Märchenvergleich/Der Froschkönig

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Der Froschkönig

DBPB 1966 295 Froschkönig

Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich
ist ein Märchen der Brüder Grimm, das in recht unterschiedlichen Fassungen erhalten ist, die sich zum Vergleich eignen. Hier geht es vor allem um die Anfänge. Man kann den Vergleich aber für die Fassungen von 1812 und 1857 auch auf die vollständigen Märchen ausdehnen.

Vergleiche

Fassung von 1810

Die jüngste Tochter des Königs ging hinaus in den Wald, und setzte sich an einen kühlen Brunnen. Darauf nahm sie eine goldene Kugel und spielte damit, als diese plötzlich in den Brunnen hinabrollte. Sie sah wie sie in die Tiefe fiel und stand an dem Brunnen und war sehr traurig. Auf einmal streckte ein Frosch seinen Kopf aus dem Waßer und sprach: warum klagst du so sehr.

Handschriftliche Fassung von 1810 nach Steffen Martus: Die Brüder Grimm, Berlin 2009, S. 217

Fassung von 1812

Es war einmal eine Königstochter, die ging hinaus in den Wald und setzte sich an einen kühlen Brunnen. Sie hatte eine goldene Kugel, die war ihr liebstes Spielwerk, die warf sie in die Höhe und fing sie wieder in der Luft und hatte ihre Lust daran. Einmal war die Kugel gar hoch geflogen, sie hatte die Hand schon ausgestreckt und die Finger gekrümmt, um sie wieder zufangen, da schlug sie neben vorbei auf die Erde, rollte und rollte und geradezu in das Wasser hinein. Die Königstochter blickte ihr erschrocken nach, der Brunnen war aber so tief, daß kein Grund zu sehen war. Da fing sie an jämmerlich zu weinen und zu klagen: „ach! wenn ich meine Kugel wieder hätte, da wollt’ ich alles darum geben, meine Kleider, meine Edelgesteine, meine Perlen und was es auf der Welt nur wär’.“ Wie sie so klagte, steckte ein Frosch seinen Kopf aus dem Wasser und sprach: „Königstochter, was jammerst du so erbärmlich?“ – „Ach, sagte sie, du garstiger Frosch, was kannst du mir helfen! meine goldne Kugel ist mir in den Brunnen gefallen.“

Kinder- und Haus-Märchen Band 1, 1. Aufl. 1812, S. 1-2 nach Wikisource

Fassung von 1857

In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, lebte ein König, dessen Töchter waren alle schön, aber die jüngste war so schön, daß die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hat, sich verwunderte so oft sie ihr ins Gesicht schien. Nahe bei dem Schlosse des Königs lag ein großer dunkler Wald, und in dem Walde unter einer alten Linde war ein Brunnen: wenn nun der Tag recht heiß war, so ging das Königskind hinaus in den Wald und setzte sich an den Rand des kühlen Brunnens: und wenn sie Langeweile hatte, so nahm sie eine goldene Kugel, warf sie in die Höhe und fieng sie wieder; und das war ihr liebstes Spielwerk.

Nun trug es sich einmal zu, daß die goldene Kugel der Königstochter nicht in ihr Händchen fiel, das sie in die Höhe gehalten hatte, sondern vorbei auf die Erde schlug und geradezu ins Wasser hinein rollte. Die Königstochter folgte ihr mit den Augen nach, aber die Kugel verschwand, und der Brunnen war tief, so tief daß man keinen Grund sah. Da fieng sie an zu weinen und weinte immer lauter und konnte sich gar nicht trösten. Und wie sie so klagte, rief ihr jemand zu „was hast du vor, Königstochter, du schreist ja daß sich ein Stein erbarmen möchte.“ Sie sah sich um, woher die Stimme käme, da erblickte sie einen Frosch, der seinen dicken häßlichen Kopf aus dem Wasser streckte. „Ach, du bists, alter Wasserpatscher,“ sagte sie, „ich weine über meine goldene Kugel, die mir in den Brunnen hinab gefallen ist.“

Kinder- und Haus-Märchen Band 1 7. Aufl. 1857, S. 1 nach Wikisource

Fragen zum Vergleich
  1. Wie kommt es, dass die Fassungen immer länger werden? Was alles verändert sich?
  2. Wie lässt sich erklären, dass die uns so vertraute Märcheneinleitung nur in einer Fassung vorkommt?
  3. Welche Märchenmotive könnt ihr finden?
  4. Findet typische Elemente für Märchen heraus und bestimmt die Fassung, die die meisten dieser Elemente enthält.

Siehe auch