Großstadtlyrik des Expressionismus: Unterschied zwischen den Versionen
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[[Datei:Potsdamerplatz3.jpg|miniatur|250px|Grand-Hotel Bellevue am Potsdamer Platz, 1903]] | [[Datei:Potsdamerplatz3.jpg|miniatur|250px|Grand-Hotel Bellevue am Potsdamer Platz, 1903]] | ||
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Das Café Josty war zu Beginn des 20. Jahrhundert mit seiner Aussicht auf den verkehrsreichen Potsdamer Platz ein wichtiger Treffpunkt für Künstler, besonders des [[Expressionismus]] und der [[Neue Sachlichkeit|Neuen Sachlichkeit]]. Sie zog vor allem die Dynamik des Platzes und seine Modernität an. [[Paul Boldt]] verewigte den Blick aus dem Café in einem 1912 veröffentlichten [[Sonett]] wie folgt:<ref>nach: {{wpde|Café_Josty#20._Jahrhundert}}, gesehen: 22.01.2011</ref> | Das Café Josty war zu Beginn des 20. Jahrhundert mit seiner Aussicht auf den verkehrsreichen Potsdamer Platz ein wichtiger Treffpunkt für Künstler, besonders des [[Expressionismus]] und der [[Neue Sachlichkeit|Neuen Sachlichkeit]]. Sie zog vor allem die Dynamik des Platzes und seine Modernität an. [[Paul Boldt]] verewigte den Blick aus dem Café in einem 1912 veröffentlichten [[Sonett]] wie folgt:<ref>nach: {{wpde|Café_Josty#20._Jahrhundert}}, gesehen: 22.01.2011</ref> | ||
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* [http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/zuercher_kultur/sss-bitteres_leben_in_der_fremde_1.3153338.html Süss-bitteres Leben in der Fremde] (Neue Zürcher Zeitung, 22. Juli 2009) | * [http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/zuercher_kultur/sss-bitteres_leben_in_der_fremde_1.3153338.html Süss-bitteres Leben in der Fremde] (Neue Zürcher Zeitung, 22. Juli 2009) | ||
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und auf vereisten Schienen mühsam schleppt | und auf vereisten Schienen mühsam schleppt | ||
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Ein Armenkirchhof ragt, schwarz, Stein an Stein, | Ein Armenkirchhof ragt, schwarz, Stein an Stein, | ||
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aus ihrem Loch. Er schmeckt wie starker Wein. | aus ihrem Loch. Er schmeckt wie starker Wein. | ||
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zur Marseillaise, dem alten Sturmgesang. | zur Marseillaise, dem alten Sturmgesang. | ||
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Die letzten Häuser in das Land verirrn. | Die letzten Häuser in das Land verirrn. | ||
Vom Abend glänzt der rote Bauch dem Baal, | |||
Die großen Städte knieen um ihn her. | Die großen Städte knieen um ihn her. | ||
Der Kirchenglocken ungeheure Zahl | Der Kirchenglocken ungeheure Zahl | ||
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Wie Korybanten-Tanz dröhnt die Musik | Wie Korybanten-Tanz dröhnt die Musik | ||
Der Millionen durch die Straßen laut. | |||
Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrik | Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrik | ||
Ziehn auf zu ihm, wie Duft von Weihrauch blaut. | Ziehn auf zu ihm, wie Duft von Weihrauch blaut. | ||
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Das Wetter schwält in seinen Augenbrauen. | Das Wetter schwält in seinen Augenbrauen. | ||
Der dunkle Abend wird in Nacht betäubt. | Der dunkle Abend wird in Nacht betäubt. | ||
Die Stürme flattern, die wie Geier schauen | |||
Von seinem Haupthaar, das im Zorne sträubt. | Von seinem Haupthaar, das im Zorne sträubt. | ||
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Er schüttelt sie. Ein Meer von Feuer jagt | Er schüttelt sie. Ein Meer von Feuer jagt | ||
Durch eine Straße. Und der Glutqualm braust | Durch eine Straße. Und der Glutqualm braust | ||
Und frißt sie auf, bis spät der Morgen tagt. | |||
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http://de.wikisource.org/wiki/Der_Gott_der_Stadt Text - bei Wikisource | |||
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* [http://herrlarbig.de/2009/02/17/georg-heym-der-gott-der-stadt/ Georg Heym: Der Gott der Stadt] - Interpretation (Herr Larbig) | * [http://herrlarbig.de/2009/02/17/georg-heym-der-gott-der-stadt/ Georg Heym: Der Gott der Stadt] - Interpretation (Herr Larbig) | ||
=== Georg Heym - Die Stadt === | === Georg Heym - Die Stadt === | ||
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'''Die Stadt''' (1911) | '''Die Stadt''' (1911) | ||
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Und blinzeln mit den Lidern, rot und klein. | Und blinzeln mit den Lidern, rot und klein. | ||
Wie Aderwerk gehn Straßen durch die Stadt, | |||
Unzählig Menschen schwemmen aus und ein. | Unzählig Menschen schwemmen aus und ein. | ||
Und ewig stumpfer Ton von stumpfem Sein | Und ewig stumpfer Ton von stumpfem Sein | ||
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Gebären, Tod, gewirktes Einerlei, | Gebären, Tod, gewirktes Einerlei, | ||
Lallen der Wehen, langer Sterbeschrei, | |||
Im blinden Wechsel geht es dumpf vorbei. | Im blinden Wechsel geht es dumpf vorbei. | ||
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Und scheinen hoch von dunkler Wolkenwand. | Und scheinen hoch von dunkler Wolkenwand. | ||
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http://de.wikisource.org/wiki/Die_Stadt_(Heym) Text - bei Wikisource; 22.01.2011 | |||
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=== Alfred Wolfenstein - Städter === | === Alfred Wolfenstein - Städter === |
Version vom 23. November 2018, 15:05 Uhr
Gedichte
Paul Boldt - Auf der Terrasse des Café Josty
Das Café Josty war zu Beginn des 20. Jahrhundert mit seiner Aussicht auf den verkehrsreichen Potsdamer Platz ein wichtiger Treffpunkt für Künstler, besonders des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit. Sie zog vor allem die Dynamik des Platzes und seine Modernität an. Paul Boldt verewigte den Blick aus dem Café in einem 1912 veröffentlichten Sonett wie folgt:[1]
Auf der Terrasse des Café Josty (1912)
Der Potsdamer Platz in ewigem Gebrüll
Vergletschert alle hallenden Lawinen
Der Straßentrakte: Trams auf Eisenschienen,
Automobile und den Menschenmüll.
Die Menschen rinnen über den Asphalt,
Ameisenemsig, wie Eidechsen flink.
Stirne und Hände, von Gedanken blink,
Schwimmen wie Sonnenlicht durch dunklen Wald.
Nachtregen hüllt den Platz in eine Höhle,
Wo Fledermäuse, weiß, mit Flügeln schlagen
Und lila Quallen liegen - bunte Öle;
Die mehren sich, zerschnitten von den Wagen. –
Aufspritzt Berlin, des Tages glitzernd Nest,
Vom Rauch der Nacht wie Eiter einer Pest.
Linkliste:
- Café Josty
- Süss-bitteres Leben in der Fremde (Neue Zürcher Zeitung, 22. Juli 2009)
- Text mit französischer Übersetzung (paul-boldt.de)
Georg Heym - Berlin III
Berlin III (1911)
Schornsteine stehn in großem Zwischenraum
im Wintertag, und tragen seine Last,
des schwarzen Himmels dunkelnden Palast.
Wie goldne Stufe brennt sein niedrer Saum.
Fern zwischen kahlen Bäumen, manchem Haus,
Zäunen und Schuppen, wo die Weltstadt ebbt,
und auf vereisten Schienen mühsam schleppt
Ein langer Güterzug sich schwer hinaus.
Ein Armenkirchhof ragt, schwarz, Stein an Stein,
die Toten schaun den roten Untergang
aus ihrem Loch. Er schmeckt wie starker Wein.
Sie sitzen strickend an der Wand entlang,
Mützen aus Ruß dem nackten Schläfenbein,
zur Marseillaise, dem alten Sturmgesang.
Georg Heym - Der Gott der Stadt
Entstanden 1910, veröffentlicht 1911
DER GOTT DER STADT (1910)
Auf einem Häuserblocke sitzt er breit.
Die Winde lagern schwarz um seine Stirn.
Er schaut voll Wut, wo fern in Einsamkeit
Die letzten Häuser in das Land verirrn.
Vom Abend glänzt der rote Bauch dem Baal,
Die großen Städte knieen um ihn her.
Der Kirchenglocken ungeheure Zahl
Wogt auf zu ihm aus schwarzer Türme Meer.
Wie Korybanten-Tanz dröhnt die Musik
Der Millionen durch die Straßen laut.
Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrik
Ziehn auf zu ihm, wie Duft von Weihrauch blaut.
Das Wetter schwält in seinen Augenbrauen.
Der dunkle Abend wird in Nacht betäubt.
Die Stürme flattern, die wie Geier schauen
Von seinem Haupthaar, das im Zorne sträubt.
Er streckt ins Dunkel seine Fleischerfaust.
Er schüttelt sie. Ein Meer von Feuer jagt
Durch eine Straße. Und der Glutqualm braust
Und frißt sie auf, bis spät der Morgen tagt.
http://de.wikisource.org/wiki/Der_Gott_der_Stadt Text - bei Wikisource
Linkliste:
- Georg Heym: Der Gott der Stadt - Interpretation (Herr Larbig)
Georg Heym - Die Stadt
Die Stadt (1911)
Sehr weit ist diese Nacht. Und Wolkenschein
Zerreißet vor des Mondes Untergang.
Und tausend Fenster stehn die Nacht entlang
Und blinzeln mit den Lidern, rot und klein.
Wie Aderwerk gehn Straßen durch die Stadt,
Unzählig Menschen schwemmen aus und ein.
Und ewig stumpfer Ton von stumpfem Sein
Eintönig kommt heraus in Stille matt.
Gebären, Tod, gewirktes Einerlei,
Lallen der Wehen, langer Sterbeschrei,
Im blinden Wechsel geht es dumpf vorbei.
Und Schein und Feuer, Fackeln rot und Brand,
Die drohn im Weiten mit gezückter Hand
Und scheinen hoch von dunkler Wolkenwand.
http://de.wikisource.org/wiki/Die_Stadt_(Heym) Text - bei Wikisource; 22.01.2011
Alfred Wolfenstein - Städter
Städter (1914)
Dicht wie Löcher eines Siebes stehn
Fenster beieinander, drängend fassen
Häuser sich so dicht an, daß die Straßen
Grau geschwollen wie Gewürgte stehn.
Vorlage:ZeileIneinander dicht hineingehakt
Sitzen in den Trams die zwei Fassaden
Leute, wo die Blicke eng ausladen
Und Begierde ineinander ragt.
Unsre Wände sind so dünn wie Haut,
Vorlage:ZeileDaß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine.
Flüstern dringt hinüber wie Gegröhle:
Und wie stumm in abgeschlossner Höhle
Unberührt und ungeschaut
Steht doch jeder fern und fühlt: alleine.
- Linkliste
Paul Zech - Fabrikstraße tags
- Linkliste
- Text (lyrikwelt.de)
- Paul Zech: Fabrikstraße tags (1911) - Analyse (Herr Larbig)
(Weitere) Stadtgedichte im Expressionismus
Zahlreiche bekannte Gedichte des Expressionismus thematisieren die Stadt bzw. das Leben in einer Stadt.
- Paul Boldt (1885 - 1921): Auf der Terrasse des Café Josty (1912)
- Georg Heym (1887 - 1912): Berlin III (1911)
- Berlin VIII (1910)
- Der Gott der Stadt (1910)
- Die Stadt (1911)
- Alfred Lichtenstein (1889 – 1914): Gesänge an Berlin (1913)
- Georg Trakl (1887 – 1914): Die schöne Stadt (1907)
- Jakob van Hoddis (1887 - 1942), Die Stadt
- Franz Werfel (1890 - 1945), Der rechte Weg (Traum) - war Aufgabe am Gymnasium in der Zentralen Abschlussprüfung 10 im Fach Deutsch in NRW 2007
- Alfred Wolfenstein (1888 – 1945): Städter (1914)
- Paul Zech (1881 - 1946 ): Fabrikstraße tags (1911)
Stadt in der Malerei des Expressionismus
- Darstellung der Stadt in der Malerei und in der Lyrik des Impressionismus
- Beschreibe eines der hier zu sehenden oder verlinkten Bilder.[2]
- Was siehst Du? Was wird dargestellt?
- Welche Stimmung und welche Aussage über die Stadt vermittelt das Bild?
- Nenne auch die verwendeten Stilmittel (Perspektive, Farben, Aufbau ...).
- Vergleiche die Aussage des von Dir analysierten Bildes mit der Aussage in einem der gleichzeitigen Großstadtgedichte.
- Ludwig Meidner, Ich und die Stadt (1913) - Bild; auch: hier
- Jakob Steinhardt, Die Stadt (1913) - Bild; auch: hier
Webquest
- Webquest zum Themenkomplex: Großstadtlyrik des Expressionismus (D. Marx, 2014)
Unterrichtshilfen
- Klaus Lill, Großstadtlyrik des Expressionismus. Reihe "du-selbst. Selbstgesteuertes Lernen im Deutschunterricht". Paderborn, Schöningh Verlag, 2007. ISBN 978-3-14-022230-3
Literatur
- Wende, Waltraud (Hg.): Großstadtlyrik. Stuttgart : Reclam, 1999. (Universal-Bibliothek ; 9639) ISBN 3-15-009639-1
Linkliste
- Großstadtlyrik
- Großstadtlyrik im Expressionismus (LernCafe.de)
- Natur und Stadt in Lyrik und Malerei, ein Projekt in Deutsch und Kunst, Klasse 10 F 1 Frühjahr 1999 - mit sechs Stadtgedichten (Johanneum Lüneburg)
- Vorlage:Pdf-extern (Konrad-Adenauer-Stiftung)
- Großstadtlyrik - Die Stadt zur Zeit der Jahrhundertwende - Schülervortrag von Susanne Budick und Robert Koppen, Berlin, 2007 (Dreizehn Punkte)
Einzelnachweise
- ↑ nach: Café_Josty#20._Jahrhundert, gesehen: 22.01.2011
- ↑ Diese Aufgabe lehnt sich an an eine Aufgabenstellung in: Klaus Lill, Großstadtlyrik des Expressionismus. Schöningh Verlag. ISBN 978-3-14-022230-3. S. 32: Station5, Malerei im Expressionismus