Absolutismus/Hofzeremoniell

Aus ZUM-Unterrichten

Das HofzeremoniellWikipedia-logo.png regelte das höfische Leben mit seinen Zeremonien und überhaupt allen am Hofe vor sich gehenden Handlungen; so etwa die Vorgänge bei Vermählungen, Begräbnissen, Huldigungen, Audienzen und dergleichen.

Aufgabe
  1. Stelle die Tätigkeiten der Hofgesellschaft an einem jour d'appartement zusammen und charakterisiere diese Art des Tagesverlaufs.
  2. Stelle die Mittel zusammen, mit welchen Ludwig XIV. den Mitgliedern seiner Umgebung seine Gunst oder seine Missbilligung anzeigte.
    1. Überlege, warum er diese den reellen Belohnungen vorzog.
  3. Erkläre, was der König von den Adeligen erwartete.
    1. Überlege, warum der König so großen Wert darauf legte, dass sich die französischen Adligen am Hofe aufhielten?

Ein Tag in Versailles

Alle montag, mittwoch und freitag seind jours d'appartment. Da versammeln sich alle mannsleut von hof ins Königs antichambre (frz. Vorzimmer) und alle weiber um sechs in der Königinkammer. Hernach geht man alle miteinander in den salon [...], von darin ein groß Kabinett, allwo die violons sein vor die, so tanzen wollen. Von dar geht man in eine Kammer, wo des Königs thron ist. Da find man allerhand musik, konzerten und stimmen. Von dar geht man in die schlafkammer, allwo drei tafeln stehen, um karten zu spielen, vor den König, die Königin und Monsieur. Von dar geht man in eine Kammer, so man wohl einen saal nennen kann, worinnen mehr als zwanzig tisch stehen mit grünen sammeten teppichen mit golden fransen, um allerhand spiel zu spielen. Von dar geht man in eine große antichambre, allwo des Königs billard steht; von dar in eine andre Kammer, allwo vier lange tisch, worauf die collation (frz. Mahlzeit)) ist, allerhand sachen, obstkuchen, confituren. Das sieht eben aus wie die christkindertafeln am christabende. Sobald als man von der collation kommt, welche man stehend ißt, geht man wieder in die Kammer, wo so viel tafeln stehen, und da teilt sich jedes zu seinem Spiel aus, und wie mancherlei spiel da gespielt werden, ist nicht zu begreifen: landsknecht, trictrac, piquet, l'hombre, schach [. ..] summa summarum, was man nur erdenken mag von spielen. Wenn der König oder die Königin in die Kammer kommen, steht niemand von seinem spiel auf. Die nicht spielen als wie ich und noch viele andere mehr, die schlendern herum, von einer Kammer zu der andern, bald zu der musik, bald zu den spielen [ ...] ; dieses währet von sechs bis um zehn, daß man zum nachtessen geht [. ..]


(Aus einem Brief Liselottes von der PfalzWikipedia-logo.png - 6. Dezember 1682

Das Rockprivilegium

Der König benutzte die zahlreichen Feste, Spaziergänge und Ausflüge als Mittel der Belohnung und Strafe, je nachdem er dazu einlud oder nicht. Da er einsah, dass er nicht genug Gnaden zu spenden hatte, um fortwährend Eindruck zu machen, ersetzte er die reellen Belohnungen durch eingebildete, durch Erregung von Eifersucht, durch kleine alltägliche Begünstigungen, durch seine Gunst. Niemand war in dieser Hinsicht erfinderischer als er.

Eine solche Gunst erwies er jeden Abend einem der Herren vom Hofe, wenn er ihm erlaubte, den Leuchter mit der brennenden Kerze bei seinem „Coucher“ (zu Bett gehen) zu halten.

Eine andere Erfindung war das Rockprivilegium: Ein besonderer Rock – blau mit roten Aufschlägen, roter Weste, prachtvoller Gold- und Silberstickerei – durfte nur von wenigen getragen werden, und deren Zahl war fest bestimmt. Die vornehmsten Herren des Hofes hielten es für eine große Gunst, wenn sie die Bewilligung erhielten, den blauen Rock zu tragen. Der Staatssekretär, der zugleich Minister des königlichen Hauses war, fertigte darüber eine Urkunde aus.

Nur wer die Erlaubnis hatte, dem König auf seinen Ausflügen von Saint-Germain nach Versailles ohne besondere Einladung zu folgen, hatte Anspruch darauf […] Ich habe nie gesehen, dass der Dauphin (Kronprinz) oder der Herzog von Orléans solche Röcke trugen; sehr oft aber sah ich ihn an den drei Söhnen des Dauphins und den anderen Prinzen. Bis zum Tode des Königs gab es jedesmal, wenn ein Platz frei wurde, einen Wettstreit unter den Vornehmsten des Hofes, wer der Nachfolger würde.


Aus den Memoiren des Herzogs von Saint-SimonWikipedia-logo.png, der als Patenkind Ludwigs XIV. an den Hof gekommen und später in Ungnade gefallen war

Dabei sein ist alles

Der König achtete aber nicht nur darauf, dass der hohe Adel sich an seinem Hof einfand, er verlangte es auch von dem niederen. Bei seinem Lever (Aufstehen) und seinem Coucher, bei seinen Mahlzeiten, in seinen Gärten in Versailles, immer sah er sich um und bemerkte jedermann. Den Vornehmen nahm er es übel, wenn sie ihren ständigen Aufenthalt nicht bei Hof nahmen, den anderen, wenn sie nur selten kamen, und seine volle Ungnade traf jene, die sich nie oder nur selten zeigten. Wenn einer von diesen ein Anliegen hatte, sagte der König nur „Ich kenne ihn nicht“, und dieses Urteil war unwiderruflich.


Aus den Memoiren des Herzogs von Saint-SimonWikipedia-logo.png, der als Patenkind Ludwigs XIV. an den Hof gekommen und später in Ungnade gefallen war