Statistiken1
Infografiken lesen und verstehen
work in progress!
Einleitung
Wissenschaftliche Erkenntnisse und Entscheide in Politik und Wirtschaft gründen in der Regel auf statistischen Auswertungen von Studien, Umfragen, Messungen oder Analysen. Zeitungen und Zeitschriften, Webseiten und Lehrbücher bringen uns die Ergebnisse in der Folge mit grafischen Darstellungen, sogenannten Infografiken, nahe.
Infografiken stellen komplexe Sachverhalte anschaulich dar. Sie sind meist farbig und machen Eindruck. Aber Achtung: Nicht alle Infografiken sind leicht verständlich! Manche liefern ein verzerrtes Bild der Sachverhalte. Hin und wieder sind die Grafiken – absichtlich oder unabsichtlich – sogar falsch, und bei neuartigen Visualisierungen fehlt uns vielleicht die Erfahrung, sie verstehen und als Grundlage für unsere Meinungsbildung nutzen zu können.
Kompetenz im Umgang mit Information und Daten ist nötig, um am gesellschaftlichen und politischen Dialog aktiv teilnehmen zu können. Auch in Unternehmen sind Informations- und Datenkompetenz unabdingbar. Dazu gehört die Fähigkeit, grafische Darstellungen von Daten (Infografiken) lesen und verstehen zu können.
Grundlagen
Infografiken im Alltag
Grafische Darstellungen von Wetterdaten sind wohl die bekanntesten Beispiele von Infografiken im Alltag.
(zum Vergrössern der Bilder auf das Lupen-Symbol klicken)
Die Berichterstattung in den Medien bedient sich ebenfalls häufig grafischer Darstellungen von Daten, um wichtige Aussagen leichter verständlich zu machen.
Statistische Ämter publizieren laufend Infografiken zuhanden der Bevölkerung, um die Ergebnisse von Erhebungen und Analysen anschaulich darzustellen.
Auch in der Wissenschaftskommunikation spielen Infografiken eine Rolle, um komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge durch Visualisierungen und grafische Aufarbeitung verständlich zu machen.
Daten und deren Werte, Symbole und deren Merkmale, Legenden
In einer Infografik sind die interessierenden Daten auf Symbole abgebildet. Die unterschiedlichen Merkmale der Symbole repräsentieren die Art und den Wert der dargestellten Daten.
Um die Grafiken lesen und verstehen zu können, müssen wir die verwendeten Symbole und die Abbildungsregeln kennen (vergleichbar mit den Buchstaben und den zur Wort- und Satzbildung benötigten Regeln, die wir kennen müssen, um Texte verstehen zu können).Beispielsweise repräsentieren in der Wetterprognose-Grafik (Grafik 1) die Grösse des Symbols der Sonne und die Grösse des Wolkensymbol die Wetterlagen "sonnig/wolkenlos", "leicht bewölkt" und "wolkig/stak bewölkt".
Beispielsweise repräsentieren in der Wetterprognose-Grafik (Grafik 1) die Grösse des Symbols der Sonne und die Grösse des Wolkensymbol die Wetterlagen "sonnig/wolkenlos", "leicht bewölkt" und "wolkig/stak bewölkt".
In der Grafik 2 ist die Niederschlagsmenge auf das Symbol "Säule" abgebildet. Die Länge der Säule repräsentiert den Wert der Niederschlagsmenge. Die Länge der senkrechten (vertikalen) Strecke repräsentiert die Unsicherheit der Prognose, dh. die maximale und die minimale zu erwartende Niederschlagsmenge.
Die in grafischen Darstellungen von Wetterdaten (Grafik 1) verwendeten Symbole sind uns vertraut: Sonne, Wolken, Regenschirm, usw. Auch Symbole wie die Säulen in Grafik 2 verstehen wir ohne Weiteres. Trotzdem hilft eine Erklärung der verwendeten Symbole (eine Legende), die jeweilige Infografik zu verstehen. Beispielsweise sind detailliertere Wetterkarten, die MeteorologInnen einen raschen Überblick über die allgemeine Wetterlage vermitteln (Grafik 3), für uns Laien nicht so leicht verständlich; wir benötigen die Legende, um uns mit den entsprechenden Symbolen vertraut machen zu können.
Aussagen und Interpretationen
Was die Grafik 1 über das Wetter aussagt, wird uns sofort klar: Am Donnerstag ist es voraussichtlich stärker bewölkt als am Dienstag und deutlich kälter, ausserdem muss mit Regenschauern gerechnet werden. Wir interpretieren die Aussagen dahingehend, dass wir am Donnerstag vielleicht doch eher ein Museum besuchen als eine Wanderung unternehmen sollten. Wir sind uns aber bewusst, dass sich das Wetter am Donnerstag nicht unbedingt an die Prognose halten wird ;-). Deshalb werfen wir in den kommenden Tagen immer wieder einen Blick auf die aktuelle Wetter-Grafik und schauen auch noch selbst zum Himmel, bevor wir uns definitiv entscheiden..
Welche Aussage(n) finden wir in der Grafik 5? Eine erste Antwort liefert der Titel: "Die Verfallsdaten der Waffen der Schweizer Armee". Aller Waffen? Nein, der Untertitel präzisiert: "... der wichtigsten Waffensysteme der Luftwaffe und des Heeres". Die Grafik veranschaulicht einen banalen Sachverhalt. Um diese Aussage zu vermitteln, würde eine Tabelle genügen.
Waffe | im Einsatz seit | Anzahl | Verfallsdatum |
---|---|---|---|
Kampfjet F5 Tiger | 1978 | 53 | 2020 / Q1 |
Flab-Lenkwaffe Rapier | 1984 | 40 | 2020 / Q3 |
Fliegerradar Taflir | 1987 | 5 | 2021 / Q3 |
35mm-Flab-Kanone | 1963 | 24 | 2025 / Q1 |
usw. |
Welche Interpretationen lässt diese Grafik zu? Die Schweizer Armee verfügt nicht mehr über genügend Waffen? Die Scheizer Armee hat es versäumt, das Waffenarsenal rechtzeitig zu erneuern?
Wir können nur spekulieren. Für eine Interpretation wären zusätzliche Daten nötig, z.B. über die geplanten, bewilligten und budgetierten Beschaffungen. Vielleicht liefert der Zeitungsartikel, dem die Grafik entnommen ist (Der Bund: "Nicht nur Jets – die Schweiz muss fast alle Waffensysteme ersetzen"), mehr Information? Der Text schafft Klarheit: Es geht um die Rüstungsbedürfnisse der Schweizer Militärs (2017). Den hohen Ansprüchen des Militärs steht die Ablehnung armeekritischer Gruppierungen gegenüber. Der Artikel ist ausgewogen, er lässt beide Seiten zu Wort kommen, und er setzt der einseitigen Infografik eine Karikatur entgegen.
Vertrauenswürdigkeit von Infografiken
Den Wetterkarten (Grafiken 1, 2 und 3) vertrauen wir, weil sie von anerkannten (oft staatlichen) Institutionen produziert und veröffentlicht werden (z.B. MeteoSchweiz, Deutscher Wetterdienst). Und dass die Prognosen nicht immer stimmen, ist uns selbstverständlich klar. Wir verfügen auch über die Fähigkeit, die lokale Wetterentwicklung selbst zu beobachten, mit der Prognose zu vergleichen und daraus Schlüsse zu ziehen.
Wie können wir die Vertrauenswürdigkeit anderer Infografiken abschätzen? Die folgenden Merkmale helfen uns:
- Die verwendeten Datenquellen sind ausgewiesen, idealerweise ergänzt mit einem Link auf die betreffenden Datensätze.
- Die Urheberschaft und das Erstellungsjahr der Grafik sind kenntlich gemacht.
Die Grafik 5 nennt beispielsweise das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) als Quelle für die Daten. Es fehlt allerdings ein Link (ein Verweis) auf die Daten selbst. Urheber der Grafik ist Klaudia Meisterhans von der TA Grafik kmh (Tagesanzeiger Grafik; die Abkürzung des Namens der UrheberIn ist auf der Grafik kaum lesbar, im Zeitungsartikel sind die Grafikerin und der Autor des Textes aber aufgeführt). Es fehlt die Angabe des Erstellungsjahres (das Datum des Zeitungsartikels ist November 2017). Trotzdem genügen die Angaben genügen, um die Grafik 5 als vertrauenswürdig einzustufen.
Vertiefung
Wie kommen Daten zustande und wo findet man sie?
Merkmale, die nützliche Infografiken auszeichnen
Die Korrektheit einer Grafik kann man natürlich nicht so einfach beurteilen. Inkorrektheiten sind hingegen oft rasch erkennbar. Hinweise auf Inkorrektheiten liefern u.a. die folgenden Aspekte:
- Der Titel passt nicht zur Grafik
- Die Beschriftung der Symbole in der Grafik bzw. die Legende sind unvollständig oder fehlen
- Die Einheiten der dargestellten Datenwerte sind nicht deutlich erkennbar (z.B. Kosten in Tausend oder Millionen Franken?)
- Fehlende Datenwerte
Beispielsweise ist die Grafik 8 inkorrekt, obwohl sie als vertrauenswürdig eingestuft werden kann: Der Titel ("Entwicklung der Kosten ...") passt nicht zur Grafik. Der Titel spricht von "Kosten", also absoluten Werten (Franken), in der Grafik sind aber relative Werte (Prozentwerte) dargestellt.
Eine alternative Grafik zur Kostenbremse-Initiative, in der Kosten in Franken und nicht Prozentwerte dargestellt sind, hat die Schweizerische Ärztezeitung veröffentlicht (Grafik 9). Grafik 9 vermittelt einen ganz anderen Eindruck als Grafik 8, obwohl die zu Grunde liegenden Daten dieselben sind (nicht ganz: in Grafik 8 ist die Entwicklung der Nominallöhne dargestellt, in Grafik 9 hingegen die Entwicklung des Bruttoeinkommens; die Kurven sind aber mehr oder weniger identisch).
Ist die Grafik 9 im Gegensatz zur Grafik 8 korrekt? Ja, eigentlich schon, aber ...
Das zentrale Problem bei beiden Grafiken ist die Gegenüberstellung der Kosten der obligatorischen Krankenversicherung, die für alle Personen etwa gleich hoch sind, mit einem mittleren Lohn, obwohl der tatsächliche Lohn pro Person sehr unterschiedlich hoch sein kann (vergleiche Grafik 6). Das kann man als inhaltlich inkorrekt bezeichnen.