Petrarkismus
Petrarkismus
eine literarische Konvention, die direkt oder indirekt auf Petrarcas volkssprachliche Lyrik (Canzoniere, entst. zwischen 1336 und 1374) zurückgeht und durch einen im Einzelnen variablen Komplex von Themen, Motiven, Bildern und sprachlich-rhetorischen Techniken charakterisiert ist. Der P. prägte die europäische Liebesdichtung über mehrere Jahrhunderte. Der Grundton der Liebeslyrik des Canzoniere ist der der Klage, der Resignation und der Melancholie, Folge der Hoffnungslosigkeit der Liebe und einer zutiefst gespaltenen inneren Haltung des Liebenden zwischen sinnlichem Begehren und distanzierter Verehrung, Verfallenheit und Sehnsucht nach Befreiung, Leidenschaft und Sündenbewusstsein. Im Verlauf der Rezeptionsgeschichte ging das Individuelle der Lyrik Petrarcas verloren, erhalten blieben – zu Stereotypen erstarrt – die erotische Grundkonstellation, die zentralen Themen und Motive und v. a. die virtuosen sprachlich-rhetorischen Mittel.
Anknüpfungspunkte bildeten dabei gerade die Gedichte, in denen Petrarcas Stil durch eine Häufung von Antithesen und Oxymora ans Manieristische grenzt [...], dann die Bildersprache Petrarcas mit ihren Antithesen von Hitze und Kälte, Feuer und Eis, Krieg und Frieden oder Leben und Tod. Zugleich erhält die Frau, ausgehend von Petrarcas Schönheits- und Tugendpreis, festumrissene Züge, wobei ihre Schönheiten katalogisiert und in ihrer Kostbarkeit und Unvergleichlichkeit durch eine entsprechende Preziosenmetaphorik und mythologische Anspielungen hervorgehoben und zusammen oder einzeln zum Gegenstand von Gedichten werden. Darüber hinaus werden Objekte und Orte besungen, die mit der geliebten Frau verbunden sind, suggerieren Traumbilder Erfüllung usw.
Volker Meid, Sachwörterbuch zur Deutschen Literatur S.825f (CD-ROM-Ausgabe 2000)
Materialien
Drei Beispiele
Johann Georg Greflinger (ca.1620 – ca.1677) |
Martin Opitz |
Christian von Hofmannswaldau (1617-1679) |
Übung
Untersuche und beurteile das folgende Gedicht von Andreas Gryphius (1616-64) unter dem Aspekt Petrarkismus:
AN EINE GESCHMINKTE
Was ist an Euch, das Ihr Eur Eigen möget nennen?
Die Zähne sind durch Kunst in leeren Mund gebracht,
Euch hat der Schminke Dunst das Antlitz schön gemacht.
Daß Ihr tragt fremdes Haar, kann leicht ein jeder kennen,
Und daß Eur Wangen von gezwungner Röte brennen,
Ist allen offenbar. Des Halses falsche Pracht
Und die polierte Stirn wird billig ausgelacht,
Wenn man die Salben sieht sich um die Runzeln trennen.
Wenn dies von außen ist, was mag wohl in Euch sein
Als List und Trügerei. Ich bild mir sicher ein,
Daß unter einem Haupt, das sich so falsch gezieret,
Auch ein falsch Herze steh, voll schnöder Heuchelei.
Samt eim geschminkten Sinn und Gleisnerei dabei,
Durch welche, wer Euch traut, wird jämmerlich verführet.
Linkliste
- Literaturwissenschaft-online
Die folgenden Ausführungen zur Liebeslyrik des 17. Jahrhunderts berücksichtigen auch die Rolle von Francesco Petrarca und des Petrarkismus:
- Vorlage:Pdf-extern (Albert Meier, Literaturwissenschaft-online)
- Vorlage:Pdf-extern (Albert Meier, 17.06.2003, Literaturwissenschaft-online)