Parzival
Parzival von Wolfram von Eschenbach ist ein Versroman der mittelhochdeutschen höfischen Literatur, der vermutlich im ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts entstand.
Textausschnitt (Übersetzung)
»Ihr sollt so viel nicht fragen;
Doch dürft ihr nicht versagen
Bedachte Antwort, die gemeßen
20 Ziemet auf die Frage dessen,
Der euch mit Worten will erspähn.
Ihr möget hören, möget sehn,
Erwittern, kosten, merken:
Das wird den Sinn euch stärken.
25 »Laßt Erbarmung bei der Kühnheit sein:
Dem Rathe sollt ihr Folge leihn.
Wer im Kampf euch bietet Sicherheit,
That er euch nicht solches Leid,
Das Herzleid müste geben,
Nehmt sie und laßt ihn leben.
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»Ihr legt oft Harnisch an euch:
Legt ihr ihn ab, so reinigt gleich
Euch an Händen und Gesicht
Vom Rost des Eisens, das ist Pflicht.
5 So schaut ihr wieder hell und klar:
Des nehmen Frauenaugen wahr.
»Seid mannlich und wohlgemuth,
Das ist zu werthem Preise gut.
Die Frauen haltet lieb und werth:
10 So wird ein junger Mann geehrt.
Gebt keinem Wankelmuth euch hin:
Das ist rechter Mannessinn.
Wenn ihr sie thören wollt mit Lügen,
Wohl mögt ihr ihrer viel betrügen:
15 Lohnt treuer Minne falsche List,
Das bringt euch Lob gar kurze Frist.
Da wird des Schleichers Klage
Das dürre Holz im Hage,
Denn es knistert und kracht,
20 Daß der Wächter erwacht.
Strauchweg und verbotner Schlich
Führen übeln Streit mit sich.
Dieß meßet gegen wahre Minne.
Die werthe hat auch kluge Sinne
25 Wider Falschheit und Betrug.
Haßte sie euch je mit Fug,
So müstet ihr geschändet sein
Und immer dulden Scham und Pein.
»Dieß sollt ihr nah dem Herzen tragen:
Ich will euch mehr von Frauen sagen.
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Mann und Weib, die sind geeint
Wie die Sonne, die heut scheint,
Und der heut genannte Tag,
Die beide Niemand scheiden mag.
5 Sie blühn hervor aus Einem Kern:
Das merket und erwäget gern.«[1]
Ritter Gurnemans' höfische Lehre für Parzival in: Wolfram von Eschenbach: Parzival, in Verse übertragen von Karl Simrock
Weblinks
- ↑ Wolfram lässt Parzival mit seiner Anwendung höfischer Sittenregeln total scheitern und betont damit den höheren Wert von Menschlichkeit gegenüber ritterlicher Tugend.