Phänomenologische Methode: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 2. November 2018, 22:08 Uhr
Die Phänomenologie ist eine wichtige philosophische Strömung des 20. Jahrhunderts, begründet von Edmund Husserl. Sie versucht die Strukturen der Erfahrungen zu beschreiben, ohne dafür auf Theorien, Ableitungen oder Voraussetzungen anderer Disziplinen, z.B. der Naturwissenschaften, zurückzugreifen.
Nach Husserl wurde die Phänomenologie in verschiedene Richtungen weitergedacht und weiterentwickelt, so z.B. von Max Scheler, Martin Heidegger und Jean Paul Sartre.
Theoretische Grundlagen
Husserls Ausgangspunkt ist das Ideal der radikal vorurteilsfreien Erkenntnis, die sich vom bloßen Meinen gänzlich abhebt. Zu dieser Erkenntnis soll methodisch gelangt werden, um sie nachvollziehbar und im wissenschaftlichen Sinne objektiv zu machen. Durch den Anspruch der Objektivität muss immer auch eine Ferne zur jeweiligen Erlebnissituation entstehen, die sich in fehlender Sachnähe ausdrückt. Ohne die Möglichkeit eine Sache „anschaulich“ oder „leibhaftig“ zu erleben, ist mir die Situation aber unbekannt. So bin ich, „bei allem, was mir in meinen Erfahrungen, Erlebnissen oder Gedanken begegnen mag, verwiesen auf Situationen, in denen das Erfahrene, Erlebte, Gedachte ursprünglich – Husserl sagt: ‚originär’ – im Umkreis meines Erfahrens, Erlebens, Denkens aufgetaucht ist oder darin in originärer Weise auftreten könnte.“ (Held, Klaus: Einleitung. In: Husserl: „Die phänomenologische Methode“, Ausgewählte Texte I. Stutt-gart 1985.)
Das Hauptanliegen der Phänomenologie wird durch das Motto zu den Sachen selbst verdeutlicht. „Doch was ‚die Sachen selbst’ sind, kommt originär nur in subjektiven Vollzügen anschaulicher Selbstgebung zum Vorschein.“ Diese Subjektivität entspringt dem Bewusstsein und wird zum Forschungs- und Arbeitsgegenstand der Phänomenologie.
Das Phänomen ist kein isoliertes Objekt, sondern steht in einem Verweisungszusammenhang. Dadurch wird das Vorwissen bzw. dessen Aufdeckung und Absonderung vom eigentlichen Phänomen zu einem wichtigen Bestandteil der phänomenologischen Analyse. Die Sachen selbst sind also weniger als die Wissenschaft lehrt und mehr als sinnliche Eindrücke vermitteln, die nur als Auslöser oder Begleiterscheinungen eines komplexen Gemeinten fungieren. Um zu den reinen Phänomenen vorzudringen, bedarf es einer besonderen Zugangsmethode: die „Methode der phänomenologischen Reduktion“ .
Didaktische Transformation
Als die elementaren Tätigkeiten der Phänomenologie lassen sich das genaue Beobachten und Beschreiben ausmachen. Dadurch reflektieren die Schüler im Idealfall ihre Lebenswelt, ihren Alltag und sich selbst. Sie lernen, sich auf ihre eigenen Wahrnehmungen zu verlassen und medial vermittelte kritisch zu überdenken sowie sie zu bewerten. In dieser Hinsicht setzt die Phänomenologie die Tradition der Aufklärung fort. Da der theoretische Ballast der Phänomenologie sehr umfangreich ist, sollte bei deren Einsatz in der Schule darauf im Wesentlichen verzichtet werden. Ebenso wird die Aufforderung „zu den Sachen selbst“ den Schülern im ersten Moment als zu abstrakt erscheinen. Es lassen sich jedoch verschiedene Arbeitsaufgaben ableiten. Dabei ist es wichtig, mit den Schülern eine genaue und detaillierte Beobachtung einzuüben. Möglich sind dabei auch Rollenwechsel, zum Beispiel den eigenen Alltag aus Sicht einer Maus zu beschreiben.
Ich befinde mich in einem öffentlichen Park. Nicht weit von mir sehe ich einen Rasen und längs des Rasens Stühle. Ein Mensch geht an den Stühlen vorbei. Ich sehe diesen Menschen, ich erfasse ihn gleichzeitig als einen Gegenstand und als einen Menschen. Was bedeutet das? Was will ich sagen, wenn ich von diesem Gegenstand behaupte, daß es ein Mensch ist?
Sartre: Das Sein und das Nichts. Hamburg 2000, S. 459In diesem kurzen Stück stellt Sartre die zu beantwortende Frage bereits. Für die Schüler ist es sinnvoll, diese Frage in einem eigenen Text zu beantworten und sich erst später mit dem Originaltext vertraut zu machen. Dieses Vorgehen ist mit zweierlei Ausgangsvoraussetzungen möglich.
Zum Einen als Einstieg, wenn die Schüler maximal kurze, einführende Worte zu Sartre gehört haben. Dann liefern die geschriebenen Texte viele eigenen Gedanken und frische Ideen. Dieser unvorbelastete Umgang mit Sartre könnte möglicherweise zu einer Enttäuschung führen, wenn die Schüler feststellen, wie weit sie vom Original entfernt sind. Deshalb ist an dieser Stelle besondere Sensibilität des Lehrers nötig, um dem Schüler zu erklären, dass es nicht Ziel der Aufgabe war, Sartres Text zu erraten.
Es ist auch möglich, die geschriebenen Texte zunächst beiseite zu legen, die Gedanken Sartres zu erarbeiten und später den eigenen (oder von einem Mitschüler) Text aus Sartres Blickwinkel zu beantworten. Die Aufgabenstellung dazu könnte wie folgt lauten:
Eine zweite Möglichkeit, diesen kurzen Text zu einer phänomenologischen Analyse zu nutzen, hat als Voraussetzung die Kenntnis der wesentlichen Gedanken von Sartres Theorie. Besondere Beachtung sollte dabei die Existenz und Wahrnehmung des Anderen spielen. In der Beantwortung der Frage Sartres lässt sich nun dieses theoretische Wissen konkret auf ein Beispiel in Form einer phänomenologischen Analyse anwenden. Bei der nachfolgenden Konfrontation von Erfahrungs- und Erwartungshorizont besteht für die Schüler ein hohes Potential für Selbstreflexion.
Neben dieser Anwendung hat dieses Vorgehen noch eine Kontrollfunktion: die Lehrperson kann überprüfen, inwieweit die Schüler sowohl Inhalt einer phänomenologischen Betrachtungsweise als auch die Philosophie Sartres verstanden haben und auf andere Gegenstände transformieren können. Dabei ist es auch hier wichtig den Schülern zu verdeutlichen, dass es nicht das Ziel ist, dass sie Sartres Text zu erraten versuchen, sondern ihre eigenen Gedanken - diesmal mit dem konkreten, theoretischen Hintergrund - frei spielen und sich anhand des Beispiels konkretisieren lassen.