Texterschließung: Unterschied zwischen den Versionen

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Eine '''Texterschließung''' als Arbeitsform zielt im Unterschied zur [[Textwiedergabe]] nicht darauf ab, einen Text so klar und übersichtlich wie möglich vorzustellen, sondern aufzuzeigen, was man von einem vorliegenden schwierigen Text verstanden hat.  
Eine '''Texterschließung''' als Arbeitsform zielt im Unterschied zur [[Textwiedergabe]] nicht darauf ab, einen Text so klar und übersichtlich wie möglich vorzustellen, sondern aufzuzeigen, was man von einem vorliegenden schwierigen Text verstanden hat.  


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Version vom 21. Mai 2015, 22:21 Uhr

Vorlage:Kurzinfo Eine Texterschließung als Arbeitsform zielt im Unterschied zur Textwiedergabe nicht darauf ab, einen Text so klar und übersichtlich wie möglich vorzustellen, sondern aufzuzeigen, was man von einem vorliegenden schwierigen Text verstanden hat.

Das ist besonders interessant bei naturwissenschaftlichen Texten, kann im Deutschunterricht aber auch sinnvoll an überdurchschnittlich schwierigen Texten geübt und getestet werden.

Zur Texterschließung gehören die Schritte:

  1. Orientierung im Text
  2. Bildung von Verstehensinseln (Heraussuchen der Stellen, wo man etwas versteht)
  3. Verbindungen zwischen Verstehensinseln suchen
  4. den roten Faden suchen
  5. abschließend über das Verstandene reflektieren

Dies kann man an unterschiedlich schwierigen Texten üben. Für den Test empfiehlt sich ein etwas einfacherer Text, für den nur drei Schritte ausformuliert werden sollen: Thema (Worum geht es?), Textwiedergabe und roter Faden.

Beispiel eines Tests zur Texterschließung

Aufgabe

Lessing in der Vorrede zu einem Entwurf einer Abhandlung über »Bibliolatrie« (Bibelverehrung) aus dem Jahre 1779:

Einordnung des Textes

In diesem Entwurf zu einem Vorwort versucht Lessing im FragmentenstreitWikipedia-logo.png sein Plädoyer für ein aufgeklärtes Verhältnis zu Religionen als einen Versuch der Vermittlung zwischen orthodoxemWikipedia-logo.png Bibelverständnis und radikaler ReligionskritikWikipedia-logo.png zu beschreiben. Insofern kann man den Text als eine rationale Rechtfertigung der Intention seines im selben Jahre erschienenen Theaterstücks Nathan der Weise verstehen.

Text

Zitat
Der bessere Teil meines Lebens ist - glücklicher- oder unglücklicherweise? - in eine Zeit gefallen, in welcher Schriften für die Wahrheit der christlichen Religion gewissermaßen Modeschriften waren. Nun werden Modeschriften, die meistenteils aus Nachahmung irgendeines vortrefflichen Werks ihrer Art entstehen, das sehr viel Aufsehn macht, seinem Verfasser einen sehr ausgebreiteten Namen erwirbt, . . . nun werden Modeschriften, sag' ich, eben weil es Modeschriften sind, sie mögen sein, von welchem Inhalte sie wollen, so fleißig und allgemein gelesen, daß jeder Mensch, der sich nur in etwas mit Lesen abgibt, sich schämen muß, sie nicht auch gelesen zu haben. Was Wunder also, daß meine Lektüre ebenfalls darauf verfiel und ich gar bald nicht eher ruhen konnte, bis ich jedes neue Produkt in diesem Fache habhaft werden und verschlingen konnte. Ob ich daran gut getan, auch wenn es möglich gewesen wäre, daß bei dieser Unersättlichkeit, die nämliche wichtige Sache nur immer von einer Seite plädieren zu hören, die Neugierde nie entstanden wäre, endlich doch auch einmal zu erfahren, was von der andern Seite gesagt werde, will ich hier nicht entscheiden. Genug, was unmöglich ausbleiben konnte, blieb bei mir auch nicht einmal lange aus. Nicht lange, und ich suchte jede neue Schrift wider die Religion nun ebenso begierig auf und schenkte ihr ebendas geduldige unparteiische Gehör, das ich sonst nur den Schriften für die Religion schuldig zu sein glaubte. So blieb es auch eine geraume Zeit. Ich ward von einer Seite zur andern gerissen; keine befriedigte mich ganz. Die eine sowohl als die andere ließ mich nur mit dem festen Vorsatze von sich, die Sache nicht eher abzuurteln, quam utrinque plenius fuerit peroratum (als bis sie von beiden Seiten ausführlicher durchgesprochen wäre). Bis hieher, glaub' ich, ist es manchem andern gerade ebenso gegangen. Aber auch in dem, was nun kömmt?

Je zusetzender die Schriftsteller von beiden Teilen wurden - und das wurden sie so ziemlich in der nämlichen Progression; der neueste war immer der entscheidendste, der hohnsprechendste - desto mehr glaubte ich zu empfinden, daß die Wirkung, die ein jeder auf mich machte, diejenige gar nicht sei, die er eigentlich nach seiner Art hätte machen müssen. War mir doch oft, als ob die Herren, wie dort in der Fabel, Der Tod und Liebe, ihre Waffen vertauscht hätten! Je bündiger mir der eine das Christentum erweisen wollte, desto zweifelhafter ward ich. Je mutwilliger und triumphierender mir es der andere ganz zu Boden treten wollte, desto geneigter fühlte ich mich, es wenigstens in meinem Herzen aufrechtzuerhalten.

Das konnte von einer bloßen Antiperistasis, von der natürlichen Gegenwirkung unsrer Seele, die mit Gewalt ihre Lage ändern soll, nicht herkommen. Es mußte folglich mit an der Art liegen, mit der jeder seine Sache verteidigte.


Lessing in der Vorrede zu einem Entwurf einer Abhandlung über »Bibliolatrie« (Bibelverehrung) aus dem Jahre 1779; 20.10.2006

Aufgabenstellung

  1. Worüber schreibt Lessing im vorliegenden Text?
  2. Geben Sie den Text mit Ihren eigenen Worten wieder.
  3. Stellen Sie kurz den „roten Faden“ dar.

Beispiel für eine Lösung

Vorlage:Lösung

Reflexion zur Aufgabenstellung

Es ist nicht ganz einfach zu erkennen, dass Lessing mit dieser Vorrede zu seiner geplanten Schrift über Bibelverehrung zu verstehen gibt, dass seiner Meinung nach die eifrigsten Verteidiger des Christentums dem Christentum den größten Schaden antun. Und das, obwohl er es in den letzten Sätzen ganz deutlich ausspricht.

Denn er hütet sich - wie auch in seiner Schrift "Über den Beweis des Geistes und der Kraft" - offen auszusprechen, dass er einen vernunftwidrigen Glauben an Wunder für ein Zeichen von Unverstand hält. Vielmehr verteilt er in dieser Vorrede die Kritik noch gleichmäßig auf Verteidiger und Kritiker des Christentums. Dass er als Aufklärer aber kein Befürworter von Bibelverehrung ohne vernünftige Kritik sein kann, das kann man sich denken, auch wenn er aus Rücksicht auf die orthodoxe buchstabengläubige Mehrheit es vermeidet, das ganz deutlich auszusprechen.

Er kündigt also keine Schrift für oder gegen das Christentum an, sondern eine Schrift über Bibelverehrung. Und dass diese kritisch ausfallen wird, rechtfertigt er in diesem Vorwort.

Unterrichtsreihen

Weblinks

Siehe auch