Fabeln: Unterschied zwischen den Versionen
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:Der Begriff „Fabel" geht auf das lateinische Wort "fabula" (→ Geschichte, Erzählung, Gespräch) zurück und bezeichnet heute die typische Art der Tierdichtung in Vers oder Prosa, die eine allgemein anerkannte Wahrheit, einen moralischen Lehrsatz oder eine praktische Lebensweisheit anhand eines pointierten, doch analogen Beispiels in uneigentlicher Darstellung veranschaulicht und besonders durch die Übertragung menschlicher Verhaltensweisen, sozialer Zustände oder politischer Vorgänge auf die belebte oder unbelebte Natur witzig-satirische oder moralisch-belehrende Effekte erzielt. | :Der Begriff „Fabel" geht auf das lateinische Wort "fabula" (→ Geschichte, Erzählung, Gespräch) zurück und bezeichnet heute die typische Art der Tierdichtung in Vers oder Prosa, die eine allgemein anerkannte Wahrheit, einen moralischen Lehrsatz oder eine praktische Lebensweisheit anhand eines pointierten, doch analogen Beispiels in uneigentlicher Darstellung veranschaulicht und besonders durch die Übertragung menschlicher Verhaltensweisen, sozialer Zustände oder politischer Vorgänge auf die belebte oder unbelebte Natur witzig-satirische oder moralisch-belehrende Effekte erzielt. | ||
: | :Gero von Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur, Kröner Stuttgart 1969 | ||
Gotthold Ephraim Lessing: Von dem Gebrauche der Tiere in der Fabel | :Gotthold Ephraim Lessing: Von dem Gebrauche der Tiere in der Fabel | ||
:„Die Fabel hat unsere klare und lebendige Erkenntnis eines moralischen Satzes zur Absicht. Nichts verdunkelt unsere Erkenntnis mehr als die Leidenschaften. Folglich muß der Fabulist die Erregung der Leidenschaften soviel als möglich vermeiden. Wie kann er aber anders z. B. die Erregung des Mitleids vermeiden, als wenn er die Gegenstände desselben unvollkommener macht und anstatt der Menschen Tiere oder noch geringere Geschöpfe annimmt? Man erinnere sich noch einmal der Fabel von dem Wolfe und Lamme, … Wir haben Mitleiden mit dem Lamme; aber dieses Mitleiden ist so schwach, daß es unserer anschauenden Erkenntnis des moralischen Satzes keinen merklichen Eintrag tut.“ | :„Die Fabel hat unsere klare und lebendige Erkenntnis eines moralischen Satzes zur Absicht. Nichts verdunkelt unsere Erkenntnis mehr als die Leidenschaften. Folglich muß der Fabulist die Erregung der Leidenschaften soviel als möglich vermeiden. Wie kann er aber anders z. B. die Erregung des Mitleids vermeiden, als wenn er die Gegenstände desselben unvollkommener macht und anstatt der Menschen Tiere oder noch geringere Geschöpfe annimmt? Man erinnere sich noch einmal der Fabel von dem Wolfe und Lamme, … Wir haben Mitleiden mit dem Lamme; aber dieses Mitleiden ist so schwach, daß es unserer anschauenden Erkenntnis des moralischen Satzes keinen merklichen Eintrag tut.“ | ||
:G. E. Lessing (1729-81): Abhandlungen über die Fabel (zit. nach [http://gutenberg.spiegel.de/buch/abhandlungen-uber-die-fabel-1168/8 Projekt Gutenberg DE]) | :G. E. Lessing (1729-81): Abhandlungen über die Fabel (zit. nach [http://gutenberg.spiegel.de/buch/abhandlungen-uber-die-fabel-1168/8 Projekt Gutenberg DE]) | ||
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*Unterscheiden lernen zwischen Handlungs- und Bedeutungsebenen von literarischen Texten | |||
*Den Gleichnis-Charakter von Geschichten verstehen lernen („Parabel”) | |||
*Textstrukturen erkennen | |||
*Formen der literarischen Gesellschaftskritik kennen lernen („Sklavensprache”) | |||
*Moralische Haltungen bzw. Urteile bewerten lernen („Lehre”) | |||
*Bewusstsein für knappe, zielgerichtete Darstellungsweisen schärfen. | |||
*Auseinandersetzung mit älteren Sprach- und eventuell Schriftformen | |||
*Geschichtliche Gebundenheit von Literatur begreifen lernen (M. Luther, G.E. Lessing, F. Kafka, R. Kunze) | |||
*Einblicke in das Funktionieren literarischer Traditionen: Neue Fabeln nehmen immer Bezug auf ältere Fabeln (literarische Anspielungen und versteckte Zitate). | |||
===Methodische Einsatzmöglichkeiten zum Thema Fabel=== | |||
*Analysieren : Ausgangssituation - Aktion/Reaktion - Lösung - Lehre | |||
*Vergleichen von a) motivgleichen Fabeln b) Fabeln mit ähnlichen Figuren | |||
*Verändern und vollenden (Lehre variieren, Rede und Gegenrede ...) | |||
*Dialoge ausgestalten und verlängern | |||
*Illustrieren / Comic | |||
*Vergleich mit anderen epischen Kurzformen (Märchen, Tiergeschichte) | |||
*szenisches Gestalten (Spielen) | |||
*dramatisches Lesen (mit verteilten Rollen) | |||
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'''Situation - Aktion/Reaktion - Lösung''' | '''Situation - Aktion/Reaktion - Lösung''' | ||
Suche eine Fabeln und überprüfe an ihr | Suche eine Fabeln und überprüfe an ihr den charakteristischen Aufbau. | ||
Schreibe die Bau-Elemente Deiner Fabel in vier farbige Felder. | Schreibe die Bau-Elemente Deiner Fabel in vier farbige Felder. | ||
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Erstelle exemplarisch für eine von dir selbst ausgewählte Fabel eine Tabelle, in der du in der linken Spalte die Merkmale und in der rechten die entsprechenden Textstellen aus deiner Fabel einträgst. | Erstelle exemplarisch für eine von dir selbst ausgewählte Fabel eine Tabelle, in der du in der linken Spalte die Merkmale und in der rechten die entsprechenden Textstellen aus deiner Fabel einträgst. | ||
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===Abgrenzung der Form=== | |||
=== Abgrenzung der Form === | |||
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Halte in eigenen Worten den Unterschied zwischen [[Parabel]], '''Fabel''' und '''[[Märchen]]''' fest. | Halte in eigenen Worten den Unterschied zwischen [[Parabel]], '''Fabel''' und '''[[Märchen]]''' fest. | ||
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===Historischer Hintergrund=== | |||
=== Historischer Hintergrund === | |||
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Lies den Abschnitt „Geschichte“ im [http://de.wikipedia.org/wiki/Fabel#Geschichte Wikipedia]-Artikel. Informiere dich über folgende Fabel-Autoren: Äsop, la Fontaine, G.E. Lessing. | Lies den Abschnitt „Geschichte“ im [http://de.wikipedia.org/wiki/Fabel#Geschichte Wikipedia]-Artikel. Informiere dich über folgende Fabel-Autoren: Äsop, la Fontaine, G.E. Lessing. | ||
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===Analyse=== | |||
=== Analyse === | |||
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Um welche Textsorte handelt es sich bei folgendem Text? Fabel, Parabel, Märchen? Begründe. | Um welche Textsorte handelt es sich bei folgendem Text? Fabel, Parabel, Märchen? Begründe. | ||
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(Franz Kafka) | (Franz Kafka) | ||
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==Texte== | |||
*Aesop (6. Jh vor Christus): [http://gutenberg.spiegel.de/aesop/0htmldir.htm ''Fabeln''] | |||
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*Jean de La Fontaine (1621-1695): [http://gutenberg.spiegel.de/fontaine/fabeln/0htmldir.htm ''Fabeln''] | |||
* | |||
* | *G.E.Lessing: [http://gutenberg.spiegel.de/lessing/abfabel/abfabel.htm ''Abhandlung über die Fabel''] | ||
:insbesondere: Kapitel V [http://gutenberg.spiegel.de/lessing/abfabel/abfab501.htm ''Von einem besondern Nutzen der Fabeln in den Schulen''] - Ausführungen zum Prinzip der didaktischen Reduktion und einigen recht konkreten Unterrichtsvorschlägen ! | |||
: insbesondere: Kapitel V [http://gutenberg.spiegel.de/lessing/abfabel/abfab501.htm ''Von einem besondern Nutzen der Fabeln in den Schulen''] - Ausführungen zum Prinzip der didaktischen Reduktion und einigen recht konkreten Unterrichtsvorschlägen ! | |||
:"Die Mühe [...] kann sich der Lehrer ersparen, [...] indem er die Geschichte derselben bald eher abbricht, bald weiter fortfährt, bald diesen oder jenen Umstand derselben so verändert, daß sich eine andere Moral darin erkennen läßt." | :"Die Mühe [...] kann sich der Lehrer ersparen, [...] indem er die Geschichte derselben bald eher abbricht, bald weiter fortfährt, bald diesen oder jenen Umstand derselben so verändert, daß sich eine andere Moral darin erkennen läßt." | ||
* Ders.: [http://gutenberg.spiegel.de/lessing/fabeln/0htmldir.htm ''Ausgewählte Fabeln'' (1759)] | |||
*Ders.: [http://gutenberg.spiegel.de/lessing/fabeln/0htmldir.htm ''Ausgewählte Fabeln'' (1759)] | |||
'''Bekannte Fabeln in englischer Fassung''' | '''Bekannte Fabeln in englischer Fassung''' | ||
* [http://www.mainlesson.com/display.php?author=baldwin&book=fables&story=_contents Bringing Yesterday's Classics to Today's Children] Fairy Stories and Fables | *[http://www.mainlesson.com/display.php?author=baldwin&book=fables&story=_contents Bringing Yesterday's Classics to Today's Children] Fairy Stories and Fables | ||
==Weblinks== | |||
*[http://www.udoklinger.de/Deutsch/Fabeln/Inhalt2.htm ''Fabeln - verkleidete Wahrheiten''] Alles über Fabeln für die Schule bei www.UdoKlinger.de | |||
*[http://www.teachsam.de/deutsch/d_literatur/d_gat/d_epik/txtsor/epi_klein/fabe/fab_centermap.htm '''Fabel'''] - Informationen zur Geschichte und Textsorte mit zahlreichen Beispieltexten (''teachsam.de'') | |||
== | ==Siehe auch== | ||
*[[Fabeln der Aufklärung]] | |||
* [[Fabeln der Aufklärung]] | *[[Märchen]] | ||
* [[Märchen]] | *[[Parabel]] | ||
* [[Parabel]] | *[[Sagen]] | ||
* [[Sagen]] | |||
[[Kategorie:Deutsch]] | [[Kategorie:Deutsch]] | ||
[[Kategorie:Textsorten]] | [[Kategorie:Textsorten]] | ||
[[Kategorie:Ethik]] | [[Kategorie:Ethik]] | ||
[[Kategorie:Didaktik]] |
Aktuelle Version vom 23. April 2022, 19:36 Uhr
Definition
- Der Begriff „Fabel" geht auf das lateinische Wort "fabula" (→ Geschichte, Erzählung, Gespräch) zurück und bezeichnet heute die typische Art der Tierdichtung in Vers oder Prosa, die eine allgemein anerkannte Wahrheit, einen moralischen Lehrsatz oder eine praktische Lebensweisheit anhand eines pointierten, doch analogen Beispiels in uneigentlicher Darstellung veranschaulicht und besonders durch die Übertragung menschlicher Verhaltensweisen, sozialer Zustände oder politischer Vorgänge auf die belebte oder unbelebte Natur witzig-satirische oder moralisch-belehrende Effekte erzielt.
- Gero von Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur, Kröner Stuttgart 1969
- Gotthold Ephraim Lessing: Von dem Gebrauche der Tiere in der Fabel
- „Die Fabel hat unsere klare und lebendige Erkenntnis eines moralischen Satzes zur Absicht. Nichts verdunkelt unsere Erkenntnis mehr als die Leidenschaften. Folglich muß der Fabulist die Erregung der Leidenschaften soviel als möglich vermeiden. Wie kann er aber anders z. B. die Erregung des Mitleids vermeiden, als wenn er die Gegenstände desselben unvollkommener macht und anstatt der Menschen Tiere oder noch geringere Geschöpfe annimmt? Man erinnere sich noch einmal der Fabel von dem Wolfe und Lamme, … Wir haben Mitleiden mit dem Lamme; aber dieses Mitleiden ist so schwach, daß es unserer anschauenden Erkenntnis des moralischen Satzes keinen merklichen Eintrag tut.“
- G. E. Lessing (1729-81): Abhandlungen über die Fabel (zit. nach Projekt Gutenberg DE)
Merkmale und Aufbau einer Fabel
Tiere als Akteure die Typisierung der Fabelfiguren (der hinterlistige Wolf - der einfältige Esel) das Prinzip der direkten Entgegensetzung die Zeit- und Ortlosigkeit der pointierte Schluss die sprachliche Kürze und Prägnanz die Dreigliedrigkeit (Situation - Aktion/Reaktion - Lösung) die Verbindung von erzählerischen und dramatischen Elementen (Dialog) die versteckte Aussageabsicht die Gesellschaftskritik
Didaktisches Potenzial
Fabeln sind meist kurz und einfach, aber nicht trivial. Es gibt eine Reihe von wichtigen LERNZIELEN, die sich anhand von Fabeln realisieren lassen:
- Unterscheiden lernen zwischen Handlungs- und Bedeutungsebenen von literarischen Texten
- Den Gleichnis-Charakter von Geschichten verstehen lernen („Parabel”)
- Textstrukturen erkennen
- Formen der literarischen Gesellschaftskritik kennen lernen („Sklavensprache”)
- Moralische Haltungen bzw. Urteile bewerten lernen („Lehre”)
- Bewusstsein für knappe, zielgerichtete Darstellungsweisen schärfen.
- Auseinandersetzung mit älteren Sprach- und eventuell Schriftformen
- Geschichtliche Gebundenheit von Literatur begreifen lernen (M. Luther, G.E. Lessing, F. Kafka, R. Kunze)
- Einblicke in das Funktionieren literarischer Traditionen: Neue Fabeln nehmen immer Bezug auf ältere Fabeln (literarische Anspielungen und versteckte Zitate).
Methodische Einsatzmöglichkeiten zum Thema Fabel
- Analysieren : Ausgangssituation - Aktion/Reaktion - Lösung - Lehre
- Vergleichen von a) motivgleichen Fabeln b) Fabeln mit ähnlichen Figuren
- Verändern und vollenden (Lehre variieren, Rede und Gegenrede ...)
- Dialoge ausgestalten und verlängern
- Illustrieren / Comic
- Vergleich mit anderen epischen Kurzformen (Märchen, Tiergeschichte)
- szenisches Gestalten (Spielen)
- dramatisches Lesen (mit verteilten Rollen)
Unterrichtsideen
Situation - Aktion/Reaktion - Lösung
Suche eine Fabeln und überprüfe an ihr den charakteristischen Aufbau.
Schreibe die Bau-Elemente Deiner Fabel in vier farbige Felder.
Erstelle exemplarisch für eine von dir selbst ausgewählte Fabel eine Tabelle, in der du in der linken Spalte die Merkmale und in der rechten die entsprechenden Textstellen aus deiner Fabel einträgst.
Abgrenzung der Form
Historischer Hintergrund
Lies den Abschnitt „Geschichte“ im Wikipedia-Artikel. Informiere dich über folgende Fabel-Autoren: Äsop, la Fontaine, G.E. Lessing.
Analyse
Um welche Textsorte handelt es sich bei folgendem Text? Fabel, Parabel, Märchen? Begründe.
Kleine Fabel
»Ach«, sagte die Maus, »die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.« – »Du musst nur die Laufrichtung ändern«, sagte die Katze und fraß sie.
(Franz Kafka)
Texte
- Aesop (6. Jh vor Christus): Fabeln
- Jean de La Fontaine (1621-1695): Fabeln
- G.E.Lessing: Abhandlung über die Fabel
- insbesondere: Kapitel V Von einem besondern Nutzen der Fabeln in den Schulen - Ausführungen zum Prinzip der didaktischen Reduktion und einigen recht konkreten Unterrichtsvorschlägen !
- "Die Mühe [...] kann sich der Lehrer ersparen, [...] indem er die Geschichte derselben bald eher abbricht, bald weiter fortfährt, bald diesen oder jenen Umstand derselben so verändert, daß sich eine andere Moral darin erkennen läßt."
- Ders.: Ausgewählte Fabeln (1759)
Bekannte Fabeln in englischer Fassung
- Bringing Yesterday's Classics to Today's Children Fairy Stories and Fables
Weblinks
- Fabeln - verkleidete Wahrheiten Alles über Fabeln für die Schule bei www.UdoKlinger.de
- Fabel - Informationen zur Geschichte und Textsorte mit zahlreichen Beispieltexten (teachsam.de)