Vergleich von Nahostkonflikt und Ukrainekonflikt
Zur Rechtfertigung des Vergleichs
Jedes historische Geschehen ist in sich einmalig. Der Versuch, historische Gesetzmäßigkeiten herauszufinden, ist daher problematisch. Jedoch der historische Vergleich ist ein geeignetes Instrument, durch die Suche von Gemeinsamkeiten und Unterschieden auch weniger offensichtliche Charakteristika bestimmter Konstellationen herauszuarbeiten.
Gemeinsamkeiten
Beide Konflikte sind äußerst komplex und haben eine über tausendjährige Vorgeschichte. Beide sind nicht bloße Teilkonflikte in den globalen Konflikten 'Ost-West' und 'hochentwickelte Industrieländer und Länder des globalen Südens.' Beide haben sich innerhalb eines Imperiums entwickelt. Der Nahostkonflikt im Osmanischen Reich, der Ukrainekonflikt innerhalb des russischen Zarenreichs, der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten.
Unterschiede
Entstehung
Nahostkonflikt: Zur Geschichte des Judentums und Palästinas Die ersten Ursprünge eines jüdischen Volkes sind erst nach 1250 v. Chr. fassbar, als mehrere semitische Nomadenstämme (Hebräer) in Palästina eindrangen und die Urbevölkerung (unter anderem Amoriter, Hethiter und Kanaaniter) verdrängten bzw. unterwarfen. Verschiedene Traditionen lassen eine unterschiedliche Herkunft der Stämme vermuten.(So gibt es Elemente einer babylonischen Tradition (Abraham, eine Wüstentradition (Weg Israels durch die Wüste) und eine ägyptische Tradition (Josef, Moses)). Zusammengehalten wurden die Stämme durch eine gemeinsame Vorlage:Monotheismus Religion. Im Verlaufe der Kämpfe gegen die Philister (im Bereich des heutigen Gaza-Streifens siedelnd) kam es dann zur Bildung des Reiches Israel unter David (um 1000 v. Chr.). 925 fiel das Reich in die Teile Israel und Juda auseinander, 721 wurde Israel von den Assyrern, 586 Juda von den Babyloniern erobert. Die Exilzeit der jüdischen Elite ist uns bekannt als Babylonische Gefangenschaft. Mit ihrer Rückkehr und der Wiederherstellung des Tempelkukultes 538 kann man den Beginn der eigentlichen jüdischen Geschichte ansetzen. Juda blieb bis auf eine kurze Zeit der Selbstständigkeit unter den Makkabäern von seinen Nachbarn abhängig. 63 vor Chr. wurde es von den Römern erobert, 70 nach Chr. aufgrund eines Aufstandes von Titus zerstört, neue Aufstände führten 135 zur endgültigen Vertreibung und der Ersetzung des Provinznamens Juda durch Palästina_(Region)Palästina (nach den Philistern). Als Palästinenser wird man all die Gruppen bezeichnen können, die trotz einer starken Beeinflussung durch die jüdische Kultur eine religiöse Eigenständigkeit bewahrten und daher nicht in die religiös motivierten Aufstände der Juden hineingezogen und folglich nicht vertrieben worden. 603 und 637 wird Palästina von den Anhängern Mohammeds erobert, arabische Siedler hatte es wohl bereits vorher gegeben. Das Land geriet unter wechselnde Oberhoheiten (Türken, Byzanz, christliches Kreuzfahrerreich), bis es dem osmanischen Reich angegliedert wird (Anfang des 16. Jahrhunderts), unter dessen Oberhoheit es bis 1918 bleibt. (Böhme/Lotz: Nahost-Konflikt, Leske Verlag 1977)
Die Juden waren seit der Zeit der babylonischen Gefangenschaft nie wieder vollständig nach Palästina zurückgekehrt, in gewissen Umfang waren außerdem wohl schon seit langem immer wieder Juden aus Palästina ausgewandert. Die vollständige Zerstreuung der Juden über alle Länder (Jüdische Diaspora) datiert erst ab 135 nach Chr. (vgl.o.). Darauf sind Judengemeinden in besonderer Zahl u. a. in Kleinasien, Indien, Japan, Arabien (Jemen) und Spanien festzustellen. Nach einer kulturellen Blütezeit unter der Araberherrschaft in Spanien kommt es 1492 zur Ausweisung der Juden durch die christliche Königin Isabella und durch und ihre Auswanderung nach Italien, Frankreich, Marokko, Tunis und der Türkei. Verfolgungen in Frankreich, England und Deutschland (wo die ersten Gemeinden um 300 nach Chr. in den Römerstädten am Rhein nachweisbar sind) führen zu weiteren Auswanderungen, insbesondere nach Polen, Galizien und Russland. Allgemein führten die Juden eine Existenz am Rande der Gesellschaft, da sie kein Land erwerben, nur spezifische Gewerbe (besonders Handel) ausüben und nur in abgesonderten Judenvierteln wohnen durften (Getto) und an ihrer religiösen Tradition mit dem stark abweichenden Kultus festhielten. Dies änderte sich erst im Zuge der Aufklärung im 18. Jh., als es besonders in Westeuropa und Amerika – zur rechtlichen Gleichstellung der Juden kam. Doch der Nationalismus des 19. Jh. begünstigte einen erneuten Antisemitismus und seine Ausformung zu einer Ideologie. So kam es Ende des 19. Jh. wieder zu verschärften Judenverfolgungen, besonders in Osteuropa (Pogrom), aber auch im Westen, zum Beispiel Deutschland (Stoecker-Bewegung) und in Frankreich (Dreyfus-Affäre). Die Juden reagierten darauf zum Teil durch Massenauswanderung in den Westen, besonders in die Vereinigten Staaten, zum Teil aber auch mit einem eigenen Nationalismus unter Rückbesinnung auf die lokale Herkunft, dem Zionismus (nach dem Ort der Kultstätte, dem Tempelberg Zion) . Obwohl der Zionismus seine zahlreichsten Vertreter in Russland hatte, fanden die Überlegungen eines westlichen Juden die größte Resonanz (Theodor Herzel in seinem Buch "Der Judenstaat", 1896).Jüdische Diaspora vom Babylonischen Exil 597 v. Chr. über die Eroberung von Jerusalem (70 n. Chr.) durch Titus und das Ansiedlungsverbot in Jerusalem 135 n. Chr. durch Kaiser Hadrian bis zur Gründung des Staates Israel 1948.
Ukrainekonflikt: Gemeinsamer Ursprung in der Rus und der Kiewer Rus (ab dem 9. Jahrhundert) und die Eingliederung der östlichen Rus nach der Mongolischen Invasion in das Großfürstentum Moskau unter Iwan III. 1503.
Auslöser des noch heute bestehenden Konflikts
Nahostkonflikt: Gründung des Staates Israel 1948, Besetzung des Westjordanlands nach dem Sechstagekrieg, Terrorangriff der Hamas auf Israel 2023
Ukrainekonflikt: Annexion der Krim 2014, Krieg im Donbas 2014, Russischer Überfall auf die Ukraine seit 2022
Zusammenhang mit dem neuzeitlichen Kolonialismus
Konfliktarme Perioden
Nahostkonflikt: Während die Juden während der gesamten Zeit der Diaspora als Minderheit verstärkt im Unterdrückungsrisiko standen, beginnt der Nahostkonflikt erst mit dem Zeitraum, als eine im Zuge des Zionismus verstärkte Einwanderung und Landerwerbspolitik die ansässige Bevölkerung beunruhigte. Der spezifische Nahostkonflikt begann also 'erst' vor ca. 100 Jahren.
Ukrainekonflikt: Mit dem Aufstieg des Großfürstentums Moskau und dem Niedergang der Herrschaft der Rurikiden entwickelten sich zwar Rivalitäten, doch erst als mit dem Aufkommen des ukrainischen Nationalbewusstseins das Bild von 'Kleinrussen' als Untergruppe der großrussischen Gesamtheit abgelehnt wurde, konnte ein Nationalitätenkonflikt entstehen, der in der frühen Sowjetunion zwar im Zuge der gemeinsamen revolutionären Umgestaltung zurücktrat, doch im Zuge der Zwangskollektivierung sich verschärfte und in der ukrainischen Hungersnot von 1932/33, dem sogenannten Holodomor, ein nationales Trauma schuf, das trotz der späteren Bevorzugung der Ukraine unter Chrustschow nicht überwunden werden konnte (vgl. Kappeler: Ungleiche Brüder, S.167ff.).
Beteiligte Mächte
Nahostkonflikt: USA, Sowjetunion, Jordanien, Iran mit den von ihm unterstützten Gruppen, Saudi-Arabien, weitere arabische Staaten,
Ukrainekonflikt: Russland, Belarus, Türkei, Iran, EU, USA, Großbritannien,
Beitrag zur Aufrechterhaltung des Konflikts
Waffenlieferungen
Beitrag zur Lösung des Konflikts
Verhandlungen
Interessenlage der Beteiligten
Innerhalb der arabischen Staaten: Zwischen Iran und Saudi-Arabien bestehen Konflikte, weil beide sich gestützt auf ihren Ölreichtum um die Vorherrschaft im Nahen Osten bemühen und der Iran schiitisch ausgerichtet ist und Saudi-Arabien sunnitisch. , Beide führen Stellvertreterkriege, wobei der Iran die {wpde|Hisbollah}}, {wpde|Hamas}} und die Huthi-Rebellen einsetzt, während Saudi-Arabien Waffenlieferungen an die Herrschenden bevorzugt.
Auf der israelischen Seite: Benjamin Netanjahu geht es darum, den Krieg aufrechtzuerhalten, damit er nicht vor Gericht gestellt wird. Die Hardliner Ben-Gvir und Finanzminister Bezalel Smotrich versuchen, ihn noch weiter zu treiben.
Rolle von Religionen
Palästina ist die Bezeichnung einer Region an der östlichen Küste des Mittelmeeres. Dazu gehören geographisch gesehen Gebiete des heutigen Israel und Jordaniens, einschließlich der Golanhöhen, des Gazastreifens und des Westjordanlandes, politisch gesehen die Staaten Israel und Jordanien sowie die palästinensische Autonomiegebiete und der von der Palästinensischen Befreiungsorganisation ausgerufene Staat Palästina. Die Region ist für das Judentum, das Christentum und den Islam von einer besonderen religiösen Bedeutung.
Historisch gesehen bezeichnete der Name eine Provinz des Römischen Reiches und von 1920-1948 das Gebiet des Völkerbundsmandats Palästina. Die Region trug zu anderen Zeiten andere Namen wie z.B. Kanaan, Eretz Israel, Gelobtes Land und Heiliges Land sowie als Teil Ägyptens Retjenu.
Moskau verstand sich lange Zeit als 'drittes Rom' und als religiöses Zentrum der orthodoxe Kirchen slawischer Staaten. Von daher besteht ein Konflikt zur ukrainischen orthodoxen Kirche mit Kiew als Zentrum.
Chancen für eine Konfliktlösung
gescheiterte Lösungsversuche
Nahostkonflikt: Camp-David-Abkommen 1978, Oslo-Friedensprozess 1993, Camp David II 2000
Ukrainekonflikt: Protokoll von Minsk 5.9.2014, Minsk II 12.2.2015
verbleibende Lösungsansätze
Aktuelles
Nahostkonflikt
Ukrainekonflikt
Materialien
Links
- Ukraine (Fluter)
- Ukraine, Russland, Europa
- Krieg in der Ukraine
- Ein Begleitheft für Pädagoginnen und Pädagogen zum Thema "Krieg von Russland gegen die Ukraine"
Literatur
Nahostkonflikt
- Meron Mendel: Über Israel reden. Eine deutsche Debatte
- Richard C. Schneider: Die Sache mit Israel Fünf Fragen zu einem komplizierten Land
Ukrainekonflikt
Andreas Kappeler: Ungleiche Brüder. Russen und Ukrainer vom Mittelalter bis zur Gegenwart