Verfassungsdebatte bei Herodot

Aus ZUM-Unterrichten
Version vom 16. Dezember 2018, 05:24 Uhr von Matthias Scharwies (Diskussion | Beiträge) (N)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)


Idee

Ein Rollenspiel, das die Verfassungsdebatte bei Herodot aufgreift. Anschließend sollten die Schüler bewerten,

  • welche Regierungsform wohl geigneter ist
  • wie man einen Führer auswählen sollte.

Der griechische Geschichtsschreiber Herodot berichtet, dass drei persische Adelige (Otanes, Megabyzos und Dareios) sich nach dem Sturz eines Perserkönigs folgendermaßen über die künftige Verfassung Persiens unterhalten haben:

0.: Ich bin dafür, dass nicht wieder ein einziger Herr über uns werden soll. Kann Alleinherrschaft überhaupt etwas Gutes sein, da der Herrscher keinem Gesetz und keinem Menschen verantwortlich ist?

D.: Wenn aber der Beste gefunden werden könnte, dann trifft doch gerade dies nicht zu!

0.: Selbst wenn man ihn fände, würde er mit der Zeit seinen Charakter ändern. Macht und Reichtum würden ihn überheblich machen. Er selbst würde wieder von anderen beneidet und keinem mehr trauen. Über eine maßvolle Anerkennung ärgert er sich, weil sie ihm nicht groß genug ist, über eine große Anerkennung ärgert er sich ebenfalls, weil er dahinter einen Schmeichler vermutet. Aber es gibt noch Schlimmeres. Er hält sich nicht an die überlieferten Gesetze, er straft und tötet ohne Urteil und Gesetz.

D.: Was schlägst Du also vor?

0.: Ich bin für die Herrschaft des Volkes. Alle sind gleichberechtigt. Sie bestimmen die Regierung durch das Los. Die Regierung ist allen verantwortlich. Das Volk beschließt und entscheidet selbst. Deswegen sollten wir das Volk zum Herrscher machen.

D.: Für die Abschaffung des Königtums bin ich auch. Aber an Stelle eines Königs die ganze Volksmenge zum Herren machen? Nein! Die Masse ist blind, unverständig und hochmütig. Das Volk hat nichts gelernt. Vernunft ist auch nicht bei ihm zu finden. Das Volk ist genauso gierig nach Macht wie ein einzelner König.

D.: Mit anderen Worten: Du lehnst die Herrschaft eines einzelnen aber auch die Herrschaft aller ab. Was also schlägst Du vor?

D.: Lasst uns vielmehr einen Ausschuss aus den besten Männern des Adels bilden. Denn die besten und edelsten Männer treffen die besten Entscheidungen. - Schließlich gehören wir zu diesen Männern.

D.: Ich stimme Megabyzos in dem zu, was er über die Volksmenge gesagt hat, nicht aber darin, was er über die Herrschaft weniger gesagt hat. Wenn wir uns die drei Verfassungen vorstellen - Herrschaft aller, weniger oder eines einzigen -, so behaupte ich: Es gibt nichts Besseres, als wenn der Beste regiert. Er sorgt für das Volk. Seine Beschlüsse gegen den Feind bleiben geheim. Unter den wenigen kommt es dagegen zu Auseinandersetzungen und zu Rivalität. Und aus diesen Auseinandersetzungen geht doch wieder einer als Sieger hervor.

0.: Nimm aber einmal an, das Volk herrsche ...

D.: Dann kommt es auch zu Auseinandersetzungen - und zwar unter den Schlechten. Einige werden sich verschwören, um den Staat auszubeuten. Das dauert so lange, bis ein Führer des Volkes diesem Treiben ein Ende macht. Und dafür preist ihn dann natürlich das Volk - und der Gepriesene wird Alleinherrscher. Auch diese Entwicklung zeigt, dass die Monarchie die beste Verfassung ist.


Otanes konnte seine beiden Gesprächspartner und die anderen Adligen, die dem Gespräch zugehört hatten, nicht überzeugen. Die Mehrheit stimmte der Meinung des Dareios zu. Über die Königswahl vereinbarten sie folgendes: Sie wollten vor das Stadttor reiten, und wessen Pferd nach Aufgang der Sonne zuerst wiehere, der sollte König werden.

Weblinks