Vergleich von Nahostkonflikt und Ukrainekonflikt

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Version vom 19. September 2024, 07:09 Uhr von Fontane44 (Diskussion | Beiträge) (→‎Nahostkonflikt: Anschlag auf Hisbollah-Miliz)

Zur Rechtfertigung des Vergleichs

Jedes historische Geschehen ist in sich einmalig. Der Versuch, historische Gesetzmäßigkeiten herauszufinden, ist daher problematisch. Jedoch der historische Vergleich ist ein geeignetes Instrument, durch die Suche von Gemeinsamkeiten und Unterschieden auch weniger offensichtliche Charakteristika bestimmter Konstellationen herauszuarbeiten.

Gemeinsamkeiten

Beide Konflikte sind äußerst komplex und haben eine über tausendjährige Vorgeschichte. Beide sind nicht bloße Teilkonflikte in den globalen Konflikten 'Ost-West' und 'hochentwickelte Industrieländer und Länder des globalen Südens.' Beide haben sich innerhalb eines Imperiums entwickelt. Der Nahostkonflikt im Osmanischen ReichWikipedia-logo.png, der Ukrainekonflikt innerhalb des russischen Zarenreichs, der Sowjetunion und ihren NachfolgestaatenWikipedia-logo.png.

Unterschiede

Entstehung

Nahostkonflikt:

Zur Geschichte des Judentums und Palästinas

Die ersten Ursprünge eines jüdischen Volkes sind erst nach 1250 v. Chr. fassbar, als mehrere semitische Nomadenstämme (HebräerWikipedia-logo.png) in PalästinaWikipedia-logo.png eindrangen und die Urbevölkerung (unter anderem AmoriterWikipedia-logo.png, HethiterWikipedia-logo.png und KanaaniterWikipedia-logo.png) verdrängten bzw. unterwarfenWikipedia-logo.png. Verschiedene Traditionen lassen eine unterschiedliche Herkunft der Stämme vermuten.(So gibt es Elemente einer babylonischen Tradition (AbrahamWikipedia-logo.png, eine Wüstentradition (Weg Israels durch die WüsteWikipedia-logo.png) und eine ägyptische Tradition (JosefWikipedia-logo.png, MosesWikipedia-logo.png)). Zusammengehalten wurden die Stämme durch eine gemeinsame monotheistischeWikipedia-logo.png Religion. Im Verlaufe der Kämpfe gegen die PhilisterWikipedia-logo.png (im Bereich des heutigen Gaza-StreifensWikipedia-logo.png siedelnd) kam es dann zur Bildung des Reiches IsraelWikipedia-logo.png unter DavidWikipedia-logo.png (um 1000 v. Chr.). 925 fiel das Reich in die Teile IsraelWikipedia-logo.png und JudaWikipedia-logo.png auseinander, 721 wurde Israel von den Assyrern, 586 Juda von den Babyloniern erobert. Die Exilzeit der jüdischen Elite ist uns bekannt als Babylonische GefangenschaftWikipedia-logo.png. Mit ihrer Rückkehr und der Wiederherstellung des TempelkukultesWikipedia-logo.png 538 v. Chr. kann man den Beginn der eigentlichen jüdischen Geschichte ansetzen. Juda blieb bis auf eine kurze Zeit der Selbstständigkeit unter den MakkabäernWikipedia-logo.png von seinen Nachbarn abhängig. 63 vor Chr. wurde es von den Römern erobertWikipedia-logo.png, 70 nach Chr. aufgrund eines Aufstandes von TitusWikipedia-logo.png zerstörtWikipedia-logo.png, neue Aufstände führten 135 zur endgültigen Vertreibung und der Ersetzung des Provinznamens Juda durch PalästinaWikipedia-logo.png (nach den PhilisternWikipedia-logo.png). Als Palästinenser wird man all die Gruppen bezeichnen können, die trotz einer starken Beeinflussung durch die jüdische Kultur eine religiöse Eigenständigkeit bewahrten und daher nicht in die religiös motivierten Aufstände der Juden hineingezogen und folglich nicht vertrieben wurden. 603 und 637Wikipedia-logo.png wird Palästina von den Anhängern Mohammeds erobert, arabische Siedler hatte es wohl bereits vorher gegeben. Das Land geriet unter wechselnde Oberhoheiten (Türken, Byzanz, christliches KreuzfahrerreichWikipedia-logo.png), bis es dem osmanischen Reich angegliedert wird (Anfang des 16. Jahrhunderts), unter dessen Oberhoheit es bis 1918 bleibt.

Die Juden waren seit der Zeit der babylonischen Gefangenschaft nie wieder vollständig nach Palästina zurückgekehrt, in gewissen Umfang waren außerdem wohl schon seit langem immer wieder Juden aus Palästina ausgewandert. Die vollständige Zerstreuung der Juden über alle Länder (Jüdische DiasporaWikipedia-logo.png) datiert erst ab 135 nach Chr.Wikipedia-logo.png (vgl.o.). Darauf sind Judengemeinden in besonderer Zahl u. a. in Kleinasien, Indien, Japan, Arabien (Jemen) und Spanien festzustellen. Nach einer kulturellen Blütezeit unter der Araberherrschaft in Spanien kommt es 1492 zur Ausweisung der JudenWikipedia-logo.png durch die christliche Königin Isabella und durch und ihre Auswanderung nach Italien, Frankreich, Marokko, Tunis und der Türkei. Verfolgungen in Frankreich, England und Deutschland (wo die ersten Gemeinden um 300 nach Chr. in den Römerstädten am Rhein nachweisbar sind) führen zu weiteren Auswanderungen, insbesondere nach Polen, Galizien und Russland. Allgemein führten die Juden eine Existenz am Rande der Gesellschaft, da sie kein Land erwerben, nur spezifische Gewerbe (besonders Handel) ausüben und nur in abgesonderten Judenvierteln wohnen durften (Getto) und an ihrer religiösen Tradition mit dem stark abweichenden Kultus festhielten. Dies änderte sich erst im Zuge der Aufklärung im 18. Jh., als es besonders in Westeuropa und Amerika – zur rechtlichen Gleichstellung der Juden kam. Doch der Nationalismus des 19. Jh. begünstigte einen erneuten AntisemitismusWikipedia-logo.png und seine Ausformung zu einer Ideologie. So kam es Ende des 19. Jh. wieder zu verschärften Judenverfolgungen, besonders in Osteuropa (PogromWikipedia-logo.png), aber auch im Westen, zum Beispiel Deutschland (Stoecker-BewegungWikipedia-logo.png) und in Frankreich (Dreyfus-AffäreWikipedia-logo.png). Die Juden reagierten darauf zum Teil durch Massenauswanderung in den Westen, besonders in die Vereinigten Staaten, zum Teil aber auch mit einem eigenen Nationalismus unter Rückbesinnung auf die lokale Herkunft, dem ZionismusWikipedia-logo.png (nach dem Ort der Kultstätte, dem Tempelberg Zion) . Obwohl der Zionismus seine zahlreichsten Vertreter in Russland hatte, fanden die Überlegungen eines westlichen Juden die größte Resonanz (Theodor HerzlWikipedia-logo.png in seinem Buch "Der JudenstaatWikipedia-logo.png", 1896). (Böhme/Lotz: Nahost-Konflikt, Leske Verlag 1977)

Ukrainekonflikt: Gemeinsamer Ursprung in der RusWikipedia-logo.png und der Kiewer RusWikipedia-logo.png (ab dem 9. Jahrhundert) und die Eingliederung der östlichen Rus nach der Mongolischen InvasionWikipedia-logo.png in das Großfürstentum MoskauWikipedia-logo.png unter Iwan III.Wikipedia-logo.png 1503.

Auslöser des noch heute bestehenden Konflikts

Nahostkonflikt: Gründung des Staates Israel 1948Wikipedia-logo.png, Besetzung des WestjordanlandsWikipedia-logo.png nach dem SechstagekriegWikipedia-logo.png, Terrorangriff der Hamas auf Israel 2023Wikipedia-logo.png

Ukrainekonflikt: Annexion der Krim 2014Wikipedia-logo.png, Krieg im DonbasWikipedia-logo.png 2014, Russischer Überfall auf die Ukraine seit 2022Wikipedia-logo.png

Zusammenhang mit dem neuzeitlichen Kolonialismus?

Manche Vertreter des PostkolonialismusWikipedia-logo.png interpretieren den Staat Israel als Nachfolger der Kolonialmächte (Balfour-ErklärungWikipedia-logo.png und Sykes-Picot-AbkommenWikipedia-logo.png) und die Situation auf der Westbank oder sogar die in Gesamt-Israel als Apartheid, während die isralische Regierung und ihre Unterstützer darin eine antisemitistischeWikipedia-logo.png Verirrung sehen.

Parallel, wenn auch ganz anders gelagert, wird Russland von vielen als imperialistischer Staat (KontinentalimperiumWikipedia-logo.png) interpretiert, der der sich die Ukraine einverleiben will, während andere die NATO als eine Art Imperium ansehen, das mit seinem Einflussbereich in die Sicherheitszone Russlands eindringt.

Konfliktarme Perioden

Nahostkonflikt: Während die Juden während der gesamten Zeit der Diaspora als Minderheit verstärkt im Unterdrückungsrisiko standen, beginnt der Nahostkonflikt erst mit dem Zeitraum, als eine im Zuge des Zionismus verstärkte Einwanderung und Landerwerbspolitik die ansässige Bevölkerung beunruhigte. Der spezifische Nahostkonflikt begann also 'erst' vor ca. 100 Jahren.

Ukrainekonflikt: Mit dem Aufstieg des Großfürstentums Moskau und dem Niedergang der Herrschaft der Rurikiden entwickelten sich zwar Rivalitäten, doch erst als mit dem Aufkommen des ukrainischen Nationalbewusstseins das Bild von 'Kleinrussen' als Untergruppe der großrussischen Gesamtheit abgelehnt wurde, konnte ein Nationalitätenkonflikt entstehen, der in der frühen Sowjetunion zwar im Zuge der gemeinsamen revolutionären Umgestaltung zurücktrat, doch im Zuge der Zwangskollektivierung sich verschärfte und in der ukrainischen Hungersnot von 1932/33, dem sogenannten HolodomorWikipedia-logo.png, ein nationales Trauma schuf, das trotz der späteren Bevorzugung der Ukraine unter ChrustschowWikipedia-logo.png nicht überwunden werden konnte (vgl. Kappeler: Ungleiche Brüder, S.167ff.).

Diese konfliktarmen Perioden werden von manchen als Beweis gesehen, dass es den am Konflikt Beteiligten nur am guten Willen fehle, sich zu einigen.

Beteiligte Mächte

Nahostkonflikt: USA, Sowjetunion, Jordanien, Iran mit den von ihm unterstützten Gruppen, Saudi-Arabien, weitere arabische Staaten,

Ukrainekonflikt: Russland, Belarus, Türkei, Iran, EU, USA, Großbritannien,

Beitrag zur Aufrechterhaltung des Konflikts

Waffenlieferungen

Beitrag zur Lösung des Konflikts

Verhandlungen

Interessenlage der Beteiligten

Innerhalb der arabischen Staaten: Zwischen Iran und Saudi-Arabien bestehen Konflikte, weil beide sich gestützt auf ihren Ölreichtum um die Vorherrschaft im Nahen Osten bemühen und der Iran schiitisch ausgerichtet ist und Saudi-Arabien sunnitisch. Beide führen StellvertreterkriegeWikipedia-logo.png, wobei der Iran die HisbollahWikipedia-logo.png, HamasWikipedia-logo.png und die Huthi-RebellenWikipedia-logo.png einsetzt, während Saudi-Arabien Waffenlieferungen an die Herrschenden bevorzugt.

Auf der israelischen Seite: Benjamin NetanjahuWikipedia-logo.png geht es darum, den Krieg aufrechtzuerhalten, damit er nicht vor Gericht gestellt wird. Die Hardliner Ben-GvirWikipedia-logo.png und Finanzminister Bezalel SmotrichWikipedia-logo.png versuchen, ihn noch weiter zu treiben.

Die Interessen von USA, Sowjetunion, Russland, Belarus, Türkei, Iran, EU und Großbritannien sind vielfältig und können nicht auf eine Formel gebracht werden, auch wenn machtpolitische und wirtschaftspolitische Interessen sicher oft wichtiger sein mögen als die formulierten ideellen Begründungen.

Rolle von Religionen

Satellitenbild: Palästina

Palästina ist die Bezeichnung einer Region an der östlichen Küste des Mittelmeeres. Dazu gehören geographisch gesehen Gebiete des heutigen Israel und Jordaniens, einschließlich der Golanhöhen, des Gazastreifens und des Westjordanlandes, politisch gesehen die Staaten Israel und Jordanien sowie die palästinensische Autonomiegebiete und der von der Palästinensischen Befreiungsorganisation ausgerufene Staat Palästina. Die Region ist für das Judentum, das Christentum und den Islam von einer besonderen religiösen Bedeutung.

Historisch gesehen bezeichnete der Name eine Provinz des Römischen Reiches und von 1920-1948 das Gebiet des Völkerbundsmandats Palästina. Die Region trug zu anderen Zeiten andere Namen wie z.B. KanaanWikipedia-logo.png, Eretz IsraelWikipedia-logo.png, Gelobtes Land und Heiliges Land sowie als Teil Ägyptens RetjenuWikipedia-logo.png.

Moskau verstand sich lange Zeit als 'drittes Rom' und als religiöses Zentrum der orthodoxe Kirchen slawischer Staaten. Von daher besteht ein Konflikt zur ukrainischen orthodoxen Kirche mit Kiew als Zentrum.

Chancen für eine Konfliktlösung

gescheiterte Lösungsversuche

Nahostkonflikt: Camp-David-AbkommenWikipedia-logo.png 1978, Oslo-FriedensprozessWikipedia-logo.png 1993, Camp David IIWikipedia-logo.png 2000

Ukrainekonflikt: Protokoll von MinskWikipedia-logo.png 5.9.2014, Minsk IIWikipedia-logo.png 12.2.2015

verbleibende Lösungsansätze

Hier können die aktuell vorhandenen Lösungsversuche und gegebenenfalls die Möglichkeiten von DisruptionWikipedia-logo.png diskutiert werden.

Aktuelles

Nahostkonflikt

Ukrainekonflikt

Materialien

Links

Literatur

Nahostkonflikt

Ukrainekonflikt

Andreas KappelerWikipedia-logo.png: Ungleiche Brüder. Russen und Ukrainer vom Mittelalter bis zur Gegenwart

Siehe auch

Zur Behandlung im Unterricht

Disruption

Nicht als Königsweg, aber als eine denkbare Behandlungsart neben anderen kann auch DisruptionWikipedia-logo.png angesprochen werden. Sie ist im Ersten Weltkrieg an zwei Beispielen belegt: Während des StellungskriegesWikipedia-logo.png kam es bei der Kriegsweihnacht 1914 vereinzelt zur Verbrüderung unter Soldaten, die aus den Schützengräben herausgingen und gemeinsam mit den Gegnern friedlich Weihnachten feierten.[1] Ein weiteres Beispiel: Ein englischer Offizier ließ seine Soldaten zwischen den Fronten Fußball spielen. Als Technik, sich so den feindlichen Schützengräben zu nähern und erst in letzter Sekunde zum Angriff überzugehen, bewährte sich das Verfahren nicht. Es wurde auf die Fußball spielenden Soldaten geschossen. Im Bereich der Technik hat sich Disruptive TechnologieWikipedia-logo.png aber wiederholt bewährt. Eine Innovation, die von Start-up-UnternehmenWikipedia-logo.png gegenüber Marktführern eingesetzt werden kann. zum Beispiel die HalbleitertechnikWikipedia-logo.png kann, wenn sie MarktreifeWikipedia-logo.png erlangt, sich gegen bewährte Verfahren durchsetzen. Im Falle eines Stellungskrieges können das Verhandlungen sein. Ganz allgemein wird in diesem Zusammenhang Soziale VerteidigungWikipedia-logo.png diskutiert. Sie kann einerseits als GedankenexperimentWikipedia-logo.png eingeführt werden, andererseits sind im Nahostkonflikt solche VersucheWikipedia-logo.png zwischen SadatWikipedia-logo.png und Menachem BeginWikipedia-logo.png und später mit demOslo-FriedensprozessWikipedia-logo.png unternommen worden.

Dieser Ansatz kann gewählt werden, um den Abstand zwischen den Befürwortern der SelbstverteidigungWikipedia-logo.png gegen einen völkerrechtswidrigen Angriff und denen, die bedingungslos Verhandlungen fordern, zu verringern; denn es gibt moralische Rechtfertigungen für beide Positionen, auch wenn der Einzelne für sich nur eine dieser Positionen einnehmen kann oder die Ambivalenz beider Positionen zugeben wird. Nicht zufällig kann man als Einzelner bei dem einen Konflikt auf der Seite des Stärkeren und beim anderen der Seite des Schwächeren stehen.

Anmerkungen

  1. Michael Jürgs: Der kleine Frieden im Großen Krieg. Westfront 1914: Als Deutsche, Franzosen und Briten gemeinsam Weihnachten feierten. C. Bertelsmann Verlag, München 2003, ISBN 3-570-00745-6. G. Hirschfeld u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. 2014, S. 957 ff.