Nachricht für neue Nutzer.
Nachricht für engagierte Nutzer.

Benutzerin:Sabine Häcker/BeruflicheBildung/Gesellen auf Wanderschaft: Unterschied zwischen den Versionen

Aus ZUM-Unterrichten
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 28: Zeile 28:


Text: Sabine Häcker  
Text: Sabine Häcker  
[[Datei:Abb. aus- Leo Bergmann- Das Buch der Arbeit. Leipzig 1854, S. 8..png|mini|"Lebewohl!" - Ein Handwerksgeselle verabschiedet sich, um auf Wanderschaft zu gehen. (Abb. von 1854)]]
[[Datei:Abb. aus- Leo Bergmann- Das Buch der Arbeit. Leipzig 1854, S. 8..png|mini|"Lebewohl!" - Ein Handwerksgeselle verabschiedet sich, um auf Wanderschaft zu gehen. Er trägt einen Hut sowie einen Tornister und hat einen gedrehten Stock dabei.(Abb. von 1854)]]
'''Worterklärungen:'''  
'''Worterklärungen:'''  



Version vom 20. September 2025, 10:44 Uhr

Der Rolandschacht feiert sein 125jähriges Bestehen (am 15.05. 2016 in Bremen). Wann war das Gründungsjahr des Rolandschachtes?
Im Hintergrund ist der Bremer Roland zu sehen, der dem Schacht seinen Namen gab. Welche Farbe ist das Erkennungszeichen des Rolandschachts?

-> Diese Seite ist noch in Bearbeitung!

Als Handwerker auf Wanderschaft

Manchmal sieht man in der Stadt Menschen mit einem schwarzen Hut und einer ausgestellten Cordhose, die wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten wirken. Dahinter steckt eine alte Tradition, die eine interessante Form der Weiterbildung und Lebenserfahrung für junge Handwerker bietet - und deshalb mit diesem Material vorgestellt werden soll.

Die Geschichte der Gesellenwanderschaft

Die Wanderschaft entstand wahrscheinlich im 14. Jahrhundert durch das Aufblühen der Städte. Im 15. Jahrhundert wurde durch die allgemeine Bevölkerungsentwicklung das ursprüngliche Zahlenverhältnis zwischen Meistern und Gesellen gestört und nun wurde die Wanderschaft zum festen Bestandteil einer jeden Gesellenausbildung. Nach den Regeln der Zünfte war sie eine Voraussetzung, um Meister werden zu können. Das Wanderschaftsgebot sollte einerseits drohende Arbeitslosigkeit von den Gesellen abwenden, andererseits die Zahl der ansässigen Meister regulieren. Ein gemeiner Geselle musste mindestes zwei Jahre auf Wanderschaft gehen, der Sohn eines Meisters - dessen Arbeitsplatz gesichert war - nur ein Jahr. Später wurde aus den gleichen Gründen die sog. Mutzeit eingeführt, eine zusätzliche Wartezeit, während der ein heimgekehrter Geselle in der Stadt, in welcher er Meister werden wollte, als Geselle arbeiten musste. Noch später wurden immer aufwändigere (und privat zu finanzierende) Meisterstücke gefordert, die nur von begüterten Gesellen geleistet werden konnten, um die Anzahl der Meister konstant zu halten.

Abgesehen von diesen Machtinteressen war die Wanderschaft eine besondere Zeit für jeden jungen Handwerker. Im Laufe der Zeit verselbstständigte sich die Gesellenwanderschaft, es bildeten sich Gesellenverbindungen, die sich von den Zünften lösten und teilweise zu einer ernst zu nehmenden Opposition wurden. Durch die Mobilität der Gesellen und ihren Zusammenhalt hatten sie ein ausgezeichnetes Kommunikationsnetz. Gab es z. B. Konflikte mit einem bestimmten Meister, wurde er "verrufen" - d. h. dass kein Geselle mehr bei ihm arbeitete. Auch eine ganze Stadt konnte verrufen werden.

Anfang des 16. Jahrhunderts setzten die Gesellen den blauen Montag durch: Montags hattes sie frei und nutzen diesen Tag als Versammlungstag, Gerichtstag, Flicktag, Badetag, Zechtag und Wandertag. Montags zog man weiter und wurde von den Mitgesellen bis vor das Stadttor oder bis ins nächste Dorf begleitet, wo der Abschied mit viel Alkohol begossen wurde. (Von dem "blauen Montag" stammt wahrscheinlich die Redewendung "blau machen".)

Um sich vor "unechten Gesellen", die mit dem Handwerk nichts zu tun hatten, zu schützen, gab es geheime Sprüche und Verhaltensweisen, mit denen sich ein Geselle gegenüber der Bruderschaft und Zunft als ein Mitglied derselben ausweisen konnte. Wenn z. B. junger Mann bei einem Schlosser um Arbeit vorsprach und gefragt wurde: "Sind Sie Schlosser?", dann musste der antworten: "Ein Stück davon!" Wenn jemand mit "Ja." antwortete, verriet das, dass er kein rechter Schlosser war.

Als "Versicherung" für Notfälle trugen die Gesellen auf Wanderschaft einen wertvollen Ohrring. Im Falle von Krankheit oder Tod konnte davon davon die Medizin oder das Begräbnis bezahlt werden. Wenn ein Geselle sich etwas zu Schulden kommen lassen und sich unehrbar verhalten hatte, wurde ihm von anderen Gesellen der Ohrring aus dem Ohr gerissen. Er war dann ein Schlitzohr und es war für jeden sichtbar, dass er sich fehlverhalten hatte.

Im 17. - 19. Jahrhundert wurden die starren Regeln der Zünfte und die ständisch geordnete Gesellschaft nach und nach abgeschafft. Die fortschreitende Industrialisierung und die Gewerbefreiheit führten dazu, dass immer mehr Werkstätten verschwanden, die Arbeit von Fabriken übernommen wurde und das Proletariat entstand. Ein Großteil der Handwerker wurde in dieser Zeit Fabrikarbeiter. Die Wanderschaft verlor an Bedeutung und die Gesellenbruderschaften lösten sich auf. Einige gingen in die konfessionellen Gesellenvereine, z. B. die Kolpingbrüder. Zwar gab es vereinzelt noch Gesellen, die auf Tippelei gingen, doch statt zünftigen Gesellen waren oftmals Vagabunden unterwegs.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Wanderschaft wieder beliebt und es wurden Gesellenburschenschaften gegründet. Sie wurden Schächte genannt. Die Wanderschaft bekam ein romantisch verklärtes Image, dass die Romantiker ihr angedichtet hatten und das zu der jugendlichen Idealisierung von Naturverbundenheit in dieser Zeit passte. Traditionell waren alle Handwerksgewerke auf Wanderschaft gegangen, doch nun konzentrierte sich die Wanderschaft auf das Bauhandwerk. Das Bauhandwerk war weniger von der maschinellen Produktion weniger bedroht, die Branche boomte, zudem war der Kapitalbedarf zur Gründung eines eigenen Betriebs besonders hoch. In den neu gegründeten Schächten galten alte (oder für alt gehaltene) Regeln: Das Reisegepäck darf nur aus einem Rosshaartornister oder einem Bündel bestehen, man braucht einen gedrehten Wanderstock, trägt einen Schlips (der Ehrbarkeit genannt wird und farblich ein Erkennungszeichen des Schachts, zu dem man gehört, ist) und ein weißes Hemd und ausgestellten Cordhosen. Die ausgestellten Hosenbeine haben wohl den Grund, dass dadurch verhindert wird, dass Späne u. ä. bei der Arbeit in die Schuhe geraten.

Später, während der Zeit des Nationalsozialismus 1933-45, gingen immer weniger Gesellen auf Wanderschaft, denn den Nationalsozialisten waren die freiheitsliebenden, gewerkschaftsnahen Verbände ein Dorn im Auge. In der Nachkriegszeit verzeichneten die Schächte für einige Jahre einen hohen Mitgliederzuwachs, denn in den Aufbaujahren war Mobilität gefragt. In der DDR dann waren die Schächte dem Regime verdächtig und sie wurden verboten. In der BRD war nahm die Gesellenwanderung mit der Zeit des Wirtschaftswunders, ab den 1950er Jahren, ab, denn es gab für Handwerker keinen Grund mehr., auf die Walz zu gehen. Man konnte es am schnellsten zu etwas bringen, wenn man zu Hause blieb.

In den 1970er Jahren stand das Gesellenwandern in ganz Europa vor dem Aussterben. Doch dann erlebte die Tradition einen unverhofften Aufschwung: Mit dem Entstehen der Alternativbewegung wurde die Wanderschaft als eine Lebens- und Arbeitsform gesehen, die als persönliche Bereicherung und berufliche Qualifikation gesehen wurde. Auch alte Traditionen waren wieder Mode. Als wandernder Geselle oder Gesellin trägt man einen Hut und nimmt ihn nur zum Essen, in der Kirche und privat ab. Beim Erwandern, beim Beginn der Wanderschaft, bekommt man einen Ohrring -und wer sich traut, bekommt ihn zünftig mit Hammer und Nagel verpasst. Wenn man seinen Heimatort verlässt, muss man über das Ortsschild klettern. Dann darf man sich dem Heimatort für die Dauer der Wanderschaft nicht mehr als 50 km nähern. Die Wanderzeit beträgt heute 2-3 Jahre.


Text: Sabine Häcker

"Lebewohl!" - Ein Handwerksgeselle verabschiedet sich, um auf Wanderschaft zu gehen. Er trägt einen Hut sowie einen Tornister und hat einen gedrehten Stock dabei.(Abb. von 1854)

Worterklärungen:

  • Als Geselle wird heute ein Handwerker bezeichnet, der seine Ausbildung abgeschlossen hat, aber (noch) kein Meister ist.
  • Früher waren die Handwerker und Handwerksbetriebe in Zünften organisiert, die strenge und starre Regeln hatten.
  • ansässig = am Ort lebend
  • gemein bedeutete früher einfach, schlicht
  • flicken = Kleidung reparieren
  • zechen = viel Alkohol trinken
  • blau machen = nicht zur Arbeit oder nicht zur Schule gehen
  • er war ein rechter Mann = von: das Recht; richtig im Sinne des Gesetzes und der vorherrschenden Moral
  • das Schlitzohr = kleiner Betrüger (der Ausdruck ist auch heute noch gebräuchlich)
  • das Proletariat = Klasse der Arbeiter ohne Ausbildung, Lohnarbeiter
  • der Vagabund = ein umherziehender Mensch ohne festen Wohnsitz und gesellschaftliche Anbindung (früher auch Landstreicher genannt)
  • der Tornister = der Ranzen (vgl. Schulranzen), eine Tasche aus festem Material für den Rücken
  • die Gewerkschaft = Interessensvertretung von Arbeitnehmern
  • es zu etwas bringen = erfolgreich sein

Aufgabe

  1. Lest den Text gemeinsam und klärt, was schwierig zu verstehen ist.
  2. Stelle die Inhalte aus dem Text als Mindmap dar!
  3. Wann waren Phasen, in denen die Gesellenwanderung boomte, und warum? Wann waren Phasen, als sie bedeutungslos wurde und warum? Könnt ihr das an der Tafel in einem Schaubild visualisieren?
  4. Erkläre, woher diese Begriffe in diesen Beispielsätzen kommen: Claudia hat gestern, beim Sportfest, blau gemacht. / Karl ist ein echtes Schlitzohr. / Frau Müller ist sehr bewandert in Lebensmittelchemie. / Arda ist erfahren darin, Partys zu organisieren.
  5. Besprecht mit eurer Lehrerin den Unterschied zwischen einem Gesellen und einem Meister.
  6. Was an der Wanderschaft spricht dich persönlich an, was nicht?

Gesellenwanderschaft heute

Text und Aufgaben werden noch eingestellt ... folgt demnächst!

Literatur

  • Bohnenkamp, Anne und Möbus, Frank: Mit Gunst und Verlaub! Wandernde Handwerker: Tradition und Alternative. 1992.
  • Lembke, Grit: Die Kultur der Wandergesellen im 20. Jahrhundert - eine deutende Analyse. Universität Leipzig 1993.