Naturlyrik: Unterschied zwischen den Versionen

Aus ZUM-Unterrichten
Main>Klaus Dautel
Main>Karl Kirst
(→‎Beispiele: Zeilennummerierung)
Zeile 30: Zeile 30:
<font>Die dort gewohnt hat.</font>
<font>Die dort gewohnt hat.</font>


<font>Sie hat mir Treu' versprochen, </font>
{{Zeile|5}}<font>Sie hat mir Treu' versprochen, </font>
<font>Gab mir ein'n Ring dabei, </font>
<font>Gab mir ein'n Ring dabei, </font>
<font>Sie hat die Treu' gebrochen, </font>
<font>Sie hat die Treu' gebrochen, </font>
Zeile 36: Zeile 36:


<font>Ich möcht' als Spielmann reisen </font>
<font>Ich möcht' als Spielmann reisen </font>
<font>Weit in die Welt hinaus, </font>
{{Zeile|10}}<font>Weit in die Welt hinaus, </font>
<font>Und singen meine Weisen, </font>
<font>Und singen meine Weisen, </font>
<font>Und gehn von Haus zu Haus.</font>
<font>Und gehn von Haus zu Haus.</font>
Zeile 42: Zeile 42:
<font>Ich möcht' als Reiter fliegen </font>
<font>Ich möcht' als Reiter fliegen </font>
<font>Wohl in die blut'ge Schlacht, </font>
<font>Wohl in die blut'ge Schlacht, </font>
<font>Um stille Feuer liegen </font>
{{Zeile|15}}<font>Um stille Feuer liegen </font>
<font>Im Feld bei dunkler Nacht.</font>
<font>Im Feld bei dunkler Nacht.</font>


Zeile 48: Zeile 48:
<font>Ich weiß nicht, was ich will - </font>
<font>Ich weiß nicht, was ich will - </font>
<font>Ich möcht' am liebsten sterben, </font>
<font>Ich möcht' am liebsten sterben, </font>
<font>Da wär's auf einmal still!</font>
{{Zeile|20}}<font>Da wär's auf einmal still!</font>
</poem>|
</poem>|
}}
}}
Zeile 54: Zeile 54:
=== Theodor Storm - Die Stadt ===
=== Theodor Storm - Die Stadt ===


{{Zitat|''Theodor Storm''
{{Zitat|
<poem>
''Theodor Storm''


Die Stadt
Die Stadt
<poem>


Am grauen Strand, am grauen Meer
Am grauen Strand, am grauen Meer
Zeile 63: Zeile 64:
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
{{Zeile|5}}Eintönig um die Stadt.


Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Zeile 69: Zeile 70:
Die Wandergans mit hartem Schrei
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
{{Zeile|10}}Am Strande weht das Gras.


Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Zeile 75: Zeile 76:
Der Jugend Zauber für und für
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.
{{Zeile|15}}Du graue Stadt am Meer.


</poem>
</poem>

Version vom 2. Mai 2014, 19:20 Uhr

Was ist das?

„Der Prozeß der Neuzeit, aus dem die Moderne hervorging, kann beschrieben werden als ein Prozeß der Selbstausgrenzung des Menschen aus der Natur. In diesem Sinne ist die Aufklärung fasziniert vom Gedanken der Differenz zwischen Mensch und Natur.“ (10)

„Das vorneuzeitliche Denken hatte der Natur Eigenständigkeit und Eigenleben zugesprochen. Der Begriff Natur, abgeleitet vom lateinischen Stamm nasci (d.h. geboren werden, entstehen), meint ursprünglich die von Menschenhand unberührte, gewachsene Welt der Dinge sowie das von Geburt Mitgebrachte, Angeborene. Ähnlich bezeichnet das griechische Wort physis den Bereich des von der Natur, nicht dem Menschen, Hervorgebrachten, Wachsenden und Werdenden. […] Natur ist dieser Vorstellung nach (gemeint ist die Naturlehre des Aristoteles, K.D.) gerade das aus sich selbst heraus Lebensfähige und Wirksame, und sie ist dies nach griechischer Vorstellung auch nicht von Gnaden eines Schöpfergottes oder gar des Menschen.“ (13f)


Silvio Vietta: Die vollendete Speculation führt zur Natur zurück. Natur und Ästhetik. Reclam Leipzig 1995

Natur, in vielfältiger Funktion bedeutender und häufig zentraler Gegenstand der Dichtung. Sie ist primärer Daseins- und Erlebnisraum des Menschen; zum Ausdruck seiner elementaren Empfindungen und Gefühle bedarf er, bedarf die Poesie der Naturbilder. Gerade die Lyrik lebt von Naturbildern: der ›Natureingang‹ des Minnesangs, die Naturanrufung und das Beschwören einer ursprünglichen Einheit von Mensch und Natur in der Goethezeit, der romantische Bildzauber, die ›naturmagische‹ Lyrik des 20. Jh.s.

Neben dieser gleichsam elementaren Bedeutung der N. und des Naturbilds für die Lyrik gibt es eine spezifische Naturdichtung, Dichtung, die N. thematisiert: als Objekt ästhetischer Anschauung, als Detail, als Landschaft (Barthold Heinrich Brockes, Annette v. Droste-Hülshoff, Wilhelm Lehmann, Karl Krolow u. a.), als über sich hinausweisender Ort (etwa in der allegorisierenden Naturdichtung des Barock, der symbolischen Naturauffassung Goethes und der Romantiker u. a.), als Gegenwelt zur als mangelhaft empfundenen gesellschaftlichen Wirklichkeit (in der Hirten- und Schäferdichtung und der Idylle).


Volker Meid, Sachwörterbuch zur Deutschen Literatur, Reclam

Beispiele

Natur als Motiv in der Lyrik bedeutet nicht automatisch, dass die Natur selbst thematisiert wird. Häufig spiegelt der Bildbereich Natur die Stimmung des lyrischen Ichs, während andere Motive im Zentrum der Aussage des Gedichts stehen.

Eichendorff - Lied (Das zerbrochene Ringlein)

Joseph von Eichendorff

Das zerbrochene Ringlein
 

In einem kühlen Grunde
Da geht ein Mühlenrad,
Mein' Liebste ist verschwunden,
Die dort gewohnt hat.

Vorlage:ZeileSie hat mir Treu' versprochen,
Gab mir ein'n Ring dabei,
Sie hat die Treu' gebrochen,
Mein Ringlein sprang entzwei.

Ich möcht' als Spielmann reisen
Vorlage:ZeileWeit in die Welt hinaus,
Und singen meine Weisen,
Und gehn von Haus zu Haus.

Ich möcht' als Reiter fliegen
Wohl in die blut'ge Schlacht,
Vorlage:ZeileUm stille Feuer liegen
Im Feld bei dunkler Nacht.

Hör' ich das Mühlrad gehen:
Ich weiß nicht, was ich will -
Ich möcht' am liebsten sterben,
Vorlage:ZeileDa wär's auf einmal still!


Theodor Storm - Die Stadt

Theodor Storm

Die Stadt

Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Vorlage:ZeileEintönig um die Stadt.

Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn' Unterlass;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Vorlage:ZeileAm Strande weht das Gras.

Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Vorlage:ZeileDu graue Stadt am Meer.


Erstdruck 1852

Linkliste

"Brockes ist die herausragende Gestalt in der Naturlyrik der Frühaufklärung." - Vorgeführt an dessen Gedicht "Die kleine Fliege" (1736).
"Am 21. und 22. Februar 2014 fand die Jahrestagung des baden-württembergischen Landesverbandes in der Landesakademie Bad Wildbad statt. Die vielfältigen, sowohl für die Unterrichtspraxis als auch für die Bildungsdebatte interessanten Ergebnisse werden nun der Öffentlichkeit vorgestellt." - Mit "Naturlyrik" und deren Vermittlung in der Kursstufe beschäftigen sich die Beiträge von Gerhard Friedl und Hans Spielmann.
  • Kein Beitrag zur Naturlyrik, aber ein philosophischer Essay zum Thema Zurück zur Natur? aus dem HOHE LUFT Magazin / 31.03.2014 / Leseprobe (pdf)
"Alle Welt scheint sich heute nach mehr Naturverbundenheit zu sehnen. Gegen die moderne Technik hingegen gibt es ein tiefes Misstrauen. Doch wie sinnvoll ist es, die Natur zu verklären? Und worum geht es wirklich beim Wunsch, zu den Wurzeln zurückzukehren? HOHE LUFT-Volontärin Greta Lührs widmet sich diesen Fragen in der aktuellen Ausgabe von HOHE LUFT."
"Natur ist in. Landleben, Bio, Naturbelassenheit und Nachhaltigkeit werden nicht mehr mit dem zotteligen Öko-Freak in Verbindung gebracht, sondern stehen für einen modernen, umsichtigen Lifestyle. Ferien im Grünen sind angesagt, Outdoor-Sportarten boomen, ein grünes, naturverbundenes Image gehört für ein erfolgreiches Unternehmen zum guten Ton. Auf der anderen Seite erleben wir einen rasanten Fortschritt in Wissenschaft und Technik, der uns immer weiter von der Natur zu entfernen scheint. Jeder möchte natürlich sein, dennoch tun wir alles dafür, den Lauf der Natur zu beeinflussen, ihn aufzuhalten. Doch was ist Natur überhaupt? Oder anders gefragt: Was ist nicht natürlich? Und ist das Natürliche auch automatisch gut?"

Siehe auch