Fabeln der Aufklärung: Unterschied zwischen den Versionen
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== | == Gottlieb Konrad Pfeffel (1736-1809) == | ||
=== Der Affe und der Löwe === | |||
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Der Löwe brach ein Bein. Man rief | Der Löwe brach ein Bein. Man rief | ||
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Wird morgen ihm zu Ehren morden.</poem> | Wird morgen ihm zu Ehren morden.</poem> | ||
=== Der Affe am Hofe === | |||
<poem>Ein Affe machte so viel Streiche | <poem>Ein Affe machte so viel Streiche | ||
So manche feine Schelmerei; | So manche feine Schelmerei; | ||
Daß in dem ganzen Königreiche | Daß in dem ganzen Königreiche | ||
Sein Ruhm erscholl und selbst der Leu, | Sein Ruhm erscholl und selbst der Leu, | ||
Ein Freund der Künste, zween Emiren | Ein Freund der Künste, zween Emiren | ||
Befahl, ihn auf die Burg zu führen. | Befahl, ihn auf die Burg zu führen. | ||
Der Großherr wollte fast zerplatzen, | Der Großherr wollte fast zerplatzen, | ||
Als unser Gaukler vor ihn trat; | Als unser Gaukler vor ihn trat; | ||
Durch tausend Schwänke, tausend Fratzen | Durch tausend Schwänke, tausend Fratzen | ||
Erhielt er gleich den Rang als Rat; | Erhielt er gleich den Rang als Rat; | ||
Und bald hernach durch Brief und Siegel | Und bald hernach durch Brief und Siegel | ||
Den Titel: Ritter Eulenspiegel. | Den Titel: Ritter Eulenspiegel. | ||
Im Anfang trafen seine Possen | Im Anfang trafen seine Possen | ||
Den Schöps, den Esel und das Rind, | Den Schöps, den Esel und das Rind, | ||
Ein Kleeblatt, dem des Spötters Glossen | Ein Kleeblatt, dem des Spötters Glossen | ||
Von Alters her gewidmet sind. | Von Alters her gewidmet sind. | ||
Allein sie schwiegen, oder machten | Allein sie schwiegen, oder machten | ||
Gar Choro mit, wenn andre lachten. | Gar Choro mit, wenn andre lachten. | ||
Der Beifall, der ihn warnen sollte, | Der Beifall, der ihn warnen sollte, | ||
Des Königs Gunst, berauschten ihn, | Des Königs Gunst, berauschten ihn, | ||
Indem er mehr noch glänzen wollte | Indem er mehr noch glänzen wollte | ||
Vergaß sich unser Harlekin, | Vergaß sich unser Harlekin, | ||
Und übte seine Neckereien | Und übte seine Neckereien | ||
Am Tiger, Wolf und andern Beien. | Am Tiger, Wolf und andern Beien. | ||
Nach einer Zeit von sieben Tagen | Nach einer Zeit von sieben Tagen | ||
War Meister Affe so beherzt, | War Meister Affe so beherzt, | ||
Sich and den Leuen selbst zu wagen, | Sich and den Leuen selbst zu wagen, | ||
Und nun war seine Gunst verscherzt. | Und nun war seine Gunst verscherzt. | ||
Die Majestät, anstatt zu lachen, | Die Majestät, anstatt zu lachen, | ||
befahl ihm den Prozeß zu machen. | befahl ihm den Prozeß zu machen. | ||
Bei Niedern, die dem Spotte weichen, | Bei Niedern, die dem Spotte weichen, | ||
Ist er verblümte Tyrannei: | Ist er verblümte Tyrannei: | ||
Bei denen, die an Stand sich gleichen, | Bei denen, die an Stand sich gleichen, | ||
Ist er ein Quell der Zänkerei: | Ist er ein Quell der Zänkerei: | ||
Bei Großen ist er ein Verbrechen, | Bei Großen ist er ein Verbrechen, | ||
Das sie mit ihren Blitzen rächen.</poem> | Das sie mit ihren Blitzen rächen.</poem> | ||
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<poem>Im kühlen Park saß Prinz Porphyr | <poem>Im kühlen Park saß Prinz Porphyr | ||
Mit seinem Mentor einst nach Tische | Mit seinem Mentor einst nach Tische | ||
Und gähnte recht nach Standsgebühr; | Und gähnte recht nach Standsgebühr; | ||
Als aus dem duftenden Gebüsche | Als aus dem duftenden Gebüsche | ||
Das Lied der Nachtigall erscholl. | Das Lied der Nachtigall erscholl. | ||
Itzt wacht er auf. Entzückungsvoll | Itzt wacht er auf. Entzückungsvoll | ||
beschleichet er die dunklen Hecken, | beschleichet er die dunklen Hecken, | ||
Um hinterrücks das arme Tier | Um hinterrücks das arme Tier | ||
Zu haschen und es einzustecken. | Zu haschen und es einzustecken. | ||
Es ist sultanische Manier | Es ist sultanische Manier | ||
Mit andrer Freiheit so zu spaßen, | Mit andrer Freiheit so zu spaßen, | ||
Doch diesmal mußte sich Porphyr | Doch diesmal mußte sich Porphyr | ||
Den Appetit vergehen lassen. | Den Appetit vergehen lassen. | ||
Sein erster Schritt veriet ihn schon | Sein erster Schritt veriet ihn schon | ||
Und der geschreckte Vogel machte | Und der geschreckte Vogel machte | ||
Mit schnellen Schwingen sich davon. | Mit schnellen Schwingen sich davon. | ||
Die Hoheit stampft und wandert sachte | Die Hoheit stampft und wandert sachte | ||
Dem Mentor zu. Der Mentor lachte; | Dem Mentor zu. Der Mentor lachte; | ||
Beschämt fragt ihn der Königssohn, | Beschämt fragt ihn der Königssohn, | ||
Der wohl des Tags auch einmal dachte: | Der wohl des Tags auch einmal dachte: | ||
Wie kömmt's, daß man in unserm Schloß | Wie kömmt's, daß man in unserm Schloß | ||
Nicht eine Philomele findet; | Nicht eine Philomele findet; | ||
Indes ein ungeheurer Troß | Indes ein ungeheurer Troß | ||
Von Spatzen uns die Ohren schindet? | Von Spatzen uns die Ohren schindet? | ||
Mein Prinz! Dies ist der Höfe Lauf, | Mein Prinz! Dies ist der Höfe Lauf, | ||
Versetzt der Mann; wie Fliegenschwärme | Versetzt der Mann; wie Fliegenschwärme | ||
Drängt sich das Heer der Toren auf: | Drängt sich das Heer der Toren auf: | ||
Doch das Verdienst lebt fern vom Lärme. | Doch das Verdienst lebt fern vom Lärme. | ||
Verscheucht und gleichsam auf der Flucht, | Verscheucht und gleichsam auf der Flucht, | ||
Nur der entdeckt es, der es sucht. | Nur der entdeckt es, der es sucht. | ||
</poem> | </poem> | ||
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== Drei Fabeln zum Motiv "Tanzbär" == | == Drei Fabeln zum Motiv "Tanzbär" == | ||
=== | === Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769): Der Tanzbär === | ||
<poem>Ein Bär, der lange Zeit sein Brot ertanzen müssen, | <poem>Ein Bär, der lange Zeit sein Brot ertanzen müssen, | ||
Entrann und wählte sich den ersten Aufenthalt. | Entrann und wählte sich den ersten Aufenthalt. | ||
Die Bären grüßten ihn mit brüderlichen Küssen | Die Bären grüßten ihn mit brüderlichen Küssen | ||
Und brummten freudig durch den Wald, | Und brummten freudig durch den Wald, | ||
Und wo ein Bär den andern sah, | Und wo ein Bär den andern sah, | ||
So hieß es: "Petz ist wieder da!" | So hieß es: "Petz ist wieder da!" | ||
Der Bär erzählte drauf, was er in fremden Landen | Der Bär erzählte drauf, was er in fremden Landen | ||
Für Abenteuer ausgestanden, | Für Abenteuer ausgestanden, | ||
Was er gesehn, gehört, getan. | Was er gesehn, gehört, getan. | ||
Und fing, da er vom Tanzen red'te. | Und fing, da er vom Tanzen red'te. | ||
Als ging er noch an seiner Kette, | Als ging er noch an seiner Kette, | ||
Auf polnisch schön zu tanzen an. | Auf polnisch schön zu tanzen an. | ||
Die Brüder, die ihn tanzen sahn, | Die Brüder, die ihn tanzen sahn, | ||
bewunderten die Wendung seiner Glieder, | bewunderten die Wendung seiner Glieder, | ||
Und gleich versuchten es die Brüder; | Und gleich versuchten es die Brüder; | ||
Allein anstatt, wie er, zu gehn, | Allein anstatt, wie er, zu gehn, | ||
So konnten sie kaum aufrecht stehn, | So konnten sie kaum aufrecht stehn, | ||
Und mancher fiel die Länge lang darnieder. | Und mancher fiel die Länge lang darnieder. | ||
Um desto mehr ließ sich der Tänzer sehn; | Um desto mehr ließ sich der Tänzer sehn; | ||
Doch seine Kunst verdroß den ganzen Haufen. | Doch seine Kunst verdroß den ganzen Haufen. | ||
"Fort", schrien alle, "fort mit dir! | "Fort", schrien alle, "fort mit dir! | ||
Du Narr willst klüger sein als wir?" | Du Narr willst klüger sein als wir?" | ||
Man zwang den Petz, davonzulaufen. | Man zwang den Petz, davonzulaufen. | ||
Sei nicht geschickt, man wird dich wenig hassen, | Sei nicht geschickt, man wird dich wenig hassen, | ||
Weil dir dann jeder ähnlich ist; | Weil dir dann jeder ähnlich ist; | ||
Doch je geschickter du vor vielen andern bist, | Doch je geschickter du vor vielen andern bist, | ||
Je mehr nimm dich in acht, dich prahlend sehn zu lassen. | Je mehr nimm dich in acht, dich prahlend sehn zu lassen. | ||
Wahr ist's, man wird auf kurze Zeit | Wahr ist's, man wird auf kurze Zeit | ||
Von deinen Künsten rühmlich sprechen; | Von deinen Künsten rühmlich sprechen; | ||
Doch traue nicht, bald folgt der Neid | Doch traue nicht, bald folgt der Neid | ||
Und macht aus der Geschicklichkeit | Und macht aus der Geschicklichkeit | ||
Ein unvergebliches Verbrechen.</poem> | Ein unvergebliches Verbrechen.</poem> | ||
=== | === Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781): Der Tanzbär === | ||
<poem>Ein Tanzbär war der Kett' entrissen, | <poem>Ein Tanzbär war der Kett' entrissen, | ||
Kam wieder in den Wald zurück, | Kam wieder in den Wald zurück, | ||
Und tanzte seiner Schar ein Meisterstück | Und tanzte seiner Schar ein Meisterstück | ||
Auf den gewohnten Hinterfüßen. | Auf den gewohnten Hinterfüßen. | ||
"Seht", schrie er, "das ist Kunst; das lernt man in der Welt. | "Seht", schrie er, "das ist Kunst; das lernt man in der Welt. | ||
Tut es mir nach, wenn's euch gefällt, | Tut es mir nach, wenn's euch gefällt, | ||
Und wenn ihr könnt!" - "Geh", brummt ein alter Bär, | Und wenn ihr könnt!" - "Geh", brummt ein alter Bär, | ||
"Dergleichen Kunst, sie sei so schwer, | "Dergleichen Kunst, sie sei so schwer, | ||
Sie sei so rar sie sei, | Sie sei so rar sie sei, | ||
Zeigt deinen niedern Geist und deine Sklaverei." | Zeigt deinen niedern Geist und deine Sklaverei." | ||
Ein großer Hofmann sein, | Ein großer Hofmann sein, | ||
Ein Mann, dem Schmeichelei und List | Ein Mann, dem Schmeichelei und List | ||
Statt Witz und Tugend ist; | Statt Witz und Tugend ist; | ||
Der durch Kabalen steigt, des Fürsten Gunst erstiehlt, | Der durch Kabalen steigt, des Fürsten Gunst erstiehlt, | ||
Mit Wort und Schwur als Komplimenten spielt, | Mit Wort und Schwur als Komplimenten spielt, | ||
Ein solcher Mann, ein großer Hofmann sein, | Ein solcher Mann, ein großer Hofmann sein, | ||
Schließt das Lob oder Tadel ein? | Schließt das Lob oder Tadel ein? | ||
</poem> | </poem> | ||
=== | === Gottlieb Konrad Pfeffel (1736-1809): Der Tanzbär==== | ||
<poem>Ein Gauner an dem Weichselstrand, | <poem>Ein Gauner an dem Weichselstrand, | ||
Wo man nichts kennet als Despoten | Wo man nichts kennet als Despoten | ||
Mit ehrnen Zeptern und Heloten | Mit ehrnen Zeptern und Heloten | ||
In Lumpen, zog mit kecker Hand | In Lumpen, zog mit kecker Hand | ||
Ein Bärchen aus der Mutter Pfoten, | Ein Bärchen aus der Mutter Pfoten, | ||
Die durch ihn fiel. Der Sieger hing | Die durch ihn fiel. Der Sieger hing | ||
Flugs einen Korb dem armen Waisen | Flugs einen Korb dem armen Waisen | ||
Ums rauhe Kinn; ein dichter Ring | Ums rauhe Kinn; ein dichter Ring | ||
Mit einem Gängelband aus Eisen | Mit einem Gängelband aus Eisen | ||
Würgt ihm den Hals, und überdies | Würgt ihm den Hals, und überdies | ||
Stumpft er, um sich vor seinem Biß | Stumpft er, um sich vor seinem Biß | ||
Zu schützen, ihm die jungen Zähne. | Zu schützen, ihm die jungen Zähne. | ||
Da half kein Heulen, keine Träne. | Da half kein Heulen, keine Träne. | ||
Noch mehr: er zwang den armen Wicht, | Noch mehr: er zwang den armen Wicht, | ||
Mit aufgrecktem Kopf und Ranzen, | Mit aufgrecktem Kopf und Ranzen, | ||
Er mochte wollen oder nicht, | Er mochte wollen oder nicht, | ||
Nach seinem Dudelsack zu tanzen | Nach seinem Dudelsack zu tanzen | ||
Und seinen Affen Favorit, | Und seinen Affen Favorit, | ||
Der, taub gleich ihm, bei Petzens Klagen, | Der, taub gleich ihm, bei Petzens Klagen, | ||
Wenn dieser seufzte, Fratzen schnitt, | Wenn dieser seufzte, Fratzen schnitt, | ||
Als Reitpferd durch die Welt zu tragen. | Als Reitpferd durch die Welt zu tragen. | ||
Wenn ihn der Unmut überwand, | Wenn ihn der Unmut überwand, | ||
So büßten seinen Widerstand | So büßten seinen Widerstand | ||
Bald seine Knochen, bald sein Magen. | Bald seine Knochen, bald sein Magen. | ||
So strich ihm unter tausend Plagen | So strich ihm unter tausend Plagen | ||
bereits das dritte Jahr vorbei, | bereits das dritte Jahr vorbei, | ||
Als einst, im Sturm der Schwelgerei, | Als einst, im Sturm der Schwelgerei, | ||
Sein Herr vergaß, ihn anzuschließen. | Sein Herr vergaß, ihn anzuschließen. | ||
Die Freiheit winkt; mit schnellen Füßen | Die Freiheit winkt; mit schnellen Füßen | ||
verläßt er seine faule Streu | verläßt er seine faule Streu | ||
Und fliehet, vor den Finsternissen | Und fliehet, vor den Finsternissen | ||
Der Nacht bedeckt, durch Busch und Moor | Der Nacht bedeckt, durch Busch und Moor | ||
Ins nahe Holz. Mit frohen Küssen | Ins nahe Holz. Mit frohen Küssen | ||
Empfängt ihn seiner Brüder Chor. | Empfängt ihn seiner Brüder Chor. | ||
Der eine reicht ihm leckre Speisen, | Der eine reicht ihm leckre Speisen, | ||
Der andre hilft ihm, vor dem Eisen | Der andre hilft ihm, vor dem Eisen | ||
An Hals und Schnauze sich befrein. | An Hals und Schnauze sich befrein. | ||
Der Hetmann eilet voll Entzücken, | Der Hetmann eilet voll Entzücken, | ||
Den Gast mit Eichelaub zu schmücken, | Den Gast mit Eichelaub zu schmücken, | ||
Und weihet ihn zum Bürger ein. | Und weihet ihn zum Bürger ein. | ||
Kaum konnte Petz sein Glück ermessen, | Kaum konnte Petz sein Glück ermessen, | ||
Doch lernt er eher Honig fressen | Doch lernt er eher Honig fressen | ||
Und nur sich selbst gehorsam sein | Und nur sich selbst gehorsam sein | ||
Als seines Henkers Wut vergessen. | Als seines Henkers Wut vergessen. | ||
Einst sah er ihn den dunklen Hain | Einst sah er ihn den dunklen Hain | ||
Durchwandeln; gleich dem Höllendrachen | Durchwandeln; gleich dem Höllendrachen | ||
Stürzt er mit aufgesperrtem Rachen | Stürzt er mit aufgesperrtem Rachen | ||
Sich über ihn. "Ha, Wüterich!" | Sich über ihn. "Ha, Wüterich!" | ||
Brüllt er. "Nun kommt der Tanz an dich." | Brüllt er. "Nun kommt der Tanz an dich." | ||
Jetzt packt er ihn mit seinen Tatzen | Jetzt packt er ihn mit seinen Tatzen | ||
Und presset ihn mit wilder Lust | Und presset ihn mit wilder Lust | ||
So fest an seine Felsenbrust, | So fest an seine Felsenbrust, | ||
Daß alle Rippen ihm zerplatzen. | Daß alle Rippen ihm zerplatzen. | ||
Ihr Zwingherrn, bebt! Es kömmt ein Tag, | Ihr Zwingherrn, bebt! Es kömmt ein Tag, | ||
An dem der Sklave seine Ketten | An dem der Sklave seine Ketten | ||
Zerbrechen wird, und dann vermag | Zerbrechen wird, und dann vermag | ||
Euch nichts vor seiner Wut zu retten. | Euch nichts vor seiner Wut zu retten. | ||
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Version vom 27. Oktober 2011, 20:47 Uhr
Gottlieb Konrad Pfeffel (1736-1809)
Der Affe und der Löwe
Der Löwe brach ein Bein. Man rief
Den Doktor Fuchs ihn zu kurieren,
Doch alles drehen, schindeln, schmieren
Half nichts; das Bein blieb lahm und schief.
Um dem Monarchen zu hofieren,
Erschien sein erster Hofpoet,
Ein Affe, der gar schlau sich dünkte,
Einst in der Residenz, und hinkte
So arg als seine Majestät.
Wie? Sprach der Fürst ergrimmt zum Gecken
Ich glaube gar, du willst mich necken.
Ich? Lallte Matz, behüt uns Gott!
Mich treib die schönste meiner Pflichten,
Als treuer Knecht, als Patriot,
Nach deinem Vorbild mich zu richten.
Geh, Schelm, fiel ihm der König ein,
Statt meinen Fehler nachzuahmen,
So hink in deinem eignen Namen.
Er sprachs, und brach ihm knacks ein Bein.
Die Lehre könnte sanfter sein,
Doch wäre sie den Herrn mit Orden
Und Schlüsseln heilsam, wie mich dünkt.
Wer heut mit seinem Fürsten hinkt,
Wird morgen ihm zu Ehren morden.
Der Affe am Hofe
Ein Affe machte so viel Streiche
So manche feine Schelmerei;
Daß in dem ganzen Königreiche
Sein Ruhm erscholl und selbst der Leu,
Ein Freund der Künste, zween Emiren
Befahl, ihn auf die Burg zu führen.
Der Großherr wollte fast zerplatzen,
Als unser Gaukler vor ihn trat;
Durch tausend Schwänke, tausend Fratzen
Erhielt er gleich den Rang als Rat;
Und bald hernach durch Brief und Siegel
Den Titel: Ritter Eulenspiegel.
Im Anfang trafen seine Possen
Den Schöps, den Esel und das Rind,
Ein Kleeblatt, dem des Spötters Glossen
Von Alters her gewidmet sind.
Allein sie schwiegen, oder machten
Gar Choro mit, wenn andre lachten.
Der Beifall, der ihn warnen sollte,
Des Königs Gunst, berauschten ihn,
Indem er mehr noch glänzen wollte
Vergaß sich unser Harlekin,
Und übte seine Neckereien
Am Tiger, Wolf und andern Beien.
Nach einer Zeit von sieben Tagen
War Meister Affe so beherzt,
Sich and den Leuen selbst zu wagen,
Und nun war seine Gunst verscherzt.
Die Majestät, anstatt zu lachen,
befahl ihm den Prozeß zu machen.
Bei Niedern, die dem Spotte weichen,
Ist er verblümte Tyrannei:
Bei denen, die an Stand sich gleichen,
Ist er ein Quell der Zänkerei:
Bei Großen ist er ein Verbrechen,
Das sie mit ihren Blitzen rächen.
Der Prinz und sein Hofmeister
Im kühlen Park saß Prinz Porphyr
Mit seinem Mentor einst nach Tische
Und gähnte recht nach Standsgebühr;
Als aus dem duftenden Gebüsche
Das Lied der Nachtigall erscholl.
Itzt wacht er auf. Entzückungsvoll
beschleichet er die dunklen Hecken,
Um hinterrücks das arme Tier
Zu haschen und es einzustecken.
Es ist sultanische Manier
Mit andrer Freiheit so zu spaßen,
Doch diesmal mußte sich Porphyr
Den Appetit vergehen lassen.
Sein erster Schritt veriet ihn schon
Und der geschreckte Vogel machte
Mit schnellen Schwingen sich davon.
Die Hoheit stampft und wandert sachte
Dem Mentor zu. Der Mentor lachte;
Beschämt fragt ihn der Königssohn,
Der wohl des Tags auch einmal dachte:
Wie kömmt's, daß man in unserm Schloß
Nicht eine Philomele findet;
Indes ein ungeheurer Troß
Von Spatzen uns die Ohren schindet?
Mein Prinz! Dies ist der Höfe Lauf,
Versetzt der Mann; wie Fliegenschwärme
Drängt sich das Heer der Toren auf:
Doch das Verdienst lebt fern vom Lärme.
Verscheucht und gleichsam auf der Flucht,
Nur der entdeckt es, der es sucht.
Drei Fabeln zum Motiv "Tanzbär"
Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769): Der Tanzbär
Ein Bär, der lange Zeit sein Brot ertanzen müssen,
Entrann und wählte sich den ersten Aufenthalt.
Die Bären grüßten ihn mit brüderlichen Küssen
Und brummten freudig durch den Wald,
Und wo ein Bär den andern sah,
So hieß es: "Petz ist wieder da!"
Der Bär erzählte drauf, was er in fremden Landen
Für Abenteuer ausgestanden,
Was er gesehn, gehört, getan.
Und fing, da er vom Tanzen red'te.
Als ging er noch an seiner Kette,
Auf polnisch schön zu tanzen an.
Die Brüder, die ihn tanzen sahn,
bewunderten die Wendung seiner Glieder,
Und gleich versuchten es die Brüder;
Allein anstatt, wie er, zu gehn,
So konnten sie kaum aufrecht stehn,
Und mancher fiel die Länge lang darnieder.
Um desto mehr ließ sich der Tänzer sehn;
Doch seine Kunst verdroß den ganzen Haufen.
"Fort", schrien alle, "fort mit dir!
Du Narr willst klüger sein als wir?"
Man zwang den Petz, davonzulaufen.
Sei nicht geschickt, man wird dich wenig hassen,
Weil dir dann jeder ähnlich ist;
Doch je geschickter du vor vielen andern bist,
Je mehr nimm dich in acht, dich prahlend sehn zu lassen.
Wahr ist's, man wird auf kurze Zeit
Von deinen Künsten rühmlich sprechen;
Doch traue nicht, bald folgt der Neid
Und macht aus der Geschicklichkeit
Ein unvergebliches Verbrechen.
Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781): Der Tanzbär
Ein Tanzbär war der Kett' entrissen,
Kam wieder in den Wald zurück,
Und tanzte seiner Schar ein Meisterstück
Auf den gewohnten Hinterfüßen.
"Seht", schrie er, "das ist Kunst; das lernt man in der Welt.
Tut es mir nach, wenn's euch gefällt,
Und wenn ihr könnt!" - "Geh", brummt ein alter Bär,
"Dergleichen Kunst, sie sei so schwer,
Sie sei so rar sie sei,
Zeigt deinen niedern Geist und deine Sklaverei."
Ein großer Hofmann sein,
Ein Mann, dem Schmeichelei und List
Statt Witz und Tugend ist;
Der durch Kabalen steigt, des Fürsten Gunst erstiehlt,
Mit Wort und Schwur als Komplimenten spielt,
Ein solcher Mann, ein großer Hofmann sein,
Schließt das Lob oder Tadel ein?
Gottlieb Konrad Pfeffel (1736-1809): Der Tanzbär=
Ein Gauner an dem Weichselstrand,
Wo man nichts kennet als Despoten
Mit ehrnen Zeptern und Heloten
In Lumpen, zog mit kecker Hand
Ein Bärchen aus der Mutter Pfoten,
Die durch ihn fiel. Der Sieger hing
Flugs einen Korb dem armen Waisen
Ums rauhe Kinn; ein dichter Ring
Mit einem Gängelband aus Eisen
Würgt ihm den Hals, und überdies
Stumpft er, um sich vor seinem Biß
Zu schützen, ihm die jungen Zähne.
Da half kein Heulen, keine Träne.
Noch mehr: er zwang den armen Wicht,
Mit aufgrecktem Kopf und Ranzen,
Er mochte wollen oder nicht,
Nach seinem Dudelsack zu tanzen
Und seinen Affen Favorit,
Der, taub gleich ihm, bei Petzens Klagen,
Wenn dieser seufzte, Fratzen schnitt,
Als Reitpferd durch die Welt zu tragen.
Wenn ihn der Unmut überwand,
So büßten seinen Widerstand
Bald seine Knochen, bald sein Magen.
So strich ihm unter tausend Plagen
bereits das dritte Jahr vorbei,
Als einst, im Sturm der Schwelgerei,
Sein Herr vergaß, ihn anzuschließen.
Die Freiheit winkt; mit schnellen Füßen
verläßt er seine faule Streu
Und fliehet, vor den Finsternissen
Der Nacht bedeckt, durch Busch und Moor
Ins nahe Holz. Mit frohen Küssen
Empfängt ihn seiner Brüder Chor.
Der eine reicht ihm leckre Speisen,
Der andre hilft ihm, vor dem Eisen
An Hals und Schnauze sich befrein.
Der Hetmann eilet voll Entzücken,
Den Gast mit Eichelaub zu schmücken,
Und weihet ihn zum Bürger ein.
Kaum konnte Petz sein Glück ermessen,
Doch lernt er eher Honig fressen
Und nur sich selbst gehorsam sein
Als seines Henkers Wut vergessen.
Einst sah er ihn den dunklen Hain
Durchwandeln; gleich dem Höllendrachen
Stürzt er mit aufgesperrtem Rachen
Sich über ihn. "Ha, Wüterich!"
Brüllt er. "Nun kommt der Tanz an dich."
Jetzt packt er ihn mit seinen Tatzen
Und presset ihn mit wilder Lust
So fest an seine Felsenbrust,
Daß alle Rippen ihm zerplatzen.
Ihr Zwingherrn, bebt! Es kömmt ein Tag,
An dem der Sklave seine Ketten
Zerbrechen wird, und dann vermag
Euch nichts vor seiner Wut zu retten.