Blueprint

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KJL

Blueprint (Blaupause) ist ein Roman von Charlotte Kerner, erschienen 1999 im Beltz-Verlag. 177 Seiten

Worum geht's

DOPPELGÖTTIN – das Jahr Null

Iris Sellin, begnadete Pianistin und Komponistin, zuhause in Lübeck, erfährt mit 30 Jahren von ihrer Krankheit MS, die sich unausweichlich verschlimmern wird, und beschließt, sich einen Embryo einpflanzen zu lassen, der ihren genetischen Code enthält – also sich selbst zu klonen. Hierzu sucht sie in Montreal, Canada, einen Spezialisten auf, Fisher, welcher es dank eines neuen Verfahrens schafft, den Prozess ohne Fehler und auf Anhieb durchzuführen. Iris Sellin reist als Schwangere nach Lübeck zurück. Iris wuchs ohne Vater auf und musste den Traum der Mutter, den einer Konzertpianistin, realisieren. Iris war nun entschlossen, ihr Kind ebenfalls vaterlos und zur Pianistin zu erziehen, sie will es jedoch besser machen. (34) Im Oktober des Jahres 0 wird das Kind, Siri (=Iris) genannt, geboren.

EINKLANG, Kindheit 1

Siri wächst unter der Obhut der Kinderfrau Daniela auf, während die Mutter ihre Konzertreisen fortsetzt. Danielas Sohn, Janne, wird Siri zum Spielgefährten und älteren Bruder. Mit fünf Jahren erlebt Siri einen Streit zwischen Mutter und Großmutter mit, in dem die verbitterte Großmutter das Wort "Monster“ verwendet. Mit sieben Jahren erleidet die Mutter den ersten MS-Schub und ihre Beine versagen (58).
Siri und Janne schleichen sich gerne in den Turm der st. Peter-Kirche, eines Tages stürzt sie und zieht sich Prellungen zu. Die Mutter ohrfeigt daraufhin Janne und verbietet Siri den Umgang mit ihm. Der Grund: Der Traum der Mutter, ihr Erziehungs- und Zeugungsziel, die große Pianistin Siri Sellin, die das Werk der Mutter nahtlos fortsetzt, könnte durch solche Abenteuer gefährdet sein. (61)
Iris setzt ihr Erziehungsprogramm konsequent um, sie gibt ihren Konzertflügel zum Üben frei und bereitet ihre Tochter auf eine gemeinsame Künstlerkarriere vor.

DUETT, Kindheit II

Siri besucht die Schule und lernt ohne Mühe. Sie hat wenig Kontakt zu Mitschülern, sie lebt mit ihrer Mutter in inniger Isolation, ganz dem Klavierspielen geweiht. Zum 10. Geburtstag bekommt sie die Partitur einer ihr gewidmeten Oper geschenkt, mit 12 Jahren steht sie dann mit der Mutter auf der Bühne, der Kontakt zu Janne, welcher die Gegenwelt, die Normalität verkörpert, bleibt bestehen.
Immer stärker stellt sich das Identitätsproblem. Zugleich spielt sie mit ihrer Doppelgänger-Identität und beginnt, mit der Mutter um deren Freund zu konkurrieren. Sie ist jetzt 15, die Mutter beginnt eifersüchtig zu werden. Zugleich macht sich ihre Krankheit wieder bemerkbar. Ihre Lebenslinie geht bergab, die der Tochter bergauf, am Schnittpunkt muss es zu einem "Zweikampf“ der Zwillingsschwestern kommen (95).

ZWIETRACHT. Jugend I

Der Mutter Zustand verschlechtert sich, die Tochter blüht auf und sieht gerade darin die Chance zur Identitätsfindung in Abgrenzung zur Mutter. Mordgedanken überkommen sie, ist in ihrem Falle aber Muttermord nicht gleich Selbstmord?
Sie versucht Kristian, den an Jahren jüngeren Freund der Mutter, in ihr Bett zu bringen, der aber bemerkt diesen Betrug und zieht sich zurück. Die Rivalität bleibt bestehen, Siri gaukelt ihrer Mutter vor, dass Kristian sie mit ihr betrüge, der Hass der Mutter auf die Tochter beginnt.

DER ZWEIKAMPF, Jugend II

Ein Konzert, auf dem die Tochter die Musik ihrer nun im Rollstuhl sitzenden Mutter spielt, misslingt, das Publikum fordert die Meisterin persönlich ans Klavier und zur Demütigung ihrer Tochter gibt sie nach.
Siri flieht mit Janne nach Hamburg. Dort bleibt sie, geht zur Schule und versucht sich äußerlich wie innerlich von ihrem bisherigen Leben zu distanzieren. Als ihre Mutter sie zwei Monate später – trotz ihrer fortgeschrittenen Krankheit – aufsucht und zur Rückkehr bittet, verweigert sie sich. Sie ist jetzt 17, die Mutter 49.
Wie sich der Konflikt weiter entwickelt und zuspitzt, wird hier verschwiegen, die nachfolgenden Kapitel tragen jedenfalls andeutungsreiche Titel:
DOPPELLEBEN, das zweite Jahr Null
und
POLLUX SEUL, zehn Jahre später
Meinung
Die Geschichte der zwei nicht-simultanen Zwillings-Schwestern Iris und Siri besitzt eine große Faszination und zeigt die Problematik des für fremde Zwecke missbrauchten Lebens. Das macht den Roman sehr lesenswert.

Andererseits:

Der Roman hat zwei Erzählperspektiven: Eine meist zurückhaltende und berichtende, in der die Lebensstationen der Frauen weitgehend chronologisch dargestellt werden; dann aber auch eine Ich-Erzählerin, welche sich ständig kommentierend und moralisierend dazwischendrängt. Es sieht aus, als traue die Autorin ihrer Geschichte nicht zu, selbsterklärend zu sein.
Auch die Berichterstatter-Perspektive wird ständig kommentierend unterlaufen. Sätze wie: Iris Sellin ahnte nicht, wie lebenswichtig der Junge einmal für ihre Tochter sein sollte.“ (42) lassen nicht nur erkennen, wie herkömmlich erzählt wird, sondern auch ahnen, dass die Autorin keine Gelegenheit auslässt, dem Leser bei seiner Meinungsbildung behilflich zu sein. Das könnte unter Umständen etwas nerven. --Klaus Dautel

Besprechungen, Unterrichtsvorschläge, Links

  • Charlotte Kerner: Blueprint. Blaupause - besprochen in Praxis Deutsch 162 von Martin Gerling: Ego-Klon-Trip - Ein Buch zum Streiten.
  • B.Wiesen/H.Wiesen: Charlotte Kerner, Blueprint, Blaupause - Lehrerheft, Schülerheft und Lektüre (Taschenbuch), im Verlag Krapp&Gutknecht
  • S.Büsching-Engemann: "Blueprint. Der Roman von Charlotte Kerner - geeignet für den Deutschunterricht?" in: DeutschMagazin (Oldenbourg) 1/08 S.33-40
  • www.blueprint-blaupause.de Webseite des Beltz-Verlages zur aktualisierten Neuausgabe des Romanes mit einem Essay zum Film, 3. Auflage 2004. Informationen zum Buch, zum Film, zur Klon-Debatte. Ebenfalls ein Interview mit der Autorin, darin spricht Charlotte Kerner über ihre Motivation zu schreiben und über ihre Einstellung zur Gen-Technik.

Siehe auch