Bodenhistorie/Der neuzeitliche Umgang mit dem Boden: Unterschied zwischen den Versionen

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Der praktische Umgang mit dem Boden war und ist die Arbeit der Bauern und Gärtner. In Deutschland wurde bis in das 16. Jahrhundert hinein die Bodenbewirtschaftung ausschließlich nach überlieferten Regeln gehandhabt. Anweisungen für die Auswahl der Böden, die Bodenbearbeitung, die Aussaat, die Fruchtfolge und die Fruchtpflege wurden mündlich vom Vater an den Sohn weitergegeben. Jeder Handgriff war durch Sitte und Gewohnheit vorgeschrieben und die Agrarverfassung fügte den einzelnen Bauern fest in die Dorfgemeinschaft ein und sorgte dafür, dass neue Formen des Umgangs mit dem Boden nicht aufkommen konnten.
Der praktische Umgang mit dem Boden war und ist die Arbeit der Bauern und Gärtner. In Deutschland wurde bis in das 16. Jahrhundert hinein die Bodenbewirtschaftung ausschließlich nach überlieferten Regeln gehandhabt. Anweisungen für die Auswahl der Böden, die Bodenbearbeitung, die Aussaat, die Fruchtfolge und die Fruchtpflege wurden mündlich vom Vater an den Sohn weitergegeben. Jeder Handgriff war durch Sitte und Gewohnheit vorgeschrieben und die Agrarverfassung fügte den einzelnen Bauern fest in die Dorfgemeinschaft ein und sorgte dafür, dass neue Formen des Umgangs mit dem Boden nicht aufkommen konnten.


{{Schrift_grün|Der Mensch wird nicht nur in einen Familienverband hineingeboren, sondern auch in einen Sozialverband. Im Regelfall ist durch die Geburt bereits die Zugehörigkeit zur sozialen beziehungsweise ständischen Schichte bestimmt; soziale Mobilität ist bis ins 18. Jahrhundert hinein eher die Ausnahme. Die ständische Strukturierung der Gesellschaft am Beginn der Neuzeit, die in diesem Holzschnitt angesprochen wird, ist allerdings mit einem sozialkritischen Aspekt versehen: Während die zweite Etage Bürgern und Kriegern, die dritte dem Adel (Herzöge), Bischöfen und Kardinälen und die vierte dem Papst sowie Königen und Kaisern vorbehalten ist, wird die unterste Etage (im Wurzelwerk) und die höchste, im Wipfel, von den Bauern besetzt. Die Aussage, die sicher in Verbindung mit den Bauernunruhen der Zeit zu sehen ist, ist klar: Anfang und Ende der sozialen und staatlichen Hierarchie ist der Bauer. Die gehobenen Stände, der Adelsstand und der Klerus, hielten die Landarbeit einerseits für unentbehrlich, andererseits aber für sehr mühselig und damit schlicht für uninteressant. Das Sozialprestige des Bauern war denkbar gering. Eine gewisse Änderung der Einstellung der Gebildeten gegenüber der Landbewirtschaftung trat erst durch das Aufkommen des Humanismus ein. Weil die Gebildeten antike Schriften studierten, entdeckten sie griechische und römische Schriftsteller, die die Bauernarbeit gepriesen und zahlreiche praktische Vorschläge für den Landbau im Altertum hinterlassen hatten. Neu entdeckt und ins Deutsche übersetzt wurden die Schriften von Cato, Varro und Columella. Der Basler Arzt Michael Herr brachte 1538 altrömische Schriften im Druck neu heraus und lenkte die Aufmerksamkeit der Gelehrten auch auf die heimische Landwirtschaft. Indirekt wurde die bäuerliche Arbeit durch den Geisteswandel in der Folge der Reformation aufgewertet, weil die lutherische Ethik das Sinnen und Trachten der Menschen verstärkt auf die Gottes — und Nächstenliebe lenkte. Das häusliche Leben erhielt einen anderen Stellenwert, und der Landbauer, der seinen Beruf als Aufgabe Gottes zu erfüllen suchte, wurde als Glaubensbruder anerkannt.}} <!-- Quelle? = Der Ständebaum. Holzschnitt: Petrarcas Trostspiegel , Frankfurt 1596, fol. 13 (???) -->
Zitat|Der Mensch wird nicht nur in einen Familienverband hineingeboren, sondern auch in einen Sozialverband. Im Regelfall ist durch die Geburt bereits die Zugehörigkeit zur sozialen beziehungsweise ständischen Schichte bestimmt; soziale Mobilität ist bis ins 18. Jahrhundert hinein eher die Ausnahme. Die ständische Strukturierung der Gesellschaft am Beginn der Neuzeit, die in diesem Holzschnitt angesprochen wird, ist allerdings mit einem sozialkritischen Aspekt versehen: Während die zweite Etage Bürgern und Kriegern, die dritte dem Adel (Herzöge), Bischöfen und Kardinälen und die vierte dem Papst sowie Königen und Kaisern vorbehalten ist, wird die unterste Etage (im Wurzelwerk) und die höchste, im Wipfel, von den Bauern besetzt. Die Aussage, die sicher in Verbindung mit den Bauernunruhen der Zeit zu sehen ist, ist klar: Anfang und Ende der sozialen und staatlichen Hierarchie ist der Bauer. Die gehobenen Stände, der Adelsstand und der Klerus, hielten die Landarbeit einerseits für unentbehrlich, andererseits aber für sehr mühselig und damit schlicht für uninteressant. Das Sozialprestige des Bauern war denkbar gering. Eine gewisse Änderung der Einstellung der Gebildeten gegenüber der Landbewirtschaftung trat erst durch das Aufkommen des Humanismus ein. Weil die Gebildeten antike Schriften studierten, entdeckten sie griechische und römische Schriftsteller, die die Bauernarbeit gepriesen und zahlreiche praktische Vorschläge für den Landbau im Altertum hinterlassen hatten. Neu entdeckt und ins Deutsche übersetzt wurden die Schriften von Cato, Varro und Columella. Der Basler Arzt Michael Herr brachte 1538 altrömische Schriften im Druck neu heraus und lenkte die Aufmerksamkeit der Gelehrten auch auf die heimische Landwirtschaft. Indirekt wurde die bäuerliche Arbeit durch den Geisteswandel in der Folge der Reformation aufgewertet, weil die lutherische Ethik das Sinnen und Trachten der Menschen verstärkt auf die Gottes — und Nächstenliebe lenkte. Das häusliche Leben erhielt einen anderen Stellenwert, und der Landbauer, der seinen Beruf als Aufgabe Gottes zu erfüllen suchte, wurde als Glaubensbruder anerkannt.}} <!-- Quelle? = Der Ständebaum. Holzschnitt: Petrarcas Trostspiegel , Frankfurt 1596, fol. 13 (???) -->


{{Kasten_blau|'''Quellenangabe:''' Gernot Kocher, Institut für Österreichische Rechtsgeschichte und Europäische Rechtentwicklung, Universität Graz}}
{{Kasten_blau|'''Quellenangabe:''' Gernot Kocher, Institut für Österreichische Rechtsgeschichte und Europäische Rechtentwicklung, Universität Graz}}

Version vom 12. Mai 2009, 15:42 Uhr


Tradition und Geisteshaltung

Der Ständebaum. Holzschnitt: Petrarcas Trostspiegel , Frankfurt 1596, fol. 13

Der praktische Umgang mit dem Boden war und ist die Arbeit der Bauern und Gärtner. In Deutschland wurde bis in das 16. Jahrhundert hinein die Bodenbewirtschaftung ausschließlich nach überlieferten Regeln gehandhabt. Anweisungen für die Auswahl der Böden, die Bodenbearbeitung, die Aussaat, die Fruchtfolge und die Fruchtpflege wurden mündlich vom Vater an den Sohn weitergegeben. Jeder Handgriff war durch Sitte und Gewohnheit vorgeschrieben und die Agrarverfassung fügte den einzelnen Bauern fest in die Dorfgemeinschaft ein und sorgte dafür, dass neue Formen des Umgangs mit dem Boden nicht aufkommen konnten.

Zitat|Der Mensch wird nicht nur in einen Familienverband hineingeboren, sondern auch in einen Sozialverband. Im Regelfall ist durch die Geburt bereits die Zugehörigkeit zur sozialen beziehungsweise ständischen Schichte bestimmt; soziale Mobilität ist bis ins 18. Jahrhundert hinein eher die Ausnahme. Die ständische Strukturierung der Gesellschaft am Beginn der Neuzeit, die in diesem Holzschnitt angesprochen wird, ist allerdings mit einem sozialkritischen Aspekt versehen: Während die zweite Etage Bürgern und Kriegern, die dritte dem Adel (Herzöge), Bischöfen und Kardinälen und die vierte dem Papst sowie Königen und Kaisern vorbehalten ist, wird die unterste Etage (im Wurzelwerk) und die höchste, im Wipfel, von den Bauern besetzt. Die Aussage, die sicher in Verbindung mit den Bauernunruhen der Zeit zu sehen ist, ist klar: Anfang und Ende der sozialen und staatlichen Hierarchie ist der Bauer. Die gehobenen Stände, der Adelsstand und der Klerus, hielten die Landarbeit einerseits für unentbehrlich, andererseits aber für sehr mühselig und damit schlicht für uninteressant. Das Sozialprestige des Bauern war denkbar gering. Eine gewisse Änderung der Einstellung der Gebildeten gegenüber der Landbewirtschaftung trat erst durch das Aufkommen des Humanismus ein. Weil die Gebildeten antike Schriften studierten, entdeckten sie griechische und römische Schriftsteller, die die Bauernarbeit gepriesen und zahlreiche praktische Vorschläge für den Landbau im Altertum hinterlassen hatten. Neu entdeckt und ins Deutsche übersetzt wurden die Schriften von Cato, Varro und Columella. Der Basler Arzt Michael Herr brachte 1538 altrömische Schriften im Druck neu heraus und lenkte die Aufmerksamkeit der Gelehrten auch auf die heimische Landwirtschaft. Indirekt wurde die bäuerliche Arbeit durch den Geisteswandel in der Folge der Reformation aufgewertet, weil die lutherische Ethik das Sinnen und Trachten der Menschen verstärkt auf die Gottes — und Nächstenliebe lenkte. Das häusliche Leben erhielt einen anderen Stellenwert, und der Landbauer, der seinen Beruf als Aufgabe Gottes zu erfüllen suchte, wurde als Glaubensbruder anerkannt.}}

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Die Lage der Bauern
In der Zeit nach der Reformation, der Neuzeit, zeichnete sich keine schnelle Verbesserung der materiellen Lage der Ackerbauern ab. Im Laufe von 600 Jahren durchlitt Europa 276 Hungersnöte, die bis in das 19.Jahrhundert hinein reichten. Am alten System der Bodennutzung wurde nicht gerüttelt. Weil nur wenig organischer Dünger vorhanden war, brachte die Ernte häufig nur das Dreifache der Aussaat. Grob gerechnet verblieben ein Drittel der Ernte für die Neuansaat, ein Drittel mußte der Bauer an den Gutsherrn als Verpächter abliefern und ein Drittel verblieb dem Bauern für sich und seine vielköpfige Familie. Wenn Krankheiten und Unwetter die Ernte vernichteten, musste das Vieh geschlachtet und das Saatgut verzehrt werden. In der Not aßen die Bauern Rinde und Erde und auch Kannibalismus soll vorgekommen sein.

Fortschritte in der Bodenkultivierung

Im 16.Jahrhundert war der Landhunger der Bauern groß. Die Natur mußte erneut weichen, und auch Gebiete mit armen Böden wurden in Kultur genommen. Der Landhunger war so groß, daß 1556 in Sachsen ein Rodungsverbot ausgesprochen wurde, weil die Gutsherrn ihre Jagdgründe bedroht sahen. Knapp einhundert Jahre später war es dann wieder umgekehrt. Der 30jährige Krieg tobte und von der ländlichen Bevölkerung kamen in manchen GegendenDeutschlands bis zu 40 Prozent um. Ganze Landstriche wurden entvölkert, und Busch und Wald breiteten sich wieder aus, was dazu führte, daß die Wildbestände sprunghaft anstiegen und auch Wölfe aus dem Osten angelockt wurden. Aber dieser Rückschlag für die menschliche Kultur dauerte nur einige Jahrzehnte. Schauen wir über die Landesgrenzen hinaus. Dort führten die Holländer vor, wie höhere Erträge aus den Böden erwirtschaftet werden konnten. Englische Grundherrn übernahmen die neuen Anbaumethoden, insbesondere den Futterpflanzenanbau . Dadurch wurde die englische Landwirtschaft im 18. und 19. Jahrhundert führend in Europa und hatte mit zeitlicher Verzögerung Impulswirkung auf die Ackerbewirtschaftung in Deutschland.Der Fortschritt setzte sich fort mit der Reduzierung der weitgehenden Selbstversorgungswirtschaft der Bauern. Aufkommende städtische Märkte bestimmten mit ihrer Lage und Erreichbarkeit die Preise für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse, wobei das Kirchenjahr regelmäßig wiederkehrende Anlässe für ein Zusammenkommen und den Handel boten. Durch den Verkauf seiner Erzeugnise kam der Bauer zu Bargeld. Im Geldverdienen waren die Holländer besonders geschickt, weil sie schon früh den gemeinschaftlichen Verkauf ihrer Waren in den Städten organisierten und es verstanden, ihr Produk— tionsniveau in der Ackerbewirtschaftung anzuheben. Berühmt waren und sind die wasserbaulichen Anlagen der Holländer. Fremde Gutsherrn holten sich holländische Bauern ins Land, und es entstanden typische Neusiedlungen. Vorlage:Kasten blass


Pastoren als Ackerbauern
In der Nachreformationszeit kamen zahlreiche evangelische Pastoren in Deutschland mit dem Landbau in Berührung. Sie haben die Form der Bodenbewirtschaftung bis in das 18. Jahrhundert hinein entscheidend geprägt und verändert.

Der Auslöser war auch ein materieller Grund. Weil der zehnte Teil des Ertrages, von dem der Klerus bis dahin gelebt hatte, im protestantischen Gebiet weitgehend wegfiel, mußte der Klerus fortan seine umfangreichen Ländereien in eigener Regie bewirtschaften. Ihre landwirtschaftlichen Erfahrungen haben die Pastoren aufgeschrieben und uns überliefert. (1) Ein früher geistlicher Agrarschriftsteller war Martin Grosser, ein Pfarrer im Dorfe Schewitz in Schlesien. 1590 erschien sein Buch "Anleitung zu der Landwirtschaft." Grosser verzichtete weitgehend auf die antiken Vorlagen, denn er wusste, daß die Ackerbauempfehlungen der Antike ganz andere Klima — und Bodenverhältnisse voraussetzten. Er berichtete, wie es in seinem Dorfe wirklich zuging. Diese Praxisnähe macht seine Schrift uns heute noch als agrargeschichtliche Quelle wertvoll. Grossers Amtsbruder Jacobus Colerus (2) bewirtschaftete seine Pfarrhufe zunächst nach den Vorschriften der römischen Agrarschriftsteller, erlitt dabei jedoch vielfachen Misserfolg. Das veranlasste ihn, verstärkt die Erfahrungen der benachbarten Bauern, Schäfer und Gärtner zu nutzen. Sein Sohn, Johannes Colerus, hat die von seinem Vater gesammelten Materialien zu einem umfangreichen Hausbuch erweitert, das er "Oeconomia Rurales et Domestica" betitelte und welches um 1590 erschien. Das Hausbuch vermittelte nicht nur die väterlichen Erfahrungen, sondern auch französische und italienische Landwirtschaftsliteratur wurde einbezogen. Interessant sind seine Ausführungen über "Gartenkunststücke" und "zauberische Heilmittel", die etwas über den Geist jener Zeit widerspiegeln. Andere Schriftsteller haben diese Darstellungen wieder abgeschrieben und generationenlang weitergetragen. Vorlage:Kasten blass Pastoren treten für eine neue Agrarverfassung ein

Evangelische Pastoren haben wichtige Impulse für Reformen der Landbewirtschaftung gegeben. Umwälzungen in der Produktionsweise, so z.B. die Einführung eines verstärkten Anbaues des Klees, sind schon vor der Zeit den Bauern anempfohlen worden. Wichtiger war wohl das Eintreten einiger Pastoren für die Änderung der Agrarverfassung. Johann Friedrich Mayer (1719 - 1778)setzte sich energisch und mit erstaunlichem Freimut für die Aufhebung der Frondienste ein. Er eiferte gegen die Jagd - und Triftgerechtigkeit der Grundherrn und seine Vorschläge für eine Flurbereinigung, für ein "Feuer - und Viehassecuranz" und sein Eintreten für den Aufbau dörflicher Bildungseinrichtungen waren seiner Zeit weit voraus.(3)


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Die Ratschläge der Hausväter
Im Schlepptau fachfremder Diziplinen befand sich die Wissenschaft vom Ackerbau im 16. und 17. Jahrhundert. Ärzte, Pastoren und Juristen machten sich Gedanken über die Fruchtbarkeit der Böden, gaben gleichzeitig gute Ratschläge für die Arbeit auf dem Feld, im Haus und auf dem Hof. Das Wissen ihrer Zeit haben die sog. "Hausväter" in umfangreichen und schwergewichtigen Büchern niedergeschrieben (Hausväterliteratur). Eine umfangreiche Anleitung zur Volksarzneikunde ist uns von Johann Colerus überliefert worden. Sein "Calendarium perpetuum" schrieb er um 1592 zu Wittenberg. In dem Fachbuch sind auch zahlreiche Ratschläge für den Landmann enthalten. So sollten "trockene und warme Samen" in "trockene und warme Böden" gesät werden und mit "trockenem und warmem Mist" gedüngt werden. Als "warm" und "trocken" galten Roggen und Hafer und als "warm" und "feucht" Weizen und Dinkel. Als "kalt" und "trocken" galten Mohn und Bohnen. Colerus stand noch ganz in der Vorstellungswelt der Renaissance. Seiner Meinung nach sollte sich die Aussaatzeit nach den Sternzeichen richten. Ein Auszug:
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Die Tradition währt fort. Einige Landwirte des zwanzigsten Jahrhunderts ziehen die Konstellation der Himmeiskörper bei ihren Entscheidungen für die Aussaat mit ein.

Auszug aus C. Fraas :Geschichte der Landbau - und Forstwissenschaft seit dem sechzehnten Jahrhundert bis zur Gegenwart.

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Wichtige Werke der Hausväterliteratur im Original sind

  • Johann Wilhelm Wündsch: Memoriale Oeconomicum Politico=Practiccum (1663)
  • Georg Andreas Böckler: Nützliche Hauß- und Feldschule (1666)
  • Jacob Agricola: Schauplatz des Allgemeinen Haußhaltens (1676)
  • Wolf Helmhardt von Hohberg: Georgica curiosa oder Adeliges Landleben (1682)
  • Andreas Glorez: Vollständige Hauß- und Land-Bibliothec (1700)
  • Franz Philipp Florinus: Oeconomus prudens et legalis. Oder Allgemeiner Klug- und Rechtsverständiger Hausvater (1702)
  • Johann Joachim Becher: Kluger Hauß=Vater, verständige Hauß=Mutter (1714); Becher war jedoch in Wirklichkeit nicht der Verfasser, der eigentliche Autor hieß Sturm
  • Julius Bernhard von Rohr: Compendieuse Haushaltungs-Bibliothek (1716; Ausgabe 1726: Digitalisat)

Hinweis: Der Begriff „Hausväterliteratur“ entstand Mitte des 19. Jahrhunderts und hatte einen leicht abwertenden Beiklang, da sie mittlerweile als überholt und altmodisch galt. Die Blütezeit dieser Literatur war die Zeit zwischen 1660 und 1730. Zum Zeitpunkt ihres Erscheinens hießen diese Werke „Oekonomiken“ oder „Hausbücher“. Als Hausväterliteratur wurden sie später bezeichnet, weil sie sich an den „Hausvater“ richteten im Sinne von Oberhaupt eines Haushalts, wobei das Modell des „ganzen Hauses“ zugrunde lag, also der Haushalt als Rechts-, Sozial- und Wirtschaftseinheit.




Lobpreisungen auf den Ackerbau und das Landleben
Eine Vielzahl von Lebensweisheiten, praktischen Ratschlägen und Recht! empfehlungen bot die Hausväterliteratur dem gelehrten Leser höheren Stan des. Ein Auszug aus dem Werk des Philippi Florini:

Bedenke : Der Text wurde im Jahre 1705 verfaßt!

Vom Nutzen des Ackerbaues

Den Verfassern der Hausbücher gemein ist eine Vorliebe für eine recht weite Themenauswahl. So zitierte der Ingenieur und Architekt Andreas Boecleri in seinem Handbuch (1699) einleitend römische Schriften und beschrieb dann die Einrichtungen einer Meierei, eines Bauernhofes und eines Landgutes. Dazu gehörte die Baumaterialienlehre zum Hausbau und die Technik des Brunnengrabens. Dann erfolgte ein Schwenk über das Gesindewesen, die Astronomie und Astrologie hin zur Witterungslehre und zum Kalender mit der Angabe der monatlichen Verrichtungen. Es fehlten nicht die Angaben zum Boden im allgemeinen und zu Ackerbau und Viehzucht im speziellen. Allein das Inhaltsverzeichnis zum Hausbuch füllt viele Seiten, denn Boecleri wollte seinen Lesern auch noch etwas über Confekt — und Getränkebereitung, über besondere Weiber - und Kinderkrankeiten, Traumdeutungen, Marktkalender und hundert andere nützliche Themen mit auf den Weg geben. Seine Empfehlungen zum Ackerbau stellten jeweils nur einen Abschnitt seiner umfangreichen Betrachtungen dar. Aus der Hausväterliteratur entstanden später Hausblätter, Familienjournale und Bauernzeitungen.


Francisci Philippi Fiorini


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Bauernregel
Für eine richtige Auswahl des Bodens und dessen Bearbeitung hatten in der vortechnischen Zeit bestimmte Regeln eine große Bedeutung. Diese Regeln setzten gleichzeitig einen Rahmen für das bäuerliche Leben im Ablauf des Jahres. Bauernregeln entstanden aus der Erfahrung und aus der Tradition und wurden überwiegend mündlich von einer Generation auf die nächste überliefert, vom Vater auf den Sohn, wohl auch von Nachbar zu Nachbar, selten über regionale Grenzen hinaus.

Heute geben diese Regeln einen guten Einblick in die bäuerliche Lebens-und Arbeitswelt der Vergangenheit. Neben der mündlichen Weitergabe von Bauernregeln haben insbesondere volkstümliche Kalender in der Zeit vom 17. bis zum 19. Jahrhundert für eine Sammlung und Verbreitung der Bauern-regeln gesorgt. Die Kalender besaßen ihre eigenen Quellen: Die Erfahrungen der Praxis, die Hausväterbücher, astrologische Traktate, und noch weiter zurückgreifend, die Empfehlungen der antiken Agrarschriftsteller.


Eine kleine Auswahl: (1)

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