Person

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Person und Individuum

Aufgabe

Auskunft über mich

  1. Gesetzt, du wärest vermisst, und man würde einen Steckbrief verfassen, um dich zu suchen. Was könnte in einem solchen Steckbrief stehen?
  2. Was steht in deinem Kinderausweis oder Schülerpass?
  3. Schreibe eine Kurzbiografie über eine prominente Persönlichkeit!
  4. Was schätzen deine Freunde und Freundinnen an dir?
  • Schau dir die Antworten auf die vier Fragen an und markiere die wichtigsten Unterschiede.


Zur Auswertung

Einige deiner Eigenschaften sind objektiv feststellbar, das heißt: Jeder wird bei Anwendung der richtigen Methode dasselbe herausfinden zum Beispiel über deine Größe, Augenfarbe, deine Fingerabdrücke, den genetischen Code.

Andere Eigenschaften kann man nur herausfinden, wenn man eine Weile gemeinsame Erlebnisse teilt: Ob du dich leicht aufregst oder entspannt bleibst, ob du freundlich bist oder abweisend, hilfsbereit oder faul, mutig oder feige.

Die meisten Menschen werden zustimmen, dass diese sozialen Eigenschaften mehr und Wichtigeres über dich aussagen als jene äußerlichen, objektiven Eigenschaften. Diese sozialen Eigenschaften sind aber beziehungsabhängig: Deine Freunde beurteilen dich vielleicht anders als die Lehrer.

Das lateinische Wort persona bedeutet ebenso wie das griechische Wort prosopon in der Grundbedeutung die Larve, die Maske des Schauspielers im Theater. Schon vor dem Christentum wurde der Begriff auch in übertragener Bedeutung gebraucht für den Stand eines Menschen in der Gesellschaft. Erst das Christentum jedoch hat den Begriff „Person“ zur zentralen Kategorie seines Menschen- und vor allem Gottesbildes werden lassen. Wie ist das gemeint?

Man kann nicht Personen aus einem Theaterstück in ein anderes versetzen: Der Versuch, William Shakespeares Figur der Julia in Star Wars mitspielen zu lassen, würde unsere Erkenntnisse über Julia nicht erweitern können; es entstünde ein neues Stück.

Übertragen wir diese Einsicht aus der Theaterwelt auf unser alltägliches Leben, kommen wir zu folgender Aussage:

Merke
Der Mensch wird zu dem, was er ist, durch Kontakte mit anderen, durch die sozialen Kontexte, in denen er jeweils seine Rolle spielt – Familie, Schulklasse, Clique, Betrieb, soziale Einrichtung.


Die Suche nach einem „Selbst“, das sich unabhängig von allen diesen Chancen und Herausforderungen definieren ließe, gerät zur blutleeren Abstraktion. Beispielsweise die Frage, wie ich mich verhalten hätte angesichts des Nationalsozialismus oder angesichts des Hexenwahns, ist nützlich als Vorbereitung auf moralische Grenzsituationen, die mir noch bevorstehen mögen, sie ist aber letztlich nicht beantwortbar. Denn es ist ein wesentliches Merkmal meines Ich, dass ich im Horizont meiner eigenen Geschichtsepoche lebe und lerne und denke.

Eine Möglichkeit über Gott zu sprechen

Es ist nun weder ganz richtig, dass jeder seines Glückes Schmied sei, noch ist es wahr, dass man alles hinnehmen müsse, wie es eben kommt.


Aufgabe

Wenn Du in ein paar Jahrzehnten eine Bilanz deines Lebens ziehst:

Unter welchen Umständen würdest du sagen, dass dein Leben gelungen ist, und unter welchen Bedingungen würdest Du sagen, dass dein Leben misslungen ist?

Die Herausforderungen und Chancen des Lebens, vor allem die Begegnungen mit Menschen, erscheinen zwar zunächst als zufällig, aber im Rückblick glaubt man manchmal einen geheimnisvollen Plan hinter den Wechselfällen des Schicksals zu erkennen, als sei es gerade mir wirklich von jemandem geschickt. Christen reden von der Vorsehung und der Fürsorge Gottes. Im Katechismus steht:

Zitat
In dem Maße, als sich ein Mensch auf Gottes Willen einlässt und sein Leben ändert, ändert sich auch sein „Schicksal“. Der Mensch, der mit Gott ins Einvernehmen kommt, kommt auch mit der Welt ins Einvernehmen.

Aber wer ist das: Gott? Woher beziehen die Menschen ihr Wissen von Gott?

Die Antwort, die geschichtlich wohl am weitesten zurückreicht, lautet:

Menschen erfahren Gott und erzählen davon.


Die Erzählungen von Gott führen dazu, dass man geeignete spirituelle Maßnahmen ergreift, die eine Gottesbegegnung wahrscheinlicher machen: Riten, Opfer, Gebete, Meditationen, Feiern, Tänze, Lieder. Die Vorstellung von guten und bösen Göttern bietet für den Menschen entscheidende Vorteile:

  • Es ist ein Unterschied, ob man nicht einschlafen kann in namenloser Angst oder ob man die Nacht damit verbringt wachend und betend mit einem Gott zu ringen (vgl. Gen 32). Wer hinter Donner und Blitz, Fluss und Berg, Tier und Pflanze Götter am Werke glaubt, der hat wenigstens etwas zu erzählen, vor allem jemanden, der ansprechbar ist, und der Schrecken, der zur Sprache zurückgefunden hat, ist schon halb ausgestanden (Hans Blumenberg).
  • Es ist nicht zuletzt ein Unterschied, ob man die toten Gefährten am Wegesrand zurücklässt und zu vergessen sucht, oder ob man einen Gedenkstein für sie aufstellen, ein ewiges Licht bei ihnen entzünden, sie einem Fährmann ins Jenseits anvertrauen kann. Denn wer die Ahnen vergisst, muss sich auch selbst für eine flüchtige Erscheinung halten.

Stimmt es aber auch, was von den Göttern erzählt wird? Stimmen wenigstens die Geschichten der Bibel? - Offenbar doch nicht!

Zitat

Lies Genesis 1,24-25: Gott sprach: Die Erde treibe hervor lebende Wesen nach ihrer Art, Herdentiere, Kriechtiere und die Wildtiere der Erde nach ihrer Art! Es geschah so. Gott formte die Wildtiere der Erde nach ihrer Art und die Herdentiere nach ihrer Art und alle Ackertiere nach ihrer Art. Gott sah, dass es gut war.



Aufgabe

Was berichtet die Bibel?

  • Die Erde bringt die Tiere hervor auf Gottes Befehl.
  • Gott formt die Tiere Art nach Art.

Sind die beiden Varianten miteinander kombinierbar?

Welche Variante lässt sich leichter mit der Evolutionstheorie vereinbaren?

Die Bibel mutet uns gleich in den ersten beiden Kapiteln drei verschiedene Versionen zu, wie und warum Gott die Tiere geschaffen hat: Nach Gen 1,24 bringt die Erde die Tiere auf Gottes Befehl hervor; nach Gen 1,25 formt Gott selbst die Tiere Art nach Art, und Gen 2,19 erzählt, dass Gott die Tiere erst nach dem Menschen geschaffen hat, damit dem nicht so langweilig wird.

Auch die Motive Gottes für die Sintflut werden nicht widerspruchsfrei dargestellt: Nach Gen 6,5-8 will Gott die ganze Welt vernichten aus Wut auf die Menschen und aus Wut auf sich selbst, weil er die Menschen überhaupt geschaffen hat. In Gen 6,13 erzählt Gott dem Noah, dass die Boshaftigkeit der Menschen ihre Vernichtung heraufbeschworen habe, dass aber Gott in seinem Erbarmen wenigstens den Noah und die Tiere retten will, damit die Welt nicht ganz untergeht.

Die Bibel ist kein Geschichtsbuch, sondern ein Religionsbuch.

An allen Ecken und Enden lassen sich in der Bibel Widersprüche aufzeigen, vor allem die Erfahrung der schrecklichen Macht und die Erfahrung der liebevollen Zuwendung Gottes stimmen offenbar nicht überein. Aber gerade die Widersprüche beweisen, dass der Text dem Menschen aus der Seele spricht: Wer sein Schicksal gerade jetzt so erlebt, dass er sich von Gott verworfen fühlt, dem kann man nicht mit dem billigen Trost kommen: Nein, nein, ich weiß es besser, Gott verwirft niemanden, es wird alles gut. Ein solcher Mensch muss durch die dunkle Nacht erst einmal hindurchgehen; man muss es ihm erlauben und sogar erleichtern, das Erlebnis Gott ist wütend auf mich auszusprechen. Dabei leistet die Bibel Hilfestellung, indem sie von Menschen erzählt und ihre Gebete überliefert, die ähnliches erlebt haben. Wer ein solches Erleben ausgehalten hat, darf darauf hoffen, dass er von seinen niederdrückenden Stimmungen einmal befreit wird; auch die Geschichte von der großen Flut endet mit dem im Regenbogen besiegelten Versprechen Gottes, dass die Erde niemals wieder vernichtet wird. (Gen 8,20-22)



Vergleich


Die Griechen haben versucht, mit ihren Mythen reinen Tisch zu machen und einen klaren widerspruchsfreien Begriff Gottes zu formulieren. Die Idee des Guten (Platon), das sich selbst denkende Denken, der unbewegte Beweger (Aristoteles), das Ur-Eine (Plotin), so einige der Vorschläge, wie man sich einen Gott denken könne. Immer größer erschien der Abstand zwischen Gott und der Welt, sodass sich für die stoische Schule der Gedanke nahelegte, die Götter lebten zwischen den Welten und haben mit uns überhaupt nichts zu tun, und es sei für uns völlig uninteressant zu den Göttern zu beten oder sie sonst wie zu verehren. Der Atheismus der Neuzeit fand da sein Vorbild.

Israel hat in seiner Heiligen Schrift auch für Philosophie Raum – etwa in den Büchern Kohelelet, Weisheit, Jesus Sirach - aber man hat die Gebete und Geschichten der anderen, gerade der armen und schlecht ausgebildeten Menschen, darüber nicht vernachlässigt. Vielfältige Gotteserfahrung wird in der Bibel authentisch überliefert. Der Schriftgelehrte hat die Spannungen zwischen den verschiedenen Vorstellungen von Gott nicht durch seine Logik zu verkleistern, sondern ernst zu nehmen und fruchtbar zu machen.

Von den Geschichten der Bibel zur Theologie der Dreifaltigkeit

Die biblische Überlieferung des Alten Bundes lässt sich sehr grob in drei Epochen einteilen:


ZEIT Thema Bücher
900-700 Kritik am König im Namen Gottes Amos, Jesaia
700-500 Politische Inanspruchnahme der JHWH-Religion führt zur Zerstörung Jerusalems Deuteronomium, Jeremia
500-100 Konsolidierung des Frühjudentums Tora, Psalmen
Lehrender christus.jpg

Mit der griechischen Übersetzung des Tanach, der jüdischen Heiligen Schriften, war schon ein wichtiger Schritt der Öffnung der JHWH-Religion getan; noch konsequenter missionierte das junge Christentum im griechisch-sprachigen Raum des römischen Reiches. Dabei sahen sich die Schülerinnen und Schüler der Apostel zwei Herausforderungen ausgesetzt:

  • Es galt, bei den Griechen deren Kultur des Denkens zu erlernen und einen eigenen Beitrag dazu zu leisten.
  • Aber die Christen bestanden weiterhin auf der Authentizität der in der Bibel gesammelten Erfahrungen von Gott. Sie ergänzten die Geschichten der Juden durch die frohe Botschaft über ihren Lehrer Jesus Christus, dessen Leben, Tod und Auferstehung; vor allem aber betrachteten sie die lebendige Erfahrung der Gemeinde Gottes als Norm aller Bemühungen des denkenden Geistes.

Das Christentum hat – nach der Methode der Philosophie - den Begriff „Person“ zur Deutung der Gottesvorstellung herangezogen. Diese Entwicklung ging aus von einem Erlebnis: Der Auferstehung Jesu von Nazaret. Ostern beginnt ein Prozess reflektierter Erfahrung in der christlichen Gemeinde, dessen Zwischenergebnis das Glaubensbekenntnis zum dreieinigen Gott, und dessen Fernwirkung die Geschichte der christlichen Theologie ist.


Merksatz
Das Urproblem, ohne das es nie eine christliche Theologie gegeben hätte, ist die Frage, wie man den Gottmenschen Jesus Christus angemessen beschreiben kann.

Denn wenn Gott, der ewige, alles beherrschende, die menschliche Natur annehmen kann, Person werden kann in einem historischen Drama, einer von uns, der sich mit uns freute und mit uns litt und unter uns starb, dann ist offenbar Personsein das Wesen Gottes selbst und daher die umfassendste Wirklichkeit, die es überhaupt gibt. Nicht nur uns zeigt sich Gott in den verschiedenen Situationen unseres Daseins, sondern in ihm selbst gibt es „Situationen“, gibt es Beziehung und Austausch. Selbstverständlich können wir uns die Gemeinschaft von drei Personen göttlichen Wesens nicht vorstellen. Um so wichtiger sind die Beispiele und Gleichnisse, durch die wir Gott zu vergegenwärtigen versuchen. In der Kinderkatechese ist der Klee beliebt mit seinen drei herzförmigen Blättchen oder ein Licht mit drei Flammen. Wer aber Gott begreifen will, darf nicht hängen bleiben bei der Veranschaulichung des Zahlenverhältnisses Eins zu Drei, sondern muss einsteigen in die Betrachtung des einzigen Ebenbildes Gottes auf dieser Erde (Gen 1,27):

Die innere Pluralität der menschlichen Person.

Beispiel


Wenn etwas Schönes passiert, kann man dazu sagen: Das freut mich, als wäre das Ereignis der Ursprung meiner Freude und ich selbst nur deren Objekt. Richtiger ist es zu sagen: Ich freue mich über das Ereignis. Dieser Satz stellt mich als Ursprung (Subjekt) und Ziel (Objekt) der Freude dar und das Erlebnis als bloßen Anlass. Das ist richtig, denn ich bin ja kein Hund, der zwar mit dem Schwanz wedelt, aber nicht weiß, dass er das aus Freude tut. Freude wird meine Reaktion auf ein Ereignis erst dadurch, dass ich sage oder wenigstens denke: Ich freue mich. Indem ich das sage, befinde ich mich aber in einer dreifachen Rolle:

  • Ich bin der Beobachter meiner Freude,
  • ich bin der, dessen Freude ich beobachte, und
  • ich bin die Einheit des Beobachtens und Erlebens, ein Subjekt unter anderen Subjekten, die erleben und erkennen und mit denen ich reden kann.

Daraus kann man lernen, wie Gott ist, wie er sich erleben und ansprechen lässt.

  • Gott spricht durch Menschen, durch die Propheten aller Zeiten und Völker, die den Menschen offenbarten, dass ihr letztes Ziel die Vollkommenheit in Gott ist. Gott wird angerufen als Heiliger Geist.
  • Gott kam als Mensch in die Welt, in allem uns gleich außer der Sünde (Kanon der Heiligen Messe). Jesus, der Gottmensch, wird zu Recht unter vielen Namen angerufen: Als Gesalbter (Christos, Messias) und Gesandter Gottes, als gehorsamer Sohn Gottes, als Retter und Erlöser, schließlich als ewiges Wort (Logos) ) Gottes; denn dasselbe Wort, welches uns im Ursprung ins Leben gerufen hat, hat auch verhindert, dass wir dem Tod durch unsere Schuld verfallen. Dieses Wort ist nach dem Tod und der Auferstehung Jesu für immer glaubwürdig: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt. (Mt 28,20,vgl. Ex 3,14)
  • Gott spricht zu Menschen. Dies ist die älteste Form der Gotteserfahrung, von der Beter aller Zeiten berichten, aber nachdem Gott als Mensch unter uns wohnte und der Geist Gottes unter uns Propheten erweckt hat, muss der Mensch sein Gegenüber neu begreifen lernen als Einheit seines Ursprungs und seiner Bestimmung, und dafür steht die zärtliche Anrede Gottes als Abba, lieber Vater. (vgl. Röm 8,14-17)

So erleben Menschen ihren Gott, seit sie denken können; sie beschimpfen ihn und sie jubeln über ihn; sie verzweifeln an ihm und vertrauen sich ihm voller Zuversicht an: Die Bibel bestätigt diese Erfahrungen, und der Theologie, der Glaubenswissenschaft bleibt nichts anderes übrig, als mit ihrer Logik stotternd der Vielfalt der Zeugnisse hinterherzuhinken.