Abraham/Ibrahim in Bibel und Koran: Unterschied zwischen den Versionen
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Rückert, Sabine und Prof. Johanna Haberer: Unter Pfarrerstöchtern. Podcast der ZEIT; Folge vom 08.05.2020: „Abraham: Die Opferung des Isaak“. | Rückert, Sabine und Prof. Johanna Haberer: Unter Pfarrerstöchtern. Podcast der ZEIT; Folge vom 08.05.2020: „Abraham: Die Opferung des Isaak“. | ||
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Version vom 2. August 2025, 18:00 Uhr
Wie Abraham fast seinen Sohn geopfert hätte - eine Erzählung in Bibel und Koran (Jhg. 5/6)
Abraham wird in der jüdischen, christlichen und muslimischen Religion verehrt. ("Abraham" heißt auf Arabisch "Ibrahim", die Schreibweise im Deutschen variiert je nach Übersetzung. In diesem Unterrichtsmaterial wird mit der Koranübersetzung von Max Henning gearbeitet, der "Abraham" im deutschsprachigen Text verwendet, deshalb wird im Folgenden ebenfalls diese Namensvariante verwendet. Zudem wird dadurch klarer, dass es sich in dem biblischen und koranischen Text um die gleiche Erzählung handelt.)
Abraham gilt der Stammvater des Monotheismus. Die Erzählung von Abraham finden wir in der Tora (Genesis), der Bibel (1. Buch Mose) und im Koran. Im Koran handeln (u. a.) folgende Suren von Abraham: In Sure 19, 42–49 wird dargestellt, dass es nur einen Gott gibt. Da Abrahams Vater diese Überzeugung nicht teilt, trennt Abraham sich von ihm (das beschreibt auch Sure 9, 114). In Sure 37, 100 wünscht Abraham sich einen Sohn.
Die bekannteste Geschichte ist die von Abrahams „Prüfung“, in der jüdischen Tradition wird von „Isaaks Bindung“ gesprochen (Genesis bzw. 1. Buch Mose 22, 1–19). Im Koran erzählt Sure 37, 101–113 davon, dass Abraham bereit war, seinen Sohn zu opfern. Der Widder, der als Ersatzopfer schickt wird (1. Buch Mose, Kap. 22, 13), ist das „herrliche Opfer“ in Sure 37, 107. Auf diesen Widder geht das muslimische Opferfest zurück.
Da die biblische Erzählung die ältere ist, wird sie zuerst vorgestellt:
Die Geschichte von der Beinahe-Opferung Isaaks
Gott wollte Abraham auf die Probe stellen. Er gab ihm den Befehl, seinen einzigen Sohn Isaak zu nehmen, mit ihm auf einen Berg zu gehen und den Jungen dort auf einem Feuer zu opfern. Da nahm Abraham Holz und machte sich am nächsten Tag mit seinem Sohn und einigen Knechten auf den Weg. Am dritten Tag sah er den Berg und sagte zu seinen Knechten: „Bleibt hier. Mein Sohn und ich gehen dorthin und wollen beten, dann kommen wir wieder zurück.“
Daraufhin lud Abraham seinem Sohn das Holz auf die Schultern und sie gingen weiter. Isaak fragte: „Wo ist das Schaf für das Brandopfer?“ „Gott wird schon dafür sorgen, mein Sohn.“, antwortete der Vater.
Als sie auf dem Berg angekommen waren, errichtete Abraham einen Altar und legte die Holzscheite darauf. Dann fesselte er Isaak und legte ihn auf das Holz. Als er seinen Sohn gerade mit einem Messer töten wollte, rief ihm ein Engel zu: „Tu ihm nichts zuleide! Denn jetzt weiß ich, dass du gottesfürchtig bist.“ Abraham sah sich um und entdeckte einen Widder, der sich in einem Busch verfangen hatte. Er holte das Tier und opferte es anstelle seines Sohnes.
- Haben alle die Geschichte verstanden? Kleiner Quiz zum Textverständis:
- Diese Geschichte ist eine gekürzte Zusammenfassung, doch auch in der Bibel wird nicht erwähnt, was die Personen denken und fühlen. Was geht wohl in ihnen vor? Erzähle die Geschichte nach und füge Gedanken und Gefühle ein!
Die Beinahe-Opferung Ismaels
- Ihr könnt die Erzählung im Koran in der Sure 37, 101-113 nachlesen. (Es gibt im Internet z. B. diese Koranübersetzung: https://koran-deutsch.com/)
In diesem Text werden auch keine Gedanken und Gefühle in dieser dramatischen Situation geschildert, wohl aber gibt es ein kurzes Gespräch zwischen Vater und Sohn:
(101) Sprach er: "O mein Söhnlein, siehe, ich sah im Traum, dass ich dich opfern müsste. Nun schau, was du meinst."
(102) Er sprach: "O mein Vater, tu, was dir geheißen ward, du wirst mich, so Allah will, standhaft erfinden."(Diese Zeilen unterscheidet sich von der Koranübersetzung im Internet - sie sind ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich Übersetzungen ausfallen können.)
- Was erzählen diese Aussagen über die Personen?
Sprachbildung: Wortbedeutungen
- In den Erzählungen kommen einige Worte vor, die euch vielleicht nicht vertraut sind. Deshalb gibt es eine kleine Aufgabe zu diesen Wörtern und Formulierungen: auf die Probe stellen, das Brandopfer, sorgen für etwas, errichten, der Altar, das Holzscheit, zuleide tun, gottesfürchtig, der Widder, ihm wurde geheißen, standhaft
Die Verwandschaftsverhältnisse
- Wieso wird von Isaak in der Bibelgeschichte als dem "einzigen Sohn" gesprochen, wenn es doch noch einen anderen Sohn namens Ismael gibt? Recherchiere die Verhältnisse von Abraham! Die Bibelstellen, in denen das beschrieben wird, sind 1. Mose 16 und 1. Mose 21, 1-21. Der Bibeltext ist aber nur schwer zu verstehen - aber am besten lest ihr in einer Kinderbibel nach. (Auch im Koran werden beide Söhne erwähnt, in Sure 14, 39 oder Sure 3, 84 z. B., sie erklären aber nicht die Verwandschaft.) Erstelle ein kleines Soziogramm!
Weiteres für Lehrerinnen und Lehrer
Ziele dieser kleinen Sequenz
Das Ziel ist, die Erzählungen zu kennen und die Namen zuordnen können, da dieses Geschichte für alle drei Buchreligionen sehr bedeutsam ist und ihre Kenntnis zur Allgemeinbildung gehört.
Im Sinne einer interkulturellen Pädagogik und eines interreligiösen Dialogs sollten in der Schule sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten von Religionen thematisiert werden. Vor diesem Hintergrund kann es interessant sein, dass sich in den jüdischen, den christlichen und muslimischen Schriften gleiche oder ähnliche Erzählungen finden– um die Religionen nicht dualistisch einander gegenüber zu stellen, sondern um ihre Verbindungen aufzuzeigen.
Im Islam gelten Abraham (arabisch: Ibrahim), Noah (arabisch: Nūḥ), Mose (arabisch: Musa), David (arabisch: Dawud) oder Jesus (arabisch: Isa) als Propheten, um nur einige zu nennen (vgl. Sure 6, 83–86). Mohammed sah sich selbst als letzten Propheten. Sure 33, 40: Muhammed ist nicht der Vater eines eurer Männer, sondern Allahs Gesandter und das Siegel der Propheten; und Allah weiß alle Dinge. „Das Siegel der Propheten“ wird laut Anmerkung des Übersetzers Max Henning zu dieser Sure so verstanden, dass Mohammed „der letzte und die Wahrheit im Vollsinne bringende Prophet ist“. (Häcker, 2025, S. 22.)
Interpretationen
Zu der schockierenden Geschichte von einem Vater, der seinen eigenen Sohn opfern soll, gibt es eine Fülle von Interpretationen. Einen ersten Eindruck gibt die Wikipedia-Seite https://de.wikipedia.org/wiki/Bindung_Isaaks. Kurz erwähnt werden sollen an dieser Stelle jedoch diese drei Ansätze (vgl. Häcker, 2025, S. 24 f.):
Auf religionsgeschichtlicher Ebene wird hier eventuell von der Ablösung der Menschenopfer durch Tieropfer erzählt. In der Antike waren Menschen- bzw. Kinderopfer mancherorts verbreitet, davon zeugen die Aussagen in Richter 11, 30–40, Micha 6, 7 oder 1. Könige 16, 34 sowie Hesekiel 20, 25–31. Der monotheistische Gott, und das ist in der damaligen Zeit eine fortschrittliche Haltung und Errungenschaft, lehnt Menschenopfer jedoch eindeutig ab. Diverse Textstellen im Alten Testament zeugen davon, z. B. 5. Mose 12, 31 oder Micha 6, 8 (und einige mehr). Die Geschichte kann so verstanden werden, dass es Gott um eine innere Aufrichtigkeit geht, nicht um kostspielige Signale.
Immanuel Kant kritisierte aus moralphilosophischer Sicht das Verhalten von Abraham. Er hätte sich widersetzen müssen, so Kant, denn der Maßstab sei das moralische Gesetz, welches Gott verteidigen und nicht zerstören solle. Kant schrieb: „Abraham hätte auf diese vermeinte göttliche Stimme antworten müssen: „Dass ich meinen guten Sohn nicht töten solle, ist ganz gewiss; dass aber du, der du mir erscheinst, Gott sei, davon bin ich ganz gewiss nicht gewiss und kann es auch nicht werden“, wenn sie auch vom (…) Himmel herabschallte.“ Auch ein Gebot von Gott kann, so Kant, nicht zur Aufhebung des ethisch Gebotenen führen (Kant 1798, in: Boehm, 2022, S. 145).
Omri Boehm hingegen liest in der Geschichte genau dieses, nämlich dass Abraham ungehorsam das ethisch Gebotene tat: Er gehorchte letztlich nicht dem göttlichen Opferbefehl, sondern folgte dem Einspruch eines Engels. Boehm sieht Abrahams Verhalten im Zusammenhang mit der Erzählung im 1. Mose 18, 22–27, als Gott die Menschen in Sodom kollektiv bestrafen wollte und Abraham ihm widersprach: Willst du denn den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen? (…) Das sei ferne von dir! Nach Boehm steht die Geschichte für die Forderung nach einer universellen, übergeordneten Gerechtigkeit. (Boehm, 2022. - Boehms fundierte und politisch interessante Interpretation im Sinne des Univeralismus kann hier nur angedeutet werden.)
Literatur und Quellenverzeichnis
Die Bibel (nach der Übersetzung Martin Luthers). Hrsg.: Deutsche Bibelstiftung Stuttgart. Revidierter Text 1975. Stuttgart 1978.
Der Koran (Übersetzung: Max Henning). Hrsg.: Philipp Reclam jun. Verlag. Stuttgart 1960.
Abb. aus: Bilder zum Anschauungs-Unterricht für die Jugend. Eßlingen am Neckar 1868 (Ersterscheinung: 1838), Illustration VIII. Digitalisiert durch Staatsbibliothek Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Digitalisierte Sammlungen. (zuletzt am 10.04.2025)
Boehm, Omri: Radikaler Universalismus. Jenseits von Identität. Berlin 2022.
Häcker, Sabine: Die Entstehung des Islam und gemeinsame Erzählungen der Buchreligionen. München 2025. https://www.grin.com/document/1563601
Rückert, Sabine und Prof. Johanna Haberer: Unter Pfarrerstöchtern. Podcast der ZEIT; Folge vom 08.05.2020: „Abraham: Die Opferung des Isaak“.
