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==Worum geht's==
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In der Realschule (BaWü) war er schon 1996 Bestandteil der "Abschlussprüfungen Deutsch" und im Gymnasium (BaWü) gehörte er in die zentralen Prüfungen für Klasse 10 und sogar das Deutsch-Abitur: der "produktive Umgang mit literarischen Texten", in seiner prüfungsbezogenen Form auch "gestaltendes Interpretieren" (GI) genannt.
 
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==Kreatives Gestalten==
1. Für KREATIVE SCHREIBANLÄSSE im Zusammenhang mit der Lektüre von Literatur gilt generell:
 
Produktive Schreib- und Spielimpulse sollen so offen sein, dass sie die kreative und individuelle Auseinandersetzung mit dem Werk ermöglichen und ein persönliches Werkverständnis kommunizierbar machen („Konkretisation“, Harald Frommer, Lesen und Inszenieren, Klett 1995) - als Voraussetzung für Erkenntnisprozesse und Interpretationsgespräche.
Was ist zu beachten?
 
Die Leerstellen im Textgefüge auffinden und füllen lassen:
Denkpausen, unausgesprochene Gedanken, ungeschriebene Briefe, ungehaltene Reden, versäumte Geständnisse, unterlassene Rechtfertigungen ...
 
Außenperspektiven einnehmen, die reflektieren helfen:
Entweder mit zeitlichem Abstand, z.B. nachdem alles vorbei ist,
oder mit emotionaler Distanz, z.B. außenstehende Beobachter und Nebenfiguren.
 
Das Textsortenspektrum ausschöpfen:
*Brief, Bericht, Tagebuch -> Distanz und Reflexion
*innerer Monolog -> emotionale Nähe und Rollenperspektive
*Dialoge (Gespräche, Reden, Ansprachen an eine Zuhörerschaft) -> szenische Gestaltungen möglich
*Rollenbiografien -> Vervollständigung eines Lebenslaufes
*Vorgeschichten erfinden und Fortsetzungen erfinden ->Fiktion fortsetzen
 
 
==Gestaltendes Interpretieren==
Für „GESTALTENDES INTERPRETIEREN“ (GI) gilt demgegenüber:
 
Der zu verfassende Text soll ein tieferes Verständnis von Personen, Thematik und Sprache des behandelten Werkes erkennen lassen!
 
Dementsprechend soll der Schreibauftrag nah am Text und den Hauptfiguren angelegt werden.
Dafür geeignet sind dann allerdings nicht mehr alle Perspektiven und Textsorten gleichermaßen!
*Z.B. der Bericht eines Zeitungsreporters, da dieser meist ein ganz anderes Sprachregister und zu viel Distanz zum (inneren) Geschehen aufweist;
*oder z.B. der innere Monolog einer Nebenfigur, die im ganze Werk nichts Markantes sagt. Hier kann kein eindeutig erfassbarer Sprachstil weitergeschrieben werden;
*oder die Grabrede eines Pfarrers, der zuvor nicht zum Figurenspektrum gehört hat. Für seine Perspektive und innere Einstellung zum Geschehen werden keine ausreichenden Vorgaben vorhanden sein.
 
So bieten sich hier als Textsorten für „GI“ fast nur die folgenden vier an:
 
:der '''Brief''', der '''Tagebucheintrag''', der '''innere Monolog''' oder der '''Dialog'''.
 
Des Weiteren sollten vor allem die wirklichen Protagonisten - weniger die Randfiguren - zu Wort kommen.
Es liegt folglich nahe, unmittelbar von Textstellen und Zitaten auszugehen und diese dann weiterschreiben und -reflektieren zu lassen.
 
Bei der Aufgabenstellung kann es sehr hilfreich (ja unerlässlich) sein, sie durch Zusätze zu konkretisieren und bestimmte Erwartungen auch kenntlich zu machen, z.B.:
 
Beachte, dass die Heldin in der Zwischenzeit älter geworden ist ...
Berücksichtige auch die Begegnung mit ihrem Vater ...
Ziehe die vorausgegangenen Auseinandersetzungen ... in Betracht.
Überlege, was der Sprecher zu diesem Zeitpunkt schon wissen oder erahnen kann und was er nicht weiß.
Versuche, den sprachlichen Gestus aufzugreifen und stilistisch ...
Solche Aufgabenzusätze können dann auch schon den Rahmen für die Bewertung und Benotung des Aufsatzes vorgeben.
== ZUSAMMENFASSEND==
 
Die Schreibform „Gestaltendes Interpretieren“ liegt irgendwo zwischen dem offenen Schreibimpuls und dem klassischen Interpretationsaufsatz. Sie setzt voraus
einen analytisch-kognitiven Zugang zum Werk (vollständige Werk- und weitgehende Epochenkenntnis),
einen objektivierbaren Interpretationsansatz (Werk-Thematik, Konflikt- und Figurenkonstellationen),
das Wissen um die vorherrschenden Stil- und Sprachregister und deren Wirkungsweisen.
 
Die Schreibform „Gestaltendes Interpretieren“ soll daher eher am Ende einer Lektüre-Einheit stehen als am Anfang. Sie soll ja ein fortgeschrittenes Textverständnis dokumentieren und beurteilbar machen.
Demgegenüber können die offenen produktiven Schreibimpulse dazu dienen, individuelle und vorläufige Verstehensprozesse in Gang zu setzen. Sie können der Annäherung an das Werk dienen, dem individuellen Verhaken in den Stoff, die Handlung und die Protagonisten (als 'Konkretisationen' (H. Frommer) eines zunächst subjektiven Textverstehens).
 
==Siehe auch==
 
[[Kategorie:Schreiben]][[Kategorie:Deutsch]]

Version vom 14. Dezember 2018, 16:12 Uhr

Worum geht's

In der Realschule (BaWü) war er schon 1996 Bestandteil der "Abschlussprüfungen Deutsch" und im Gymnasium (BaWü) gehörte er in die zentralen Prüfungen für Klasse 10 und sogar das Deutsch-Abitur: der "produktive Umgang mit literarischen Texten", in seiner prüfungsbezogenen Form auch "gestaltendes Interpretieren" (GI) genannt.

Kreatives Gestalten

1. Für KREATIVE SCHREIBANLÄSSE im Zusammenhang mit der Lektüre von Literatur gilt generell:

Produktive Schreib- und Spielimpulse sollen so offen sein, dass sie die kreative und individuelle Auseinandersetzung mit dem Werk ermöglichen und ein persönliches Werkverständnis kommunizierbar machen („Konkretisation“, Harald Frommer, Lesen und Inszenieren, Klett 1995) - als Voraussetzung für Erkenntnisprozesse und Interpretationsgespräche. Was ist zu beachten?

Die Leerstellen im Textgefüge auffinden und füllen lassen: Denkpausen, unausgesprochene Gedanken, ungeschriebene Briefe, ungehaltene Reden, versäumte Geständnisse, unterlassene Rechtfertigungen ...

Außenperspektiven einnehmen, die reflektieren helfen: Entweder mit zeitlichem Abstand, z.B. nachdem alles vorbei ist, oder mit emotionaler Distanz, z.B. außenstehende Beobachter und Nebenfiguren.

Das Textsortenspektrum ausschöpfen:

  • Brief, Bericht, Tagebuch -> Distanz und Reflexion
  • innerer Monolog -> emotionale Nähe und Rollenperspektive
  • Dialoge (Gespräche, Reden, Ansprachen an eine Zuhörerschaft) -> szenische Gestaltungen möglich
  • Rollenbiografien -> Vervollständigung eines Lebenslaufes
  • Vorgeschichten erfinden und Fortsetzungen erfinden ->Fiktion fortsetzen


==Gestaltendes Interpretieren== Für „GESTALTENDES INTERPRETIEREN“ (GI) gilt demgegenüber:

Der zu verfassende Text soll ein tieferes Verständnis von Personen, Thematik und Sprache des behandelten Werkes erkennen lassen!

Dementsprechend soll der Schreibauftrag nah am Text und den Hauptfiguren angelegt werden. Dafür geeignet sind dann allerdings nicht mehr alle Perspektiven und Textsorten gleichermaßen!

  • Z.B. der Bericht eines Zeitungsreporters, da dieser meist ein ganz anderes Sprachregister und zu viel Distanz zum (inneren) Geschehen aufweist;
  • oder z.B. der innere Monolog einer Nebenfigur, die im ganze Werk nichts Markantes sagt. Hier kann kein eindeutig erfassbarer Sprachstil weitergeschrieben werden;
  • oder die Grabrede eines Pfarrers, der zuvor nicht zum Figurenspektrum gehört hat. Für seine Perspektive und innere Einstellung zum Geschehen werden keine ausreichenden Vorgaben vorhanden sein.

So bieten sich hier als Textsorten für „GI“ fast nur die folgenden vier an:

der Brief, der Tagebucheintrag, der innere Monolog oder der Dialog.

Des Weiteren sollten vor allem die wirklichen Protagonisten - weniger die Randfiguren - zu Wort kommen. Es liegt folglich nahe, unmittelbar von Textstellen und Zitaten auszugehen und diese dann weiterschreiben und -reflektieren zu lassen.

Bei der Aufgabenstellung kann es sehr hilfreich (ja unerlässlich) sein, sie durch Zusätze zu konkretisieren und bestimmte Erwartungen auch kenntlich zu machen, z.B.:

Beachte, dass die Heldin in der Zwischenzeit älter geworden ist ... Berücksichtige auch die Begegnung mit ihrem Vater ... Ziehe die vorausgegangenen Auseinandersetzungen ... in Betracht. Überlege, was der Sprecher zu diesem Zeitpunkt schon wissen oder erahnen kann und was er nicht weiß. Versuche, den sprachlichen Gestus aufzugreifen und stilistisch ... Solche Aufgabenzusätze können dann auch schon den Rahmen für die Bewertung und Benotung des Aufsatzes vorgeben. 

ZUSAMMENFASSEND

Die Schreibform „Gestaltendes Interpretieren“ liegt irgendwo zwischen dem offenen Schreibimpuls und dem klassischen Interpretationsaufsatz. Sie setzt voraus einen analytisch-kognitiven Zugang zum Werk (vollständige Werk- und weitgehende Epochenkenntnis), einen objektivierbaren Interpretationsansatz (Werk-Thematik, Konflikt- und Figurenkonstellationen), das Wissen um die vorherrschenden Stil- und Sprachregister und deren Wirkungsweisen.

Die Schreibform „Gestaltendes Interpretieren“ soll daher eher am Ende einer Lektüre-Einheit stehen als am Anfang. Sie soll ja ein fortgeschrittenes Textverständnis dokumentieren und beurteilbar machen. Demgegenüber können die offenen produktiven Schreibimpulse dazu dienen, individuelle und vorläufige Verstehensprozesse in Gang zu setzen. Sie können der Annäherung an das Werk dienen, dem individuellen Verhaken in den Stoff, die Handlung und die Protagonisten (als 'Konkretisationen' (H. Frommer) eines zunächst subjektiven Textverstehens).

Siehe auch