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Benutzerin:Sabine Häcker/Weihnachtswissen/EpocheAufklärung/Weihnachten um 1700 Aberglauben Einkehrbräuche Umzugsbräuche: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Weihnachten um 1700 ===
=== Weihnachten um 1700 ===
==== Kirchgänge ====


==== Ängste und Aberglauben ====
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Elstern, die in diesen zwölf Nächten geschossen sodann vollständig in Kohle verbrannt werden, geben ein unfehlbares Mittel gegen Epilepsie. (S. 108)  
Elstern, die in diesen zwölf Nächten geschossen sodann vollständig in Kohle verbrannt werden, geben ein unfehlbares Mittel gegen Epilepsie. (S. 108)  
Erst das im 17. Jahrhundert einsetzende naturwissenschaftliche Denken befreite die Menschen nach und nach von diesen abergläubischen Ängsten. 
==== Kirchgänge ====
Es gab am Weihnachtsabend, um Mitternacht und morgens beim ersten Hahnenschrei schon im Mittelalter mehrere Gottesdienste. Der Grund war nicht nur die Geburt Jesu, die man feiern wollte, sondern lag auch im Aberglauben - denn die Kirche war genauso abergläubisch wie das Volk. Die Bibelspiele, bei denen Erzählungen aus der Bibel nachgespielt wurden und die schon im Mittelalter beliebt waren, "arteten leider allmählich, besonders bei der Jugend, aus, so dass z. B. im Jahre 1574 der Rat der Stadt Berlin durch eine Verordnung angewiesen wurde, 'die bösen Buben, so in der Christnacht in den Kirchen alle Buberey verüben, durch die Stadt-Diener herausjagen oder in die Türme setzen zu lassen ..." Aber alle diese Strafandrohung scheint nichts gefruchtet zu haben, so dass in Folge immer wieder neue Verbote gegen derartige Narrenpossen erlassen werden mussten. so sah sich König Friedrich von Preußen 1711 veranlasst, von neuem hiergegen durch einen Erlass Stellung zu nehmen, 'weil mit denen Lichterkronen auf den Christabend viel Gaukely, Kinder-Spiel und Tumult getrieben wird, als befehlen wir Euch hiermit nicht allein solche Christ- und Lichterkronen gänzlich abzuschaffen, sondern auch die Christ-Messen nicht des Abends, sondern Nachmittags um 3 Uhr zu halten'. Ebenso erhob im Jahre 1739 der preußische König Friedrich Wilhelm geben 'die bisher üblich gewesenen Ahlfanzereien' am Christabend und in der Kirche geharnischten Einspruch. (Buschan, 1922, S. 28)


==== Einkehr- und Umzugsbräuche ====
==== Einkehr- und Umzugsbräuche ====
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"Im Argau ziehen die jungen Leute (am Nikolausabend) aufs Feld und schwingen im Takte eine mächtige Peitsche, so dass ein knallendes Geräusch 'wie Böllerschüsse' entsteht. Mit diesem Klausklöpfen will man die bösen Geister vertreiben. Im Gothaischen schrecken die Burschen in grausiger Vermummung die Mädchen mit schellen und Peitschen. In Kaltbrunn, Kontaon St. Gallen, wird seit Jahrhunderten am Nikolaustage das 'Klausen' verübt. (G. Buschan, S. 21) Das Klausentreiben gibt es heute noch bzw. wieder: https://www.klausenverein-sonthofen.com/ oder  https://brauchtum.net/klausentreiben/ oder auch https://de.wikipedia.org/wiki/Klausentreiben   
"Im Argau ziehen die jungen Leute (am Nikolausabend) aufs Feld und schwingen im Takte eine mächtige Peitsche, so dass ein knallendes Geräusch 'wie Böllerschüsse' entsteht. Mit diesem Klausklöpfen will man die bösen Geister vertreiben. Im Gothaischen schrecken die Burschen in grausiger Vermummung die Mädchen mit schellen und Peitschen. In Kaltbrunn, Kontaon St. Gallen, wird seit Jahrhunderten am Nikolaustage das 'Klausen' verübt. (G. Buschan, S. 21) Das Klausentreiben gibt es heute noch bzw. wieder: https://www.klausenverein-sonthofen.com/ oder  https://brauchtum.net/klausentreiben/ oder auch https://de.wikipedia.org/wiki/Klausentreiben   


In München findet seit 2004 - aus folkloristischen Gründen, um die alte Tradition wiederzubeleben - das "Krampuslaufen" statt: https://www.christkindlmarkt-muenchen.de/programm/krampuslauf
In München findet seit 2004 - aus folkloristischen Gründen, um die alte Tradition wiederzubeleben - das "Krampuslaufen" statt: https://www.christkindlmarkt-muenchen.de/programm/krampuslauf
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=== Anmerkungen ===
=== Anmerkungen ===
'''zu den Einkehr- und Umzugsbräuchen'''
'''zu den Einkehr- und Umzugsbräuchen:'''


Neben dem abergläubischen Geisteraustreiben durch grausige Masken und Lärm ging es auch gern darum, Kinder und Mädchen zu erschrecken. Kindern Angst einzujagen und mit Mädchen auf diese derbe Art zu flirten, hielt man damals für gelungenen Spaß. Diesbezüglich hat unsere Kultur sich doch sehr verändert!
Neben dem abergläubischen Geisteraustreiben durch grausige Masken und Lärm ging es auch gern darum, Kinder und Mädchen zu erschrecken. Kindern Angst einzujagen und mit Mädchen auf diese derbe Art zu flirten, hielt man damals für gelungenen Spaß. Es kann mit den Schülern besprochen werden, wie sich unsere Kultur diesbezüglich verändert hat.


== Literatur ==
== Literatur ==

Version vom 3. August 2025, 09:59 Uhr

Wie war Weihnachten früher, bevor es in durch den Zeitgeist der Aufklärung völlig neu ausgerichtet wurde? (für Jhg. 10-12)

Noch in Bearbeitung!!!!!!!!!!!!!!!!!

Einleitung

Heute bedeutet Weihnachten für die meisten Menschen

  • ein Fest mit Weihnachtsbaum und Geschenken zu Hause im privaten Rahmen
  • vielleicht zur Kirche gehen und einen Gottesdienst besuchen
  • außerdem gibt es vorher vielleicht einen Adventskalender, Adventskranz, Nikolaus, Weihnachtsfeiern in der Schule oder Sportverein u. v. m.

Die meisten dieser Traditionen stammen aus dem 19. Jahrhundert, als Weihnachten völlig neu ausgerichtet wurde. Das war die Folge eines neuen Lebensgefühls, das die Epoche der Aufklärung bewirkt hatte. In der Aufklärung waren - unter anderem - neue Konzepte von Kindheit, Erziehung, Beziehungen, Familie und Religion entwickelt worden. Sie führten dazu, dass das häusliche Weihnachtsfest mit Weihnachtsbaum und Geschenken entstand. Aber wie wurde Weihnachten begangen, bevor das Familienfest entstand?

Weihnachten um 1700 bedeutete

  • mehrmals zur Kirche gehen oder beten
  • viele Ängste in den dunklen Wintertagen und viel Aberglauben
  • Einkehr- und Umzugsbräuche

All diese Dinge wurden immer wieder verboten, denn Weihnachten war damals eine - für uns heute kaum vorstellbare - wilde und ausgelassene Angelegenheit!

Weihnachten um 1700

Ängste und Aberglauben

Mit der Winterzeit war die Angst vor Hunger, Kälte, Krankheit und Tod verbunden, insbesonere bei den armen Leuten. Weil man die Ursachen für Krankheiten und extremes Wetter nicht kannte, gab es viel Aberglauben. Für die besonders dunklen Nächten nach der Wintersonnenwende sind so viele gemeinschaftliche Rituale gegen böse Geister entstanden. Im Folgenden werden einige vorgestellt - es gab aber noch viel mehr und es war regional sehr unterschiedlich!

Georg Rietschel berichtete 1902:

Die Zeit der zwölf Tage vom 25. Dezember bis 6. Januar, als die Zwölfnächte (...) bezeichnet, war besonders heilig (...). In diesen Tagen und Nächten zog Wuotan mit seinem breiten, tief ins Gesicht gerückten Sturmhut, mit seinem stahlblauen Wettermantel auf seinem achtbeinigen weißen Ross Sleipnir im Sturmesbrausen (...) durch die Lande, begleitet von seiner Gattin Berchte aund gefolgt von einem Wilden Heer. (S. 101 f.) (Damit diese "Wilde Jagd" sich nicht in aufgehängter Wäsche verfängt, durfte in dieser Zeit der Raunächte nicht gewaschen werden, sonst würde ein Unglück geschehen. (S. H.))

Elstern, die in diesen zwölf Nächten geschossen sodann vollständig in Kohle verbrannt werden, geben ein unfehlbares Mittel gegen Epilepsie. (S. 108)

Erst das im 17. Jahrhundert einsetzende naturwissenschaftliche Denken befreite die Menschen nach und nach von diesen abergläubischen Ängsten.

Kirchgänge

Es gab am Weihnachtsabend, um Mitternacht und morgens beim ersten Hahnenschrei schon im Mittelalter mehrere Gottesdienste. Der Grund war nicht nur die Geburt Jesu, die man feiern wollte, sondern lag auch im Aberglauben - denn die Kirche war genauso abergläubisch wie das Volk. Die Bibelspiele, bei denen Erzählungen aus der Bibel nachgespielt wurden und die schon im Mittelalter beliebt waren, "arteten leider allmählich, besonders bei der Jugend, aus, so dass z. B. im Jahre 1574 der Rat der Stadt Berlin durch eine Verordnung angewiesen wurde, 'die bösen Buben, so in der Christnacht in den Kirchen alle Buberey verüben, durch die Stadt-Diener herausjagen oder in die Türme setzen zu lassen ..." Aber alle diese Strafandrohung scheint nichts gefruchtet zu haben, so dass in Folge immer wieder neue Verbote gegen derartige Narrenpossen erlassen werden mussten. so sah sich König Friedrich von Preußen 1711 veranlasst, von neuem hiergegen durch einen Erlass Stellung zu nehmen, 'weil mit denen Lichterkronen auf den Christabend viel Gaukely, Kinder-Spiel und Tumult getrieben wird, als befehlen wir Euch hiermit nicht allein solche Christ- und Lichterkronen gänzlich abzuschaffen, sondern auch die Christ-Messen nicht des Abends, sondern Nachmittags um 3 Uhr zu halten'. Ebenso erhob im Jahre 1739 der preußische König Friedrich Wilhelm geben 'die bisher üblich gewesenen Ahlfanzereien' am Christabend und in der Kirche geharnischten Einspruch. (Buschan, 1922, S. 28)

Einkehr- und Umzugsbräuche

"Perchtenlauf" (Abb. aus dem Jahr 1892) Die Umzugs- und Einkehrbräuche waren auch deshalb so beliebt, weil sie - besonders für junge Männer - ein Freifahrtsschein waren, über die Stränge zu schlagen.

Bei den Umzugsbräuchen zog man gemeinsam durch die Gassen, bei den Einkehrbräuchen trat man ins Haus und bekam gegen einen Segensspruch etwas zu essen oder zu Alkohol zu trinken. Für die jungen Leute, insbesondere die Knechte und Mägde, die kein eigenes Geld und keinen eigenen Wohnraum hatten, war das die einzige Möglichkeit, unabhängig von den Älteren oder der Dientsherrschaft zu feiern. Bei den Einkehr- und Umzugsbräuchen verkleidete man sich, als Knecht Ruprecht, Nikolaus, St. Martin, Christkind und dergleichen mehr. Die einfachste Art der Maskierung war, sich das Gesicht mit Ruß schwarz zu machen.

Ein Theologe namens Georg Rietschel schrieb 1902 über die Umzüge in der Weihnachtszeit: Vielfach wurden aber solche Umzüge (...) von jungen Burschen ausgeführt, die von Haus zu Haus zogen, allerlei Unfug zu treiben und Gaben zu heischen. Eine um 1670 in Leipzig geschriebene Schrift (...) klagt: "Der heilige Abend wird zum heidnischen Lauf- und Saufabend. Die Gassen sind voll thörichter Irrwische, voll Büberei und Mutwillen, voll Gaukelei und Phantasei, (... wobei) vermummte Personen mit klingenden Schellen herumlaufen, sich für des Christs Knecht, St. Martin oder Niklas ausgeben, die Kinder erschrecken, zum Beten antreiben und mit etwas wenigem beschenken. (...) Die drei letzten Nächte vor Weihnachten heißen in Tübingen und Stuttgart "Knöpflinsnächte". Die Knaben werfen und schießen abends mit einem Rohr Erbsen, Gerste und dergleichen an die Fenster, worauf gewöhnlich mit Schelten und Schlägen geantwortet wird. In Schwäbisch-Hall wurden 1685 die Knöpflinsnächte verboten (S. 120).

Aus dem Jahr 1702 ist (aus dem Raum Süd-Thüringen/Nord-Bayern) folgende Verordnung für Knecht-Ruprecht-Gestalten überliefert: "Sollte der Knechte Ruprecht’s dann auf den Nicolausabend nicht mehr als Einer, auf den heiligen Weihnachtsabend aber drei hiermit zugelassen werden, sich einer mehreren Modestie, als bisher, befleißigen, der Peitschen, allen und jeden Tumultierens und Schreiens, auch andern Alfanzereien, unartiger Händel, Gesticulationen und häßlichen Geberden und Kleidungen gänzlich enthalten, als wodurch der dießfalls intendirte Spaß nich allein gehindert, sondern auch allerhand Ärgerniß gegen werden könnte. Sollten nich allein ermeldete Knechte sich nicht unterstehen, bald in dieser in jener Gasse allein herum zu laufen, oder auf die Leute mit Schlägen und sonst ungebührlich zu tractiren, sondern auch Jeder, so zu denselbsen gehöre, sich in Allem dergestalt zu verhalten, damit man hierdurch zu einer scharfen Verordnung nicht Anlaß bekommen möge.“ (aus: F. Reimann, 1839, S. 216 ff.)

"Im Argau ziehen die jungen Leute (am Nikolausabend) aufs Feld und schwingen im Takte eine mächtige Peitsche, so dass ein knallendes Geräusch 'wie Böllerschüsse' entsteht. Mit diesem Klausklöpfen will man die bösen Geister vertreiben. Im Gothaischen schrecken die Burschen in grausiger Vermummung die Mädchen mit schellen und Peitschen. In Kaltbrunn, Kontaon St. Gallen, wird seit Jahrhunderten am Nikolaustage das 'Klausen' verübt. (G. Buschan, S. 21) Das Klausentreiben gibt es heute noch bzw. wieder: https://www.klausenverein-sonthofen.com/ oder https://brauchtum.net/klausentreiben/ oder auch https://de.wikipedia.org/wiki/Klausentreiben


In München findet seit 2004 - aus folkloristischen Gründen, um die alte Tradition wiederzubeleben - das "Krampuslaufen" statt: https://www.christkindlmarkt-muenchen.de/programm/krampuslauf

Auch im bayerischen Ort Kirchseeon gibt es folkloristische Perchtenumzüge: https://www.perchten-kirchseeon.de/galerie/ Schau dir die Fotos in der Galerie an!

Hinweise für Lehrerinnen und Lehrer

Ziele dieser Unterrichtssequenz und didakt.-meth. Überlegungen

In der Hauptsache geht es darum, einen Eindruck von dem weihnachtlichen Leben der Menschen zu bekommen in einer Zeit, in der der Alltag noch sehr mittelalterlich geprägt war, um im nächsten Schritt (vgl. das Unterrichtsmaterial zu Friedrich Schleiermacher!) die Leistungen der Aufklärung einordnen zu können. Dazu werden mehr oder weniger bearbeitete historische Quellentexte gelesen, die inhaltlich verstanden werden sollen, was sprachlich eine Herausforderung ist.

Da es nur darum geht, einen Eindruck zu bekommen, ist es ausreichend, dass Schülerinnen und Schüler sich nur mit je einem der drei Themen intensiver befassen und dieses dann vorstellen. Dazu bietet sich die Methode des Gruppenpuzzels an.

Anmerkungen

zu den Einkehr- und Umzugsbräuchen:

Neben dem abergläubischen Geisteraustreiben durch grausige Masken und Lärm ging es auch gern darum, Kinder und Mädchen zu erschrecken. Kindern Angst einzujagen und mit Mädchen auf diese derbe Art zu flirten, hielt man damals für gelungenen Spaß. Es kann mit den Schülern besprochen werden, wie sich unsere Kultur diesbezüglich verändert hat.

Literatur

Häcker, Sabine: Wem gehört Weihnachten? Eine kultur- und relgionsgeschichteliche Erkundung. (Geplante Veröffenltichung im Herbst 2025)

Buschan, Georg: Das deutsche Volk. Geburt, Liebe, Hochzeit, Familienleben, Tod, Tracht, Wohnweise, Volkskunst, Lied, Tanz und Spiel, Handwerk und Zünfte, Aberglaube. 1922.

Reimann, Friedrich A. : Deutsche Volksfeste im 19. Jahrhundert. Weimar 1839.

Rietschel, Georg: Weihnachten in Kireche, Kunst und Volksleben. Bielefeld und Leipzig 1902.