Naturlyrik: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 12. April 2014, 16:00 Uhr
Was ist das?
Natur, in vielfältiger Funktion bedeutender und häufig zentraler Gegenstand der Dichtung. Sie ist primärer Daseins- und Erlebnisraum des Menschen; zum Ausdruck seiner elementaren Empfindungen und Gefühle bedarf er, bedarf die Poesie der Naturbilder. Gerade die Lyrik lebt von Naturbildern: der ›Natureingang‹ des Minnesangs, die Naturanrufung und das Beschwören einer ursprünglichen Einheit von Mensch und Natur in der Goethezeit, der romantische Bildzauber, die ›naturmagische‹ Lyrik des 20. Jh.s.
Neben dieser gleichsam elementaren Bedeutung der N. und des Naturbilds für die Lyrik gibt es eine spezifische Naturdichtung, Dichtung, die N. thematisiert: als Objekt ästhetischer Anschauung, als Detail, als Landschaft (Barthold Heinrich Brockes, Annette v. Droste-Hülshoff, Wilhelm Lehmann, Karl Krolow u. a.), als über sich hinausweisender Ort (etwa in der allegorisierenden Naturdichtung des Barock, der symbolischen Naturauffassung Goethes und der Romantiker u. a.), als Gegenwelt zur als mangelhaft empfundenen gesellschaftlichen Wirklichkeit (in der Hirten- und Schäferdichtung und der Idylle).
Volker Meid, Sachwörterbuch zur Deutschen Literatur, Reclam
Beispiele
Natur als Motiv in der Lyrik bedeutet nicht automatisch, dass die Natur selbst thematisiert wird. Häufig spiegelt der Bildbereich Natur die Stimmung des lyrischen Ichs, während andere Motive im Zentrum der Aussage des Gedichts stehen.
Eichendorff - Lied (Das zerbrochene Ringlein)
Joseph von Eichendorff
Das zerbrochene Ringlein
In einem kühlen Grunde
Da geht ein Mühlenrad,
Mein' Liebste ist verschwunden,
Die dort gewohnt hat.
Sie hat mir Treu' versprochen,
Gab mir ein'n Ring dabei,
Sie hat die Treu' gebrochen,
Mein Ringlein sprang entzwei.
Ich möcht' als Spielmann reisen
Weit in die Welt hinaus,
Und singen meine Weisen,
Und gehn von Haus zu Haus.
Ich möcht' als Reiter fliegen
Wohl in die blut'ge Schlacht,
Um stille Feuer liegen
Im Feld bei dunkler Nacht.
Hör' ich das Mühlrad gehen:
Ich weiß nicht, was ich will -
Ich möcht' am liebsten sterben,
Da wär's auf einmal still!
Theodor Storm - Die Stadt
Theodor Storm
Die Stadt
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn' Unterlass;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.
Erstdruck 1852