Naturlyrik
Betr.: Deutsch Abitur Baden-Württemberg 2016 ff: Naturlyrik vom Sturm und Drang bis zur Gegenwart |
Denkanstöße: Was ist Natur?
Einstiege:
- Gruppe 1
- Geht ins Schulgelände und sammelt dort mindestens fünf Gegenstände, die irgendetwas mit „Natur“ zu tun haben! Stellt eure Sammlung vor und begründet eure Wahl.
- Gruppe 2
- Geht ins Schulgelände und sammelt dort fünf Gegenstände, die nichts mit „Natur“ zu tun haben! Bringt diese mit und begründet eure Wahl.
- Gruppe 3 (der Großteil des Kurses / der Klasse)
- bleibt in der Schule und stellt schriftlich (!) Vermutungen darüber an, was Gruppe 1 oder Gruppe 2 mitbringen könnte.
- Gruppe 4
- Führt in der Bibliothek und/oder im Internet Recherchen zum Begriff „Natur“ durch und einigt euch auf eine Definition.
Erweiterungen:
- Gruppe 5 (zur Erweiterung)
- Erstellt einen Wortspeicher, in dem die Wörter „Natur“ und „natürlich“ in allen erdenklichen Verbindungen vorkommen. Lässt sich das ordnen?
- Gruppe 6
- Sammelt Vergleiche, in denen Naturphänomene vorkommen, z. B. schön wie / schöner als eine Rose …. Erfindet noch welche dazu.
Was ist das / was meinen wir mit: Natur?
Natur, in vielfältiger Funktion bedeutender und häufig zentraler Gegenstand der Dichtung. Sie ist primärer Daseins- und Erlebnisraum des Menschen; zum Ausdruck seiner elementaren Empfindungen und Gefühle bedarf er, bedarf die Poesie der Naturbilder. Gerade die Lyrik lebt von Naturbildern: der ›Natureingang‹ des Minnesangs, die Naturanrufung und das Beschwören einer ursprünglichen Einheit von Mensch und Natur in der Goethezeit, der romantische Bildzauber, die ›naturmagische‹ Lyrik des 20. Jh.s.
Neben dieser gleichsam elementaren Bedeutung der N. und des Naturbilds für die Lyrik gibt es eine spezifische Naturdichtung, Dichtung, die N. thematisiert: als Objekt ästhetischer Anschauung, als Detail, als Landschaft (Barthold Heinrich Brockes, Annette v. Droste-Hülshoff, Wilhelm Lehmann, Karl Krolow u. a.), als über sich hinausweisender Ort (etwa in der allegorisierenden Naturdichtung des Barock, der symbolischen Naturauffassung Goethes und der Romantiker u. a.), als Gegenwelt zur als mangelhaft empfundenen gesellschaftlichen Wirklichkeit (in der Hirten- und Schäferdichtung und der Idylle).
Volker Meid, Sachwörterbuch zur Deutschen Literatur, Reclam, ISBN 978-3-15-018129-4
Von der richtigen und der künstlichen Natur
Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft
… Der Gesang der Vögel verkündigt Fröhlichkeit und Zufriedenheit mit seiner Existenz. Wenigstens so deuten wir die Natur aus, es mag dergleichen ihre Absicht sein oder nicht. Aber dieses Interesse, welches wir hier an Schönheit nehmen, bedarf durchaus, daß es Schönheit der Natur sei; und es verschwindet ganz, sobald man bemerkt, man sei getäuscht, und es sei nur Kunst: sogar, daß auch der Geschmack alsdann nichts Schönes, oder das Gesicht etwas Reizendes mehr daran finden kann. Was wird von Dichtern höher gepriesen, als der bezaubernd schöne Schlag der Nachtigall, in einsamen Gebüschen, an einem stillen Sommerabende, bei dem sanften Lichte des Mondes? Indessen hat man Beispiele, daß, wo kein solcher Sänger angetroffen wird, irgend ein lustiger Wirt seine zum Genuß der Landluft bei ihm eingekehrten Gäste dadurch zu ihrer größten Zufriedenheit hintergangen hatte, daß er einen mutwilligen Burschen, welcher diesen Schlag (mit Schilf oder Rohr im Munde) ganz der Natur ähnlich nachzumachen wußte, in einem Gebüsche verbarg. Sobald man aber inne wird, daß es Betrug sei, so wird niemand es lange aushalten, diesem vorher für so reizend gehaltenen Gesänge zuzuhören; und so ist es mit jedem anderen Singvogel beschaffen. Es muß Natur sein, oder von uns dafür gehalten werden, damit wir an dem Schönen als einem solchen ein unmittelbares Interesse nehmen können; noch mehr aber, wenn wir gar andern zumuten dürfen, daß sie es daran nehmen sollen, welches in der Tat geschieht, indem wir die Denkungsart derer für grob und unedel halten, die kein Gefühl für die schöne Natur haben (denn so nennen wir die Empfänglichkeit eines Interesse an ihrer Betrachtung), und sich bei der Mahlzeit oder der Bouteille am Genüsse bloßer Sinnesempfindungen halten.
Quelle: Immanuel Kant: Werke in zwölf Bänden. Band 10, Kritik der Urteilskraft § 42. Vom intellektuellen Interesse am Schönen, Frankfurt am Main 1977, S. 231-236.
- "Es muss Natur sein ..."
- Findet andere, aktuellere Beispiele für das, was Immanuel Kant hier Täuschung nennt.
Woher rührt unsere Liebe zur Natur?
Friedrich Schiller: Über naive und sentimentalische Dichtung (1795)
Es gibt Augenblicke in unserm Leben, wo wir der Natur in Pflanzen, Mineralien, Thieren, Landschaften, so wie der menschlichen Natur in Kindern, in den Sitten des Landvolks und der Urwelt, nicht weil sie unsern Sinnen wohlthut, auch nicht, weil sie unsern Verstand oder Geschmack befriedigt…, sondern bloß weil sie Natur ist, eine Art von Liebe und von rührender Achtung widmen. Jeder feinere Mensch, dem es nicht ganz und gar an Empfindung fehlt, erfährt dieses, wenn er im Freien wandelt, wenn er auf dem Lande lebt oder sich bei den Denkmälern der alten Zeiten verweilet, kurz, wenn er in künstlichen Verhältnissen und Situationen mit dem Anblick der einfältigen Natur überrascht wird. Dieses nicht selten zum Bedürfniß erhöhte Interesse ist es, was vielen unserer Liebhabereien für Blumen und Thiere, für einfache Gärten, für Spaziergänge, für das Land und seine Bewohner, für manche Produkte des fernen Alterthums u. dgl. zum Grunde liegt; Vorausgesetzt, daß weder Affektation, noch sonst ein zufälliges Interesse dabei im Spiele sei. Diese Art des Interesses an der Natur findet aber nur unter zwei Bedingungen statt. Fürs erste ist es durchaus nöthig, daß der Gegenstand, der uns dasselbe einflößt, Natur sei oder doch von uns dafür gehalten werde; zweitens, daß er (in weitester Bedeutung des Wortes) naiv sei, d. h., daß die Natur mit der Kunst im Contraste stehe und sie beschäme. Sobald das Letzte zu dem Ersten hinzukommt, und nicht eher, wird die Natur zum Naiven.
Natur in dieser Betrachtungsart ist uns nichts andres, als das freiwillige Dasein, das Bestehen der Dinge durch sich selbst, die Existenz nach eignen und unabänderlichen Gesetzen.
Diese Vorstellung ist schlechterdings nöthig, wenn wir an dergleichen Erscheinungen Interesse nehmen sollten. Könnte man einer gemachten Blume den Schein der Natur mit der vollkommensten Täuschung geben, … so würde die Entdeckung, daß es Nachahmung sei, das Gefühl, von dem die Rede ist, gänzlich vernichten. Daraus erhellet, daß diese Art des Wohlgefallens an der Natur kein ästhetisches, sondern ein moralisches ist; denn es wird durch eine Idee vermittelt, nicht unmittelbar durch Betrachtung erzeugt; auch richtet es sich ganz und gar nicht nach der Schönheit der Form. Was hätte auch eine unscheinbare Blume, eine Quelle, ein bemooster Stein, das Gezwitscher der Vögel, das Summen der Bienen u. s. w. für sich selbst so Gefälliges für uns? Was könnte ihm gar einen Anspruch auf unsere Liebe geben? Es sind nicht diese Gegenstände, es ist eine durch sie dargestellte Idee, was wir in ihnen lieben. Wir lieben in ihnen das stille schaffende Leben, das ruhige Wirken aus sich selbst, das Dasein nach eigenen Gesetzen, die innere Nothwendigkeit, die ewige Einheit mit sich selbst.
Sie sind, was wir waren, sie sind, was wir wieder werden sollen. Wir waren Natur, wie sie, und unsere Kultur soll uns, auf dem Wege der Vernunft und der Freiheit, zur Natur zurückführen.
Friedrich Schiller: Über naive und sentimentale Dichtung, 1.Kapitel (zit. nach Projekt Gutenberg)
Wozu dient sie / wem nützt sie?
Heinrich Heine: Harzreise (1824)
„Von Goslar ging ich den andern Morgen weiter ... Ich bestieg Hügel und Berge, betrachtete wie die Sonne den Nebel zu verscheuchen suchte, wanderte freudig durch die schauernden Wälder, und um mein träumendes Haupt klingelten die Glockenblümchen von Goslar. In ihren weißen Nachtmänteln standen die Berge, die Tannen rüttelten sich den Schlaf aus den Gliedern, der frische Morgenwind frisierte ihnen die herabhängenden, grünen Haare, die Vöglein hielten Betstunde, das Wiesental blitzte wie eine diamantenbesäete Golddecke, und der Hirt schritt darüber hin mit seiner läutenden Herde. Ich mochte mich wohl eigentlich verirrt haben. Man schlägt immer Seitenwege und Fußsteige ein, und glaubt dadurch näher zum Ziele zu gelangen. Wie im Leben überhaupt, geht's uns auch auf dem Harze. Aber es gibt immer gute Seelen, die uns wieder auf den rechten Weg bringen; sie tun es gern, und finden noch obendrein ein besonderes Vergnügen daran, wenn sie uns mit selbstgefälliger Miene und wohlwollend lauter Stimme bedeuten: welche große Umwege wir gemacht, in welche Abgründe und Sümpfe wir versinken konnten, und welch ein Glück es sei, daß wir so wegkundige Leute wie sie sind, noch zeitig angetroffen. Einen solchen Berichtiger fand ich unweit der Harzburg. Es war ein wohlgenährter Bürger von Goslar, ein glänzend wampiges, dummkluges Gesicht; er sah aus, als habe er die Viehseuche erfunden. ... Er machte mich auch aufmerksam auf die Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit in der Natur. Die Bäume sind grün, weil grün gut für die Augen ist. Ich gab ihm recht und fügte hinzu, daß Gott das Rindvieh erschaffen, weil Fleischsuppen den Menschen stärken, daß er die Esel erschaffen, damit sie den Menschen zu Vergleichungen dienen können, und daß er den Menschen selbst erschaffen, damit er Fleischsuppe essen und kein Esel sein soll. Mein Begleiter war entzückt, einen Gleichgestimmten gefunden zu haben, sein Antlitz ergänzte noch freudiger, und bei dem Abschiede war er gerührt.
Solange er neben mir ging, war gleichsam die ganze Natur entzaubert, sobald er aber fort war, fingen die Bäume wieder an zu sprechen, und die Sonnenstrahlen erklangen, und die Wiesenblümchen tanzten, und der blaue Himmel umarmte die grüne Erde. Ja, ich weiß es besser: Gott hat den Menschen erschaffen, damit er die Herrlichkeit der Welt bewundere. Jeder Autor, und sei er noch so groß, wünscht, daß sein Werk gelobt werde. Und in der Bibel, den Memoiren Gottes, steht ausdrücklich: daß er die Menschen erschaffen zu seinem Ruhm und Preis.“
Sämtliche Werke II Artemis & Winkler Verlag München Reisebilder (Kap. 6)
Anschließende Fragen zur Erörterung: Die „NATUR“ ist da
- - um dem Menschen zu nützen
- - um vom Menschen bewundert zu werden
- - um gepflegt und geschützt zu werden
- - um den Menschen zu bezaubern, zu erfreuen, zu ergötzen
- - zu keinem Zwecke, nur für sich
- - ...
Ist eine solche Fragestellung sinnvoll (Für/Wider)?
Kann sie uns in der Beschäftigung mit Natur-Gedichten hilfreich sein?
Beispiele
Barthold Heinrich Brockes (1680–1747)
Naturlyrik der Frühaufklärung.
- "Anders als noch im Barock erscheint hier die Fliege nicht mehr als emblematisches Zeichen der Unvollkommenheit, sondern wird zum Signum der Freude an der Natur. Die Natur wird en détail beschrieben und dabei sowohl Mikro- als auch Makrokosmos einbezogen. Die Freude über das unscheinbare Geschöpf führt zu irdischem Vergnügen - und damit auch zur Verehrung Gottes, daselbst in dem kleinsten Tier Gottes kreative Omnipotenz erscheint." (aus der Vorlesung von Prof. Dr. Albert Meier, Wintersemester 2006/07 Uni Kiel, zu "Die Literatur des 18. Jahrhunderts", siehe unten)
Die kleine Fliege |
Wie so künstlich! fiel mir ein, |
Kurzkommentar: Die Bewunderung für die Fliege resultiert aus dem Gedanken, dass nur ein genialer oberster Mechanikus ein derartiges Wunderwerk zustandebringen kann, dass also die Kunstfertigkeit, die selbst oder gerade auch in den kleinsten und lästigsten Wesen zu finden ist, ein Beweis für eine obersten Konstrukteur sein muss. Dieser Konstrukteurs-Gott ist mehr als nur ein Schöpfer - sein Denken und seine Schöpfung, also die „Natur“, gehorchen den Prinzipien der mechanischen Wissenschaften. Das Geheimnis der Natur ist gelüftet durch genaue Beobachtung: Sie ist nichts Eigenständiges, sondern ein Beweisstück für die Rationalität der Welt. Die aufgeklärte Vernunft findet sich auf diese Weise in der Natur wieder, die Naturphänomene dienen der Selbstbespiegelung der aufgeklärten Vernunft. (K.D.) |
Barthold Hinrich Brockes: "Irdisches Vergnügen in Gott", eine Gedichtsammlung, die zwischen 1721 und 1748 in neun Bänden mit insgesamt mehr als 5500 Seiten erschienen.
J.W.Goethe
Natur & Liebe: Eine neue Religion
- Im 18. Jahrhundert wird „der Begriff der Natur zum Zentrum eines kritischen Gegendiskurses gegen den Rationalismus. Im Begriff der Natur sammelt sich die System- und Kulturkritik der Aufklärung. … Dabei werden nun mit dem Naturbegriff sehr unterschiedliche Vorstellungskomplexe verbunden: sowohl die Vorstellung einer von Menschen unberührten, sei es paradiesischen, sei es wilden Natur, als auch die Vorstellung einer Befreiung von Mensch und Natur - die Leitidee des englischen Gartens - als auch - und dies vor allem seit Rousseau - die Befreiung der Natur des Menschen von Zwängen, Regeln und Normenvorgaben der Gesellschaft verbindet sich mit einem polemisch-kulturkritischen Naturbegriff."(Silvio Vietta: Die vollendete Speculation führt zur Natur zurück. Natur und Ästhetik. Reclam Leipzig 1995, S.88)
J. W. Goethe |
O Mädchen, Mädchen, |
Kurzkommentar: „... So liebt die Lerche / Gesang und Luft, ... Wie ich dich liebe / mit warmem Blut“. In diesem Vergleich fallen die "Liebe" der Tier- und Pflanzenwelt und der Menschenwelt zusammen, alle unterliegen sie einer Naturkraft, die die Elemente und die Spezies zusammendrängt, zueinander führt. Die Liebe der Lerche ist keine Parabel oder Analogie-Konstruktion, sondern lediglich eine andere Verwirklichung derselben unwiderstehlichen Gewalt: Lieben ist göttlich, weil Liebe ein anderes Wort für den Gott des Pantheismus ist, in der Naturerfahrung offenbart sich Liebe als Grundprinzip allen Wachsens und Werdens und Liebesdienst ist Gottesdienst. (K.D.) |
Friedrich Hölderlin
Freiheitsraum Natur - Knechtschaft Gesellschaft
- „Das vorneuzeitliche Denken hatte der Natur Eigenständigkeit und Eigenleben zugesprochen. Der Begriff Natur, abgeleitet vom lateinischen Stamm nasci (d.h. geboren werden, entstehen), meint ursprünglich die von Menschenhand unberührte, gewachsene Welt der Dinge sowie das von Geburt Mitgebrachte, Angeborene. Ähnlich bezeichnet das griechische Wort physis den Bereich des von der Natur, nicht dem Menschen, Hervorgebrachten, Wachsenden und Werdenden. […] Natur ist dieser Vorstellung nach (gemeint ist die Naturlehre des Aristoteles, K.D.) gerade das aus sich selbst heraus Lebensfähige und Wirksame, und sie ist dies nach griechischer Vorstellung auch nicht von Gnaden eines Schöpfergottes oder gar des Menschen.“ (Silvio Vietta: Die vollendete Speculation führt zur Natur zurück. Natur und Ästhetik. Reclam Leipzig 1995 S. 13)
Friedrich Hölderlin (1770 - 1843) Die Eichbäume
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J.v. Eichendorff
Natur als Motiv in der Lyrik bedeutet nicht unbedingt, dass die Natur oder ein Naturverhältnis zentral oder realistisch thematisiert wird. Häufig bildet der Bildbereich Natur eine Art Kulisse für die Stimmung des lyrischen Ichs, während andere Motive im Zentrum der Aussage des Gedichts stehen. Insbesondere J.v.Eichendorffs Gedichte zeigen - mit Mühlenrad und Wiesengrund, oft auch mit Waldhornklang und Waldesrauschen - eine stereotypische Bildlichkeit.
Joseph von Eichendorff |
Im Walde Kurzkommentar (K.D.): Der Mensch (der Romantik) ist in Naturvorgänge eingefügt, die ihm rätselhaft und undurchschaubar bleiben, die ihn in seiner Existenz gefährden und die durch kein Wissen und keine Wissenschaft gebändigt werden können. Dieses Wissen, das bei hellem Tage verdrängt wird, kehrt wieder, meldet sich gleichsam, am Tagesende, bei Einbruch der Nacht (siehe auch: ["Zwielicht"]. Dann ist der "Wald" auch nicht ein Ort der Ruhe, der Heimkehr und Erholung - wie der Garten - sondern ein Ort des "Schauerns", der Orientierungslosigkeit, der Verwirrung oder gar des Untergangs - wie in "Waldgespräch":
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- Romantik & Lyrik - Gedichtinterpretationen zu J.v.Eichendorffs "Sehnsucht", "Zwielicht" und "Im Walde".
Orte 1: Am Meer
Meeresstimmungen. Trotz Volksliedstrophe, Träumen, Schauern und Stimmen eher unheimlich als heimelig.
Heinrich Heine aus: Buch der Lieder (v. 1824), Die Nordsee - Zweiter Zyklus |
Theodor Storm |
Orte 2: Im Wald
Impuls 1
„Das Massensymbol der Deutschen war das Heer. Aber das Heer war mehr als das Heer: es war der marschierende Wald. In keinem modernen Land der Welt ist das Waldgefühl so lebendig geblieben wie in Deutschland. Das Riige udn Parallele der aufrechtstehenden Bäume, ihe Dichte und ihre Zahl erfüllt das Herz des Deutschen mit tiefer und geheimnisvoller Freude. Er sucht den Wald, in dem seine Vorfahren gelebt haben, noch heute gern auf und fühlt sich ein mit Bäumen. Ihre Sauberkeit und Abgegrenztheit gegeneinander, die Betonung der Vertikalen, unterscheidet diesen Wald von dem tropischen, wo Schlinggewächse in jeder Richtung durcheinanderwachsen. Im tropischen Wald verliert sich das Auge in der Nähe, es ist eine chaotische, ungegliederte Masse, auf eine bunteste Weise belebt, die jedes Gefühl von Regel und gleichmäßiger Wiederholung ausschließt. Der Wald der gemäßigten Zone hat seinen anschaulichen Rhythmus. Das Auge verliert sich, an sichtbaren Stämmen entlang, in eine immer gleiche Ferne. Der einzelne Baum aber ist größer als der einzelne Mensch und wächst immer weiter ins Reckenhafte. Seine Standhaftigkeit hat viel von derselben Tugend des Kriegers. [...]
Der Knabe, den es aus der Enge zu Hause in den Wald hinaustrieb, um, wie er glaubte, zu träumen und allein zu sein, erlebte dort die Aufnahme ins Heer voraus. Im Wald standen schon die anderen bereit, die treu und wahr und aufrecht waren, wie er sein wollte, einer wie der andere, weil jeder gerade wächst, und doch ganz verschieden an Höhe und Stärke. Man soll die Wirkung dieser frühen Waldromantik auf den Deutschen nicht unterschätzen, in hundert Liedern und Gedichten nahm er sie auf, und der Wald, der in ihnen vorkam, hieß oft deutsch.“
Aus dem Kapitel: Massensymbole der Nationen, in Elias Canetti: Masse und Macht, Fischer 1980 (1960) S. 190f
Impuls 2
"Wie still dieser Wald! Wie schön in seinem Schweigen!"
Zwischen den Wurzeln einer möchtigen Fichte ließ sich der Einsame zur Ruhe nieder. So saß er, den Kopf an den Stamm gelehnt, die Hände um das Knie geschlungen. Lächelnd, als wäre die Ruhe und das Nimmerdenken über ihn gekommen, staunte er träumend hinein in die wundersame Stille. Kein Halm zu seinen Füßen und kein Zweig zu seinen Häupten bewegte sich. Auch nicht der leiseste Lufthauch atmete durch den Wald. Stark und ruhig stiegen die hundertjährigen Bäume zum Himmel auf, jeder ein König in seiner sturmerprobten Kraft. Alle kleinen, niederen Gewächse waren verkümmert und gestorben im Schatten dieser Großen; sie allein bestanden, und bescheidenes Moos nur webte zwischen ihren weitgespannten Wurzeln seinen grünen Samt über Grund und Steine. Sogar vom eigenen Leibe hatten die Riesen alle niedrigstehenden Äste abgestoßen und gesundes, saftiges Leben nur den strebenden Zweigen bewahrt, die sich aufwärts streckten bis zur Höhe des Lichtes. Das flutete goldleuchtend um die Wipfel her, ließ selten einen verlorenen Schimmer niedergleiten in den Schatten, der zwischen den braunen Stämmen lag, und dort nur, wo der Grund zu steigen anfing, brach es, einer Lichtung folgend, mit breiter brennender Welle quer durch den Wald.
"Wer das so könnte wie der Wald: alles Schwächliche und Niedrige von sich abstoßen, nur bestehen lassen, was stark ist und gesund! So stolz und aufrecht hinaussteigen über den Schatten der Tiefe und die Helle suchen, die hohen, reinen Lüfte! Wer das so könnte!"
Ludwig Ganghofer: Das Schweigen im Walde (1899), 1. Kapitel
Der Wald als Metapher:
Vergleiche die Waldbeschreibung bei Ludwig Ganghofer mit dem Gedicht "Die Eichbäume" von Friedrich Hölderlin: Beide Male werden die Bäume gepriesen. Wofür stehen sie - jeweils?Orte 3: Die Stadt
Joseph von Eichendorff
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Georg Heym
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Orte 4: Landschaften
- Hier im ZUM-Wiki: Landschaftsbeschreibungen in der Literatur - Nicht nur Lyrik, aber auch!
Motive 1: Jahreszeiten
Motive 2: Mensch und Tier
Motive 3: Wandern
Motive 4: Sonne, Mond und Sterne
Gedichte interpetieren
- Vorlage:ZUM.de Interpretations-Hilfen: W-Fragen - Wissen - Moderne Lyrik - Der rote Faden - Das 5-Akt-Schema (K.Dautel)
- Vorlage:ZUM.de Grundbegriffe der Textanalyse und Interpretation: Aufsatzarten - Die Gedichtinterpretation (W.Winter)
Unterrichtsmaterialien
Verlage
- Bode, Dietrich (Hrsg.): Deutsche Naturlyrik. Eine Auswahl, Reclam Verlag Stuttgart 2012 (= RUB 18944), ISBN 978-3-15-018944-3
- Blecken, Gudrun: "Naturlyrik vom Mittelalter bis zur Gegenwart - Wichtige Interpretationen zum Themenfeld: Naturlyrik" - aus der Reihe "Königs Erläuterungen Spezial". ISBN 978-3-8044-3031-0
- "... Mithilfe der ausführlichen Informationen zur jeweiligen Epoche, den wichtigsten Vertretern und deren Werken sind Schüler fundiert und umfassend vorbereitet auf Abitur, Matura, Klausuren und Referate zu diesem Thema." - Der Verlag bietet hierzu auch folgende kostenlose Downloads: Musterseiten - Inhaltsverzeichnis - Ergänzendes Kapitel mit neun weiteren Gedichten von Goethe bis Trakl (pdf)
- Lindenhahn, R., Merkel, P.: Natur und Mensch in der Lyrik vom Sturm und Drang bis zur Gegenwart. Cornelsen Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-464-61236-1. (Handreichungen: ISBN 978-3-464-61237-8)
- Einfach Deutsch: Naturlyrik - Inhaltsverzeichnis (pdf) - Unterrichtsmodell, Schoening-Verlag, ISBN 978-3-14-022550-2
Links
- Lyrik der Frühaufklärung (Barthold Heinrich Brockes) - Aus der Vorlesung von Prof. Dr. Albert Meier (Wintersemester 2006/07 Uni Kiel) zu Die Literatur des 18. Jahrhunderts:
- "Brockes ist die herausragende Gestalt in der Naturlyrik der Frühaufklärung." - Vorgeführt an dessen Gedicht "Die kleine Fliege" (1736).
- "Am 21. und 22. Februar 2014 fand die Jahrestagung des baden-württembergischen Landesverbandes in der Landesakademie Bad Wildbad statt. Die vielfältigen, sowohl für die Unterrichtspraxis als auch für die Bildungsdebatte interessanten Ergebnisse werden nun der Öffentlichkeit vorgestellt." - Mit "Naturlyrik" und deren Vermittlung in der Kursstufe beschäftigen sich die Beiträge von Gerhard Friedl und Hans Spielmann.
- Reinhard Lindenhahn: Rosen statt Keulen! – Kreative Wege der Texterschließung - durch- und vorgeführt an Naturlyrik von J.W.Goethe bis Sarah Kirsch.
Interessantes
- Kein Beitrag zur Naturlyrik, aber ein philosophischer Essay zum Thema Zurück zur Natur? aus dem HOHE LUFT Magazin / 31.03.2014 / Leseprobe (pdf)
- "Alle Welt scheint sich heute nach mehr Naturverbundenheit zu sehnen. Gegen die moderne Technik hingegen gibt es ein tiefes Misstrauen. Doch wie sinnvoll ist es, die Natur zu verklären? Und worum geht es wirklich beim Wunsch, zu den Wurzeln zurückzukehren? HOHE LUFT-Volontärin Greta Lührs widmet sich diesen Fragen in der aktuellen Ausgabe von HOHE LUFT."
- "Natur ist in. Landleben, Bio, Naturbelassenheit und Nachhaltigkeit werden nicht mehr mit dem zotteligen Öko-Freak in Verbindung gebracht, sondern stehen für einen modernen, umsichtigen Lifestyle. Ferien im Grünen sind angesagt, Outdoor-Sportarten boomen, ein grünes, naturverbundenes Image gehört für ein erfolgreiches Unternehmen zum guten Ton. Auf der anderen Seite erleben wir einen rasanten Fortschritt in Wissenschaft und Technik, der uns immer weiter von der Natur zu entfernen scheint. Jeder möchte natürlich sein, dennoch tun wir alles dafür, den Lauf der Natur zu beeinflussen, ihn aufzuhalten. Doch was ist Natur überhaupt? Oder anders gefragt: Was ist nicht natürlich? Und ist das Natürliche auch automatisch gut?"
Siehe auch
- Landschaftsbeschreibung in der Literatur
- Landschaft
- Lyrik
- Natur im Kunstunterricht<metakeywords>ZUM2Edutags,ZUM-Wiki,ZUM.de,OER,Naturlyrik,Natur,Lyrik,Literatur,Deutsch,Abitur</metakeywords>