Die Theorie von Thünen 1826

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Version vom 23. Januar 2017, 23:35 Uhr von Karl Kirst (Diskussion | Beiträge) (Formatierung dem Original in der ZUM-Classic angeglichen (Grafiken fehlen noch))

Annahmen:

  • der Staat hat eine kreisrunde Form
  • er ist von der übrigen Welt angeschlossen
  • die Naturfaktoren sind überall gleich (gleiche Bodenart, gleiches Klima, eine große Ebene, keinerlei schiffbare Gewässer
  • der Staat liegt in der gemäßigten Zone
  • der Absatzmarkt ist eine Stadt im Zentrum des Staates
  • die Landwirtschaft wird nach mitteleuropäischer Art betrieben, sämtliche Landgüter sind gleich groß
  • alleiniges Transportmittel ist der Wagen, wobei die Straßen gerade auf das Zentrum zuführen
  • alle Landwirte haben den gleichen hohen Bildungsstand
  • die Landwirte wirtschaften nach dem ökonomischen Prinzip. Das Ziel ist ein möglichst hoher Reinertrag

Folgerungen:

  • für den in der Stadt erzielten Gewinn sind die Transportkosten entscheidend
  • da die Transportkosten mit der Entfernung zum Absatzmarkt steigen, müssen am Rand des Staates solche Produkte erzeugt werden, die im Verhältnis zu ihrem Wert geringe Transportkosten verursachen und die nicht leicht verderben
  • im Zentrum hingegen müssen Produkte erzeugt werden, die leicht verderblich sind bzw. frisch auf den markt gelangen sollen und solche, auf die hohe Transportkosten entfallen

Das Modell:

Um den Absatzmarkt ergeben sich konzentrische Ringe mit nach außen abnehmender landwirtschaftlicher Intensität

1 Freie Wirtschaft: Es werden Produkte erzeugt, die keinen weiten Transportweg vertragen, z. B. Gemüse, Blumen, Milch. Da Dünger in beliebiger Menge zur Verfügung steht, kann sehr intensiv gewirtschaftet werden. Erwerbsgartenbau. 2 Forstwirtschaft, da der Transport des Nutzholzes teuer ist.

3 Fruchtwechselwirtschaft. Wechsel von Halmenfrüchten (Getreide) und Blattfrüchten (Futterpflanzen)

4 Koppelwirtschaft. Eine Art Feldgraswirtschaft, bei der das Land abwechselnd bebaut und beweidet wird.

5 Dreifelderwirtschaft mit Brache

6 Viehzucht als Weidewirtschaft. Vieh wird vor dem Verbrauch im innersten Ring gemästet.


Vergleich Modell - Wirklichkeit

Gartenbauzonen in der Nähe großer Städte (Erwerbsgartenbau)

Knoblauchsland bei Nürnberg, Hamburg, Frankfurt, Stuttgart

Die Intensität des Erwerbsgartenbaus:

  • hohe Arbeitsintensität auf der Beetflur mit viel Handarbeit, häufig kleine Betriebe (2 - 3 ha sind viel), der Direktabsatz spielt eine gewisse Rolle
  • hohe Flächenintensität (während einer Vegetationsperiode mehrere Anbauprodukte auf einem Feld)
  • hohe Kapitalintensität (Gewächshäuser, Berieselungs- und Beregnungsanlagen, Spezialtraktoren usw.)

Die Abbildung stammt aus dem Programm "Das Thünensche Modell" der Didaktik der Geographie, Nürnberg

Dairy Belt und Truck in den USA

Die Anbauzonen Argentiniens

Die mittelalterlichen Stadtwälder (Nürnberger Reichswald)

Kritik am ursprünglichen Ansatz:

  • Es gibt kein Land mit überall gleichen Naturvoraussetzungen
  • Es gibt keine große Stadt, die nicht an einem Fluß liegt
  • Es gibt keinen Staat mit nur einer Stadt

Bedeutungsverlust der Theorie:

Der Distanzfaktor spielt heute keine entscheidende Rolle mehr:

  • Durch den Fortschritt im Transportwesen wurde der Zeit- und Kostenaufwand stark reduziert. Verderbliche Güter können auch in großer Marktferne produziert werden.
  • Durch Kühlwagen und Konservierungsmöglichkeiten werden Transport, Umschlag und Lagerung stark erleichtert. Entscheidend für die Produktion sind heute die Ausstattung mit Naturfaktoren und der sich u. U. daraus ergebende Saisonvorteil (Tomaten aus Spanien und Israel).
  • Die Abgeschlossenheit wird durch die zunehmende Öffnung des Agrarmarktes aufgehoben (siehe EU), der Direktabsatz spielt heute eine geringe Rolle.
  • Der direkte Absatzmarkt sind die Nahrungsmittelindustrie, der Groß- und Einzelhandel.
  • Es gibt keinen punkthaften städtischen Markt, da die nichtlandwirtschaftliche Bevölkerung heute flächenhaft überwiegt.