Wahrhaftigkeit: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 18. Dezember 2019, 12:39 Uhr
Dieser Lernpfad ist konzipiert als für Lernende gedachtes Begleitmaterial zu einem Artikel in ru-heute 1/2020.
Schnelle Technik - Langsame Reflexion
Die Technik entwickelt sich schnell, und wir lernen schnell, sie zu nutzen und in unseren Alltag zu integrieren. Mit PCs, Laptops, Tablets und Smartphones, mit word, google, twitter, instagram und netflix gehen wir inzwischen selbstverständlich um, als sei es nie anders gewesen. Aber das Bewusstsein, die Reflektion kommt so schnell nicht hinterher, sagt der Sozialforscher Dirk Baecker.
Geben Sie sich Rechenschaft über Ihre Mediennutzung
Sehen Sie sich eine Statistik zur täglichen Mediennutzung an und bewerten Sie den Befund.
Welche Interessen vermuten Sie hinter den Angeboten in Radio, Fernsehen und Netzwerken, vor allem, wenn Sie umsonst angeboten werden?
Sehen Sie sich die Karikatur von Hannes Schleeh an und beurteilen Sie, ob an dem Vergleich zwischen dem Schwein und dem Nutzer moderner Medien etwas dran ist.
Automatisierte Datennutzung
Aus Expertenschätzungen wissen wir, wieviele Daten im Internet gespeichert sind: 33 Zettabyte, anders ausgedrückt 3,3 * 10^25 Zeichen. Etwa vier Milliarden (4 * 10^9) Menschen nutzen das Netz.
Rechnen Sie aus, wie viele Daten pro Nutzer das Internet vorhält. Auf eine Seite gehen ungefähr 2 * 10^3 Zeichen. Wievielen Seiten entspricht die Datenmenge pro Nutzer.
Daten diskriminieren, sagt der Soziologe Dirk Baecker.
Eine Zeugnisnote sagt etwas darüber aus, wieviele Punkte Sie bei verschiedenen Tests gemacht haben. Was noch? Sie sagt nichts darüber, ob das Fach Sie interessiert oder ob Sie nur um der Note willen für den Test gelernt haben. Welche für Sie wichtigen Dinge über die Schule verschweigt die Note noch?
Glauben und Wissen
Im Religionsunterricht sollten Sie dem Begriff "Glauben" schon begegnet sein. Sehr verbreitet ist die Gegenüberstellung Glauben - Wissen. Dabei bedeutet Wissen eine Information, die methodisch, systematisch gewonnen wurde, etwa in der Wissenschaft durch Experimente und Beobachtungen oder im Journalismus durch Recherche und Überprüfung. Glauben hingegen beruht auf dem persönlichen Vertrauen. So glauben Liebende einander ihre Liebe. Im Christentum können gundlegende "Wahrheiten" wie die Auferstehung Jesu Christi nicht objektiv überprüft werden, sondern wir müssen den Zeugen glauben.
Der Bereich des Glaubens, wo es um Liebe, Zorn, Vergebung, religiöse Gemeinschaft und dergleichen geht, und der Bereich des Wissens, wo es um Nachrichten und wissenschaftlichen Entdeckungen geht, sind durch Netzwerke wie facebook und twitter, durch Kundenkarten, Kreditkarten und andere Datenquellen etwas durcheinandergeraten.
Die New York Times berichtete 2012 über einen Teenager, der von der Supermarktkette Target Rabattcoupons für Babykleidung bekam, weil plötzliche Veränderungen im Einkaufsverhalten der Sechzehnjährigen darauf schließen ließen, dass sie schwanger sei. Das traf auch zu, war aber in ihrem Umfeld noch nicht bekannt und sorgte für erhebliche Unruhe. Was wir normalerweise zuerst vertrauten Mitmenschen offenbaren und was die anderen nichts angeht, wird also durch Algorithmen von Ferne kontrolliert und für unterschiedliche Geschäftsmodelle genauestens ausgewertet.
Sagen Sie Ihre Meinung zu dem geschilderten Fall.
Aphorismen
Suchen Sie sich ein oder zwei der folgenden Zitate aus. Machen Sie sich die Bedeutung der Aussagen am Beispiel klar.
- Dirk Baecker: Vor unserem Bildschirm beherrschen wir alle körperlich eine Technik, von der wir mental noch nicht wissen, was sie mit uns anstellt.
- Katharina Nocun: Nutzt euer Auskunftsrecht, - Es ist super spannend, ihr bekommt sehr viel Post, und ihr findet sehr viel über euch heraus, was ihr niemals wissen wolltet.
- Peter Ustinov: Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren zurücksehnen.
- Monika Schwarz Friesel: Sie glauben, ohne zu wissen. Sie 'wissen', weil sie glauben. Sie glauben, weil sie fühlen. So ist der Hass der Ursprung ihrer abstrakten Denkprozesse.
- Amélie Nothomb: Jeder erzählt die Geschichte, die er aushält.
Wissensgesellschaft
Der Begriff „Wissensgesellschaft“ (knowledgeable society) wurde von dem Politologen Robert Lane bereits 1966 geprägt und 1973 von dem Soziologen Daniel Bell als Bezeichnung für die Formation der „postindustriellen Gesellschaft“ populär gemacht. Darin drückt sich die gut belegbare Diagnose aus, dass die Produktion von Waren zukünftig einen geringeren Anteil an Wertschöpfung und Arbeitsvolumen haben wird als die Beschäftigung mit kognitiven Inhalten.
Stelle Berufe, in denen etwas Materielles produziert wird, Berufen gegenüber, die ausschließlich mit Wissen arbeiten. Urteile, auf welcher Seite der Unterscheidung sich die attraktiveren, einträglicheren, angeseheneren und zukunftsträchtigeren Berufe befinden.
In hierarchischen Organisationen wird alles durch Befehl und Gehorsam geregelt. Prototypisch ist eine Armee: Der Soldat muss dem Befehl ohne Zögern folgen, selbst wenn er sich in Lebensgefahr begibt, weil er sonst wegen Befehlsverweigerung vor das Kriegsgericht gestellt wird. Beamtenapparate und Firmen zur Massenfertigung von Konsumgütern wurden oft ebenfalls hierarchisch organisiert. Aber man kann Menschen schlecht befehlen, dass sie ihr Wissen teilen, dass sie fair kooperieren und Konflikte offen austragen. Man kann niemandem befehlen, dass ihm etwas Gutes einfällt.
- Haben Sie Erfahrungen mit offener Kooperation?
- Haben Sie Erfahrungen mit einem System, das durch Befehl und Gehorsam (hierarchisch) strukturiert wird?
- Wie erleben Sie die Schule, den Religionsunterricht?
- Welche Unterrichtsmethoden stärken die Kooperation und wie kommen diese bei den Schülerinnen und Schülern an?
Denken Sie darüber nach, welche Vor- und Nachteile kooperative und hierarchische Leitungsstrukturen haben, für welche Aufgaben sie sich eignen und wo sie fehl am Platz sind.
Bleibende Versuchung Narzissmus
Narziss war das Kind einer Vergewaltigung. Seine Mutter, die Nymphe Liriope, wünschte sich für ihr Kind ein langes erfülltes Leben. Der Seher Tiresias sagte dem Knaben ein langes reifes Alter voraus unter der Bedingung, dass er sich nicht kennen lernt. So wuchs Narzissus heran zu einem Jugendlichen von einzigartiger Schönheit, und viele Frauen und Männer verliebten sich in ihn. Auch die Nymphe Echo verliebte sich in Narzissus, sobald sie ihm begegnete. Echo war aber dazu verurteilt, auf den ersten Schritt des Geliebten warten zu müssen, da sie nur antworten, nicht aber selbst die Initiative ergreifen konnte. Narziss hatte keinen Sinn für die anderen Menschen und war deshalb nicht in der Lage, Echos Liebe auch nur wahrzunehmen, geschweige denn zu erwidern. Echo erkrankte an ihrer unerfüllten Liebe, und ihr Körper verwandelte sich in Fels, sodass man seither in den Wäldern nur noch ihre Stimme hört, die antwortet, was man ihr zuruft.
Narziss bemerkte von alledem nichts. Er begab sich zu einer reinen unberührten Quelle, weil er dort trinken wollte und ihm der Ort gut gefiel. Indem er sich aber zu der Quelle niederbeugt, sieht er sein Spiegelbild im Wasser, in das er sich sofort unentrinnbar verliebt. Ganz entzückt ist er davon, dass sich sein Spiegelbild zum Kuss hoch reckt, wenn er sich niederbeugt, dass es mit ihm lacht und weint, und zum ersten Mal im Leben erkennt er in dem Gegenüber ein Wesen, das ihm vollkommen entspricht. Von der Liebe zu seinem Spiegelbild im Wasser ist er so eingenommen, dass er sich davon nicht mehr lösen kann, sodass er sich nicht mehr wegbewegt, nichts isst und trinkt. Um so verweifelter macht es ihn, dass er den Geliebten nicht umarmen kann, denn sobald er das Wasser berührt, verschwimmt das Bild. Diese Verzweiflung und die Vernachlässigung seines Körpers machen ihn krank, so dass er an der Quelle stirbt. Als man mit der Totenbahre eintrifft, um seinen Leichnam zu bestatten, ist da keiner mehr, sondern man findet eine Blume, in der Mitte safrangelb, umgeben von weißen Blütenblättern.
(Ovid Metamorphoses Buch III, Zeile 340-511
nacherzählt in gekürzter Fassung von Karl Vörckel)
Fake-News, Verschwörungstheorien, Hassbotschaften finden Anklang, weil sie sich für den selbstverliebten Menschen richtig anfühlen. Es sind vor allem drei Faktoren, die dafür veranwortlich sind. Siehe dazu die folgende Grafik:
Bildungsdefizit
- Wie konnte der Brexit eine Mehrheit finden?
- Wie konnte Donald Trump amerikanischer Präsident werden?
- Was macht die AfD so erfolgreich?
Gemeinsam ist den drei Ereignissen, dass ein schwer definierbares "Wir" sich wehrt gegen "das System", obwohl die Sprecher dieses "Wir" sich sehr einträglich im "System" bewegen. Eine rückwärtsgewandte Politik bedient sich paradoxerweise der modernsten Medien, um Menschen für sich zu gewinnen. Am Beispiel Brexit sollen Sie ausprobieren, wie kluge Meinungsbildung heute gelingen kann.
Bilden Sie sich eine Meinung zum Thema Brexit.
Entnehmen Sie zuerst dem Artikel von t-online news, warum die Briten die Europäische Union verlassen wollten.
Mithilfe eines interaktiven Videos, ein Interview der Wirtschaftsjournalistin Jessica Schwarzer mit Sebastian Neckel, einem Abteilungsleiter der Deutschen Bank, können Sie die Einschätzung eines Experten zu den wirtschaftlichen Folgen des Brexit kennen lernen.
Beachten Sie: Es sind nicht die Detailkenntnisse, die den Anhängern gefakter Botschaften fehlen, sondern so etwas wie ein Bewusstsein für Zusammenhänge. Man kann das vergleichen mit einem Schüler, der keinen Sinn für Zahlen hat. Er bekommt die Gleichung x2 - 5x + 4 = 0. und rechnet aus: Das ist X 200. Das ist aber nicht nur falsch, sondern verrät auch, dass er nicht mal abschätzen kann, in welchem Bereich die Lösung liegen muss.
Wer auf Aussagen wie die folgenden hereinfällt, kann auf technischen oder anderen Gebieten viel wissen, verrät aber eine Ignoranz politischer Zusammenhänge:
- Wir werden eine Mauer bauen, mund Mexiko wird sie bezahlen. Sie wiessen es noch nicht, aber sie werden zahlen. (Donald Trump 2016)
- Nach dem Brexit werden wir Woche für Woche 350 Millionen Pfund einsparen, die wir in das britische Gesundheitssystem stecken können. (UKIP 2016)
- Deutschland entfernt sich unter Kanzlerin Merkel immer weiter von rechtsstaatlichen Grundsätzen. (Georg Pazderski, AfD-Bundesvorstand, 2019)
Schreiben Sie auf, was Sie über gefakte Botschaften denken, wer Ihrer Meinung nach darauf hereinfällt, und wie man sich dagegen schützen kann.
Wenn Sie mehr über Fake-News erfahren wollen und darüber, wie man sie erkennt, dann empfehle ich das Web-Angebot der Bundeszentrale für Politische Bildung zum Thema
Microtargeting
Unter Microtargeting (von gr. mikros - klein und engl. Target - Ziel) versteht man die zielgenaue Adressierung von Botschaften.
Das kann harmlos sein. Wenn Sie sich z.B. für ein neues Fahrrad interessieren und entsprechende Suchanfragen bei Google eingeben und Seiten von Fahrradhändlern aufrufen, dann registriert das System diese Interessen, und sie werden ungefragt Werbung von Fahrradanbietern bekommen.
Weniger harmlos ist es, wenn Anbieter versuchen die Zahlungsbereitschaft potentieller Kunden herauszufinden und verschiedene Kunden ein und dasselbe Produkt zu unterschiedlichen Preisen angeboten bekommen.
Politische Parteien und Kandidaten können für ihre Wahlwerbung die politische Einstellung und psychische Disposition der Menschen in sozialen Netzwerken analysieren und ganz gezielt jedem nach dem Mund reden. Diese Taktik hat Donald Trumps Team in der Kampagne 2016 auf ziemlich dreiste Weise eingesetzt.
Ausschließung
Familienbande, Geschlecht, Moral und Recht (Verbannung), Klassengegensätze, Parteien, Milieus sind in Gesellschafts- und Geschichtswissenschaft untersuchte historische Abgrenzungen, die heute durch weltweite Mobilität, Vernetzung und Kooperation nicht mehr richtig funktionieren.
Tragen in die Weltkarte der Wanderungen (oben) Orte ein, an denen Menschen wohnen,
- die mit Ihnen verwandt sind,
- die sie aus anderen Gründen kennen (bitte benennen),
- und Orte, die sie bereits kennen
- oder unbedingt kennen lernen wollen.
Soziale und berufliche Mobilität, Flucht und Vertreibung mischen die Weltbevölkerung durcheinander, Parteien gelingt es heute schlechter, eine Stammwählerschaft an sich zu binden, weil auch die sozialen Milieus in Auflösung begriffen sind:
- Nur noch wenige Katholiken und Protestanten am Ort treffen sich sonntags in der Kirche. Schon gar nicht heiraten sie untereinander und beschränken ihren Bekanntenkreis auf ein konfessionelles Milieu.
- Die Mehrheit der Menschen lebt heute in großen Städten; häufig wechseln die Nachbarn, die Gemeinschaft im Viertel hat für viele keine große Bedeutung.
Bindungen wie Arbeitsstelle und sexuelle Partnerschaft und Familie, die einmal lebenslang hielten, sind heute weniger verbindlich und werden häufig beispielsweise um der persönlichen Karriere willen aufgegeben.
Trotzdem gibt es Ausschließung: Die gehören nicht zu uns. Daran ändert auch nichts, dass Versuche, das "wir" zu definieren, zum Beispiel als Volk oder als Leitkultur nicht eben erfolgreich sind.
Wenn Einwanderer aus der Türkei, die vor 60 Jahren nach Deutschland gekommen sind, nicht zum deutschen Volk gehören sollen, warum glauben dann Einwanderer aus Russland, die vor 20 Jahren eingewandert sind, definieren zu dürfen, wer dazugehört und wer nicht?
Eine extreme Form der Ausschließung sind Hass-Postings. Als krasser Fall soll die gerichtliche Auseinandersetzung der Grünen-Politikerin Renate Künast mit dem Hass auf sie im Netz diskutiert werden.
Informieren Sie sich anhand des ZEIT-Artikels über den Fall Renate Künast über Hass im Netz.
Beurteilen Sie den Fall aus Ihrer Sicht.
Was könnte die Folge sein, wenn Hass in dieser Form hingenommen werden muss, wie das Berliner Landgericht urteilt?Eine facebookgruppe mit dem Hashtag #ichbinhier setzt sich durch Gegenrede für die Bekämpfung von Hass im Netz ein:
Aufruf zur Wahrhaftigkeit
Klugheit
Eine Anekdote, die Sokrates zugeschrieben wird, kann das Konzept der Klugheit als Tugend vielleicht besser verdeutlichen als eine komplizierte Definition:
Die drei Siebe des Weisen
Der weise Sokrates ging gerne durch die Straßen von Athen, um die jungen Leute in philosophische Gespräche zu verstricken. Seine Lehrmethode lief darauf hinaus, dass er seinen Schülern zu der Entdeckung verhalf, dass sie den richtigen Zugang zur Wahrheit schon in sich selbst hatten. Sie mussten sich eben nur von ihren Vorurteilen lösen, dann stand die Wahrheit ganz klar vor ihnen. Diese Lehrmethode nannte Sokrates die Hebammenkunst, auf griechisch Maieutik.
Ein junger Mann, der schon ein paar Mal mit Sokrates geredet hatte, kam eines Tages aufgeregt hinter ihm hergelaufen und rief: Sokrates, Sokrates, hast Du schon die Geschichte von dem Glaukon gehört – die muss ich Dir unbedingt erzählen. Sokrates wurde aus seinen Gedanken gerissen und drehte sich zu seinem Schüler um: CHAIRE, sei gegrüßt mein Freund. Bevor du mit deiner Geschichte herausplatzt: Hast du das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe des Weisen gesiebt? Die drei Siebe, fragte der junge Mann ratlos: Welche drei Siebe? Sokrates erwiderte: Wollen wir mal sehen, ob das, was Du mir erzählen willst, durch die drei Siebe hindurchgeht! Als der Gesprächspartner zögernd und verunsichert zustimmte, begann Sokrates: Das erste Sieb ist die Wahrheit: Hast du das, was du auf dem Herzen hast, daraufhin überprüft, ob es wahr ist? Der junge Mann druckste herum: Na ja, ich hörte es von Alkibiades, und der hat es von Praxiteles, und von wem der es hat, weiß ich nicht...
Sokrates stellte fest: Dann ist die Geschichte im ersten Sieb schon hängen geblieben, wir wollen aber auch das zweite anwenden, das Sieb der Güte; ist das, was du erzählen willst, gut? Da musste der junge Mann grinsen: Nein, es ist ganz schön gehässig, das kannst du dir doch denken.
Sokrates fuhr fort: Dann wollen wir auch das dritte Sieb benutzen, es ist das Sieb der Nützlichkeit: Muss ich das wissen, was du mir sagen willst, habe ich irgendetwas davon?
Der Schüler zuckte mit den Schultern: Eigentlich nicht; es ist halt Klatsch und Tratsch...
Sokrates: Na denn, wenn deine Erzählung weder nützlich, noch gut, noch wahr ist, dann sollten wir uns mit etwas anderem beschäftigen – findest du nicht?
Die Anekdote „Die drei Siebe des Weisen“ wird Sokrates zugeschrieben, aber auch anderen, zum Beispiel Nasreddin Hodscha, dem „türkischen Till Eulenspiegel“ des 14. Jahrhunderts. Es handelt sich also nicht um historischen Stoff, sondern eine gut erfundene Legende.
- Bilden Sie sich ein Urteil, inwiefern der Rat des Sokrates als klug bezeichnet werden muss.
- Überlegen Sie, welche Vorteile jemand haben würde, der Nachrichten durch die drei Siebe des Weisen filtert, bevor er sich mit ihnen befasst und sie weiterverbreitet.
Eine ganze Reihe von Formaten in den Medien bedient die Schadenfreude der Zuschauer; zwei Beispiele
Benennen Sie Ihnen bekannte Medien, die die Schadenfreude bedienen. Beschreiben Sie, wie Ihre Altersgenossen damit umgehen, welche Videos in den Schulpausen oder unter der Schulbank zirkulieren.
Formulieren Sie eine Beurteilung der Schadenfreude:
- Warum macht es Spaß, Medien anzusehen, anzuhören und weiterzugeben, die sich über die Missgeschicke der Mitmenschen lustig machen?
- Macht es auch Spaß, wenn andere sich über die eigenen Missgeschicke lustig machen?
- Der Volksmund sagt Lachen ist gesund, und da ist sicher etwas dran. Was aber unterscheidet positiven Humor von gehässigem Lachen?
Menschlichkeit
Heute wird von vielen Seiten eine größere Sicherheit gefordert. Doch solange die Ausschließung und die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft und unter den verschiedenen Völkern nicht beseitigt werden, wird es unmöglich sein, die Gewalt auszumerzen. Die Armen und die ärmsten Bevölkerungen werden der Gewalt beschuldigt, aber ohne Chancengleichheit finden die verschiedenen Formen von Aggression und Krieg einen fruchtbaren Boden, der früher oder später die Explosion verursacht. Wenn die lokale, nationale oder weltweite Gesellschaft einen Teil ihrer selbst in den Randgebieten seinem Schicksal überlässt, wird es keine politischen Programme, noch Ordnungskräfte oder Intelligence geben, die unbeschränkt die Ruhe gewährleisten können. Das geschieht nicht nur, weil die soziale Ungleichheit gewaltsame Reaktionen derer provoziert, die vom System ausgeschlossen sind, sondern weil das gesellschaftliche und wirtschaftliche System an der Wurzel ungerecht ist. Wie das Gute dazu neigt, sich auszubreiten, so neigt das Böse, dem man einwilligt, das heißt die Ungerechtigkeit, dazu, ihre schädigende Kraft auszudehnen und im Stillen die Grundlagen jeden politischen und sozialen Systems aus den Angeln zu heben, so gefestigt es auch erscheinen mag. Wenn jede Tat ihre Folgen hat, dann enthält ein in den Strukturen einer Gesellschaft eingenistetes Böses immer ein Potenzial der Auflösung und des Todes. Das in den ungerechten Gesellschaftsstrukturen kristallisierte Böse ist der Grund, warum man sich keine bessere Zukunft erwarten kann. (Papst Franziskus: Evangelii Gaudium Nr. 59)