Worms 1521: Unterschied zwischen den Versionen
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==Welche Folgen hätte es gehabt, wenn Luther sich mit dem Kaiser verständigt hätte?== | ==Welche Folgen hätte es gehabt, wenn Luther sich 1521 mit dem Kaiser verständigt hätte?== | ||
===Mögliche Auswirkungen für die Kirchenreform=== | ===Mögliche Auswirkungen für die Kirchenreform=== | ||
{{Box|Evangelische Kirchenreform| | |||
An vielen Stellen in Europa beginnen in den 1520er Jahren Kirchenreformen, die durch gemeinsame Merkmale bestimmt sind: | |||
* Aufhebung der Klöster, Orden und der zölibatären Lebensweise | |||
* Abschaffung kirchlicher Riten, zB. der Beichte, des Heiligen- und Reliquienkultes, der Prozessionen, | |||
* Konzentration auf dem Glauben und auf die Bibel | |||
* Gottesdienst, Predigt und Unterricht in der Landessprache | |||
* Widerstand gegen alle Ansprüche des Papstes | |||
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===Mögliche Auswirkungen für Aufstände und Kriege=== | ===Mögliche Auswirkungen für Aufstände und Kriege=== | ||
Version vom 3. Dezember 2020, 06:44 Uhr
Lutherweg
An vielen Stellen in Hessen und den angrenzenden Bundesländern findet man Hinweise auf den Lutherweg. In einem Gemeinschaftsprojekt von Evangelischen Landeskirchen und Tourismusverbänden wurden Wanderwege ausgezeichnet in der Nähe der Route, die Luther im April und Mai 1521 auf dem Hin- und Rückweg zum Reichstag von nach Worms zurücklegte. Die Lutherweg-Gesellschaft gründete sich 2008,[1] also zu Beginn der Lutherdekade,[2] die mit dem Jubiläumsreformationstag am 31. Oktober 2017 Höhepunkt und Abschluss fand. Aber 1517 wurde nichts abgeschlossen, sondern es begann erst, zum Beispiel wurde der "Lutherweg" erst vier Jahre danach beschritten.
Dieser Lernpfad rückt ein Ereignis in den Mittelpunkt, das am 17. und 18. April 1521 in Worms stattfand: Der unbestrittene und mächtigste Herrscher des überkommenen Heiligen Römischen Reiches steht einem Mönch und Professor gegenüber, der überall in Europa von sich reden macht. Am ersten Nachmittag um Bedenkzeit, während er am zweiten Nachmittag entschieden zu seinen Schriften steht und jede Zurücknahme verweigert. Am nächsten Morgen verkündet der Kaiser in einer persönlichen Erklärung, dass er Luther für einen Irrlehrer hält, den er mit allen Mitteln verfolgen wird.
Was wäre wenn?
Der Lernpfad verfolgt eine ungewöhnliche Methodik, die man kontrafaktische Geschichtsschreibung nennt. Christian Demandt hat in seinem 1996 in zweiter Auflage erschienenen Buch Ungeschehene Geschichte [3] an zahlreichen Beispielen die Fruchtbarkeit der Fragestellung aufgezeigt. Matthias Pohlig hat im DLF Gespräch mit Christiane Florin am 28. Dezember 2017 die Frage erörtert, was geschehen wäre, hätte Luther 1517 seine Thesen für sich behalten [4] und an diesem Beispiel die kontrafaktische Geschichtsschreibung begründet.
Das Bild oben zeigt an einigen Beispielen, wie sich Luthers Thesen in Europa verbreiten und welche Reaktionen sie an verschiedenen Stellen auslösen. Man sieht, dass an vielen Stellen die Geschichte auch anders hätte weitergehen können:
- Martin Luther fand schnell zahlreiche Unterstützer in seinem Orden und darüber hinaus. Wie hätte er sich verhalten, wenn er mit seinen Thesen weitgehend alleine da gestanden hätte?
- Die Dominkaner in Sachsen waren die ersten, die Luther in Rom anzeigten. Johannes Eck, der mit Luther in vielen Fragen einig war, verwendet in den Jahren 1518 bis 1520 viel Energie, um Luthers Thesen auf allen Ebenen - Briefwechsel, Disputation, Intervention in Rom - zu bekämpfen. Ganz anders Erasmus von Rotterdam, dem es nicht in den Sinn gekommen wäre, jemanden anzuschwärzen. Wie hätten sich die Dinge entwickelt, wenn Luthers innerkirchliche Gegner nachgiebiger gewesen wären?
- Was wäre passiert, wenn Luther Kardinal Vio (Cajetan genannt) überzeugt und dieser sich in Rom für Luther eingesetzt hätte?
- Im Januar 1518 erreicht der päpstliche Gesandte, Karl von Miltitz, von Luther Zugeständnisse und es kommt zu einer einvernehmlichen Erklärung. Wie wäre die Geschichte weitergegangen, wenn es dabei geblieben wäre?
Im Laufe der Jahre 1519 und 1520 werden die angedeuteten Optionen obsolet. Martin Luther distanziert sich in der Disputation von Leipzig im Juli 1519 von der Idee des Konzils als der traditionellen Methode innerkirchlicher Konfliktüberwindung. Im August 1520 bezeichnet er den Papst als "Antichristus". Das ist eine biblische Gestalt, die die Christen vom Glauben an Jesus Christus, den Mensch gewordenen Gottessohn, abbringen und zur Gottlosigkeit verführen will. (1. Johannesbrief 4,3; 2. Johannesbrief V.7)
Nicht zuletzt auf Betreiben von Johannes Eck wird im Frühjar 1520 der Prozess gegen Martin Luther - die Causa Lutheri - wieder aufgenommen. Im Juni erklärt der Papst 41 Aussagen Luthers zu Irrlehren und droht ihm den Bann (Ausschluss aus der Kirche) an, wenn er diese Aussagen nicht widerruft. Da kein Widerruf erfolgt, ist der Kirchenausschluss am 3. Januar 1521 die logische Folge.
Luther vor dem Kaiser
Am 18. April 1521 gegen 18 Uhr abends wird Luther zum zweiten Mal vor den Kaiser geladen und mit der Frage konfrontiert, ob er die vom Papst verurteilten Aussagen widerrufen wolle. Eine längere Rede wird schließlich unterbrochen und von Luther eine klare und kurze Antwort verlangt. Daraufhin sagt er:
Weil eure kaiserliche Majestät eine schlichte Antwort begehren, so will ich eine unanstößige und unbissige Antwort geben dieser Maßen: Es sei, dass ich durch Schriftzeugnis oder durch offenbare Ursachen (denn ich glaube weder dem Papst noch den Konzilien alleine, weil es am Tag ist, dass dieselben mehrmals geirrt und wider sich selbst geredet haben) überwunden werde. Ich bin überwunden durch die Schriften, wie angeführt, und gefangen in meinem Gewissen an dem Wort Gottes, derhalben ich nichts mag noch will widerrufen, weil wider das Gewissen handeln beschwerlich, unheilsam und gefährlich ist. Gott hilf mir! Amen.[5]
Am Morgen danach fragt der Kaiser in die Runde, was jetzt zu tun sei, und da niemand das Wort ergreift, lässt er eine eigenhändig in französischer Sprache verfasste Erklärung verlesen. Daraus ein Ausschnitt in deutscher Übersetzung:
Aufgrund natürlichen Rechtes und unseren Erbes werden wir bei der heiligen katholischen Religion bleiben, nach ihrem Vorbild leben und sterben als wahrhaftige Nachahmer des Beispiels unserer Vorgänger um der Gnade Gottes willen. Auch im besonderen Fall bin ich gehalten, das zu pflegen, was ich von meinen Vorläufern gesagt und woran ich mich bis heute gehalten habe. Denn nach den Beschlüssen von Konstanz und anderen ist gewiss, dass ein einzelner Bruder in seiner Meinung irrt, die sich gegen die ganze Christenheit richtet, die tausend und mehr Jahre besteht bis in die Gegenwart, zumal diese Einzelmeinung die christlichen Laien überall in den Irrtum führt.
Deshalb bin ich vollkommen entschieden, alle meine Königreiche und Herrschaften, meine Freunde, meinen Körper, mein Blut und meine Seele einzusetzen. Es wäre eine große Schande für mich und für Euch, die noble und berühmte deutsche Nation, einzigartig berufen zur Verteidigung und zum Schutz des katholischen Glaubens, sollte sich in unserer Zeit die Ketzerei und Schädigung des christlichen Glaubens wegen unserer Nachlässigkeit ausbreiten und wir und unsere Nachfahren für immer entehrt werden.[6]Hätte Luther widerrufen können?
Hätte der Kaiser auf die Reichsacht verzichten können?
Wie Kaiser Karl V sich selbst verstand
Gehe bitte folgendermaßen vor:
- Lass dich unvoreingenommen auf das Bild ein.
- Formuliere erste Ideen, welchen Gesamteindruck das Bild auf dich macht und welche Elemente du spontan erkennst.
- Klicke die einzelnen Markierungen an und arbeite die Informationen zum Bild durch.
Das Bild La Gloria hat Karl V. 1554 von seinem Hofmaler Tizian (1490-1576) herstellen lassen. Es soll ein ehrliches Selbstbild sein, das den Kaiser als frommen Beter und Büßer mit wenig schmeichelhaftem Aussehen zeigt. Auffallend und im Gegensatz zur Tradition sind folgende Merkmale:
- Der Kaiser und sein Sohn Philipp sind umgeben von Engeln und einer Unzahl namenloser Gesichter. Man sieht Karls verstorbene Frau, Philipps Mutter, aber keine damnals aktuellen Heiligen, wie sie auf den Bilder der zeitgenössischen flämischen Meistern gerne als Begleiter, etwa als Namens- oder Zunftpatrone, vorkommen.
- Statt dessen tauchen die wichtigsten Gestalten des Alten Bundes auf: Mose und David und die Propheten bis hin zu Johannes dem Täufer und der Gottesmutter Maria.
- Kaiser Karl betont gerne das Alter der Familie und der Herrschertraditionen, in denen er steht. In diesem Bild beginnt die Tradition bei Noah und soll enden, wenn Gott alle Macht von den Menschen zurückgegeben worden sein wird.
- Dann soll sich erweisen, ob der Kaiser auf der richtigen Seite gekämpft hat und von Gott in Gnaden aufgenommen wird.
Welche Folgen hätte es gehabt, wenn Luther sich 1521 mit dem Kaiser verständigt hätte?
Mögliche Auswirkungen für die Kirchenreform
An vielen Stellen in Europa beginnen in den 1520er Jahren Kirchenreformen, die durch gemeinsame Merkmale bestimmt sind:
- Aufhebung der Klöster, Orden und der zölibatären Lebensweise
- Abschaffung kirchlicher Riten, zB. der Beichte, des Heiligen- und Reliquienkultes, der Prozessionen,
- Konzentration auf dem Glauben und auf die Bibel
- Gottesdienst, Predigt und Unterricht in der Landessprache
- Widerstand gegen alle Ansprüche des Papstes
Mögliche Auswirkungen für Aufstände und Kriege
- ↑ https://www.lutherweg.de/ nachgeschlagen am 19.11.2020 13:14.
- ↑ https://www.luther2017.de/
- ↑ Das Buch ist online auf Digitalisat verfügbar: https://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00048272_00002.html?context=demandt&ngram=true&hl=scan&spell=true&fulltext=demandt&mode=simple nachgeschlagen am 26. 11. 2020 9:00
- ↑ https://www.deutschlandfunk.de/kontrafaktische-geschichtsforschung-was-waere-wenn-luther.886.de.html?dram:article_id=406958 nachgeschlagen am 26. November 2020 9:00
- ↑ Quelle: https://archive.org/details/deutschereichst07kommgoog/page/n590/mode/2up (nachgeschlagen am 17.09.2020 09:20)
- ↑ Quelle: https://archive.org/details/deutschereichst07kommgoog/page/n610/mode/2up und Folgeseite (nachgeschlagen am 03.09.2020 08:16)