll mit dieser Unterrichtssequenz herausgearbeitet werden - denn es ist kaum noch bekannt. Das Fest ist gleichwohl immer noch beliebt, so wie auch die meisten Werte der Aufklärung die Epoche nach wie vor das Fundament unserer Kultur bilden.
"Nach den Werten der Aufklärung zu leben ist uns so selbstverständlich geworden, dass wir sie gar nicht mehr als eine bestimmte Geisteshaltung, sondern einfach als normal wahrnehmen. Erst wenn jemand diese Werte missachtet und persönliche oder politische Entscheidungen nicht nach dem Prinzip der Vernunft getroffen werden, sind wir zutiefst irritiert. Seit einiger Zeit erhalten allerdings populistisch-politische und fundamentalistisch-religiöse Bewegungen Zulauf, die die universalistische Vernunft mit Füßen treten – und unsere Besorgnis darüber zeigt uns, dass wir die Errungenschaften der Aufklärung nicht als selbstverständlich ansehen, sondern bewusst für sie eintreten sollten." (Häcker, 2025) Ein weiteres Ziel dieser Unterrichtssequenz ist daher, die Werte der Aufklärung bewusst zu machen - und sie ist ein Plädoyer für die Fortsetzung des Projekts Aufklärung.
Anmerkungen
Zu den Werten der Aufklärung:
- Die Rolle von Frauen war damals, gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, ein ebenso heiß diskutiertes Thema wie heute. Es ging damals allerdings um das Anerkennen von Gleichwertigkeit, noch nicht um Gleichberechtigung. Da Mann und Frau in der Ehe als eine Einheit gesehen wurden, schien es ausreichend, dass der Mann die Familie vertrat und die bürgerlichen Rechte bei ihm lagen. Das scheint uns heute ungerecht, war aber damals bereits ein großer Fortschritt. Man darf nicht vergessen, dass verheiratete Frauen in der Regel im Alter zwischen 20 und 40 im Durchschnitt mit Kinder-bekommen beschäftigt waren, insofern stellte die neue Perspektive auf Mütter damals eine erhebliche Verbesserung für sie (und für die Kinder) dar. Viele Werte der Aufklärung sind noch heute aktuell und Teil unserer Kultur, doch bezüglich des Themenkomplex' Frauen-Männer-Ehe-Familie hat eine enorme Entwicklung stattgefunden.
Zur Zusammenfassung von Schleiermachers Buch:
- Die Rechtschreibung wurde der aktuellen Norm angepasst.
- Dass ein Inhalt, der von 65 Seiten auf so einen kurzen Text verkürzt wird, entsprechend vereinfacht ist und nicht die ursprüngliche Komplexität transportieren kann, versteht sich von selbst.
- Die Seitenzahlen beziehen sich auf diese Auflage: Friedrich Schleiermacher: Die Weihnachtsfeier. Ein Gespräch. 1873. In: Staatsbibliothek zu Berlin, digitalisierte Sammlungen. http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0001D08800000000.
- Bei der Familie in Schleiermachers Weihnachtsfeier wird der Heiligabend ohne Weihnachtsbaum gefeiert. Es gab ihn aber bereits in manchen Familien bzw. Regionen und Schleiermacher muss ihn auch gekannt haben. Seine Gründe, warum die Weihnachtsfeier ohne Baum stattfindet, sind unbekannt; ich vermute, dass er den grünen Baum ablehnte, weil damit in der Vergangenheit viele abergläubische Vorstellungen verbunden gewesen waren.
Literatur
- Häcker, Sabine: Wem gehört Weihnachten? - Brauchtum, Glaube und Politik. (geplante Veröffentlichung: Ende Nov. 2025)
- Häcker: Sabine: Wer hat Weihnachten erfunden? - Die Bibel, die Kirche und der Geburtstag. (2025)
- Schleiermacher, Friedrich: Die Weihnachtsfeier. Ein Gespräch. 1873. (Ersterscheinung: 1806)
- Zum Thema Bibelverständnis: Schmid, Konrad und Schröter, Jens: Die Entstehung der Bibel. 2020.
Hinweis zum Anliegen der geschlechtergerechten Sprache: Es wird die generische Variante in ihrer genderneutralen Definition verwendet. Das grammatikalische Geschlecht von Sprache ist dabei keinesfalls mit dem biologischen oder sozialen Geschlecht von Menschen gleichzusetzen!
