Theodizee

Aus ZUM-Unterrichten
Just one question: Why

Basiswissen

Theodizee

„... die von Theologen oder von theologisierenden Philosophen (den Stoikern im Altertum, ... Leibniz in der Neuzeit) versuchte Rechtfertigung Gottes hinsichtlich des von ihm zugelassenen Übels in der Welt. Man leugnet entweder die Übel oder betrachtet sie als Prüfung, die Gott schickt. Zu den Versuchen einer T. hat zuerst Epikur kritisch Stellung genommen."

Philosophisches Wörterbuch, hrg. von G. Schischkoff, Kröner 1991 S. 719/20

Drei Stimmen
Epikur2.png

Epikur: Über Götter

„Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht, oder er kann es nicht und will es nicht, oder er kann es und will es. Wenn er nun will und nicht kann, so ist er schwach, was auf Gott nicht zutrifft. Wenn er kann und nicht will, dann ist er mißgünstig, was ebenfalls Gott fremd ist. Wenn er nicht will und nicht kann, dann ist er sowohl mißgünstig wie auch schwach und dann auch nicht Gott. Wenn er aber will und kann, was allein sich für Gott geziemt, woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht weg?" (aus Fragmente: Über Götter)
aus: Epikur. Von der Überwindung der Furcht. dtv 1983 S. 136. Siehe dazu auch den Wikipedia-Artikel: Theodizee).

J.W.Goethe: Es trifft Gerechte wie Ungerechte

J.W. Goethe schildert in seinen Memoiren „Dichtung und Wahrheit" sein (kindliches?) Unvermögen, die Katastrophe von Lissabon 1755 mit seinem Gottesbild in Einklang zu bringen:

„Der Knabe, der alles dieses wiederholt vernehmen mußte, war nicht wenig betroffen. Gott, der Schöpfer und Erhalter Himmels und der Erden, den ihm die Erklärung des ersten Glaubensartikels so weise und gnädig vorstellte, hatte sich, indem er die Gerechten mit den Ungerechten gleichem Verderben preisgab, keineswegs väterlich bewiesen. Vergebens suchte das junge Gemüt sich gegen diese Eindrücke herzustellen, welches überhaupt um so weniger möglich war, als die Weisen und Schriftgelehrten selbst sich über die Art, wie man ein solches Phänomen anzusehen habe, nicht vereinigen konnten."
Johann Wolfgang Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. (Zitiert nach Hamburger Ausgabe Bd. IX S.30f)

Georg Büchner: Der Riss in der Schöpfung

In Georg Büchners Drama „Dantons Tod" (1835) philosophieren die dem Tod geweihten Gefangenen der Französischen Revolution über Gott und die Welt:

"Schafft das Unvollkommne weg, dann allein könnt ihr Gott demonstrieren [...] Man kann das Böse leugnen, aber nicht den Schmerz; nur der Verstand kann Gott beweisen, das Gefühl empört sich dagegen. Merke dir es, ...: warum leide ich? Das ist der Fels des Atheismus. Das leiseste Zucken des Schmerzes, und rege es sich nur in einem Atom, macht einen Riß in der Schöpfung von oben bis unten."
aus G. Büchner: Dantons Tod. III,1 - zitiert nach Projekt Gutenberg DE

Unterrichtsvorschlag

1. Schritt: Ein Song zur Einstimmung ("one of us" von Joan Osborne (1995) auf Youtube nur Ton und Standbild oder mit Video und Werbung).

just one question
Die Frage aller Fragen
If GOD had a name what would it be and
would you call it to his face if you were faced with him
in all his glory
what would you ask
if you had
just one question

Der Kurs / die Klasse hören/sehen den ganzen Song, während die zitierte Textstelle an die Wand projiziert wird.

Bei Interesse hier → Der vollständige Text

2. Schritt: Die Fragestellung

Auftrag
  1. Macht euch - jeder für sich - darüber Gedanken, wie die EINE Frage lauten könnte/sollte.
  2. Schreibt sie groß und leserlich auf ein Din A4-Blatt (Stifte sind vorhanden).
  3. Heftet euer Blatt an die Wandtafel, wenn das Zeichen dazu gegeben wird.

3. Schritt: Was ist die wichtigste Frage?

Auswertungsgespräch

Jetzt gilt es gemeinsam mit dem Kurs / der Klasse die Beiträge zu betrachten, zu ordnen und zu reflektieren. Am besten im Halbkreis vor der Präsentationswand. Die Schüler*innen können gegebenenfalls ihr Frage-Plakat noch einmal erläutern. Im Gespräch sollte sich die Frage nach dem Übel, dem Bösen und dem Leiden, also die Theodizee-Frage, recht organisch herausarbeiten lassen, wenn sie nicht sowieso schon deutlich formuliert wurde. Notfalls kann auch ein Zitat, z.B. das aus Georg Büchners "Danton" eingebracht werden.

4. Schritt: Recherchen: Wie antworten die großen Religionen darauf?

  • Das Problem der Theodizee aus muslimischer Perspektive betrachtet - Islampress , eine private Website von Salim E. Spohr, Zypern
  • Leid und Leidbewältigung in Christentum und Islam - "Ist die Schicksalsergebenheit eine typisch islamische Eigenschaft? Ist allein die christliche Theologie der Frage nach der Gerechtigkeit Gottes nachgegangen? Diese Fragen wurden jetzt gemeinsam von islamischen und christlichen Theologen erörtert. Claudia Mende stellt die Ergebnisse vor."(de.qantara.de). - Information zu dieser Webseite:" Das arabische Wort "qantara" bedeutet Brücke. Qantara.de ist ein Projekt der Deutschen Welle, an dem auch das Goethe-Institut, das Institut für Auslandsbeziehungen und die Bundeszentrale für politische Bildung als beratende Mitglieder im Projektbeirat beteiligt sind."

5. Schritt: Präsentation der Recherche-Ergebnisse und Abschlussgespräch mit einem Blitzlicht

Zur Diskussion gestellt

Hans Jonas: Ein anderer Gottesbegriff

„Nach Auschwitz können wir mit größerer Entschiedenheit als je zuvor behaupten, daß eine allmächtige Gottheit entweder nicht allgütig oder (in ihrem Weltregiment, worin allein wir sie erfassen können) total unverständlich wäre. Wenn aber Gott auf gewisse Weise und in gewissem Grade verstehbar sein soll (und hieran müssen wir festhalten), dann muß sein Gutsein vereinbar sein mit der Existenz des Übels, und das ist es nur, wenn er nicht all-mächtig ist. Nur dann können wir aufrechterhalten, daß er verstehbar und gut ist und es dennoch Übel in der Welt gibt. Und da wir sowieso den Begriff der Allmacht als zweifelhaft in sich selbst befanden, so ist es dieses Attribut, das weichen muß. [...]

Aus Gründen, die entscheidend von der zeitgenössischen Erfahrung eingegeben sind, proponiere ich die Idee eines Gottes, der für eine Zeit - die Zeit des fortgehenden Weltprozesses - sich jeder Macht der Einmischung in den physischen Verlauf der Weltdinge begeben hat. [...]

Im bloßen Zulassen menschlicher Freiheit liegt ein Verzicht der göttlichen Macht.“

Hans Jonas: Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Frankfurt 1984, S. 39 - 43. Mehr zu Hans Jonas und seinem Werk ist in diesem Wikipedia-Artikel zu finden.

Weblinks

Siehe auch