Link gelöscht

Wenn man das Thema Schwangerschaftsabbrüche im Unterricht bearbeitet, kann es interessant sein, die Postitionen der kirchlichen Institutionen mit den Ausagen der Bibel zu vergleichen.

Vorweg gesagt sei - und das ist wichtig: Die Bibel wurde vor über 2000 Jahren nicht geschrieben, um ein Lebensratgeber für unsere heutige Zeit zu sein! Dazu ist die Bibel viel zu widersprüchlich. "Bibel" bedeutet "Bücher", sie ist eine Schriftensammlung von verschiedenen Autoren. Schon innerhalb der Bibel gibt es bereits innerbiblische Auslegungen: Frühere Schriften wurden in späteren Schriften kommentiert, differenziert und weiterentwickelt. Diese innerbiblischen Interpretationen bezeugen, dass biblische Texte kein unantastbares und wortwörtlich zu nehmendes Gotteswort sind. Zu fragen, was die Bibel zum Thema sagt, geschieht also nicht mit der Absicht, in den alten Schriften eine ethische Lösung für einen Wertekonflikt unserer Zeit zu finden. Wenn man den Vorschlägen der Bibel folgt, kann man auch die Tochter in die Sklaverei verkaufen (2. Mose 21, 7) und den ungehorsamen Sohn steinigen lassen (5. Mose 21, 18-21). Es herrscht wahrscheinlich Einigkeit, dass das beides nicht in Ordnung wäre... Die Bibel zu untersuchen, was sie zu der Frage sagt, wann menschliches Leben beginnt, geschieht rein aus wissenschaftlicher Neugier und Lust an der Argumentation!

In den Rechtsverordnungen der Bücher Moses werden viele schwerwiegende Taten, die die Todesstrafe erfordern, aufgezählt:

• „Wer einen Menschen schlägt, so dass er stirbt, der soll des Todes sterben.“ (2. Moses 21, 12)
• Wenn jemand sein bekanntermaßen aggressives Rind nicht ankettet, so dass es einen Menschen zu Tode bringt, „soll man das Rind steinigen, und sein Besitzer soll sterben“. (2. Moses 21, 29)
• Wer Vater oder Mutter flucht, der soll des Todes sterben. (2. Mose 21, 17)
• Wer Vater oder Mutter schlägt, der soll des Todes sterben. (2. Mose 21, 15)

Denn in alttestamentarischen Zeiten galt: „(…) Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn, (…).“ (2. Moses 21, 23–25)

Die Rechtsverordnungen nennen auch weniger schwerwiegende Taten, die deshalb eine geringere Strafe erfordern. Dazu gehört das Beenden einer Schwangerschaft von Menschenhand:

• „Wenn Männer miteinander streiten und stoßen dabei eine schwangere Frau, so dass ihr die Frucht abgeht, ihr aber sonst kein Schaden widerfährt, so soll man ihn um Geld strafen, wieviel ihr Ehemann ihm auferlegt, und er soll’s ihr geben durch die Hand der Richter.“ (2. Moses 21, 22)

Im Falle eines gewaltsamen Schwangerschaftsabbruchs wird nicht ein Leben, sondern lediglich Geld als Gegenleistung für den Vater gefordert – und damit wird definiert, dass das Ungeborene im Mutterleib nicht in die Kategorie menschliches Leben fällt (denn sonst wäre es ja "Leben um Leben".)

Überrascht?

Literatur

Warum die Bibel weder wortwörtlich noch als Ratgeber für das Leben oder die Politik verstanden werden kann, begründen diese beiden Theologieprofessoren: Konrad Schmid und Jens Schröter: Die Entstehung der Bibel. 2020.