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==Textbeispiel==
ORPHEUS und Eurydike in der Unterwelt
Seltsames geschah, als Orpheus sang. Die Schatten lauschten den lieblichen Klängen und weinten. Tantalos vergaß nach den stets weichenden Früchten zu greifen und Sysiphos saß auf seinem Steine, den er nach dem Willen der Götter den Berg hinauf zu wälzen hatte.
Nicht minder gerührt war das Königspaar der Unterwelt. Auch sie konnten sich der Macht des Gesanges nicht entziehen. "Führe deine Gemahlin zur Welt der Lebenden zurück", sprach Hades schließlich, "doch hüte dich den Blick zurückzuwenden, bis du die Unterwelt verlassen hast. Folgst du diesem Gebote nicht, so hast du Eurydike für immer verloren."
Aufwärts stiegen sie durch die schweigende Öde der Unterwelt. Schroff führte der Weg empor und das grässliche Dunkel starrte ihnen von allen Seiten entgegen. Orpheus verhielt den Schritt, um nach hinten zu lauschen. War die Gattin ihm gefolgt? Fehlte ihr die Kraft, den steilen Pfad zu erklimmen? Vergeblich horchte er, doch kein Atemzug, kein Rascheln ihres Gewandes war vernehmbar.
Da konnte er nicht mehr an sich halten, Sehnsucht und Sorge wurden so übermächtig, dass er den Blick zurückwarf. Dort stand sie - und entschwand in die grauenvolle Unterwelt.
== Klärungen ==
== Klärungen ==
{{Box|SAGEN, Mythen, Legenden|
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Weitere Epen sind das Nibelungen-Lied aus Deutschland (12.Jhdt), der '''Cid''' aus Spanien, die '''Artus-Sagen''' aus England, die '''Edda''' aus Island und die '''Kalevala''' aus Karelien/Finnland.
Weitere Epen sind das Nibelungen-Lied aus Deutschland (12.Jhdt), der '''Cid''' aus Spanien, die '''Artus-Sagen''' aus England, die '''Edda''' aus Island und die '''Kalevala''' aus Karelien/Finnland.


LEGENDEN sind Sagen über Heilige aus der christlichen Glaubensgeschichte.
LEGENDEN sind Erzählungen über Heilige aus der christlichen Glaubensgeschichte.
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==Textbeispiel==
''Apollon, der melodische Gott, schenkte Orpheus ein Saitenspiel, und wenn damit spielte und sang, dann so kamen die Vögel in der Luft, die Fische im Wasser, die Tiere des Waldes, ja die Bäume und Felsen herbei, um den wundervollen Klängen zu lauschen. Seine Gattin war Eurydike, die Nymphe, und sie liebten sich beide auf das zärtlichste. Aber nur allzu kurz war ihr Glück; denn kaum waren die fröhlichen Lieder der Hochzeit verstummt, da raffte ein früher Tod die Gattin dahin. Eine giftige Natter, die im Grase versteckt lag, stach sie in die Ferse. Unaufhörlich jammerte und sang Orpheus seinen Schmerz in wehmütigen Liedern, die Vögel und die Hirsche und Rehe trauerten mit dem verlassenen Gatten. Aber sein Flehen und Weinen brachte die Verlorne nicht zurück.''
{{Box|ORPHEUS und Eurydike in der Unterwelt|
Da faßte er einen unerhörten Entschluß: Hinunter in das grausige Reich der Schatten wollte er steigen, um das finstere Königspaar zur Rückgabe Eurydikes zu bewegen. Durch die Pforte der Unterwelt bei Tainaron ging er hinab; schaurig umschwebten die Schatten der Toten den Lebenden, er aber schritt mitten durch die Schrecknisse des Orkus, bis er vor den Thron des bleichen Hades und seiner strengen Gemahlin trat. Dort faßte er seine Leier und sang zum süßen Klange der Saiten: »O ihr Herrscher des unterirdischen Reiches, gönnet mir, Wahres zu reden, und höret gnädig meine Bitten an! Nicht kam ich herab, von Neugier getrieben, den Tartaros zu schauen, nicht um den dreiköpfigen Hund zu fesseln; ach nein, um der Gattin willen nah ich mich euch. Vom Biß der tückischen Natter vergiftet, sank die Teure in der Jugend Blüte dahin, nur wenige Tage war sie meines Hauses Stolz und Freude. Sehet, ich wollte es tragen, das unermeßliche Leid; als Mann hab ich lange gerungen. Aber die Liebe zerbricht mir das Herz, ich kann nicht ohne Eurydike sein. Darum fleh ich zu euch, furchtbare, heilige Götter des Todes! bei diesen grauenvollen Orten, bei der schweigenden Öde eurer Gefilde: Gebt sie mir wieder, die traute Gattin; laßt sie frei, und schenket ihr das allzufrüh verblühte Leben von neuem! Aber kann es nicht sein, o so nehmet auch mich unter die Toten auf, nimmer kehr ich ohne sie zurück.« Also sang er und rührte mit den Fingern die Saiten.
Siehe, da horchten die blutlosen Schatten und weinten. Der unselige Tantalos haschte nicht mehr nach den entschlüpfenden Wassern, Ixions sausendes Rad stand still, die Töchter des Danaos ließen ab vom vergeblichen Mühen und lehnten horchend an der Urne, Sisyphos selbst vergaß seiner Qual und setzte sich auf den tückischen Felsblock, den sanften Klagetönen zu lauschen. Damals, so sagt man, rannen selbst von den Wangen der furchtbaren Eumeniden Tränen hernieder, und das düstere Herrscherpaar fühlte sich zum ersten Mal von Mitleid bewegt. Persephone rief den Schatten Eurydikes, der unsicheren Schrittes herankam. »Nimm sie mit dir«, sprach die Totenkönigin, »aber wisse: nur wenn du keinen Blick auf die Folgende wirfst, ehe du das Tor der Unterwelt durchschritten, nur dann gehört sie dir; doch schaust du dich zu frühe nach ihr um, so wird dir die Gnade entzogen.«
Schweigend und schnellen Schrittes klimmen nun die beiden den finstern Weg empor, vom Grauen der Nacht umgeben. Da ward Orpheus von unsäglicher Sehnsucht ergriffen, er lauschte, ob er nicht den Atemzug der Geliebten oder das Rauschen ihres Gewandes hörte – aber still, totenstill war alles um ihn her. Von Angst und Liebe überwältigt, seiner selbst kaum mächtig, wagte er es, einen schnellen Blick rückwärts nach der Ersehnten zu werfen. O Jammer! Da schwebt sie, das Auge traurig und voll Zärtlichkeit auf ihn heftend, zurück in die schaurige Tiefe. Verzweiflungsvoll streckt er die Arme nach der Entschwindenden. Ach, umsonst! Zum zweiten Male stirbt sie den Tod, doch ohne Klage – hätte sie klagen können, so innig geliebt zu sein? Schon ist sie fast seinen Blicken entschwunden: »Leb wohl, leb wohl!« so tönt es leise verhallend aus der Ferne. Starr vor Gram und Entsetzen stand Orpheus zuerst, dann stürzte er zurück in die finsteren Klüfte; aber jetzt wehrte ihm Charon und weigerte sich, ihn über den schwarzen Styx zu fahren. Sieben Tage und Nächte saß nun der Arme am Ufer, ohne Speise und Trank; zahllose Tränen vergießend, um Gnade fleht er die unterirdischen Götter; aber diese sind unerbittlich, zum zweiten Male lassen sie sich nicht erweichen. So kehrt er denn gramvoll auf die Oberwelt ...


Quelle: [http://gutenberg.spiegel.de/buch/sagen-des-klassischen-altertums-4962/232 Gustav Schwab: Sagen des klassischen Altertums.] (Bibliothek Gutenberg)
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== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Mythos]]
* [[Mythos]]

Version vom 29. November 2018, 15:58 Uhr

Denkanstöße

Denke über die folgenden Fragen nach.

  1. Was meint man mit dem Ausdruck vom Hörensagen?
  2. Was findest Du sagenhaft? Und warum?
  3. Was bedeutet es, wenn von einer Geschichte gesagt wird, sie habe einen wahren Kern?

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Klärungen

SAGEN, Mythen, Legenden

S A G E N sind mündlich überlieferte Erzählungen, die einen historischen Kern haben. Sagen knüpfen sich an geschichtliche Begebenheiten (Völkerwanderung, Kreuzzüge), Personen (Heldensagen), Landschaften (Berge, Alpen, Seen, Meer) oder Gebäude (Burgensagen). Sagen waren zur Zeit ihrer Entstehung durchaus als wahre Berichte gemeint. Erzählungen von Göttern, Helden und Dämonen sind ebenfalls Sagen. Beispiele:

  - Griechische Götter- und Heldensagen
  - Deutsche Heldensagen
  - Burgensagen,
  - Orts-Sagen von Riesen, Zwergen, Hexen, Trollen, Drachen
    Nixen, Wassermännern und Feen.
Als MYTHOS werden sagenähnliche Erzählungen von Göttern, Helden und Dämonen bezeichnet. Sie entstanden als Erklärungen für den Ursprung der Welt, des Menschen und der Naturerscheinungen. Die Gesamtheit der Mythen eines Volkes nennt man MYTHOLOGIE.

Mehrere MYTHEN und SAGEN sind oft zu einer langen Erzählung zusammengefasst worden: Dem E P O S. Solche Epen wurden von Erzählern oder Sängern meist auswendig bei Festen vorgetragen. Der berühmteste Sänger ist HOMER (8. Jhdt v.Ch.). Ihm werden zwei Epen zugeschrieben: Die Ilias (Krieg um Troja) und die Odyssee (Irrfahrt des Odysseus).

Weitere Epen sind das Nibelungen-Lied aus Deutschland (12.Jhdt), der Cid aus Spanien, die Artus-Sagen aus England, die Edda aus Island und die Kalevala aus Karelien/Finnland.

LEGENDEN sind Erzählungen über Heilige aus der christlichen Glaubensgeschichte.

Textbeispiel

Apollon, der melodische Gott, schenkte Orpheus ein Saitenspiel, und wenn damit spielte und sang, dann so kamen die Vögel in der Luft, die Fische im Wasser, die Tiere des Waldes, ja die Bäume und Felsen herbei, um den wundervollen Klängen zu lauschen. Seine Gattin war Eurydike, die Nymphe, und sie liebten sich beide auf das zärtlichste. Aber nur allzu kurz war ihr Glück; denn kaum waren die fröhlichen Lieder der Hochzeit verstummt, da raffte ein früher Tod die Gattin dahin. Eine giftige Natter, die im Grase versteckt lag, stach sie in die Ferse. Unaufhörlich jammerte und sang Orpheus seinen Schmerz in wehmütigen Liedern, die Vögel und die Hirsche und Rehe trauerten mit dem verlassenen Gatten. Aber sein Flehen und Weinen brachte die Verlorne nicht zurück.


ORPHEUS und Eurydike in der Unterwelt

Da faßte er einen unerhörten Entschluß: Hinunter in das grausige Reich der Schatten wollte er steigen, um das finstere Königspaar zur Rückgabe Eurydikes zu bewegen. Durch die Pforte der Unterwelt bei Tainaron ging er hinab; schaurig umschwebten die Schatten der Toten den Lebenden, er aber schritt mitten durch die Schrecknisse des Orkus, bis er vor den Thron des bleichen Hades und seiner strengen Gemahlin trat. Dort faßte er seine Leier und sang zum süßen Klange der Saiten: »O ihr Herrscher des unterirdischen Reiches, gönnet mir, Wahres zu reden, und höret gnädig meine Bitten an! Nicht kam ich herab, von Neugier getrieben, den Tartaros zu schauen, nicht um den dreiköpfigen Hund zu fesseln; ach nein, um der Gattin willen nah ich mich euch. Vom Biß der tückischen Natter vergiftet, sank die Teure in der Jugend Blüte dahin, nur wenige Tage war sie meines Hauses Stolz und Freude. Sehet, ich wollte es tragen, das unermeßliche Leid; als Mann hab ich lange gerungen. Aber die Liebe zerbricht mir das Herz, ich kann nicht ohne Eurydike sein. Darum fleh ich zu euch, furchtbare, heilige Götter des Todes! bei diesen grauenvollen Orten, bei der schweigenden Öde eurer Gefilde: Gebt sie mir wieder, die traute Gattin; laßt sie frei, und schenket ihr das allzufrüh verblühte Leben von neuem! Aber kann es nicht sein, o so nehmet auch mich unter die Toten auf, nimmer kehr ich ohne sie zurück.« Also sang er und rührte mit den Fingern die Saiten.

Siehe, da horchten die blutlosen Schatten und weinten. Der unselige Tantalos haschte nicht mehr nach den entschlüpfenden Wassern, Ixions sausendes Rad stand still, die Töchter des Danaos ließen ab vom vergeblichen Mühen und lehnten horchend an der Urne, Sisyphos selbst vergaß seiner Qual und setzte sich auf den tückischen Felsblock, den sanften Klagetönen zu lauschen. Damals, so sagt man, rannen selbst von den Wangen der furchtbaren Eumeniden Tränen hernieder, und das düstere Herrscherpaar fühlte sich zum ersten Mal von Mitleid bewegt. Persephone rief den Schatten Eurydikes, der unsicheren Schrittes herankam. »Nimm sie mit dir«, sprach die Totenkönigin, »aber wisse: nur wenn du keinen Blick auf die Folgende wirfst, ehe du das Tor der Unterwelt durchschritten, nur dann gehört sie dir; doch schaust du dich zu frühe nach ihr um, so wird dir die Gnade entzogen.«

Schweigend und schnellen Schrittes klimmen nun die beiden den finstern Weg empor, vom Grauen der Nacht umgeben. Da ward Orpheus von unsäglicher Sehnsucht ergriffen, er lauschte, ob er nicht den Atemzug der Geliebten oder das Rauschen ihres Gewandes hörte – aber still, totenstill war alles um ihn her. Von Angst und Liebe überwältigt, seiner selbst kaum mächtig, wagte er es, einen schnellen Blick rückwärts nach der Ersehnten zu werfen. O Jammer! Da schwebt sie, das Auge traurig und voll Zärtlichkeit auf ihn heftend, zurück in die schaurige Tiefe. Verzweiflungsvoll streckt er die Arme nach der Entschwindenden. Ach, umsonst! Zum zweiten Male stirbt sie den Tod, doch ohne Klage – hätte sie klagen können, so innig geliebt zu sein? Schon ist sie fast seinen Blicken entschwunden: »Leb wohl, leb wohl!« so tönt es leise verhallend aus der Ferne. Starr vor Gram und Entsetzen stand Orpheus zuerst, dann stürzte er zurück in die finsteren Klüfte; aber jetzt wehrte ihm Charon und weigerte sich, ihn über den schwarzen Styx zu fahren. Sieben Tage und Nächte saß nun der Arme am Ufer, ohne Speise und Trank; zahllose Tränen vergießend, um Gnade fleht er die unterirdischen Götter; aber diese sind unerbittlich, zum zweiten Male lassen sie sich nicht erweichen. So kehrt er denn gramvoll auf die Oberwelt ...

Quelle: Gustav Schwab: Sagen des klassischen Altertums. (Bibliothek Gutenberg)

Siehe auch