Texterschließung: Fragen stellen

Aus ZUM-Unterrichten
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Fragen stellen, eine Typologie

Fragen und Antworten sind wesentliche, aber auch problematische Bestandteile von Lernprozessen!

Es gibt:

➙ Leitfragen:  analytische Wegweiser, in denen die Lehrkraft eine Richtung vorgibt
➙  Fragen mit Aufforderungscharakter: Unterstreichen, herausschreiben, Randbemerkungen eintragen, diskutieren, erläutern, erklären, zusammenfassen  
➙ Fragen mit Entscheidungscharakter: Vergleichen, bewerten, auswählen ...
➙ offene Fragen: Was haltet ihr davon? Was sollte eurer Ansicht nach geschehen? Wie können wir das bewerten?
➙ Fragen mit Kontrollcharakter: Wie schreibt man Rhythmus? Wie heißt der Verfasser? Wie lautet nochmal die Mitternachtsformel?
➙ Fragen mit Disziplinierungscharakter: Kannst du mir kurz den Begriff ‚Katharsis‘ definieren? („Aha, kannst du nicht, ich habe schon gemerkt, dass du nicht aufgepasst hast.“)

Statement: „Die Lehrerfrage ist durch eine unnatürliche Künstlichkeit gekennzeichnet.“ (Hilbert Meyer: Unterrichtsmethoden. Praxisband Cornelsen 2000 S. 205)

Es gibt also Fragen
  1. die die Lehrkraft den Schülern stellt,
  2. die die Lehrkraft sich selbst und den Schülern stellt,
  3. die die Schüler sich selbst stellen - und zu beantworten versuchen.
zu Fragetyp 1: Das kommt am meisten vor,
zu Fragetyp 2: Das ist eher selten, kann aber sehr produktiv sein,
zu Fragetyp 3: Darauf sollte hingearbeitet! Es geht darum, selbstständige Frageroutinen zu etablieren.

Inhaltsbezogen oder inhaltsunabhängig?

Das Ziel: Selbstständige Frageroutinen etablieren

Inhaltsbezogene Fragen

Dies ist der wohl verbreitetste Aufgabentyp in unterrichtlichen Lesesituationen.

Ein Beispiel: Fragen zu einem Schulbuchtext für Klasse 8:

  1. Was für Leute sind gestern in der Wirtschaft „Zur Traube“ zusammengekommen?
  2. Was für eine Versammlung war das?
  3. Worüber haben die Leute gesprochen?
  4. Von wem haben die Kleingärtner Kündigungsschreiben erhalten?
  5. Was will die Stadt mit dem Grund machen?
  6. Was wollen die Kleingärtner mit ihren Gärten?
  7. Was hat der Vorsitzende den Mitgliedern vorgeschlagen?
  8. Wie haben die Mitglieder den Vorschlag angenommen?
  9. Was hat der Vorstand danach gemacht?
Aus dem Fundus der Vorarbeiten für das ZUM-Portal
Überlegung: 
Welche Fertigkeiten übt der Schüler, wenn er diese Fragen beantwortet?
Was nehmen diese Fragen dem Schüler an Verstehensleistung ab?
Welche Leistungen sind erst gar nicht verlangt?

These: Dieser Fragetyp bewirkt vor allem,

  • dass der Schüler ein Gespür entwickelt, was genau der Frager/die Lehrkraft hören will,
  • dass der Schüler meint, mit Mini- und Ein-Wort-Sätzen antworten zu dürfen,
  • dass der Schüler keine übertragbaren, selbstständigen Fragestrategien entwickelt.

Die Alternative: inhaltsunabhängige Fragen

Zum Beispiel so:

  • „Lies die Überschrift, lies die Zwischenüberschriften, beachte auffällig gedruckte Textteile, beachte die äußere Form, betrachte die Illustration, suche Verfassername, Veröffentlichungsort/zeit usw. und leite daraus erste Überlegungen zum Inhalt und Absicht des Textes ab."
  • ”Lies nun den gesamten Text und beantworte folgende W-Fragen:"
  1. Wer richtet sich hier an den Leser?
  2. Welches Thema, welche Frage wird im Text angesprochen (oder: Worüber wird gesprochen?)
  3. Um wen oder was geht es deines Erachtens im Text?
  4. Was sind die deiner Ansicht nach wichtigsten Aussagen bzw. Schlussfolgerungen?
  5. Wie kommt der Verfasser zu diesen Aussagen?
  6. Lassen sich Gedankenschritte unterscheiden?

• Markiere im Text / am Rand, wo die Antworten auf diese W-Fragen stehen.

• Gestalte Deine Informationen/ Erkenntnisse über den Textinhalt in einer Tabelle, einer Spiegelstrich-Liste, einer Inhaltszusammenfassung, einer Stellungnahme usw..  

Solche textunabhängigen („strategischen“) Fragen

  • haben mehr Aufforderungscharakter,
  • können den Leseprozess effektiver strukturieren
  • können eine Arbeitsroutine etablieren, die auch auf andere Leseprozesse anwendbar ist (→ „selbstreguliertes Lernen“)

Abschließend

Die Texterfassungs-Routinen können noch verkürzt und fachspezifisch variiert werden. Für den Lesekontext „Deutschunterricht“ sind standardisierte Frageketten folgender Art leicht merkbar:

  • Wer sagt was - aus welchem Anlass - wie - zu wem - mit welcher Absicht? (Pragmatische Texte)
  • Wer spricht - worüber - in welcher Situation - auf welche Weise - mit welcher Absicht? (Literarische Texte)

Zum Nachlesen:

  • Gerard Westhoff, Fertigkeit Lesen, Langenscheidt 2007 S.18ff,
  • Gisela Beste (Hrsg.), Deutsch Methodik, Cornelsen 2007 S. 19f
  •  Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.), PISA 2000, Leske+Budrich 2001 S. 272ff

Siehe auch