Mein Leben (Seume): Unterschied zwischen den Versionen
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{{Zitat|Als wir aber den Tag vorher abteilungsweise auf den Exerzierplatz kamen, fanden wir statt der gewöhnlichen zwanzig Mann deren über hundert, Kanonen auf den Flügeln mit Kanonieren, die brennende Lunten hatten, und Kartätschen in der Ferne liegend. Jeder merkte, was die Glocke geschlagen hatte. Der General kam und hielt eine wahre Galgenpredigt. »Am Tore sind mehr Kanonen«, rief er, »wollt Ihr nicht gehen?« Die Adjutanten kamen und verlasen zum Arrest, Hans, Peter, Michel, Görge, Kunz. Meine Personalität war eine der ersten: denn daß der verlaufene Student nicht dabei sein sollte, kam den Herren gar nicht wahrscheinlich vor. Da aber niemand etwas auf mich bringen konnte, wurde ich, und vermutlich noch mehr der Menge wegen, bald losgelassen. Der Prozeß ging an, zwei wurden zum Galgen verurteilt, worunter ich unfehlbar gewesen sein würde hätte mich nicht der alte preußische Feldwebel gerettet. Die übrigen mußten in großer Anzahl Gassenlaufen, von sechsunddreißig Malen herab bis zu zwölfen. Es war eine grelle Fleischerei. Die Galgenkandidaten erhielten zwar nach der Todesangst unter dem Instrument Gnade, mußten aber sechsunddreißigmal Gassen laufen und kamen auf Gnade des Fürsten nach Kassel in die Eisen. Auf unbestimmte Zeit und auf Gnade in die Eisen, waren damals gleichbedeutende Ausdrücke und hießen so viel, als ewig ohne Erlösung. Wenigstens war die Gnade des Fürsten ein Fall, von dem niemand etwas wissen wollte. Mehr als dreißig wurden auf diese Weise grausam gezüchtigt; und viele, unter denen auch ich war, kamen bloß deswegen durch, weil der Mitwisser eine zu große Menge hätten bestraft werden müssen. Einige kamen bei dem Abmarsch wieder los, aus Gründen, die sich leicht erraten lassen; denn ein Kerl, der in Kassel in den Eisen geht, wird von den Engländern nicht bezahlt. | {{Zitat|Als wir aber den Tag vorher abteilungsweise auf den Exerzierplatz kamen, fanden wir statt der gewöhnlichen zwanzig Mann deren über hundert, Kanonen auf den Flügeln mit Kanonieren, die brennende Lunten hatten, und Kartätschen in der Ferne liegend. Jeder merkte, was die Glocke geschlagen hatte. Der General kam und hielt eine wahre Galgenpredigt. »Am Tore sind mehr Kanonen«, rief er, »wollt Ihr nicht gehen?« Die Adjutanten kamen und verlasen zum Arrest, Hans, Peter, Michel, Görge, Kunz. Meine Personalität war eine der ersten: denn daß der verlaufene Student nicht dabei sein sollte, kam den Herren gar nicht wahrscheinlich vor. Da aber niemand etwas auf mich bringen konnte, wurde ich, und vermutlich noch mehr der Menge wegen, bald losgelassen. Der Prozeß ging an, zwei wurden zum Galgen verurteilt, worunter ich unfehlbar gewesen sein würde hätte mich nicht der alte preußische Feldwebel gerettet. Die übrigen mußten in großer Anzahl Gassenlaufen, von sechsunddreißig Malen herab bis zu zwölfen. Es war eine grelle Fleischerei. Die Galgenkandidaten erhielten zwar nach der Todesangst unter dem Instrument Gnade, mußten aber sechsunddreißigmal Gassen laufen und kamen auf Gnade des Fürsten nach Kassel in die Eisen. Auf unbestimmte Zeit und auf Gnade in die Eisen, waren damals gleichbedeutende Ausdrücke und hießen so viel, als ewig ohne Erlösung. Wenigstens war die Gnade des Fürsten ein Fall, von dem niemand etwas wissen wollte. Mehr als dreißig wurden auf diese Weise grausam gezüchtigt; und viele, unter denen auch ich war, kamen bloß deswegen durch, weil der Mitwisser eine zu große Menge hätten bestraft werden müssen. Einige kamen bei dem Abmarsch wieder los, aus Gründen, die sich leicht erraten lassen; denn ein Kerl, der in Kassel in den Eisen geht, wird von den Engländern nicht bezahlt. | ||
|Seume: Mein Leben, S. | |Seume: Mein Leben, S. 100}} | ||
=== Die Weiterreise === | === Die Weiterreise === |
Version vom 28. März 2008, 13:08 Uhr
Johann Gottfried Seume berichtet in seiner unvollendeten autobiographischen Schrift Mein Leben über sein Leben von der Kindheit bis zur Rückkehr von seiner Zeit als hessischer Soldat in Amerika. Hier werden nur kurze Ausschnitte vorgelegt.
Seumes Ausbildungsgang
Intelligent und eigenwillig lernt Seume vor allem, war er selbst für wichtig hält, ist aber einem seiner Lehrer sehr dankbar für seine Anleitung.
Seumes verlässt seine Heimat
Seume studierte Theologie und konnte nach der Lektüre aufklärerischer Schriften mit der Theologie des orthodoxen Luthertums nichts mehr anfangen. Da er aber befürchten musst, später als Prediger immer darauf festgelegt zu werden, beschloss er, dieser Falle zu entrinnen.
Seume wird gezwungen, hessischer Soldat zu werden
Der Plan zu desertieren
Die Bestrafung
Die Weiterreise
Die Atlantiküberquerung
Anmerkungen
Auslassungen und Zusätze zur Erläuterung sind innerhalb der Zitatblöcke durch eckige Klammern kenntlich gemacht.
Buchausgaben
- Peter Goldammer u. Heinz Pietzsch (Hrsg.): Seume. Ein Lesebuch für unsere Zeit, Thüringer Volksverlag Weimar 1954, S.51-129 (Die obigen Seitenangaben folgen dieser Ausgabe.)
- Jörg Drews (Hrsg): Mein Leben. Nebst der Fortsetzung von C. J. Göschen u. C. A. H. Clodius. 2., überarb. Aufl. Stuttgart 2002 (= Reclams Universal Bibliothek, 1060) [1. Aufl. 1991].
- Johann Seume: Mein Leben, Elibron Classics, 2000