Vergleich: Coronaepidemie und Klimawandel

Aus ZUM-Unterrichten

Der Artikel soll Anregungen für Arbeitsaufträge geben, die auf die beiden Krisen Bezug nehmen, die gegenwärtig für Schüler*innen (und für alle Gesellschaften und Staaten) von der größten existenziellen Bedeutung sind.

Um den Reiz der jeweiligen Aufgabenstellungen nicht zu gefährden, sollen die möglichen Antworten hier nicht im einzelnen vorgestellt werden. Insofern ist der Artikel eine Anregung für Lehrer und für die Einzelarbeit von Schülern geeignet, die bereits in selbständige Arbeit eingeübt sind.

Im letzten Abschnitt werden schon einzelne Beispiele für denkbare Arbeitsaufaufgaben vorgestellt. Es steht zu hoffen, dass dort bald viele Arbeitsaufträge und Lernpfaden zum Thema verlinkt werden.

Was haben Coronaepedimie und Klimawandel gemeinsam?

Der Ausgangspunkt für den Vergleich ist der folgende: Bei beiden Entwicklungen könnte es zu einer Katastrophe kommen, wenn es nicht gelingt, den steilen Anstieg abzubremsen, so dass es nicht zu einem Zusammenbruch des Systems kommt. Das Grundproblem wird in der folgenden Graphik dargestellt:

steiler Anstieg, der zur Überlastung des Systems und damit zu seinem Zusammenbruch führt

Ein Zusammenbruch kann dadurch verhindert werden, dass der Anstieg so stark abgeflacht wird, dass er im Rahmen des Systems bleibt. Mathematisch ausgedrückt: Die exponentielle Steigung muss rechtzeitig in eine lineare verwandelt werden. Eine ausführliche Darstellung des Problems findet sich im Artikel Social distancing] der englischen Wikipedia. Die folgende Graphik zeigt am Beispiel einer Seuche, wie das durch Änderung des Verhaltens der Bevölkerung erreicht werden kann.


Wie die Kurve abgeflacht werden kann

Für die Verlangsamung der Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Epidemie hat dies Harry Stevens in der Washington Post dargestellt.[1] Der dafür eingeführte Fachausdruck ist flattening the curve.

Natürlich bestehen zwischen der Ausbreitung einer Epidemie und der Entwicklung des Klimawandels und insbesondere in den Möglichkeiten, die Geschwindigkeit dieser Entwicklungen zu beeinflussen, große Unterschiede. Doch die Gemeinsamkeiten sind größer, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Dieser Artikel soll einer Erarbeitung einer möglichst differenzierten Darstellung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede dienen.


Hauptfragen

Gründe der Entstehung

In beiden Fällen spielen Industrielle Revolution und Globalisierung eine Rolle.

Reaktion der Staaten

Reaktion der gesellschaftlichen Gruppen

Reaktion der einzelnen Personen

Wie unterscheiden sich die Coronaepidemie und der Klimawandel?

Hauptfragen:

Art der Entstehung

Gefahrenpotential

Tempo der Entwicklung

Globaler Temperaturindex „Oberflächentemperaturen Land und See“ seit 1880, Differenz zum Mittelwert der Jahre 1951 bis 1980



Die Erwärmung beschleunigt sich: Die über die Jahre 1956 bis 2005 berechnete Anstiegsrate ist mit (0,13 ± 0,03)°C pro Jahrzehnt fast doppelt so groß wie die über die Jahre 1906 bis 2005. 2019 erreichte die Erderwärmung einen Zuwachs von 0,18 °C pro Jahrzehnt.

Zusammenhang zwischen sozialer Distanzierung und Ausbreitungsspitze

















Was hat zu der weltweiten Wirksamkeit beigetragen?

Strategien zur Bekämpfung der Krise

Corona-Krise
  • Politiker*innen orientieren sich an wissenschaftlichen Ratschlägen
"Noch nie in über zwei Jahrzehnten professioneller politischer Arbeit, sagt der Arzt und SPD–Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach, 'habe ich eine so direkte Lenkungswirkung von wissenschaftlicher Expertise auf politische Entscheidungen erlebt wie jetzt. Und alle wissen: das ist ohne Alternative.' " (DIE ZEIT, 19.3.29)
  • Wissenschaftler*innen
"Two fundamental strategies are possible: (a) mitigation, which focuses on slowing but not necessarily stopping epidemic spread – reducing peak healthcare demand while protecting those most at risk of severe disease from infection, and (b) suppression, which aims to reverse epidemic growth, reducing case numbers to low levels and maintaining that situation indefinitely. Each policy has major challenges. We find that that optimal mitigation policies (combining home isolation of suspect cases, home quarantine of those living in the same household as suspect cases, and social distancing of the elderly and others at most risk of severe disease) might reduce peak healthcare demand by 2/3 and deaths by half. However, the resulting mitigated epidemic would still likely result in hundreds of thousands of deaths and health systems (most notably intensive care units) being overwhelmed many times over. For countries able to achieve it, this leaves suppression as the preferred policy option. We show that in the UK and US context, suppression will minimally require a combination of social distancing of the entire population, home isolation of cases and household quarantine of their family members. This may need to be supplemented by school and university closures, though it should be recognised that such closures may have negative impacts on health systems due to increased absenteeism. The major challenge of suppression is that this type of intensive intervention package – or something equivalently effective at reducing transmission – will need to be maintained until a vaccine becomes available (potentially 18 months or more) – given that we predict that transmission will quickly rebound if interventions are relaxed. We show that intermittent social distancing – triggered by trends in disease surveillance – may allow interventions to be relaxed temporarily in relative short time windows, but measures will need to be reintroduced if or when case numbers rebound. Last, while experience in China and now South Korea show that suppression is possible in the short term, it remains to be seen whether it is possible long-term, and whether the social and economic costs of the interventions adopted thus far can be reduced." (Studie des Imperial College COVID-19 Response Team vom 16.3.20, S.2)[2]
Klimaerwärmung

Reaktionen der Staaten und der Weltgesellschaft

Kommentar zum deutschen Klimapaket unter Bezug auf die Coronakrise:

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-mutwillige-zerstoerung-1.4849622


Wer leidet unter den zur Gefahrenabwehr für notwendig gehaltenen Maßnahmen?

Reaktion gesellschaftlicher Gruppen

nahe liegende Beispiele:

  • Lehrer*innen
  • Politiker*innen
  • Wissenschaftler*innen
Wissenschaftler schießen sich in Scientists for FutureWikipedia-logo.png schließen sich zur Unterstützung der Schülerbewegung Fridays for Future zusammen.
Tausende von Wissenschaftlern kritisieren das Klimapaket der Bundesregierung
"Aus den belächelten Experten von gestern – auf deren Rat beispielsweise in der Klimakrise Politiker wie Trump oder Putin mit wegwerfender Geste verzichten zu können glaubten – sind in der Corona-Krise, wo es unmittelbarer um Leben und Tod geht, die Garanten eines neuen Vertrauens geworden." (Mariam Lau in DIE ZEIT, 19.3.29)


gängige Argumente:

Argumente gegen die Notwendigkeit des Klimaschutzes

Argumente für die Notwendigkeit des Klimaschutzes

Reaktionen der einzelnen

Material

Links zur Coronaepidemie

Live Blog der FAZ zum Coronavirus:

https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/liveticker-zum-coronavirus-restaurants-in-bayern-duerfen-nur-noch-bis-15-uhr-oeffnen-16676261.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

Zahlen und Graphiken zur Epidemie:

https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/zahlen-zum-coronavirus-die-pandemie-im-ueberblick-16653240.html

Neue Zahlen aus Wuhan FAZ 19.3.2020

Bestätigte Fälle von Infektion mit dem Coronavirus in Deutschland:

https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2020-03/coronavirus-deutschland-infektionen-faelle-verbreitung-epidemie-karte

Simulator der Verbreitung einer Infektion:

https://www.washingtonpost.com/graphics/2020/world/corona-simulator/?utm_campaign=wp_main&utm_medium=social&utm_source=twitter

https://scilogs.spektrum.de/fischblog/covid19-gefahrlicher-als-grippe/ Lars Fischer 8.3.2020

https://www.republik.ch/2020/03/09/wie-enden-epidemien

https://www.nzz.ch/panorama/coronavirus-wie-asien-die-epidemie-in-den-griff-kriegte-nzz-ld.1544974

https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/coronavirus-warum-gibt-es-in-italien-so-viele-faelle-a-a9b30229-9e94-4297-aa8c-ffd31c80b428

Bestätigte Ansteckungsfälle weltweit:

https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6

Kommentare:

Bernd Ulrich: Ausnahmezustand: Apocalypse, not now ZEIT 18.3.2020

"[...] Wie kann es sein, dass Klima-Aktivisten noch vor wenigen Wochen forderten, wir alle müssten weniger reisen, weniger konsumieren, weniger breitbeinig leben – und dafür angeschrien wurden? Da ging es um den Wunsch nach Vorschriften und Verboten, für deren Nichtbeachtung man heute bestraft würde. Kann der Staat etwa doch handeln?

Ähnliches gilt für die soziale Gerechtigkeit, auch da verschiebt sich gerade was: Dass sich die einen mehr nehmen als die anderen, nennt man in diesen Tagen "hamstern", und es ist verpönt. Dass sich die einen mehr nehmen als die anderen, nennt man sonst Marktwirtschaft, und es ist heilig. [...]"

Materialien zum Klimawandel

Kleine Klimakunde in Stichworten

http://fontanefan.blogspot.com/2020/01/bernd-ulrich-alles-wird-anders-das.html

http://fontanefansschnipsel.blogspot.com/search/label/Klimawandel

Literatur

Ernst Ulrich von Weizsäcker und Anders Wijkman: Wir sind dran. Club of Rome: Der große Bericht: Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen. Eine neue Aufklärung für eine volle Welt

dazu: Rezension
Links und Videos

https://fontanefansschnipsel.blogspot.com/2020/02/ist-grunes-wachstum-sinnvoll_13.html:

darin: Ulrike Herrmann: Nachhaltigkeit im Kapitalismus? 27.1.2020 und Niko Paech: Die Wachstumsparty ist vorbei 30.1.2020

http://www.postwachstumsoekonomie.de/vortragsreihe/videos/

Podcasts

Vom Klima- zum Gesellschaftswandel – Maja Göpel

Beispiele für einzelne Arbeitsaufträge

Hier werden zunächst nur allgemeine Fragen angeführt. Lernpfade für Spezialfragen wären erst noch zu entwickeln.


  • Weshalb bestehen die Regierungen im einen Fall auf strikter Erfüllung der Schulpflicht, während sie im anderen selbst die Schließung der Schulen anordnen?
Erläutere anhand der Unterschiede des Krisenverlaufs!
  • Welche Unterschiede zwischen Coronaepedimie und Klimawandel führen dazu, dass im einen Fall das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln angeraten wird, in anderem Fall davor gewarnt wird?
Erläutere anhand der unterschiedlichen Gefahren!
  • Beiden Krisen sind wesentlich auf die Industrielle Revolution und auf die Globalisierung zurückzuführen.
1. Erläutere, weshalb.
2. Für welche Krise ist die Industrielle Revolution grundlegender, für welche die Globalisierung?
Erläutere anhand der unterschiedlichen Gefahren!

Anmerkungen

  1. Why outbreaks like coronavirus spread exponentially, and how to “flatten the curve” von Harry Stevens, Washington Post, 14.3. 2020, "These simulations show how to flatten the coronavirus growth curve"
  2. auf Deutsch: Zwei grundlegende Strategien sind möglich: (a) Abschwächung, die darauf abzielt, die Ausbreitung von Epidemien zu verlangsamen, aber nicht unbedingt zu stoppen - Reduzierung des Spitzenbedarfs an medizinischer Versorgung bei gleichzeitigem Schutz derjenigen, die am stärksten von schweren Krankheiten bedroht sind, vor Infektionen, und (b) Unterdrückung, die darauf abzielt, das epidemische Wachstum umzukehren: Reduzierung der Fallzahlen auf ein niedriges Niveau und Beibehaltung dieser Situation auf unbestimmte Zeit. Jede Politik hat große Herausforderungen. Wir stellen fest, dass eine optimale Minderungspolitik (die die Isolierung von Verdachtsfällen zu Hause, die Quarantäne von Personen, die im selben Haushalt leben wie Verdachtsfälle, zu Hause und die soziale Distanzierung älterer Menschen und anderer Personen mit dem höchsten Risiko für schwere Krankheiten) den Spitzenbedarf an Gesundheitsversorgung um 2/3 senken könnte und die Todesfälle auf die Hälfte. Die gemilderte Epidemie würde jedoch wahrscheinlich immer noch dazu führen, dass es zu Hunderttausende von Todesfällen käme und die Gesundheitssysteme (insbesondere die Intensivstationen) um ein Vielfaches überfordert wären. Für Länder, die dies erreichen können, bleibt die Unterdrückung die bevorzugte politische Option. Wir zeigen, dass im britischen und US-amerikanischen Kontext die Unterdrückung nur eine Kombination aus sozialer Distanzierung der gesamten Bevölkerung, Isolation von Fällen zu Hause und Haushaltsquarantäne ihrer Familienmitglieder erfordert. Dies muss möglicherweise durch Schul- und Universitätsschließungen ergänzt werden, obwohl anerkannt werden sollte, dass solche Schließungen aufgrund zunehmender Fehlzeiten negative Auswirkungen auf die Gesundheitssysteme haben können. Die größte Herausforderung bei der Unterdrückung besteht darin, dass diese Art von intensivem Interventionspaket - oder etwas, das bei der Reduzierung der Übertragung gleichermaßen wirksam ist - beibehalten werden muss, bis ein Impfstoff verfügbar ist (möglicherweise 18 Monate oder länger), da wir davon ausgehen, dass die Übertragung schnell wieder zunehmen wird, wenn die Eingriffe aufgehoben werden. Wir zeigen, dass intermittierende soziale Distanzierung - ausgelöst durch Trends in der Krankheitsüberwachung - es ermöglichen kann, Interventionen in relativ kurzen Zeitfenstern vorübergehend zu lockern, aber die Maßnahmen müssen wieder eingeführt werden, wenn die Fallzahlen wieder zunehmen. Während die Erfahrungen in China und jetzt in Südkorea zeigen, dass Unterdrückung kurzfristig möglich ist, bleibt abzuwarten, ob dies langfristig möglich ist und ob die sozialen und wirtschaftlichen Kosten der bisher getroffenen Interventionen gesenkt werden können.