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Benutzerin:Sabine Häcker/BeruflicheBildung/Gesellen auf Wanderschaft: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:125 Jahre Rolandschacht (15. 05. 2016, vor dem Bremer Rathaus) .jpg|mini|Der Rolandschacht feiert sein 125jähriges Bestehen (am 15.05. 2026 in Bremen).]]
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[[Datei:Rolandbrüder vor dem Roland (am Bremer Rathaus) am 15.05.2026.jpg|mini|Im Hintergrund ist der Bremer Roland zu sehen, der dem Rolandschacht seinen Namen gab. ''Welche Farbe ist das Kennzeichen von diesem Schacht?'']]
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Als Handwerker auf Wanderschaft
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== Als Handwerker auf Wanderschaft ==
Manchmal sieht man in der Stadt Menschen mit einem schwarzen Hut und einer ausgestellten Cordhose, die wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten wirken. Dahinter steckt eine alte Tradition, die eine interessante Form der Weiterbildung und Lebenserfahrung für junge Handwerker bietet - und deshalb mit diesem Material vorgestellt werden soll.
 
Das Lernen durch die Wanderschaft hat übrigens mit Wörtern wie ''er-fahren'' und ''be-wandert'' auch in unsere Sprache Eingang gefunden!
 
=== Die Geschichte der Gesellenwanderschaft ===
Die Wanderschaft entstand ungefähr im 15. Jahrhundert als "Arbeitsbeschaffungsmaßnahme". Durch die allgemeine Bevölkerungsentwicklung wurde das ursprüngliche Zahlenverhältnis zwischen Meistern und Gesellen gestört. Die Wanderschaft wurde zum festen Bestandteil einer jeden Gesellenausbildung und war nach den Regeln der Zunft eine Voraussetzung, um Meister werden zu können. Das Wanderschaftsgebot sollte einerseits drohende Arbeitslosigkeit von den Gesellen abwenden, andererseits die Zahl der ansässigen Meister regulieren. Ein "gemeiner Geselle" musste mindestes zwei Jahre auf Wanderschaft gehen, der Sohn eines Meisters - dessen Arbeitsplatz gesichert war - nur ein Jahr. Später wurde aus den gleichen Gründen die sog. "Mutzeit" eingeführt, eine zusätzliche Wartezeit, während der ein heimgekehrter Geselle in der Stadt, in welcher er Meister werden wollte, als Geselle arbeiten musste. Noch später wurden immer aufwändigere (und privat zu finanzierende) Meisterstücke gefordert, die nur von begüterten Gesellen geleistet werden konnten, um die Anzahl der Meister konstant zu halten. 
 
Abgesehen von diesen Machtinteressen war die Wanderschaft eine besondere Zeit für den einzelnen jungen Handwerker. Im Laufe der Zeit verselbstständigte sich die Gesellenwanderschaft, es bildeten sich Gesellenverbindungen, die sich von den Zünften lösten und teilweise zu einer ernst zu nehmenden Opposition wurden. Durch die Mobilität der Gesellen und ihren Zusammenhalt hatten sie ein ausgezeichnetes Kommunikationsnetz. Gab es z. B. Konflikte mit einem bestimmten Meister, wurde er "verrufen" - d. h. dass kein Geselle mehr bei ihm arbeitete. Auch eine ganze Stadt konnte verrufen werden.
 
Anfang des 16. Jahrhunderts setzten die Gesellen den "blauen Montag" durch: Montags hattes sie frei und nutzen diesen Tag als Versammlungstag, Gerichtstag, Flicktag, Badetag, Zechtag und Wandertag. Montags zog man weiter und wurde von den Mitgesellen bis vor das Stadttor oder bis ins nächste Dorf begleitet, wo der Abschied mit viel Alkohol begossen wurde. (Von dem "blauen Montag" stammt wahrscheinlich die Redewendung "blau machen".)
 
Um sich vor "unechten Gesellen", die mit dem Handwerk nichts zu tun hatten, zu schützen, gab es geheime Sprüche und Verhaltensweisen, mit denen sich ein Geselle gegenüber der Bruderschaft und Zunft als ein Mitglied derselben ausweisen konnte. Wenn z. B. junger Mann bei einem Schlosser um Arbeit vorsprach und gefragt wurde: "Sind Sie Schlosser?", dann musste der antworten "Ein Stück davon!" Wenn jemand mit "Ja." antwortete, verriet das, dass er kein rechter Schlosser war.
 
Im 17. - 19. Jahrhundert wurden die starren Regeln der Zünfte und die ständisch geordnete Gesellschaft nach und nach abgeschafft. Die fortschreitende Industrialisierung und die Gewerbefreiheit führten dazu, dass immer mehr Werkstätten verschwanden, die Arbeit von Fabriken übernommen wurde und das Proletariat entstand. 
 
 
'''Worterklärungen:'''
 
* Als ''Geselle'' wird heute ein Handwerker bezeichnet, der seine Ausbildung abgeschlossen hat, aber (noch) kein Meister ist.
* Früher waren die Handwerker und Handwerksbetriebe in ''Zünften'' organisiert, die strenge und starre Regeln hatten.
* ''ansässig'' = am Ort lebend
* ''gemein'' bedeutete früher ''einfach, schlicht''
* ''zechen'' = viel Alkohol trinken
* ''blau machen'' = nicht zur Arbeit oder nicht zur Schule gehen
* er war ein ''rechter'' Mann - von: das Recht; richtig im Sinne des Gesetzes und der vorherrschenden Moral 
 
 
 
== Literatur ==
Bohnenkamp, Anne und Möbus, Frank: Mit Gunst und Verlaub! Wandernde Handwerker: Tradition und Alternative. 1992.
 
Lembke, Grit: Die Kultur der Wandergesellen im 20. Jahrhundert - eine deutende Analyse. Universität Leipzig 1993.
[[Kategorie:Berufliche Orientierung]]
[[Kategorie:Berufliche Orientierung]]

Version vom 20. September 2025, 07:37 Uhr

Der Rolandschacht feiert sein 125jähriges Bestehen (am 15.05. 2016 in Bremen).
Im Hintergrund ist der Bremer Roland zu sehen, der dem Schacht seinen Namen gab. Welche Farbe ist das Kennzeichen des Rolandschachts?

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Als Handwerker auf Wanderschaft

Manchmal sieht man in der Stadt Menschen mit einem schwarzen Hut und einer ausgestellten Cordhose, die wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten wirken. Dahinter steckt eine alte Tradition, die eine interessante Form der Weiterbildung und Lebenserfahrung für junge Handwerker bietet - und deshalb mit diesem Material vorgestellt werden soll.

Das Lernen durch die Wanderschaft hat übrigens mit Wörtern wie er-fahren und be-wandert auch in unsere Sprache Eingang gefunden!

Die Geschichte der Gesellenwanderschaft

Die Wanderschaft entstand ungefähr im 15. Jahrhundert als "Arbeitsbeschaffungsmaßnahme". Durch die allgemeine Bevölkerungsentwicklung wurde das ursprüngliche Zahlenverhältnis zwischen Meistern und Gesellen gestört. Die Wanderschaft wurde zum festen Bestandteil einer jeden Gesellenausbildung und war nach den Regeln der Zunft eine Voraussetzung, um Meister werden zu können. Das Wanderschaftsgebot sollte einerseits drohende Arbeitslosigkeit von den Gesellen abwenden, andererseits die Zahl der ansässigen Meister regulieren. Ein "gemeiner Geselle" musste mindestes zwei Jahre auf Wanderschaft gehen, der Sohn eines Meisters - dessen Arbeitsplatz gesichert war - nur ein Jahr. Später wurde aus den gleichen Gründen die sog. "Mutzeit" eingeführt, eine zusätzliche Wartezeit, während der ein heimgekehrter Geselle in der Stadt, in welcher er Meister werden wollte, als Geselle arbeiten musste. Noch später wurden immer aufwändigere (und privat zu finanzierende) Meisterstücke gefordert, die nur von begüterten Gesellen geleistet werden konnten, um die Anzahl der Meister konstant zu halten.

Abgesehen von diesen Machtinteressen war die Wanderschaft eine besondere Zeit für den einzelnen jungen Handwerker. Im Laufe der Zeit verselbstständigte sich die Gesellenwanderschaft, es bildeten sich Gesellenverbindungen, die sich von den Zünften lösten und teilweise zu einer ernst zu nehmenden Opposition wurden. Durch die Mobilität der Gesellen und ihren Zusammenhalt hatten sie ein ausgezeichnetes Kommunikationsnetz. Gab es z. B. Konflikte mit einem bestimmten Meister, wurde er "verrufen" - d. h. dass kein Geselle mehr bei ihm arbeitete. Auch eine ganze Stadt konnte verrufen werden.

Anfang des 16. Jahrhunderts setzten die Gesellen den "blauen Montag" durch: Montags hattes sie frei und nutzen diesen Tag als Versammlungstag, Gerichtstag, Flicktag, Badetag, Zechtag und Wandertag. Montags zog man weiter und wurde von den Mitgesellen bis vor das Stadttor oder bis ins nächste Dorf begleitet, wo der Abschied mit viel Alkohol begossen wurde. (Von dem "blauen Montag" stammt wahrscheinlich die Redewendung "blau machen".)

Um sich vor "unechten Gesellen", die mit dem Handwerk nichts zu tun hatten, zu schützen, gab es geheime Sprüche und Verhaltensweisen, mit denen sich ein Geselle gegenüber der Bruderschaft und Zunft als ein Mitglied derselben ausweisen konnte. Wenn z. B. junger Mann bei einem Schlosser um Arbeit vorsprach und gefragt wurde: "Sind Sie Schlosser?", dann musste der antworten "Ein Stück davon!" Wenn jemand mit "Ja." antwortete, verriet das, dass er kein rechter Schlosser war.

Im 17. - 19. Jahrhundert wurden die starren Regeln der Zünfte und die ständisch geordnete Gesellschaft nach und nach abgeschafft. Die fortschreitende Industrialisierung und die Gewerbefreiheit führten dazu, dass immer mehr Werkstätten verschwanden, die Arbeit von Fabriken übernommen wurde und das Proletariat entstand.


Worterklärungen:

  • Als Geselle wird heute ein Handwerker bezeichnet, der seine Ausbildung abgeschlossen hat, aber (noch) kein Meister ist.
  • Früher waren die Handwerker und Handwerksbetriebe in Zünften organisiert, die strenge und starre Regeln hatten.
  • ansässig = am Ort lebend
  • gemein bedeutete früher einfach, schlicht
  • zechen = viel Alkohol trinken
  • blau machen = nicht zur Arbeit oder nicht zur Schule gehen
  • er war ein rechter Mann - von: das Recht; richtig im Sinne des Gesetzes und der vorherrschenden Moral


Literatur

Bohnenkamp, Anne und Möbus, Frank: Mit Gunst und Verlaub! Wandernde Handwerker: Tradition und Alternative. 1992.

Lembke, Grit: Die Kultur der Wandergesellen im 20. Jahrhundert - eine deutende Analyse. Universität Leipzig 1993.