Benutzerin:Sabine Häcker/Weihnachtswissen/EpocheAufklärung/Weihnachten um 1700 Aberglauben Einkehrbräuche Umzugsbräuche
Wie war Weihnachten früher, bevor es in durch den Zeitgeist der Aufklärung völlig neu ausgerichtet wurde? (für Jhg. 10-12)
Autorin: © Sabine Häcker
Einleitung
Heute bedeutet Weihnachten für die meisten Menschen
- ein Fest mit Weihnachtsbaum und Geschenken zu Hause im privaten Rahmen
- vielleicht zur Kirche gehen und einen Gottesdienst besuchen
- außerdem gibt es vorher vielleicht einen Adventskalender, Adventskranz, Nikolaus, Weihnachtsfeiern in der Schule oder Sportverein u. v. m.
Die meisten dieser Traditionen stammen aus dem 19. Jahrhundert, als Weihnachten völlig neu ausgerichtet wurde. Das war die Folge eines neuen Lebensgefühls, welches die Epoche der Aufklärung bewirkt hatte. In der Aufklärung waren - unter anderem - neue Konzepte von Kindheit, Erziehung, Beziehungen, Familie und Religion entwickelt worden. Sie führten dazu, dass das häusliche Weihnachtsfest mit Weihnachtsbaum und Geschenken entstand. Aber wie wurde Weihnachten begangen, bevor dieses Familienfest entstand?
Weihnachten um 1700 bedeutete
- viele Ängste vor der dunklen Zeit und viele irrationale Vorstellungen im Volksglauben (= Aberglauben)
- mehrmals zur Kirche gehen oder beten
- Einkehr- und Umzugsbräuche
All diese Dinge wurden immer wieder verboten, denn Weihnachten war damals eine - für uns heute kaum vorstellbare - wilde und ausgelassene Angelegenheit mit vielen abergläubischen Ritualen.
Weihnachten um 1700: Arbeitsauftrag
Erarbeitungsvorschlag:
Aufteilung in Gruppen/Partnern und Themen sowie Vorbereitung:
- Teilt euch in der Lerngruppe in 6er-Gruppen auf. Innerhalb dieser 6er-Gruppe bildet noch mal drei 2er-Gruppen. Immer zwei übernehmen in Partnerarbeit eines der drei Themen (s. u.).
- Jede/r legt eine Mindmap an, in der Mitte steht z. B. "Weihnachten, bevor es die häusliche Feier gab". Davon gehen drei Äste ab, je einer für eines der drei Themen (s. u.)
in Partnerarbeit:
- Lest euch die Informationen zu dem von euch gewählten Thema durch und macht euch Notizen in der eigenen Mindmap. Die Notizen müssen so ausführlich sein, dass du deine Mitschüler/innen später den Inhalt erzählen kannst. Ihr arbeitet in Partnerarbeit, damit ihr euch über das Gelesene austauschen könnt.
In 6er-Gruppen:
- Dann stellt ihr reihum zu zweit eure Erkenntnisse den Mitschüler/innen in eurer 6er-Gruppe vor, dabei ergänzen die anderen ihre eigenen Mindmaps.
Im Plenum:
- Wenn ihr einen Eindruck, wie Weihnachten vor 200 Jahren war, bekommen habt, geht ihr gemeinsam und mit eurem Lehrer ins Gespräch: Was hat euch verwundert? Wie wirkt diese Art Weihnachten zu begehen auf euch? Wäret ihr bei solch einer Weihnacht gern dabei? Gibt es Elemente, die heute noch zu Weihnachten gehören? ...
Furcht und Volksglauben
Mit der Winterzeit war die Angst vor Hunger, Kälte, Krankheit und Tod verbunden, insbesondere bei den armen Leuten. Weil man die Ursachen für Krankheiten und extremes Wetter nicht kannte, gab es viel irrationalen Aberglauben. Für die besonders dunklen Nächten nach der Wintersonnenwende sind darum viele gemeinschaftliche Rituale gegen böse Geister entstanden. Im Folgenden werden einige vorgestellt - es gab aber noch viel mehr und es war regional sehr unterschiedlich! (Vgl. Häcker, 2025)
"Die Zeit der zwölf Tage vom 25. Dezember bis 6. Januar, als die Zwölfnächte (...) bezeichnet, war besonders heilig (...). In diesen Tagen und Nächten zog Wuotan mit seinem breiten, tief ins Gesicht gerückten Sturmhut, mit seinem stahlblauen Wettermantel auf seinem achtbeinigen weißen Ross Sleipnir im Sturmesbrausen (...) durch die Lande, begleitet von seiner Gattin Berchte aund gefolgt von einem Wilden Heer. Damit diese "Wilde Jagd" sich nicht in aufgehängter Wäsche verfängt, durfte in dieser Zeit der Raunächte nicht gewaschen werden, sonst würde ein Unglück geschehen. (...) Elstern, die in diesen zwölf Nächten geschossen sodann vollständig in Kohle verbrannt werden, geben ein unfehlbares Mittel gegen Epilepsie." (Rietschel, 1902, S. 101 f. und 108)
"Sind die langen Herbst- und Winterabende einerseits geeignet, die Geselligkeit unserer Landsleute zu fördern, so werden sie doch andererseits wieder gefürchtet wegen so mancher unheimlicher Wesen, welche da 'umgehen'. Feuermänner, feurige Reiter, Reiter ohne Kopf, ganze Scharen von wilden Reitern und Rossen, gefolgt von Hunden und Wölfen, Graumännchen und andere 'Unheemliche' treiben ihren Gespensterspuk, äffen die Leute, thun ihnen Schaden, bringen aber auch Nutzen. (...) So hat sich in den Sagen vom wilden Jäger oder vom wütenden Heere ein gutes Stück von dem alten Glauben an den Gott erhalten, der das Luftreich beherrschte und vornehmlich in Wind- und Gewitterstürmen seine Macht zeigte - an Wuotan. (...) Eigentümlich ist der Glaube, daß die Hunde, Wölfe und so manche andere Tiergestalten im Gefolge des Nachtjägers nichts Anderes seien, als die Seelen Verstorbener, die nicht zur Ruhe kommen könnten. Diese Anschauung steht im engsten Zusammenhang mit dem Glauben an eine Art Seelenwanderung, der sich bei den alten Germanen nachweisen lässt. Die mannigfaltigsten Tiergestalten konnte die Seele annehmen; sie fliegt als Rabe oder Taube aus dem Mund des Sterbenden, schlüpft als Maus, Kröte oder Käfer aus ihm und erscheint als Hund, Pferd, Schwan, Schlange. (...) Die Seelen der ungetauften Kinder fahren im Sturmgebraus durch die Luft. Böse Menschenseelen erscheinen nächtlich in feuriger Gestalt, als Irrwische oder feurige Männer. Dieser Glaube ist durch das Christentum, welches die alten Anschauungen verdrängen wollte, unzweifelhaft noch gefördert worden. Häufig traten christliche Namen an die Stelle der alten Götter. (...) In den meisten Sagen ist nach christlicher Anschauung der Nachtjäger der leibhaftige Teufel. (...) Der Nachtjäger schießt auf die Menschen, welche ihm nicht aus dem Wege gehen, und wohin er trifft, entsteht eine bösartige Krankheit." (Schroller, 1888, S. 360 ff.)
In Schlesien wendet man am Heiligabend die "größte Sorgfalt den Kühen zu. Sie erhalten geweihte Kräuter, das heilkräftige Angelikakraut, Salzschnitten, gekaute Bissen oder inige Scheiben vom Christstriezel. (...) Man gibt den Rindern Äpfel und Honigkuchen und bestreicht die Augenlider mit Honig, damit sie vor (...) einer gefährlichen Augenkrankheit bewahrt bleiben. Ein Stückchen Honig wirft man auch in den Brunnen, um das Waser vor Fäulnis zu bewahren. Stube und Ställe besprengt der Hausvater mit Weihwasser. (...) Diese Sorgfalt gegen die Tiere entspringt vor allem aus der Besorgnis, daß dem lieben Vieh in dieser Nacht von den Hexen Unheil widerfahren könnte. (...) Wer in der Christnacht zwischen 12-1 Uhr an einen Kreuzweg geht, kann dort die Hexen tanzen sehen. (...) Die Hausfrauen machen mit geweihter Kreide Kreuze an die Kuhstalltür, damit die Hexen nicht in den Stall kommen können. (...) Andere entfernen die Melkschemel aus dem Stall, damit die Hexen nichts finden, worauf sie sich setzen können (...) und die Kühe nicht ausmelken können. (...) Am Christabend geht die Hausfrau rückwärts aus dem Milchkeller und hält das Licht vor die Brust. So ist das Licht zuletzt aus dem Keller gegangen, und an dem können die unsichtbaren Hexen nicht so leicht vorbeischlüpfen. (...) Am zweiten Weihnachtsfeiertage verteilte früher ein manchen Dörfern (...) ein Mann von Haus zu Haus Birkenruten, mit denen man die Kühe peitschte. So blieben sie von Würmern befreit. (...) Bald nach dem Abendessen werden die Fischgräten, Nußschalen und andere kleine Speisereste unter die Obstbäume vergraben, damit sie im kommenden Jahr besser tragen. (...) Sobald sich die Hausfrau zu Tische gesetzt hat, soll sie nicht mehr aufstehen, weil ihr sonst im nächsten Jahr die Hühner fortlaufen. (...) Vor allem sucht man (...) am Christabend, durch mancherlei Orakel, das Schicksal zu befragen, z. B. gießt man Blei." (Schroller, 1888, S. 390 ff.)
Erst das im 17. Jahrhundert einsetzende naturwissenschaftliche Denken befreite die Menschen nach und nach von diesen abergläubischen Ängsten. Im Zuge der Aufklärung ging auch die Polizei dagegen vor, wie dieser Erlass aus Wien von 1755 zeigt: https://de.wikisource.org/wiki/Der_Aberglauben_ist_abzustellen
Aus Aberglauben und alten Mythen entstanden Bräuche mit Gestalten, die wir heute nicht mehr mit Weihnachten verbinden, wie Storch (stärkt die Fruchtbarkeit), Bär, Eber, Ziegenbock (erinnert an den Gott Thor) oder den Schimmelreiter. Hier gibt es eine Abbildung und Fotos: https://www.pommerscher-greif.de/weihnachten-im-pommerlande/ (Vgl. Häcker, 2025.)
Beispiele (bei Interesse, der Artikel muss nicht für die Unterrichtsarbeit gelesen werden!) für weitere irrationale Überzeugungen im Volksglauben beschreibt dieser Artikel von 1839: https://de.wikisource.org/wiki/Abergl%C3%A4ubische_Meinungen_und_Gebr%C3%A4uche_in_der_Altmark
Kirchgänge
Es gab in der Nacht vor Weihnachten mehrere Gottesdienste. Die Gläubigen wurden am Heiligabend, um Mitternacht und morgens um 4 Uhr zur Frühmesse in die Kirche gerufen. Zwischen den Gottesdiensten lungerte man in den Straßen herum, trank Alkohol und vergnügte sich - je später die Stunde, desto wilder und wüster. Das galt auch für die Gottesdienste. Solche derbe Ausgelassenheit können wir uns heute kaum vorstellen, ist in Ansätzen aber noch zu Karneval zu sehen (vgl. Häcker, 2025).
Sicherlich gab und gibt es verschiedene Begründungen für die nächtlichen Gottesdienste. In einem Buch von 1668 über Hexenbekämpfung wird gesagt, dass Hexen und böse Geister durch Beten ferngehalten werden können - und die Kirche war genauso abergläubisch wie das Volk. Praetorius schreibt 1668, dass die „Nachtwanderer“ (damit meint er den Teufel, Hexen, Eulen und „andern Lucifugis“) „in Teutschlande … auff den Brockelsberge zusammen kommen“, um das „verfluchte Fest zu begehen. Der leidige Satan nutze dazu die fürnehmsten Fest- und Heilige Feyer-Tag und verspotte sie. Teuffeln und Gespenster“ werden unter anderem häufig „verspüret am Tage Luciae und zu Weynachten“. Deshalb, so erklärt Praetorius, „hat es die Kirche also verordnet, dass die Mönche, Nonnen und alle Geistliche Personen fürnehmlich um die Mitternacht wachen und beten sollten“ – also zur Abwehr von Hexen, Geistern und Gespenstern. (Zur Erklärung: Der Brockelsberg ist der Berg namens Brocken im Harz, er wird im Zusammenhang mit Hexen auch Blocksberg genannt. Der Tag der Lucia ist am 13. Dezember. Man dachte damals, dass an bestimmten Feiertagen, auch an Weihnachten, besonders viele "Lucifugis" unterwegs sind.)
Die Bibelspiele, bei denen Erzählungen aus der Bibel nachgespielt wurden und die schon im Mittelalter beliebt waren, "arteten allmählich, besonders bei der Jugend, aus, so dass z. B. im Jahre 1574 der Rat der Stadt Berlin durch eine Verordnung angewiesen wurde, die bösen Buben, so in der Christnacht in den Kirchen alle Buberey verüben, durch die Stadt-Diener herausjagen oder in die Türme setzen zu lassen ...". Aber alle diese Strafandrohung scheint nichts gefruchtet zu haben, so dass in Folge immer wieder neue Verbote gegen derartige Narrenpossen erlassen werden mussten. So sah sich König Friedrich von Preußen 1711 veranlasst, von neuem hiergegen durch einen Erlass Stellung zu nehmen, 'weil mit denen Lichterkronen auf den Christabend viel Gaukely, Kinder-Spiel und Tumult getrieben wird, als befehlen wir Euch hiermit nicht allein solche Christ- und Lichterkronen gänzlich abzuschaffen, sondern auch die Christ-Messen nicht des Abends, sondern Nachmittags um 3 Uhr zu halten'. Ebenso erhob im Jahre 1739 der preußische König Friedrich Wilhelm gegen 'die bisher üblich gewesenen Ahlfanzereien' am Christabend und in der Kirche geharnischten Einspruch." (Buschan, 1922, S. 28) Ahlfanzerei bedeutete Gaukelei.
Trotz solcher Verbote gingen die Ausschweifungen weiter. Aus Zellerfelde wurde dieser Vorfall im Gottesdienst um 4 Uhr früh im Jahr 1773 bekannt: "Die ganze Kirche ist erleuchtet, es wird musiziert und lateinisch gesungen, wobei die Sänger als Engel verkleidet sind, in weißen Hemden mit grünem Band. Diese Herrlichkeiten locken den Pöbel aus dem benachbarten Bergstädtchen hin, der, um sich gegen die Kälte zu schützen und um das Christfest zu begehen, sich vorher reichlich mit Branntwein versieht; die Kirche ist gepfropft voll, und der Lärm so groß, als wenn die Trommeln eines ganzen Regiments auf einmal schlagen. Der entsetzliche Dampf von Branntwein erfüllt die Kirche und erstickt fast den Prediger. Herr Borhek, der wegen des erstaunlichen Geräusches doch nicht reden konnte, stand auf seiner Kanzel still und sah auf den Unfug der Gemeinde herab. Brennende Lichter, die das besoffene Volk von den Leuchtern riss, flogen in der Kirche umher. (…) Andere wälzten sich schamlos mit den mitgebrachten Weibspersonen in der öffentlichsten Unzucht herum, als wär’s ein Tempel der Venus." (Fußnote: Eine Note des geographischen Magazins sagt, "dass auch an anderen Orten Deutschlands in derselben Nacht in christlichen Kirchen die höchste fleischliche Unzucht getrieben wird. Die Sache wäre der Untersuchung und öffentlichen Bekanntmachung gewiss wert.") "Endlich ward es auf einige Minuten still; und Herr Borhek, der lange gewünscht hatte, zu Worte zu kommen, sagte nun: Er hätte geglaubt vor einer christlichen Versammlung zu predigen, sähe jetzt aber, dass er keine Christen, sondern ärgere als Heiden vor sich hätte u.s.w. Einer aus dem Haufen rief dagegen zur Kanzel hinauf: Warte, komm nur herunter, so soll dich das Donnerwetter regieren! Er musste also oben stehen bleiben, bis sich der Haufen verlaufen hatte." Der entsetzte, noch junge Pfarrer meldete den Vorfall seinen Vorgesetzten und bekam schulterzuckend die lapidare Antwort: "das Volk sei das einmal gewohnt, und es ginge immer so." (aus: Berlinische Monatsschrift 1784. In: Häcker, 2025)
Einen Einblick in das Treiben in der Nacht vor Weihnachten gibt auch dieser Artikel aus dem Jahr 1895 von Alexander Tille, der damals zu Weihnachten forschte: https://de.wikisource.org/wiki/Deutsche_Weihnachten_in_der_guten_alten_Zeit
Einkehr- und Umzugsbräuche
Bei den Umzugsbräuchen zog man gemeinsam durch die Gassen, bei den Einkehrbräuchen trat man ins Haus und bekam gegen einen Segensspruch etwas zu essen oder zu Alkohol zu trinken. Diese Bräuche waren Heischebräuche, "heischen" bedeutet betteln. Es wurde Geld, etwas zu essen, Leckereien und Alkohol erbettelt. Für die jungen Leute, insbesondere die Knechte und Mägde, die kein eigenes Geld und keinen eigenen Wohnraum hatten, war das die einzige Möglichkeit, unabhängig von den Älteren oder der Dienstherrschaft zu feiern. Bei den Einkehr- und Umzugsbräuchen verkleidete man sich, als Knecht Ruprecht, Weihnachtsknecht, Nikolaus, St. Martin, Christkind und dergleichen mehr. Die einfachste Art der Maskierung war, sich das Gesicht mit Ruß schwarz zu machen. (Häcker, 2025)
Ein Theologe namens Georg Rietschel schrieb 1902 über die Umzüge in der Weihnachtszeit: "Vielfach wurden aber solche Umzüge (...) von jungen Burschen ausgeführt, die von Haus zu Haus zogen, allerlei Unfug zu treiben und Gaben zu heischen. Eine um 1670 in Leipzig geschriebene Schrift (...) klagt: "Der heilige Abend wird zum heidnischen Lauf- und Saufabend. Die Gassen sind voll thörichter Irrwische, voll Büberei und Mutwillen, voll Gaukelei und Phantasei, (... wobei) vermummte Personen mit klingenden Schellen herumlaufen, sich für des Christs Knecht, St. Martin oder Niklas ausgeben, die Kinder erschrecken, zum Beten antreiben und mit etwas wenigem beschenken. (...) Die drei letzten Nächte vor Weihnachten heißen in Tübingen und Stuttgart "Knöpflinsnächte". Die Knaben werfen und schießen abends mit einem Rohr Erbsen, Gerste und dergleichen an die Fenster, worauf gewöhnlich mit Schelten und Schlägen geantwortet wird. In Schwäbisch-Hall wurden 1685 die Knöpflinsnächte verboten." (Rietschel, 1902, S. 120)
Aus dem Jahr 1702 ist (aus dem Raum Süd-Thüringen/Nord-Bayern) folgende Verordnung für Knecht-Ruprecht-Gestalten überliefert: "Sollte der Knechte Ruprecht’s dann auf den Nicolausabend nicht mehr als Einer, auf den heiligen Weihnachtsabend aber drei hiermit zugelassen werden, sich einer mehreren Modestie, als bisher, befleißigen, der Peitschen, allen und jeden Tumultierens und Schreiens, auch andern Alfanzereien, unartiger Händel, Gesticulationen und häßlichen Geberden und Kleidungen gänzlich enthalten, als wodurch der dießfalls intendirte Spaß nich allein gehindert, sondern auch allerhand Ärgerniß gegen werden könnte. Sollten sich allein ermeldete Knechte sich nicht unterstehen, bald in dieser in jener Gasse allein herum zu laufen, oder auf die Leute mit Schlägen und sonst ungebührlich zu tractiren, sondern auch Jeder, so zu denselben gehöre, sich in Allem dergestalt zu verhalten, damit man hierdurch zu einer scharfen Verordnung nicht Anlaß bekommen möge.“ (F. Reimann, 1839, S. 216 ff. Vgl.: Häcker, 2025)
"Im Argau ziehen die jungen Leute (am Nikolausabend) aufs Feld und schwingen im Takte eine mächtige Peitsche, so dass ein knallendes Geräusch 'wie Böllerschüsse' entsteht. Mit diesem Klausklöpfen will man die bösen Geister vertreiben. Im Gothaischen schrecken die Burschen in grausiger Vermummung die Mädchen mit schellen und Peitschen. In Kaltbrunn, Konton St. Gallen, wird seit Jahrhunderten am Nikolaustage das 'Klausen' verübt." (G. Buschan, 1922, S. 21)
- Das Klausentreiben gibt es heute noch bzw. wieder: https://www.klausenverein-sonthofen.com/ oder https://brauchtum.net/klausentreiben/ oder auch https://de.wikipedia.org/wiki/Klausentreiben
- In München findet seit 2004 - aus folkloristischen Gründen, um die alte Tradition wiederzubeleben - das "Krampuslaufen" statt: https://www.christkindlmarkt-muenchen.de/programm/krampuslauf
- Auch im bayerischen Ort Kirchseeon gibt es wieder Perchtenumzüge: https://www.perchten-kirchseeon.de/galerie/ Schau dir die Fotos in der Galerie an!
Auch das Sternsingen war ein Heischebrauch:
Das Ortsarchiv von Eger in Böhmen vermerkt am 4. Januar 1629: Wenn Bartl Gruber und "consortes (...) bitten, sie mit dem Stern in der Stadt umbsingen zu lassen, sind sie (hiermit) abgewiesen, weil die burgerschafft (schon) genug unter hiesige arm Leutt zu spendieren hat." (Moser, 1935, S. 25)
Im Ortsarchiv von Braunschweig findet sich dieser Eintrag vom 6.1.1637: "Heute am heil. Dreikönigstage abends um 7 Uhr haben etliche Knaben (...) mit dem Stern (...) umgesungen und (...) vor (...) des Riemenschneiders Tür (...) waren ihrer drei ziemlich starke Knechte zu ihnen eingefallen und geschlagen, also daß der Stern erloschen und sie von einander geflohen. Einer der Knaben aber wurde dabei erschlagen." (Moser, 1935, S. 25)
Aus Wien ist ein Bericht aus dem Jahr 1647 über die Sternsinger erhalten geblieben, der das Sternsingen eine "Komödie" nennt. Und nun wären dabei allerhand unzüchtige und zweideutige Worte gefallen. Auch unterstanden sich "diese Comaedieanten, wann sie Nachts oder Tags auf der Gassen gehen die Weibspersonen ungebuerlich anzutasten, auch sonsten ain ungewöhnliches geschray und Juchezen zu haben". "Nun sind geistliche und auch weltliche züchtige Komödien zwar erlaubt, wenn aber der Ehrbarkeit zuwiderlaufende Dinge dabei vorkommen, sind die Ausführenden zu strafen." (Moser, 1935, S. 26)
In Lübeck wurde am 21.12.1678 verfügt: "Dieweil das vergangene Jahr mit umblauffung des Sternes auf der Gassen un agirung des Heil Christs in Häusern und Handwerkspurssen so viel Unfug fürgenommen, der Hl. Nahme Gottes gemißbraucht, mit dem gesinde Üppigkeit getrieben, den Kindern groß ärgerniß gegeben, auf den Gassen geschrieen und gejauchzt worden, umb solches diß Jahr abzuschaffen, soll ein Verbot von den Kanzeln verlesen werden." Weiter wird berichtet: "Es hatten dann etliche Soldaten und Maurergesellen geklagt, sie (...) wären sonst ohne Erwerb." (Moser, 1935, S. 27)
Das Sternsingen ist in katholischen Regionen noch heute ein beliebter Brauch. Heute bedeutet Sternsingen, dass Kinder (die als Casper, Melchior und Balthasar verkleidet sind) am 6. Januar von Tür zu Tür ziehen und für Kinder in Not sammeln.
Für Lehrerinnen und Lehrer
Ziele dieser Unterrichtssequenz und didakt.-meth. Überlegungen
In der Hauptsache geht es darum, einen Eindruck von dem weihnachtlichen Leben der Menschen zu bekommen in einer Zeit, in der der Alltag noch sehr mittelalterlich geprägt war, um im nächsten Schritt (vgl. das Unterrichtsmaterial zu Friedrich Schleiermacher!) die Leistungen der Aufklärung einordnen zu können. Dazu werden mehr oder weniger bearbeitete historische Quellentexte gelesen, die inhaltlich verstanden werden sollen, was sprachlich eine Herausforderung ist.
Da es nur darum geht, einen Eindruck zu bekommen, ist es ausreichend, dass Schülerinnen und Schüler sich nur mit je einem der drei Themen intensiver befassen und dieses dann vorstellen. Dazu bietet sich z. B. eine Variante des Gruppenpuzzels an.
Anmerkungen
Zu den Einkehr- und Umzugsbräuchen:
Neben dem abergläubischen Geisteraustreiben durch grausige Masken und Lärm ging es auch gern darum, Kinder und Mädchen zu erschrecken. Kindern Angst einzujagen und mit Mädchen auf diese derbe Art zu flirten, hielt man damals für gelungenen Spaß.
Die einfachste Art, sich furchterregend zu verkleiden, war das Einschmieren des Gesichts mit Ruß. Das schwarzgefärbte Gesicht sah gruselig aus und ließ an den Teufel denken, den man sich ebenfalls schwarz vorstellte. Schwarz war die Farbe, die an die dunkle, angsteinflößende Nacht erinnerte. Man muss sich vergegenwärtigen, dass Kerzen so teuer waren, dass man oft nur ein Licht in der Stube hatte. Schon der Gang zum Plumpsklo außerhalb des Hauses war ohne jedes Licht und unheimlich, weil man an raschelnden Ratten vorbeigehen musst, vielleicht plötzlich die Katze einem um die Beine strich oder ein aufgeschrecktes Käuzchen um die Ohren flog - und das alles im Stockdunkeln. Auch mit dem Schornsteinfeger, der schwarz wegen dem Kaminruß war, verband sich Aberglauben, denn er säuberte den Schornstein, durch den die Hexen ins Haus fahren konnten. Bei diesem Färben des Gesichts mit Ruß gab es aber keinerlei Assoziation mit schwarzer Haut oder dunkelhäutigen Menschen - die Bräuche sind in einer Zeit entstanden, als die meisten Menschen in den Regionen dieser Bräuche noch nie einen Menschen mit anderer Hautfarbe als der eigenen gesehen hatten und sie in ihrer Vorstellungswelt deswegen überhaupt nicht vorkamen. Der Gegensatz zur dunklen Nacht war der helle Tag, der nicht gefürchtet wurde. Entsprechend wurde weiß als Farbe dafür verwendet, z. B. wenn das Christkind sich das Gesicht mit Mehl weiß färbte.
Zum Begriff Aberglaube / Volksglauben:
Der Begriff Aberglaube ist nicht ganz unproblematisch, er hat eine negative Konnotation und beinhaltet eine Wertung, die sich an der herrschenden Meinung orientiert. Teilweise wird deshalb eher der Begriff Volksglaube verwendet. In diesen Texten werden jedoch beide Begriffe genutzt, es wird auf den Begriff Aberglauben nicht verzichtet. Aus zwei Gründen: Zum einen ist der Begriff für die Schülerinnen und Schüler besser verständlich als der eher unklare Begriff Volksglauben. Zum anderen ist in dem Kontext der hier thematisierten Epoche aus Sicht der Autorin eine Bewertung durchaus angebracht: Es war definitiv eine nicht zu unterschätzende Leistung der Aufklärung, die Menschen von ihren irrationalen Ängsten und sinnlosen Kulten zu befreien sowie Vorurteilen und Verurteilungen von Hexen etc. ein Ende zu bereiten. Aberglauben und Verschwörungsmythen nicht negativ zu konnotieren ist im Sinne von politischer und ethischer Bildung ebenfalls hochproblematisch! (Zur Problematik der Begriffe: https://de.wikipedia.org/wiki/Aberglaube und auch https://de.wikipedia.org/wiki/Volksglaube)
Literatur
- Häcker, Sabine: Wem gehört Weihnachten? Eine kultur- und religionsgeschichtliche Erkundung. (Nov. 2025)
- Buschan, Georg: Das deutsche Volk. Geburt, Liebe, Hochzeit, Familienleben, Tod, Tracht, Wohnweise, Volkskunst, Lied, Tanz und Spiel, Handwerk und Zünfte, Aberglaube. 1922.
- Moser, Hans: Zur Geschichte des Sternsingens. In: Bayerischer Heimatschutz. Zeitschrift für Volkskunst und Volkskunde, Heimatschutz und Denkmalpflege. Hrsg: Bayerischer Landesverein für Heimatschutz e. V. in Verbindung mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und dem Bayerischen Nationalmusuem. München 1935.
- Praetorius, Johannes: Blockes-Berges Verrichtung. 1668, S. 512 f. (Zitat gekürzt; S. H.) In: https://www.deutschestextarchiv.de/book/view/praetorius_verrichtung_1668?p=536.
- Reimann, Friedrich A.: Deutsche Volksfeste im 19. Jahrhundert. Weimar 1839.
- Rietschel, Georg: Weihnachten in Kirche, Kunst und Volksleben. Bielefeld und Leipzig 1902.
- Schroller, Franz: Eine Schilderung des Schlesierlandes. Frankfurt am Main 1888.
Hinweis zum Anliegen der geschlechtergerechten Sprache: Es wird die generische Variante in ihrer genderneutralen Definition verwendet. Das grammatikalische Geschlecht von Sprache ist dabei keinesfalls mit dem biologischen oder sozialen Geschlecht von Menschen gleichzusetzen!
